Siegel der Schatten

Disclaimer: alles außer der Story gehört JKR und Takahashi-sama

Pairings: wie gehabt: Yami/Yuugi, Harry/Draco, Seto/Joey, Ryou/Bakura/Marik, Hermine/Ron, Remus/Severus


Siegel der Schatten

35. Verzweiflung

In dem Moment, in dem Voldemort getroffen wurde und nach hinten taumelte, verschwand das Schattenreich übergangslos. Harry wurde nach der relativen Stille der Schatten beinahe von dem Tumult der Kämpfe überwältigt, die noch immer um sie herum tobten. In diesem Chaos ging das leise Geräusch des zu Boden fallenden Körpers beinahe unter. Doch nur beinahe.

Einige Dutzend Flüche schwirrten weiter durch die Luft, doch sie wurden weniger und weniger, je mehr Sekunden verrannen, in denen sich der Dunkle Lord nicht aus seiner Position am Boden erhob. Und dann stoppte auch der letzte Todesser seinen Angriff auf die Verteidiger Hogwarts und sie alle, selbst jene in 50 Metern Entfernung, starrten auf ihren gefallenen Anführer. Die Zauberer um Dumbledore hielten weiter ihre Zauberstäbe auf die Angreifer gerichtet und ließen in ihrer Aufmerksamkeit nicht nach. Doch sie alle nutzten die Gelegenheit, wieder zu Atem zu kommen und jeder von ihnen warf immer wieder einen hoffnungsvollen Blick auf den Körper am Boden. War es wirklich vorbei?

Harry senkte seinen Zauberstab einige Zentimeter und sank erschöpft gegen Draco, der noch immer direkt hinter ihm stand und nun ihre Umarmung noch intensivierte. Doch Dracos Körper war noch immer kampfbereit angespannt, denn selbst er, der einen der beiden tödlichen Zauber ausgesprochen hatte, konnte noch nicht glauben, dass Voldemort wirklich tot sein konnte.

Harry sah als einziger nicht auf den gefallenen Feind. Im Gegensatz zu allen anderen wusste er, dass es vorbei war. Diese Verbindung, die er immer in seinem Kopf gespürt hatte, war gekappt. Sein Geist gehörte wieder völlig ihm und dies konnte nur bedeuten, dass der Kampf gegen Voldemort endgültig vorüber war.

Nach und nach schien diese Erkenntnis auch bei den anderen Kämpfenden anzukommen. Voldemort würde sich nicht so lange Zeit lassen, sich zu erheben, wenn er nur verwundet wäre oder wenn alles nur ein Trick zur Täuschung der Verteidiger war. Insgesamt verstrich fast eine halbe Minute, ohne dass ein einziger Fluch über das Schlachtfeld geschickt wurde. So lange brauchten die Todesser, um zu realisieren, dass ihr Anführer tatsächlich tot war und solange brauchten die Verteidiger Hogwarts um zu begreifen, dass sie gesiegt hatten.

Wer jedoch reagieren konnte, war Harry und dieser nutzte seinen Vorteil auch rücksichtslos aus. Harry ahnte, was geschehen würde, wenn die Gefolgsleute Voldemorts ihre Situation endgültig begriffen und akzeptiert haben würden. Anstatt also wie alle auf den gefallenen Zauberer zu starren, hob Harry seine Zauberstabhand wieder und flüsterte leise und nur für Draco hörbar Schutzzauber, die er auf alle Verbündeten in seiner Nähe legte. Draco reagierte nur Augenblicke später und unterstützte seinen Geliebten in diesen Bemühungen und so waren sie vorbereitet, als dann endlich auch die anderen Kämpfenden reagierten.

Entsprechend Harrys Erwartungen waren es die Todesser, die zuerst handelten und natürlich reagierten die meisten mit Flucht. Besonders die Todesser, die an vorderster Front gegen Dumbledore gekämpft hatten und Voldemort somit am nächsten gestanden hatten, wussten, was ihnen bei einer Niederlage drohte. Bellatrix Lestrange, die Carrows, Mulciber und McNair waren die ersten, die zu disapparieren versuchten. Ihnen folgten Crabbe und Goyle, Rookwood, Yaxley und Dolohow. Sie alle kamen nicht weit.

Die Disappariersperre hing noch immer über dem Schlachtfeld und so gelang es keinem der Todesser, sich aus dem Staub zu machen. Sie hätten natürlich in das Schloss apparieren und die Zauberer angreifen können, die die Sperre aufrecht hielten. Aber die Verteidiger Hogwarts gaben ihnen gar nicht die Gelegenheit, diesen Plan überhaupt zu fassen, geschweige denn in die Tat umzusetzen. Binnen weniger Sekunden schwirrten erneut hunderte von Zaubersprüchen durch die Luft. Die Todesser sahen sich nun jedoch nicht mehr mit hoffnungslosen und unterlegenen Kämpfenden konfrontiert, sondern mit siegessicheren Zauberern und Hexen, die wussten, dass sie diese Schlacht schon längst gewonnen hatten. Und dazu kam, dass keiner der Unverzeihlichen der Todesser einen der Verteidiger traf. Harrys und Dracos Schutzzauber hielten zwar immer nur für Sekunden und mehr als ein Unverzeihlicher pro Person wurde auch nicht abgeblockt, bevor die Zauber ihre Wirkung verloren. Doch das war völlig ausreichend. Eine weitere halbe Minute später waren alle Todesser im Zentrum des Schlachtfeldes entwaffnet und lagen mit Körperklammern oder anderen Zaubern zur Bewegungslosigkeit verdammt auf dem Boden. Die Todesser in den äußeren Randbereichen des Kampfbereiches hatten sich schon längst zu Fuß zur Flucht gewandt und tauchten nun nach und nach zwischen den Bäumen des Verbotenen Waldes unter. Eine trügerische Sicherheit, denn alle Zauberer wussten, dass in diesen Bäumen die Zentauren und die anderen Monster des Waldes auf die Gelegenheit warteten, ihren Anteil an der Schlacht zu leisten. Schon jetzt erklangen die ersten gequälten Schreie aus dem nachtschwarzen Dickicht und brachte die Flucht der Todesser in dieser Richtung ebenfalls ins Stocken.

Nachdem die Todesser im Zentrum der Schlacht also besiegt waren, folgten die wenigen Auroren und Ordenszauberer, die noch in der Lage waren, zu kämpfen, den fliehenden Gegnern an den Rand des Waldes. Sie hatten es jedoch nicht mehr sehr eilig und Harry konnte außerdem beobachten, wie die meisten niederen Todesser einfach ihren Zauberstab zu Boden fallen ließen und darauf warteten, von den Auroren abtransportiert zu werden. Sie hatten den Kampf verloren, waren aller Fluchtmöglichkeiten beraubt und befanden sich mittlerweile sogar in der Unterzahl. Warum für eine Sache sterben, die nicht mehr existierte?!

Nun endlich, über zwei Minuten, nachdem Voldemort tot zu Boden gesunken war, erklang ein Jubeln aus müden aber dennoch siegesgewissen Kehlen. Die Zauberer und Hexen, die sich nicht auf die Jagd nach versprengten Todessern gemacht hatten, brachen danach an vielen Stellen vor Erschöpfung zusammen und sanken in die Knie. Doch sie taten es mit einem glücklichen und zufriedenen Lächeln. Erst jetzt schien die Erkenntnis richtig anzukommen, dass die Schlacht, die seit Voldemorts Widerauferstehung vor drei Jahren fast ununterbrochen währte nun tatsächlich und zu ihren Gunsten zu Ende gegangen war. Pärchen fielen sich in die Arme und küssten sich. Freunde klopften sich erschöpft auf die Schultern, glücklich darüber, noch am Leben zu sein und die bessere Zukunft genießen zu können.

