Siegel der Schatten
Disclaimer: Wie immer, nix mir außer der Story.
Pairing: Das wissen mittlerweile eh alle...
Da das letzte Kapitel so kurz war und wir uns ja nun auch schon merklich auf der Zielgeraden befinden, kommt hier ausnahmsweise mal etwas schneller das nächste fast direkt hinterher. Viel Spaß.
Siegel der Schatten
37. Spiegel
Am Ende hatte Ron doch noch die Gelegenheit, seine Suppenschüssel zu leeren und einige Pasteten zu verdrücken, während Harry und Hermine ihren beiden Partnern ihre Theorie erklärten. Sie hatten sie innerhalb der drei Tage vor der Schlacht stillschweigend und unabhängig voneinander entwickelt, waren aber, nicht ganz überraschend, zum gleichen Ergebnis gekommen.
Nach dem Essen waren die vier Schüler dann entschlossen aufgebrochen und hatten sich durch die zum Glück sehr leeren Gänge auf den Weg zum Hauptportal des Schlosses gemacht. Derzeit lief gerade die zweite Unterrichtsstunde nach dem Mittagessen und die wenigen Schüler, die Harry und seinen Freunden begegneten, waren in der ersten oder zweiten Klasse und trauten sich weder allein noch in kleinen Grüppchen, die Siebtklässler anzusprechen. Also kamen die vier unbehelligt bis zum Tor und kümmerten sich auch nicht um die misstrauischen Blicke, die ihnen der wachhabende Auror am Eingang zuwarf. Da noch immer die Gefahr bestand, dass Todesser oder versprengte Kreaturen aus Voldemorts Heer aus Rache die Schüler angriffen, hatte Dumbledore wohl den mahnenden Stimmen des Ministeriums nachgegeben und einige Wachposten akzeptiert. Doch der Auror hielt die vier Schüler nicht auf, denn er wusste ja immerhin aus erster Hand, was die jungen Leute in der Schlacht schon geleistet hatten und dass sie sich von einem dahergelaufenen Todesser nicht wirklich bedroht fühlen würden. Dennoch war es für Harry ungewohnt, ohne Aufpasser und über ihn wachende Augen aus dem Schloss zu gehen und es verwirrte ihn genauso, wie es ihn freute.
Die vier Freunde eilten mit schnellen Schritten aber ohne zu rennen, den Hang hinunter, ließen Hagrids Hütte rechts liegen und drangen dann ohne Zögern in die Ausläufer des Verbotenen Waldes ein. Ron hatte auf ihrem Weg über die Ländereien die Führung übernommen, da er gesehen hatte, wo Yuugi im Wald verschwunden war. Innerhalb des Waldes lief er jedoch wieder neben Hermine her und Harry und Draco entschieden über die Richtung ihrer Suche. Das Sonnenlicht drang zwar hier an den äußeren Rändern des Waldes noch bis zum Boden herab und keiner der vier fürchtete sich vor Überbleibseln von Voldemorts Angriffstruppen. Doch Ron wusste aus leidvoller Erfahrung, dass es im Verbotenen Wald auch noch andere Wesen gab und egal wie unerschrocken er den Todessern auf dem Schlachtfeld begegnet war, auf eine zufällige Begegnung mit einer der Riesenspinnen konnte er sehr wohl verzichten.
Einige Minuten wanderten die vier schweigend unter den hohen Bäumen dahin und versuchten herauszufinden, in welche Richtung sich Yuugi gewandt haben könnte. Es gab keinerlei Spuren im Moos und der Waldboden wirkte, als wäre seit Jahren keine Menschenseele hier entlang gekommen. Je weiter die drei Gryffindors und der Slytherin gingen, desto dichter standen die Bäume beisammen und allmählich wurde es düsterer und bedrohlicher um sie herum. Irgendwann stoppte Harry dann doch und sah seine Freunde ratlos an. Ohne Suchzauber würden sie Yuugi wahrscheinlich nicht finden.