Harry sah Hermine und Ron eng umschlungen nicht weit von sich entfernt in einem tiefen Kuss versunken. Direkt daneben stand Professor Snape und küsste Remus ebenfalls innig. Der schwarze Umhang des Zaubertränkeprofessors umhüllte dabei Remus Nacktheit und Harry ertappte sich bei dem Gedanken, dass er den beiden Männern alles Glück der Welt wünschte. Dumbledore stützte Professor McGonagall, die ganz offensichtlich am Bein verletzt worden war. Doch der Schulleiter warf Harry einen dankbaren und auch stolzen Blick zu und Harry nickte lächelnd zurück. Nun war nicht mehr die Zeit für Groll oder Vorwürfe. Was geschehen war, lag in der Vergangenheit und was zählte, war nur noch die glückliche Zukunft. Dumbledore verdiente Harrys Vergebung, denn nur so konnte Harry selbst die Vergangenheit hinter sich lassen.

Plötzlich schlangen sich warme Arme um Harrys Hüften und Draco trat halb um Harry herum.

Wortlos presste der Blonde seinen Lippen auf Harrys und der Gryffindor erwiderte den Kuss erschöpft aber überglücklich. Sie hatten gesiegt. Harry hauchte einen zweiten Kuss auf Dracos Lippen und drehte sich dann erleichtert lächelnd zu Yami und Yuugi um, die noch immer hinter ihm stehen mussten.

„Es ist endlich vorbei. Ohne euch…."

Harrys Stimme erstarb mitten im Satz und er blieb für die nächsten Sekunden haltsuchend an Draco gelehnt stehen. Das konnte nicht wahr sein! Harry nahm nur am Rande wahr, wie sein Geliebter ihn tröstend umarmte, obwohl Dracos eigene Hände ebenfalls zitterten und Harry deutlich dessen erschrockenes Atmen hörte. Keiner der beiden Freunde sprach ein Wort, denn was konnten sie schon sagen? Was konnten sie für den Mann tun, der zusammen mit seinem Geliebten den Sieg über Voldemort überhaupt erst möglich gemacht hatte? Angesichts des Bildes, welches sie nun vor sich sahen, verblasste ihre Freude und ihr Glück, dass sie noch Sekunden zuvor empfunden hatten. Denn jetzt erst erkannten Harry und Draco, dass der Sieg über Voldemort in den letzten Sekunden noch einen enormen Preis gekostet. Einen Preis, von dem die Zauberer nicht einmal bemerkt hatten, dass er bezahlt worden war. Denn nicht sie hatten ihn gezahlt, sondern Yuugi.

Vor ihnen kniete der junge Japaner bewegungslos am Boden. Sein violetter Blick starrte blind und blicklos ins Leere. Tränen rannen an Yuugis Wangen herab, ohne dass der Mann überhaupt darauf reagierte. Nur das schwache Heben und Senken seiner Brust zeigte überhaupt, dass Yuugi noch am Leben war. Und das zertrampelte Gras um Yuugi herum war leer.

Yuugi war allein.

Von Yami war keine Spur zu sehen.

Harrys Blick suchte beinahe panisch die Umgebung ab, doch an der ersten Erkenntnis änderte sich nichts. Mitgefühl wallte in Harry auf und schnürte ihm fast die Kehle zu. Yuugi hatte Yami verloren.

„Er muss nicht tot sein." Harry brauchte eine Sekunde, um die Bedeutung von Dracos geflüsterten Worten an seinem Ohr zu erkennen. Noch während ihn die Erkenntnis traf, eilte plötzlich ein dunkler Schemen an ihm vorbei und Seto kniete sich vor Yuugi auf den Boden. In der gleichen Sekunde flimmerte neben dem CEO die Luft und aus den Schatten erschien Bakura und kniete sich ebenfalls vor seinem Freund nieder. Es musste Bakura sein, denn Ryou wäre angesichts des bedauernswerten Zustandes seines Freundes nicht so ruhig geblieben. Der Grabräuber hob hingegen nur sanft den Kopf Yuugis etwas an und starrte zwingend und beschwörend in die leeren Augen. Seto legte Yuugi eine Hand auf die Brust und rief beherrscht aber eindringlich Yuugis Namen.

Harry atmete angestrengt ein und schrak dadurch aus der Erstarrung, in der er seit seinem ersten Blick auf Yuugi gefangen war. Dann löste er sich aus Dracos Umarmung, die gleichzeitig trostspendend und haltsuchend war und machte einen verzweifelten Schritt auf die drei Schattenmagier zu. Doch er wagte es nicht, seine Frage zu stellen. Er wagte es nicht, Seto und Bakura abzulenken, während diese weiterhin konzentriert vor Yuugi knieten und immer wieder mit für beide Männer ungewohnt sanfter, beinahe zärtlicher Stimme Yuugis Namen riefen. Die schlecht verborgene Rivalität zwischen Bakura und Yami und Yuugi war niemandem in Hogwarts entgangen und insbesondere Harry und Draco wussten aufgrund ihres Trainings mit den Schattenmagiern in den letzten zwei Wochen, dass diesen Spannungen eine tiefe Feindschaft zugrundelag, die sich wohl niemals ganz legen würde. Doch nun spiegelte Bakuras ganze Haltung nur Sorge wider.

Aus den Augenwinkeln sah Harry, wie Dumbledore, noch immer Professor McGonagall stützend, langsam auf sie zukam. Auch Hermine, Ron und die anderen Hogwartsprofessoren, die Yuugi und Yami in den letzten Wochen als Freunde wertschätzen gelernt hatten, kamen nun schweigend und mit ernstem Blick zu ihnen heran. Keiner sprach ein Wort. Keiner fragte das, was ihnen allen auf der Seele lastete. Denn sie alle fürchteten, dass die Antwort ja lauten könnte.

Am Rande realisierte Harry, dass sie und die drei Schattenmagier das ruhige Auge eines schwirrenden Bienenschwarmes darstellten. Um sie herum wurden magische Laternen herbeigezaubert, um die Aufräumarbeiten zu erhellen. Die Auroren und Ministeriumsangestellten begannen, die gelähmten oder getöteten Zauberer – Freund wie Feind - abzutransportieren. Die Disappariersperre war aufgehoben worden und selbst die Leiche Voldemorts war schon fort. In der Ferne begannen die Zauberer, die noch kräftig genug dazu waren, damit, die Schäden an den Ländereien Hogwarts zu beseitigen.

Harry konnte die Gleichgültigkeit der Zauberer des Ministeriums und der Auroren einerseits verstehen, denn sie hatten die Schattenmagier nur als anfängliche Feinde und später als rätselhafte und schwer einzuschätzende Verbündete gekannt. Keiner von ihnen hatte sie als Freunde und Leidensgenossen kennen gelernt. Und doch wäre Voldemort ohne die Schattenmagier nun nicht vernichtet und in Harrys Innerem wallte stumme Wut auf diese Gleichgültigkeit auf, die er nur mit Mühe verdrängte. Dracos Hand drückte warm und beschwichtigend die seine und Harry wusste, dass der Slytherin ähnliche Gedanken hatte.

Doch dann holte Seto Harry wieder aus seinen trüben Überlegungen. Eindringlich flüsterte der Firmenchef noch immer Yuugis Namen, aber als weiterhin jede Reaktion ausblieb, hob der Mann seine Stimme und rief fast beschwören: „Yuugi, der Pharao ist immer noch da. Du musst ihn nur finden."

Das bewirkte eine Reaktion, denn Yuugis Körper krampfte sich plötzlich zusammen und wurde dann von lautlosem Schluchzen geschüttelt. Bestürzt sahen sich Seto und Bakura an und Harry ahnte, was die beiden dachte. War der Geist des ehemaligen Pharaos wirklich noch da? Die Tatsache, dass Yamis Leiche nicht neben Yuugi lag, hatte allen Anwesenden zumindest diese, wenn auch schwache, Hoffnung gegeben.

In den letzten langen Minuten war diese Hoffnung das einzige gewesen, was Harry daran hinderte, von Mitgefühl und Trauer überwältigt zu werden. Dracos Worte hatten diese Hoffnung in Harry geweckt und Harry hatte sich verzweifelt daran geklammert.

Das Fehlen von Yamis Körper musste nicht zwingend dessen Tod bedeuten. Gerade weil der Körper nicht mehr da war, konnte Yami doch einfach in ihren gemeinsamen Seelenraum zurückgekehrt sein. Er hatte ja genau in dieser Form die letzten Jahre mit Yuugi zusammen verbracht. Harry und seine Freunde kannten die Worte des Rituals, das zur Beschwörung Yuugis und Yamis geführt hatte. Sie alle wussten, dass Yami nur durch dieses Ritual seinen eigenen Körper erhalten hatte, auch wenn sich keiner der Hogwartsmagier dieses Phänomen erklären konnte. Der Grund des Rituals war nun nicht mehr existent. Voldemort war besiegt. Es ergab also einen traurigen Sinn, dass nun auch Yamis Körper nicht mehr existierte, wie schmerzlich dies auch für Yuugi und Yami war.

An diese Hoffnung hatte sich Harry geklammert, als er Yuugi so verloren da allein auf dem Schlachtfeld hatte knien sehen. Denn natürlich hatte der Verlust von Yamis Körper Yuugi und den Pharao schwer getroffen. Harry erinnerte sich noch gut an die Worte Yuugis und Yamis damals in der Großen Halle, als die beiden ihnen von der Zeit vor dem Ritual erzählt hatten und wie schwer es für die beiden Geliebten gewesen war, nur in einem Körper zu existieren.

Yami und Yuugi hatten alles riskiert, um einen Feind zu besiegen, der nicht primär der ihre gewesen war. Es erschien unfair, dass sie es waren, die einen solchen Preis zahlen mussten, während die meisten der Zauberer und Hexen relativ unbeschadet aus diesem Kampf hervorgegangen waren. Sie mussten nun also wieder zu einer Existenz zurückkehren, wo Yami „nur" in Yuugis Gedanken existierte und waren dazu verdammt, sich zu lieben, ohne sich körperlich lieben zu können. Harry hätte an Yuugis Stelle ähnlich verzweifelt reagiert, wenn er mit einem solchen Schicksal konfrontiert worden wäre, nachdem er noch dabei geholfen hatte, die Welt vor dem Untergang zu bewahren.

Doch Yuugis Reaktion auf Setos beschwörende Worte ließen auch diese letzte Hoffnung schwinden. Und in allen wurde die Frage immer lauter, die sie von Anfang an nicht gewagt hatten zu stellen, obwohl sie sie alle als schlimmste Möglichkeit erkannt hatten.

Konnte es sein, dass der Preis, den Yuugi und Yami für ihre Unterstützung des Kampfes gezahlt hatten, weit größer war?

Konnte es sein, dass Yuugi tatsächlich allein in seinem Geist war?

War es möglich, dass die Seele des Pharaos den Kampf nicht überlebt hatte?


Yuugi rannte durch die Dunkelheit. Er rannte und rannte und mit jedem Schritt und jeder Sekunde die verging, wurde seine Verzweiflung größer. Yami war fort!

Yuugi wusste, dass um ihn herum nichts war. Keine Wand aus altem Sandstein, keine Treppenstufen aus behauenem Marmor oder selbst aus simplen Holzbalken und vor allem keine Türen mit Goldbeschlägen und ägyptischen Schriftzeichen. Um ihn herum war einfach nur eine weite, gähnende Leere aus schwarzem Nichts.

Anfangs war er nur vorsichtig über den Boden gekrochen, auf der Suche nach einer Wand, an der er sich orientieren konnte. Er hatte erst geglaubt, er sei blind geworden, denn es machte keinen Unterschied, ob der die Augen zusammen kniff oder weit aufriss. Alles um ihn herum war schwarz. Außerdem hatte er kurz geglaubt, taub zu sein, denn er konnte nicht einmal seinen Atem hören, geschweige denn seine eigene Stimme mit der er laut nach seinem Geliebten rief. Doch mittlerweile war es ihm egal, ob er blind und taub geworden war. Was er wusste, war, dass er nicht auch noch stumm war, denn er spürte die Vibration seiner Stimmbänder, wenn er Yamis Namen in das Nichts hinaus rief.

Nachdem er stundenlang, wie es schien, auf allen Vieren gekrochen war und keinen Widerstand gefunden hatte, war er irgendwann aufgestanden und hatte sich zu Fuß erst zögerlich und dann immer schneller auf die Suche nach Yami gemacht. Der fugenlose Boden aus kaltem Stein führte scheinbar in alle Richtungen und so war Yuugi einfach irgendwann mit einer ausgestreckten Hand nach vorn und einer zur Seite losgelaufen. Weitere Stunden waren vergangen und seine Stimmbänder waren mittlerweile heiser und entzündet. Mehr als ein Krächzen konnte nicht mehr herauskommen, wenn er den Namen des Pharaos rief, doch das hinderte Yuugi nicht daran, weiter nach Yami zu rufen.

Denn wenn er aufhörte, würde er hinnehmen, was ihm sein logischer Verstand schon die ganze Zeit versuchte zu sagen - was sein Herz sich aber weigerte zu akzeptieren.

Yami war fort.

Yuugis Geist war allein in der Dunkelheit.

Es war nicht das Schattenreich, was den jungen Mann umgab. Dessen Präsenz hätte er gespürt. Und die Schatten hätte er um Hilfe bitten können. Sie hätten ihn zu Yami geführt oder ihm wenigstens einen Hinweis gegeben oder die Richtung gewiesen. Lange Zeit hoffe Yuugi, dass er im Labyrinth des Milleniumspuzzles umherirrte. Vielleicht war seine Geistergestalt geschrumpft, weshalb der Boden so fugenlos und das Nichts so unendlich wand- und türenlos erschienen. Vielleicht lief er seit Stunden über ein und dieselbe Steinplatte und musste sich einfach nur noch mehr anstrengen, um irgendwann den Weg zur nächsten Steinplatte zu finden.

Doch die Zeit verrann und nichts änderte sich. Tränen der Anstrengung und der Verzweiflung liefen über Yuugis Wangen. Seine Stimme war mittlerweile so heißer, dass er sicher war, kein Ton verließ mehr seine Lippen. Und doch rief er weiter ununterbrochen nach Yami.

Weitere Stunden vergingen.

Sein Atem ging keuchend und mittlerweile waren seine Wangen trocken und mit salzigen Spuren verkrustet, denn er hatte einfach keine Tränen mehr übrig, die er vergießen konnte. Seine Augen sahen noch immer nur diese undurchdringliche Schwärze und seine Ohren vernahmen nur durch die Druckwelle das Pulsieren seines Blutes. Kein Laut drang an sein Ohr.

Und dann geschah doch etwas.

Der Boden endete und Yuugi fiel.

Tiefer und immer tiefer stürzte Yuugi durch die undurchdringliche Schwärze und doch verspürte er keine Angst. Nichts konnte ihn mehr erschrecken, als der Gedanke, Yami für immer verloren zu haben. Während er scheinbar tagelang durch dieses Nichts stürzte, erinnerte er sich an all die kostbaren Stunden, die er mit Yami an seiner Seite verbracht hatte. Seine Gedanken wanderten rückwärts durch die Zeit. Er erinnerte sich an den Kampf, den sie gemeinsam an der Seite der Zauberer gekämpft hatten und in dem sie all ihre Macht hatten einsetzen müssen, um nicht nur ihre Monster und die ägyptischen Götterkarten in die Realität zu rufen, sondern auch das Schattenreich selbst bis an die Grenze zwischen Magie und Wirklichkeit zu bringen – aber nicht darüber hinaus. Es hatte sie all ihre Kraft gekostet, die Schatten in dem erlaubten Gebiet zu halten und sie am Ende auch wieder zwischen die Dimensionen zurückzudrängen, wo sie zu Hause waren und für immer sein musste.