Doch bevor einer der Schüler seinen Zauberstab hervorholen konnte, trat ein brauner Pferdekörper aus dem Schatten der Bäume hervor. Der Zentaure war noch weit entfernt und Harry und die anderen konnten nicht einmal erkennen, ob es sich um einen männlichen oder einen weiblichen Körper handelte. Doch der Blick, der ihnen aus der Entfernung zugeworfen wurde, war nicht feindselig und so ließen die vier ihre Waffen auch in ihren Umhängen verborgen. Als sich der Zentaure umwandte und wieder zwischen den Bäumen verschwand, sahen sich die Schüler fragend an. Doch der Pferdekörper tauchte immer wieder zwischen den massigen dunklen Stämmen auf und es war eindeutig, dass er ihnen den Weg weisen wollte. Schweigend nickten Harry, Draco, Ron und Hermine einander zu und folgten anschließend ihrem unbekannten Führer weiter nach rechts. Sie drangen nicht tiefer in das Dickicht ein, sondern bewegten sich im Gegenteil sogar wieder etwas weiter Richtung Waldrand. Nach etwa zehn Minuten blieb der Zentaure in der Entfernung stehen, deutete mit einem Arm zu einer Stelle im Wald an der es noch heller zwischen den Bäumen wurde und verschwand dann lautlos und unmittelbar in den Tiefen des Waldes. Sie hätten ihm nicht einmal folgen können, wenn sie es versucht hätten, doch Harry und seine Freunde wussten, dass ihr Ziel dort lag, wo der Zentaure hingedeutet hatte.
Also wanderten die vier in die Richtung, die ihnen gewiesen worden war und nach wenigen Minuten lichteten sich die Bäume und sie traten an den Ufer eines kleinen Waldsees. Suchend sahen sie sich nach Yuugi um und befürchteten anfangs schon, dass der Zentaure sich geirrt oder sie absichtlich in die Irre geführt hatte. Doch da entdeckte Harry den Gesuchten an einen massiven Baumstamm gelehnt direkt am Seeufer sitzen und rief leise seine drei Freunde zu sich.
Yuugis schlanker Körper war von seinem Ledermantel völlig eingehüllt. Der junge Japaner hatte die Beine angezogen, lehnte mit dem Rücken an der glatten Rinde und hatte die Arme um sich selbst geschlungen. Er starrte blicklos über den See in den Wald hinein und regte sich nicht. Hätten die Sonnenstrahlen, die durch die Lücken im Blätterdach über dem See brachen, Yuugis blonde Haarsträhnen nicht zum Leuchten gebracht, wäre Harry an der dunklen Gestalt vermutlich achtlos vorbei gegangen. So aber eilte der Gryffindor besorgt auf den jungen Mann zu und hockte sich vor diesem hin, während er leise Yuugis Namen rief.
Der Japaner reagierte nicht und seine violetten Augen starrten blind durch Harry hindurch. Hätte sich seine Brust nicht in flachen Atemzügen gehoben und gesenkt, wäre Harry in Panik ausgebrochen. Wider besseren Wissens wedelte er dennoch vor Yuugis Augen mit der Hand hin und her und rief erneut den Namen des jungen Mannes. Doch natürlich erfolgte keine Reaktion. Harry und die anderen wussten, dass Yuugis Geist nicht in seinem Körper anwesend war – nicht ganz jedenfalls. Yuugis Seele hatte sich in das Milleniumspuzzle zurückgezogen, da dies nun der einzige Ort war, in dem der Pharao und er gleichzeitig nebeneinander existieren konnten.
Gerade weil aus Yuugis Blick keine Seele hervor sah, wirkte er auf die vier Schüler noch trauriger, als sie befürchtet hatten und sie sahen sich besorgt an. Sie wussten alle, dass Yuugi sich nicht auf Dauer aus seinem Körper zurückziehen durfte, denn das würde auf lange Sicht Yuugis Tod bedeuten. Doch was war, wenn sie sich mit ihrer Theorie irrten? Durften sie in Yuugi und Yami Hoffnungen wecken, obwohl sie nicht sicher waren, dass ihre Vermutungen korrekt waren?
Das war es, was Harrys Hand zögern ließ, den Schattenmagier zu berühren. Er konnte verstehen, wie sich Yuugi und Yami fühlten und er wagte es kaum, die beiden aus ihrer Zurückgezogenheit hervorzuholen. Dort in der Milleniumspyramide waren sie zumindest glücklich. Stand es ihm zu, ihnen dieses Glück zu verwehren?