Dann erinnerte sich Yuugi an die Zeit in der er und sein Aibou die Freuden von getrennten Körpern hatten auskosten dürfen und er sehnte sich so sehr nach dieser Zeit zurück, dass es weh tat. Anschließend erinnerte er sich an die Zeit, in der sie eins waren, sowohl im Körper als auch in der Seele und auch wenn er sich noch Sekundenminutenstundentage zuvor gewünscht hatte, Yami in einem getrennten Körper bei sich zu haben, sehnte er sich nun nur noch danach, Yami überhaupt als Geist wieder bei sich zu haben.

Dann kehrten Yuugis Erinnerungen zu der Zeit zurück, als er Yami zwar in seinem Geist gespürt hatte, aber ihre Liebe noch ungeboren und unerkannt unter einer Schicht aus inniger Freundschaft verborgen war. Und nun sehnte er diese Zeit schmerzlich herbei, denn er wusste, was als nächstes kommen würde. Er musste Yami nicht als seinen Geliebten in getrenntem Körper haben. Er musste Yami nicht einmal als geliebte Seele in ihrem gemeinsamen Geist haben – solange er Yami überhaupt hatte.

Und dann war auch das fort und Yuugi erinnerte sich an die Zeit der Einsamkeit, als er das Puzzle noch nicht besaß. Als er Yami noch nicht kannte und als sein Geist einsam und allein in seinem Kopf gewesen war – so wie in den Monaten und Jahren des Rennens durch das Nichts und vor dem Fall.

Und mit einem Schlag dämmerte Yuugi die Erkenntnis, dass er nicht der Einzige war, der so einsam sein musste. Yami und er teilten ein gemeinsames Schicksal. Wenn er hier allein für Jahrhunderte durch das Nichts fiel, dann erging es dem Pharao genauso.

Irgendwo dort draußen war Yami einsam und von seinem Geliebten getrennt – so wie er es zuvor schon 3000 Jahre lang gewesen war. Bis zu dem Zeitpunkt, als Yuugi endlich das Puzzle gefunden und zusammen gesetzt hatte.

Nun war Yami wieder allein und der Gedanke daran schnürte Yuugi die Kehle zusammen und hinderte ihn tatsächlich endgültig daran, den Namen seines Geliebten in das Nichts zu schreien. Wieso geschah das mit dem Pharao? Der Mann hatte schon mehr geopfert als jemals ein Mensch zuvor hatte opfern müssen. Er hatte seinen Namen und sein Leben, seine Freiheit und seine Ziele, seine Zukunft und seine Vergangenheit geopfert, um die Realität vom Schattenreich zu trennen. Dann hatte er in Einsamkeit gewacht, um die Sicherheit der Menschen weiterhin zu gewährleisten und die Menschheit vor ihrer eigenen Sucht nach Macht zu bewahren. Nur seine Wache verhinderte für lange Zeit, dass Herrscher und Könige, Diebe und Räuber, Bettler und Forscher das Schattenreich erneut entdeckten und im Streben nach Weisheit oder Macht nutzten und anderen schadeten.

War es zu viel verlangt gewesen, nach all diesen Qualen und all diesen freiwillig gegebenen Opfern eine Belohnung zu genießen? Eine Belohnung, die Yami noch nicht einmal gefordert, sondern nur genossen hatte, nachdem sie sich freiwillig anbot. War es zu viel verlangt, das Glück zu genießen, was Yami verdient hatte? Schluchzend krümmte sich Yuugi zusammen und legte die Arme um sich selbst, während ihn das Mitleid mit seinem Geliebten fast um den Verstand brachte. Der Pharao hatte alles Recht der Welt, einen eigenen Körper zu besitzen und die verlorenen Jahre zurück zu erhalten. Aber wenn ihm das nicht vergönnt sein durfte, dann sollte er doch wenigstens aus seiner Einsamkeit erlöst werden dürfen.

Noch immer war Yuugis Körper nicht mehr in der Lage, Tränen zu vergießen, doch das machte keinen Unterschied. Er weinte dennoch tränenlos über das Schicksal seines Geliebten, während er weiter und weiter durch das Nichts fiel. Yuugi dachte nicht mehr an sein eigenes Schicksal. Er dachte nicht mehr daran, wie einsam er ohne Yami war. Alles woran er denken konnte, war Yamis Einsamkeit.

‚Bitte gebt ihm meinen Geist zurück, damit er nicht mehr allein ist.' Yuugi wusste nicht, an wen er dieses Gebet richtete. Er wusste nicht einmal, ob er es laut aussprach oder nur in seinen Gedanken hinausschrie. Er stellte dieses Gebet jedoch ohne irgendwelche Wünsche für seine eigene Person.

Und das machte den Unterschied.

Mit einem lauten Krachen brach Yuugi durch den Boden aus massivem Stein und landete anschließend hart und schmerzhaft auf dem wohlbekannten Steinboden des Milleniumspuzzles.

Minutenlang konnte er sich nicht rühren und lauschte nur seinem keuchenden Atem.

Langsam sickerten jedoch mehrere Erkenntnisse in sein Bewusstsein.

Er konnte wieder hören und sehen.

Was auch immer er durchschlagen hatte, um in das Milleniumspuzzle zu fallen, er hatte es deutlich bersten hören. Die Türen um ihn herum waren ihm nur zu vertraut und das diffuse und von allen Seiten zugleich kommende, goldene Leuchten war ihm wohlbekannt.

Er war nicht verletzt.

Auch wenn ihm der Sturz durch das Nichts unendlich tief vorgekommen war und das Durchbrechen durch den steinernen Boden ihn hätte vernichten müssen, lag er nun auf den kühlenden Steinen und konnte all seine Gliedmaßen spüren. Er hätte sie vermutlich auch bewegen können, wenn sein Körper nicht so erschöpft gewesen wäre.

Seine Kraft war völlig am Ende.

Er war nicht nur körperlich zu keiner Regung fähig, sondern auch emotional völlig erschöpft. Die Erinnerung an die Zeit ohne Yami und seine mitleidigen Gedanken an dessen Einsamkeit hatten ihn bis auf den Grund seiner Seele erschöpft. Selbst die Analogie, die sich unwillkürlich in seinem Kopf formte, dass er nämlich gerade noch so einen mickrigen Lebenspunkt übrig hatte, um dieses Duell zu gewinnen und als Sieger hervorzugehen, ließ ihn nur für eine Sekunde sarkastisch die Lippen verziehen. Dann lag er einfach weiter regungslos da und existierte.

Doch die entscheidende Erkenntnis ließ sowieso alles in den Hintergrund treten.

Er konnte Yami wieder spüren.

Es war keine bewusste Verbindung. Yuugi konnte ihn nicht erreichen, nicht mit ihm sprechen, er konnte nicht einmal sagen, ob Yami weit von ihm entfernt war, oder direkt neben ihm lag.

Yuugi wusste einfach nur, dass Yami da war.

Aber das war auch alles, was zählte. Sie hatten einander nicht verloren. Sie waren noch immer – oder wieder – EINS.

Yuugi erlaubte sich nicht den Luxus, dem verlorenen Körper Yamis nachzutrauern. Das würde früh genug kommen. Was jetzt zählte, war Yami überhaupt zu finden.

Es dauerte scheinbare Ewigkeiten, bis Yuugi genug Kraft zusammen gesammelt hatte, um überhaupt einen Finger zu bewegen. Weitere Sekundenstundentagemonate vergingen, bevor er sich tatsächlich aufrichten, dann aufsetzen und am Ende aufstehen und an der nahen Wand empor schieben konnte. Doch es gab einen entscheidenden Unterschied zu den Jahrhunderten die er zuvor im Nichts verbracht hatte: Yuugi hatte wieder Hoffnung. Yami war nicht fort. Und es lag an Yuugi, seinen Partner zu finden. Yuugi konnte nicht wissen, ob sich Yami so wie er selbst zuvor im Nichts befand, oder ob er sich dieser schwachen und doch vorhandenen Verbindung bewusst war. Doch Yuugi konnte auch nicht ausschließen, dass ihre Verbindung derzeit nur einseitig existierte. Also lag es vielleicht allein an ihm, den Pharao zu finden und aus seiner Einsamkeit zu befreien. Und Yuugi würde sich nicht von seinem todmüden Körper oder seiner geschundenen Seele aufhalten lassen.

Yami hatte ihn gelehrt zu kämpfen und das würde Yuugi nun für sie beide tun.

Damit stieß sich Yuugi von den kühlen Steinen der Wand ab und tappte erst langsam und dann immer zielstrebiger durch den Raum auf die nächstbeste Tür zu. Es schienen ewige Minuten zu vergehen, bis er die wenigen Meter zurückgelegt hatte und vor der verzierten Tür stand. Seine Hand war unglaublich schwer und es kostete ihn immense Anstrengungen, die Hand überhaupt bis zur Klinke zu heben. Dann drückte er sie nach unten und….

…nichts geschah. Die Tür öffnete sich nichts. Zu Yuugis Schande hatte er daraufhin einen Zusammenbruch epischen Ausmaßes und kam erst Ewigkeiten später wieder zusammengerollt an das warme Holz gepresst zu sich. Sein Körper wurde noch immer von zurückgedrängtem Schluchzen geschüttelt und seine Wangen waren wieder tränennass. Wieder dauerte es Minuten, bis Yuugi sich in eine aufrechte Position gekämpft hatte und fast eine halbe Stunde, bis er bei der nächsten Tür war. Dieses Mal war er vorbereitet und auch wenn er die Enttäuschung nicht verbergen konnte, wunderte es ihn nun nicht mehr, dass die Tür zu diesem Raum ebenfalls verschlossen war.

Es war lange her, dass Yuugi vor einer verschlossenen Tür innerhalb des Milleniumspuzzles gestanden hatte. Damals, als er und Yami in ihrem Duell gegeneinander ihre Unabhängigkeit voneinander bewiesen hatten, waren alle Sperren und alle Barrieren beseitigt worden und das Milleniumspuzzle hatte völlig seinem und Yamis Willen gehorchen müssen. Jetzt wieder in jenem alten Status Quo festzustecken, in dem sich nur die Tür öffnen würde, die die richtige war, war ernüchternd. Doch Yuugi wusste, wenn er die Tür gefunden hatte, hinter der Yami steckte, dann würde sie sich öffnen. Sie musste es einfach tun.

Seufzend schaute sich Yuugi um und drängte die erneut aufkommende Verzweiflung zurück. Um ihn herum waren Treppen und Gänge in unendlicher Zahl. Und in jedem dieser Gänge befanden sich unzählige Türen. Keine davon leuchtete besonders oder lockte ihn an. Alles sah gleich aus und nichts gab einen Hinweis, wo er beginnen sollte. Wie sollte er hier nur Yami finden?

Und doch setzte Yuugi nach einigen weiteren Sekunden, in denen er versuchte seine letzte Kraft zu sammeln, den ersten Schritt auf eine Treppe direkt neben sich. Und dann stieg er die Treppe nach oben und begann mit der Suche. Es blieb ihm nichts anderes übrig und Aufgeben war einfach keine Option.

Yuugi berührte die Klinke der nächsten Tür.

Dann wanderte er weiter.

Die nächste Tür.

Die nächste Klinke.

Der nächste Gang.

Die nächste Ebene.

Minutenstundentagemonatejahre vergingen.

Irgendwann brach Yuugi dann doch zusammen. Er wusste nicht, wie viele Türen er probiert hatte. Er wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war. Er konnte nicht einmal sicher sein, dass er nicht immer und immer wieder die gleiche Tür ausprobierte. Der Hoffnungsschimmer wurde immer kleiner und kleiner und Yuugi musste sich eingestehen, dass er ohne Hilfe nicht weiterkommen würde. Yami war noch immer da und doch würde es Yuugi so niemals gelingen, ihn zu erreichen.

Was sollte er nur tun?


Blut spritzte gegen das Holz und Splitter schnitten in sein Fleisch, doch mehr rührte sich nicht. Dennoch schlug Yami wütend und verzweifelt erneut mit der verletzten Linken gegen die Innenseite der massiven Holztür. Seine Rechte hing schon lange gebrochen an seiner Seite herab und es war nur noch eine Frage der Zeit, bis Yamis Linke das gleiche Schicksal widerfuhr.

Und doch gab der Pharao nicht auf. Er konnte es nicht. Denn wenn er aufgab, würde er Yuugi aufgeben, das wusste er.

Yami befand sich in einem winzigen steinernen Raum ohne Fenster und nur mit dieser einen Holztür. Es handelte sich eindeutig um einen Raum innerhalb des Milleniumspuzzles und Yami kam dieser Raum sogar vage bekannt vor. Er konnte es nicht beschwören, aber er war sich ziemlich sicher, dass dies der Raum war, in dem seine Seele ganz zu Beginn seiner Zeit innerhalb des Puzzles erwacht war. Damals, als er seinen Namen aufgegeben hatte, um das Schattenreich zu versiegeln, war er in diesem oder einem ähnlichen Raum zu sich gekommen. Doch damals waren die Türen für ihn nicht verschlossen gewesen. Er hatte das Innere des Puzzles erforschen können und hatte gar nicht bemerkt, wie die Jahrtausende draußen vergingen.

Dieses Mal war der einzige Ausweg verschlossen, doch dafür konnte Yami durch die Wände deutlich wahrnehmen, was außerhalb seines Kerkers und außerhalb des Milleniumspuzzles selbst geschah. Es war kein richtiges Sehen, denn die Wände waren noch immer massive Wände. Und doch konnte er verfolgen, wie Voldemort starb, wie die Todesser sich kurz auflehnten um dann geschlagen zu werden und wie die Zauberer anschließend ihren Sieg erschöpft aber nichts desto trotz enthusiastisch bejubelten.

Und Yami konnte auch verfolgen, wie Yuugi den Kontakt zu ihm verlor und im Nichts ertrank.

Das war der Moment gewesen, als Yami auf die Tür einzuhämmern begann. Seine Macht über die Schatten war in diesem Gefängnis nicht existent. Er konnte weder Monster rufen, noch durch die Schatten nach draußen gehen. Der einzige Weg, Yuugi zu erreichen, war, diese Tür zu öffnen. Er flehte, er fluchte, er versprach und er bettelte. Er weinte und er drohte. Zum Teil tat er all dies gleichzeitig und doch erreichte er nichts. Yuugis Verzweiflung, wenn er Yamis Namen immer wieder und wieder rief, befeuerte die Anstrengungen des Pharaos. Doch am Ende hinterließen seine Fäuste nicht einmal eine Delle in dem harten Holz. Im Gegenteil gab irgendwann seine Rechte nach und brach.

Yamis schmerzhafter Schrei musste weit innerhalb des Milleniumspuzzles widerhallen und doch schien Yuugi ihn nicht hören zu können. Doch nachdem die Schmerzen in seiner Rechten unter der Oberfläche seiner Verzweiflung und seiner Angst um Yuugi untergegangen waren, raffte sich Yami aus der zusammengekrümmten Haltung am Boden auf, die er unwillkürlich eingenommen hatte. Die Rechte baumelte nutzlos an seiner Seite herab, aber Yami ignorierte sie und auch den Schmerz und das Blut, welches zu Boden tropfte. Und dann schlug er mit der Linken auf die gleiche Stelle, die er schon die ganze Zeit bearbeitet hatte.

Dieses Mal gab es eine Reaktion, denn plötzlich kehrte seine Verbindung zu Yuugis Bewusstsein zurück. Yami konnte den anderen wieder spüren und seinen Geist wahrnehmen, auch wenn er ihn nicht kontaktieren konnte. Es war, als wäre eine Barriere durchbrochen und Yami konnte beobachten, wie Yuugi sich wieder der Umgebung des Milleniumspuzzles um sich herum bewusst wurde.

Das spornte Yami weiter an und so hämmerte er wieder und wieder auf die Tür ein und rief gleichzeitig Yuugis Namen.

Am Rande nahm Yami war, wie Bakura und Seto sich in der Realität ebenfalls darum bemühten, Yuugi zu erreichen. Sie hatten dies schon getan, bevor Yami seine Rechte gebrochen hatte. Doch Yami konnte die beiden Freunde dort draußen weder um Hilfe bitten, noch ihnen eine Nachricht zukommen lassen. Beides hatte er schon erfolglos versucht. Sie mussten selbst einen Weg finden, Yuugi und ihm zu helfen – wenn es diesen gab.

Yami war auf sich allein gestellt und er konnte nur hoffen, dass das Hämmern an seine Tür Yuugi zu ihm locken würde. Dieser hatte begonnen, die Türen im Inneren des Milleniumspuzzles abzusuchen. Doch Yami wusste schon bevor Yuugi die erste Klinke berührte, dass sich keine Tür öffnen würde, außer der, hinter der er stand. Jetzt kam es darauf an, dass Yuugi diese Tür fand, bevor seine Seele vor Verzweiflung zerbrach. Yami hämmerte erneut die Linke mit aller Kraft gegen die Tür und zu dem zuvor vergossenen Blut gesellte sich neues.

Er fragte sich, wie viel länger er selbst noch durchhalten konnte. Er wusste, wie unendlich das Milleniumspuzzle war. In dem Inneren dieser Pyramide konnte ein Wesen Jahrtausende verbringen und würde doch nicht alle Gänge und alle Türen erforschen können. Er hatte es selbst probiert.

Immer mehr bewunderte er Yuugi, wie dieser zur nächsten und zur nächsten Tür wanderte, scheinbar ohne sich beirren zu lassen und ohne aufgeben zu wollen.

Yami bemerkte allerdings auch, dass die Wahrnehmung der Zeit zwischen ihm und Yuugi sehr unterschiedlich war. Wo für ihn nur Sekunden vergingen, verstrichen für Yuugi Minuten oder gar Stunden. Yami sah durch die noch immer undurchsichtige Wand dennoch Yuugis Bewegungen. Obwohl sein Aibou sich nicht schneller bewegte als sonst, war es gleichzeitig trotzdem so, als würde er sich in einer Art schnellem Vorlauf wie auf einer Videoaufnahme bewegen. Innerhalb von Sekunden probierte Yuugi dadurch so viele Türen, wie maximal in einer Woche möglich gewesen wären. Anfangs ließ diese Tatsache Yami vor Freude laut jubeln, doch je mehr Sekunden verstrichen und je mehr Türen sich vor Yuugi eben nicht öffneten, desto mehr wandelte sich Yamis Empfinden in Schrecken.

Wenn dies so weiter ging, würde Yuugi schneller verzweifeln, als dass Yami auch nur die Möglichkeit hatte, genügend weitere Schläge gegen die Tür auszuführen und laut genug Yuugis Namen in den kleinen Raum zu schreien, damit sein Hikari vielleicht doch noch auf den richtigen Pfad geführt werden könnte. Und Yami könnte ihm nicht einmal einen Vorwurf machen. Jeder würde angesichts dieser Ausweglosigkeit verzweifeln. Zwei weitere Schläge seiner linken Hand später war es dann auch so weit. Yuugi brach erschöpft an einer Wand zusammen und starrte blicklos in den Gang vor sich. Tränen liefen ihm wie schon die ganze Zeit über die Wangen, ohne dass der junge Mann überhaupt darauf reagierte. Yami konnte Yuugis Verzweiflung über ihre Verbindung hinweg spüren und doch konnte er nichts tun, um Yuugi zu trösten oder Mut zuzusprechen. Ohne Hilfe würde es ihnen niemals gelingen, einander wiederzufinden. Ohne Hilfe waren sie auf ewig in der Einsamkeit des Milleniumspuzzles gefangen.

Yami schlug verzweifelt und mit letzter Kraft ein letztes Mal gegen die Tür und schrie Yuugis Namen gegen das Holz.

Was sollten sie nur tun?


Seto sah noch immer in die violetten Augen des Freundes, die blicklos zurückstarrten. Er war sich nicht mehr sicher, ob seine Hoffnung begründet war. War der Pharao wirklich noch irgendwo da drin?

Seto schluckte krampfhaft und wagte nicht, den Grabräuber neben sich anzusehen. Das durfte nicht sein. Die Seele des Pharaos durfte nicht verloren sein. Aber es war so viel Zeit verstrichen und….

Seto spürte, wie der Grabräuber neben ihm zusammen zuckte und scharf, fast schmerzerfüllt einatmet. Gleichzeitig spürte Seto ebenfalls einen schmerzhaften Stich in seinem Geist, den er erst nach einer weiteren Sekunde zuordnen konnte. Das Schattenreich erbebte. Irgendetwas mächtiges hatte die archaische Magie erschüttert und aufgewühlt und die Schatten wehrten sich dagegen und versuchten es zu bändigen und in sich zu verschließen.

/YUUGI!/

Seto zuckte erneut zusammen und drehte abrupt den Kopf zu Bakura. Ihre Blicke trafen sich und Verstehen zeichnete sich in ihren Gesichtern ab. Verstehen und Hoffnung.

Das war Yami gewesen. Yamis Schrei nach seinem Geliebten hatte sich durch die Barrieren des Schattenreiches einen Weg in ihre Gedanken gebannt. Und so verzweifelt die Stimme des Pharaos auch geklungen hatte – sie bedeutete doch, dass Yamis Seele noch immer existierte.

Doch Seto erkannte noch etwas anderes:

„Sie schaffen es nicht allein."

Bakura warf ihm einen scharfen Blick zu. Doch Seto erstickte den Protest im Keim.

„Du hast es selbst gehört. Der Pharao wurde nicht einfach nur in das Puzzle zurückgezogen. Du warst selbst schon lang genug in diesem Labyrinth, um zu wissen, dass darin alles möglich ist. Sie sind beide da drin, aber sie sind getrennt."

„Was schlägst du also vor, Priester?" Bakuras Stimme war neutral, aber Seto hörte dennoch dessen Sorge heraus. Der Grabräuber mochte noch immer feindselige Gefühle für den Pharao hegen, aber sie waren doch verwandte Seelen. Sie waren gestrandete Geister aus einer alten Zeit, die schon allein deshalb zusammen halten mussten, selbst wenn sie einander verachteten. Und Ryou hatte mittlerweile genug Einfluss auf Bakura, dass diesem auch nicht ganz egal war, was mit Yuugi geschah – und sei es auch nur deshalb, weil Ryou den jungen Japaner seinen Freund nannte. Bakura war bereit, dieses eine Mal seine nicht minder heftige Feindschaft mit Seto zu verdrängen und dessen Empfehlungen zu folgen, wenn es bedeutete, den Geist des Pharao aus dem Labyrinth des Puzzles zu befreien und wieder mit Yuugi zu vereinen.

Und genau das beabsichtigte Seto auch zu tun.

„Kannst du den Schlüssel aus den Schatten rufen? Dein Ring sollte es dir ermöglichen, ihn aufzuspüren, obwohl er in Yuugis Besitz ist."

Bakura blickte Seto noch für eine Sekunde mit einem nachdenklichen Blick an, entschied sich dann aber dafür, keine große Diskussion vom Zaun zu brechen, sondern einfach auszuführen, was Seto vorgeschlagen hatte. Der weißhaarige Mann schloss die Augen und der Milleniumsring erschien vor seiner Brust. Er ergriff den magischen Gegenstand mit beiden Händen und konzentrierte sich mit gerunzelter Stirn und weiterhin geschlossenen Augen.

Seto beobachtete den anderen gespannt und konnte nicht vermeiden, ein Stoßgebet zu den ägyptischen Göttern und zu den Schatten zu senden. Es war schon lange her, dass er all dies für Humbug gehalten hatte, doch noch immer fühlte er sich nicht ganz wohl dabei, wenn er selbst oder einer der anderen Schattenmagier ihre Kräfte nutzen. Aber Seto konnte nicht leugnen, dass ihre Magie existierte und derzeit war sie das Einzige, was Yami und Yuugi vor dem Untergang bewahren konnte.

Nach und nach begann das Auge des Horus im Inneren des Milleniumsringes heller und heller zu strahlen und dann plötzlich tauchte mitten zwischen Bakura und Yuugi in der Luft tatsächlich aus dem Nichts der Milleniumsschlüssel auf und fiel mit einem dumpfen Geräusch ins Gras. Keuchend fiel Bakura anschließend rückwärts und ließ Yuugis Schulter los, die er die ganze Zeit gehalten hatte. Diese Anstrengung so kurz nach dem heftigen Kampf gegen die Todesser war fast zu viel für den Grabräuber gewesen. Seto spürte noch, wie Bakura sich zurückzog und Ryou ihren Körper überließ, bevor die Gestalt des Mannes erschöpft zur Seite kippte.

Mit einem besorgten Aufschrei knieten sich Draco und Harry hin und fingen Ryou auf, doch Seto beachtete die beiden Schüler nicht. Wichtiger war jetzt, den Milleniumsgegenstand zu nutzen, den Bakura mit letzter Kraft befreit hatte. Entschlossen holte Seto seinen Milleniumsstab aus den Schatten, damit dieser ihm Kraft schenken konnte, denn auch er war eigentlich viel zu erschöpft für das, was er als nächstes vorhatte. Mit der Linken umklammerte Seto den Stab wie einen Rettungsanker, während er mit der Rechten den Milleniumsschlüssel aufhob. Ohne noch weiter über die Konsequenzen nachzudenken, oder darüber, ob sein Plan gelingen konnte oder nicht, richtete Seto den Schlüssel auf die Pyramide, die vor Yuugis Brust baumelte. Und dann konzentrierte der CEO all seine Schattenmagie auf den Milleniumsschlüssel und berührte mit diesem das Auge des Horus im Zentrum des Puzzles.


Plötzlich erstrahlten die Wände und die Türen und alles rings um ihn her in einem so blendenden aber doch warmen goldenen Licht, das Yuugi sich gleichzeitig unglaublich geborgen fühlte und trotzdem fürchtete, zu erblinden. Das Licht währte nur Sekunden und verblasste dann fast genauso schnell wieder, wie es gekommen war. Yuugi hatte keine Ahnung, was es war, das ihm dieses Licht schickte. Vielleicht war es Yamis Geist. Vielleicht war es das Puzzle selbst, was ihm einen Hinweis gab. Oder vielleicht hatten seine Freunde einen Weg gefunden, ihn und seinen Aibou zu unterstützen. Es war gleichgültig, denn das Licht verschwand nicht überall gleichzeitig. Es hinterließ eine Spur wie das Leuchten einer Sternschnuppe, während sie am Himmel verglühte.

Und dieses Leuchten markierte einen Weg.

Yuugi war noch immer unendlich erschöpft und noch Sekunden zuvor hatte er keinen Muskel bewegen können. Doch das Licht hatte ihm für einige Momente genug Kraft gegeben, um sich wieder aufzurichten und an der Steinwand empor zu schieben, an der er gelegen hatte. Und dann rannte Yuugi dem Licht hinterher. Er wusste, dies würde seine einzige Chance sein, um die richtige Tür zu finden. Yuugi wusste, dass dieses Licht ihn zu der Tür führen würde, hinter der er Yami finden konnte. Und so rannte er mit brennenden Lungen und schmerzenden Beinen. Es kam ihm gleichzeitig wie Millisekunden und wie Jahrhunderte vor, während er dem goldenen Schein hinterher jagte. Das Licht eilte um Ecken herum und Treppen hinauf und Yuugi rannte und rannte. Und tatsächlich erreichte er irgendwann einen Punkt, an dem das Leuchten nicht mehr schwächer wurde, sondern stetig mit konstanter Helligkeit strahlte. Yuugi rannte mit neuer Hoffnung weiter und dann wurde das Licht nach und nach sogar heller.

Irgendwann strahlte es so hell, dass Yuugi sogar Mühe hatte, den Weg vor sich zu erkennen. Doch zu dem Licht hatte sich nun ein dumpfes Dröhnen wie von einem Herzschlag gesellt. Es war ein unregelmäßiges und doch rhythmisches Schlagen und zusammen mit dem Licht wies es Yuugi weiterhin den Weg. Dann endlich kam er vor einer Tür an, die aus sich heraus so intensiv strahlte, dass Yuugis Augen vor Schmerz tränten. Doch sein eigener Herzschlag dröhnte im Rhythmus mit den Schlägen auf der anderen Seite der Tür und Yuugi wusste, dass er Yami in diesem Raum finden würde.

Aufgrund des blendenden, goldenen Lichtes war es nicht einfach, die Türklinke zu finden und Yuugi tastete sich mehr voran, als das er sah. Doch als sich das warme Metall an seine Handfläche schmiegte, zögerte Yuugi nicht einmal einen Augenblick, bevor er die Klinke herabdrückte. Die Tür verschwand wie von Geisterhand. Im selben Augenblick erlosch auch das goldene Leuchten und das Schlagen hörte auf. Doch das war unwichtig, denn ebenfalls im gleichen Augenblick umschlangen warme, kräftige Arme Yuugis Körper, Lippen pressten sich sehnsüchtig auf seine und ein wohlbekannter Körper schmiegte sich an Yuugis erschöpfte Gestalt. Und in Yuugis Kopf erklang eine vertraute Stimme und sprach seinen Namen mit so viel Liebe und Zärtlichkeit aus, dass Yuugi erneut in Tränen ausbrach, während er Yamis Kuss erwiderte.

/Yuugi!/

‚Yami!'

Minuten vergingen, in denen sich ihre beiden Seelen einfach nur eng umschlungen fest hielten und ihr unbeschreibliches Glück genossen, einander wieder gefunden zu haben. Ihre Seelen waren wieder eins und irrten nicht mehr einsam durch das Labyrinth des Milleniumspuzzles. Fast hatte Yuugi die Hoffnung aufgegeben gehabt, dass er seinem Geliebten jemals wieder so nah sein durfte und wenn er dessen Seelenkörper nicht so fest umschlungen gehalten hätte und von Yamis Seele nicht so innig umarmt worden wäre, würde er noch immer zweifeln. Doch ihre wiedervereinten Seelen waren der Beweis, dass sie ihre Qual endgültig überstanden hatten und dass dies kein Traum oder eine Wahnvorstellung war.

Irgendwann unterbrachen sie ihren Kuss und blickten einander in die Augen. Die Liebe, die sie darin jeweils sahen, überwältigte sie beinahe und Yuugi konnte nicht anders, als seine Seele noch mehr an den Geisterkörper des anderen zu schmiegen. Seine Erschöpfung war wie weggeblasen und seine schmerzende Kehle war wieder geheilt. Er fühlte sich wieder wie neu geboren, denn nun war er mit Yami zusammen und nichts konnte sie mehr vernichten.

Auch Yami sah gesund und kräftig aus, obwohl Yuugi ahnte, dass auch sein Aibou einiges durchgemacht haben musste. Die nächsten Minuten standen sie einfach nur voreinander, verloren sich im Blick der Augen des jeweils anderen und erlebten gleichzeitig in ihren geteilten Gedanken noch einmal die Erlebnisse des anderen nach. Yami hatte Yuugi zwar sehen können, während dieser einsam durch das Nichts gefallen und anschließend durch das Puzzle geirrt war, doch nun teilte Yuugi auch seine Ängste, Sorgen und seine Verzweiflung mit Yami. Yuugi erfuhr hingegen von Yamis erfolglosem Kampf gegen die hölzerne Tür seines Gefängnisses und zuckte mitfühlend zusammen, als er in Yamis Gedanken die Erinnerung an dessen brechende Hand spürte. Liebevoll nahm Yuugi daraufhin Yamis Rechte in die seine und presste einen zärtlichen Kuss auf die Handfläche.

‚Ich liebe dich auch, mein Pharao.'

Yami lächelte bei diesen Worten und hob Yuugis Kopf erneut für einen innigen Kuss. Dadurch, dass sie ihre getrennten Erlebnisse miteinander geteilt hatten, fühlten sie sich noch mehr vereint, als zuvor durch ihre Umarmung und ihre Küsse. Beide hatten alles gegeben, um den Geliebten zurück zu sich zu holen und beide hatten sie keine Rücksicht auf ihr eigenes Wohl genommen. Wieder einmal zeigte sich, wie ähnlich sie einander waren und wieder einmal erkannten sie beide, wie groß die Liebe des jeweils anderen war.

‚Hat uns das Schattenreich dafür belohnt, dass wir jeweils bereit waren, uns zu opfern, um den anderen zu retten? Wieso hat es uns überhaupt voneinander getrennt?'

Yuugis Stimme war nachdenklich und Yami konnte nur mit den Schultern zucken.

/Ich denke, wir wurden nach der Erfüllung des Rituals zurück in das Puzzle geschleudert. Wir mussten so viele der Schatten rufen und mussten so stark dagegen ankämpfen, damit sie nicht über den erlaubten Bereich hinaus in die Realität eindrangen, dass unsere Magie am Ende kollabierte und in sich selbst und das Zentrum ihrer Macht zurück fiel./

‚Die Milleniumspyramide.'

Yuugi sah an sich hinab, doch in ihrer Geisterform innerhalb des Puzzles war der Milleniumsgegenstand nur ein goldenes Schmuckstück, was an ihrer beider Brust machtlos herab hing.

Yami nickte jedoch, hielt sein Milleniumspuzzle in die Höhe und betrachtete es mit einem kritischen Blick.

/Ich glaube, dass war das erste Mal, dass wir beide uns gleichzeitig der Schatten in diesem Ausmaß bedient haben. Zuvor habe meistens ich das Schattenreich gerufen und selbst nachdem wir getrennte Körper hatten und du deine eigene Magie entdeckt hast, haben wir nie so mächtige Zauber und Fallen und vor allem so viele Monster auf einmal gerufen./

Yuugi konnte seinem Geliebten nur zustimmen. Sie hatten immerhin beide ein ägyptisches Göttermonster in die Realität beschworen. Mächtigere Schattenmagie war eigentlich nicht mehr möglich.

‚Du meinst, es hat uns zurück in das Puzzle gesogen, aber dann wusste das Schattenreich nichts mit unserer doppelten Seele anzufangen. Es war verwirrt, weil wir gleich mächtig waren und eigentlich nicht gleichzeitig existieren dürften, so wie Dahal es damals beschrieben hat.'

Yami ließ das Milleniumspuzzle wieder an seiner massiven Kette an seiner Brust hinab hängen und nahm Yuugis Hand, um sie nun seinerseits an die Lippen zu führen.

/Genau. Bisher war es dem Schattenreich scheinbar egal, dass meine Seele, die vor 3000 Jahren hätte sterben sollen und deine Seele, die mit meiner eigentlich niemals gleichzeitig hätte existieren sollen, im Jetzt vereint sind. Doch nun haben wir beide gleichzeitig die Magie der Schatten genutzt und anschließend haben wir es beide zugleich zurückgedrängt. Es fühlte sich bedroht und deswegen hat es uns getrennt. Es dachte vielleicht, es stellt die natürliche Ordnung wieder her, wenn es uns voneinander fern hält./

‚Ist es ein denkendes Wesen? Ist es ein ES?' Yuugi sah Yami zweifelnd an und dieser konnte angesichts ihres metaphysischen Gesprächsinhaltes auch nur unwissend erneut die Schultern zucken.

/Ich weiß auch nicht so genau, ob es IST oder ob es ein ES ist./

‚Denkst du, unsere Opferbereitschaft hat es umgestimmt?' Yuugi widerholte damit seine vorherige Frage, doch dieses Mal schüttelte Yami den Kopf.

/Bakura und Seto haben uns gerettet. Dein Wunsch, dass ich nicht allein sein sollte; meine verzweifelten Bemühungen, dich zu erreichen – beides hat nur dazu geführt, dass wir einander spürten, aber nicht, dass wir einander erreichten. Wenn unsere Freunde uns nicht geholfen hätten, wären wir noch immer getrennt./

Yuugi lächelte leicht als er Yamis Stirnrunzeln bei diesen Worten sah. Der Pharao war Seto und Bakura zwar sicherlich dankbar für das, was sie für die beiden getan hatten, aber es gefiel ihm ganz und gar nicht, dass er nun in der Schuld des Grabräubers stand. Seto war schon schlimm genug.

‚Bakura hat uns doch nur geholfen, weil Ryou in dazu gezwungen hat und weil er nicht der einzige Tatter-Geist sein wollte.'

Yami lachte angesichts von Yuugis Worten sarkastisch auf.

/Vielleicht, aber er wird sich die nächsten Wochen und Monate damit brüsten, dass er mich gerettet hat. Ich bin nicht sicher, ob ich das ertragen kann./

Doch Yamis Blick war warm und voller Dankbarkeit und Yuugi empfand ähnlich. Sie würden es einfach vermeiden müssen, den Grabräuber merken zu lassen, wie groß diese Dankbarkeit ihm gegenüber tatsächlich war.

Passend zu ihren Gedanken drifteten nun nach und nach leise Stimmen durch die steinernen Wände an ihre Ohren und nach einigen Sekunden erkannten Yami und Yuugi die besorgten Stimmen von Harry, Draco, Ron und Hermine.

/Ich denke, es wird Zeit, zurück zu kehren./

Yamis Stimme klang gleichzeitig bedauernd und entschlossen und Yuugi empfand ebenso. Am liebsten wäre er für immer in dieser wundervollen innigen Zweisamkeit ihrer gemeinsamen Gedanken verweilt und hätte Yamis Seele weiterhin fest umarmt. Yuugi fühlte sich noch nicht bereit, wieder in die Realität zurückzukehren. Dort waren zwar ihre Freunde und er und Yami konnten aus den Stimmen heraus hören, wie diese sich Sorgen um sie machten. Doch dort würden sie auch wieder mit der Tatsache konfrontiert sein, dass sie nur noch einen Körper hatten, den sie sich erneut teilen mussten. Hier in ihrem Seelenraum waren sie so viel glücklicher, als dort draußen in der Realität mit all ihren Sorgen und Nöten.

Doch die Tatsache, dass sie weder Setos noch Ryous Stimme unter den Rufen ausmachten, ließ sie sich besorgt fragen, ob es ihren Freunden gut ging. Beide hatten bis zur Erschöpfung an Yamis und Yuugis Seite gegen die Todesser gekämpft und anschließend hatten sie es noch auf sich genommen, Yamis und Yuugis Seelen zu retten. Das Mindeste, was sie tun konnten, war, sich nun um Setos und Bakuras Wohlergehen zu bemühen. Sie schuldeten es den Freunden, sich des Fakts des verlorenen Körpers Yamis zu stellen und diese Trauer schnell zu überwinden. Es war Zeit nach vorn zu sehen und die Gegebenheiten zu akzeptieren.

Seufzend sah Yuugi Yami ein letztes Mal in die karmesinroten Augen und tröstete sich mit dem Gedanken, dass sie einander zumindest in ihrem Seelenraum immer umarmen und küssen konnten. Auch Yami lächelte seinen Hikari wehmütig an, nickte dann aber entschlossen.

Sie waren bereit.

Und dann schlug Yuugi die Augen auf.


Sooo...um ehrlich zu sein, die ganze Story existiert nur wegen diesem Kapitel hier :))

Dass die beiden sich wieder in einem Körper vereint wiederfinden würden, obwohl sie doch die Zauberer gerettet hatten, stand ganz am Anfang schon fest und auch wenn es lange gedauert hat, bis ich an diesem Punkt angekommen bin, hat es kein Plotbunny geschafft, sich dazwischen zu drängen und einen alternativen Ausgang zu fabrizieren.

Aber: *Spoileralarm* Wir sind ja noch nicht am Ende. Es kommen noch 4 Kapitel und ein Epilog :)

Lasst ein Review da. CU Fly.