Doch dann rief sich Harry zu Ordnung. Schlimmer konnte es nicht mehr werden. Derzeit hatten Yuugi und Yami keinerlei Hoffnung darauf, einander in der Realität wieder zu berühren. Sie wussten keinen Weg, Yamis Körper zurückzuholen. Selbst wenn Harry und Hermine falsch lagen und ihr Plan scheitern würde, würden Yuugi und sein Partner nur wieder zu genau diesem Zustand zurückkehren, in dem sie derzeit waren. Aber wenn sie Recht hatten, dann würde dies alles ändern.
Und mit diesem Gedanken streckte Harry dann doch die Hand aus und rüttelte Yuugi sanft aber entschlossen an der Schulter. „Yuugi, Yami, wacht auf!"
Die Reaktion war unmittelbar und ließ Harry erschrocken zusammenzucken und nach hinten kippen.
Yuugis violette Augen schlossen sich mit einem Blinzeln und als sie sich wieder öffneten starrten Harry die karmesinroten Augen des Pharaos mit einem beinahe hasserfüllten Blick an. Doch der Augenblick verging, genau wie der zwingende, befehlende Blick und dann blinzelte Yuugi erneut und dessen violette Augen ersetzten Yamis purpurrote.
„Entschuldige, Harry. Wir waren nur überrascht. Yami entschuldigt sich ebenfalls." Yuugis Worte hatten einen verlegenen Unterton und er streckte die Hand aus, um Harry wieder aufzuhelfen.
Der Gryffindor lächelte ebenfalls verlegen, musterte Yuugi aber auch eindringlich, bevor er dessen Hand annahm und sich wieder in die Hocke zog.
„Ich muss zugeben, Yamis Blick hat mich erschreckt. Für eine Sekunde dachte ich…." Harrys Stimme erstarb und er sprach seine Befürchtung nicht aus. Doch Yuugi lächelte um Verzeihung bittend. Dann schloss er wieder die Augen und als er sie erneut öffnete, war Yami wieder die beherrschende Seele in ihrem geteilten Körper.
„Ich weiß, dass es nicht deine Schuld ist. Es ist niemandes Schuld und ich mache niemandem einen Vorwurf. Du musst nicht fürchten, dass ich aufgrund des Verlustes meines Körpers nun auf die Dunkle Seite der Macht wechsle."
Harry lachte erleichtert und auch ein wenig amüsiert über dieses unerwartete Zitat auf. Auch Hermine grinste leicht, doch Draco und Ron runzelten nur die Stirn. Doch bevor die beiden Freunde nachfragen konnten, winkte Harry ab. Seine Erfahrung hatte ihn gelehrt, dass es mindestens zwei Stunden dauerte, um einem Zauberer, der keinerlei Erfahrung mit der Unterhaltungsindustrie der Muggel hatte, solche Witze zu erklären. Und das würde sie viel zu lange vom eigentlichen Grund ihres Hierseins ablenken.
„Ich kann vermutlich nicht mal ansatzweise ahnen, wie ihr euch fühlt. Und ich will euch ganz bestimmt keine Lektion darüber halten, dass es auch nichts bringt, sich vor der Welt zu verstecken." Harry stockte kurz und lächelte dann entschuldigend. „Eigentlich doch, denn das ist etwas, was ich durchaus nachvollziehen kann. Ich kann aus Erfahrung sagen, es bringt nix, sich zu verstecken und das Ganze allein durchzustehen."
Über Yamis Augen huschte ein leichter, schmerzlicher Ausdruck und Harry legte ihm erneut die Hand auf die Schulter, dieses Mal um ihm zu beweisen, dass die beiden Männer eben nicht alleine waren. Yami lächelte dankbar, meinte dann aber mit leichtem Sarkasmus in der Stimme:
„Glaub mir, Harry, unsere Freunde haben uns diese Lektion schon oft genug eingetrichtert. Marik und Ryou habe uns die letzten zwei Tage quasi dauerbelagert, damit wir ja nicht auf trübe Gedanken kommen können und wenn Joey Yuugi noch öfters anruft, wird Seto demnächst wahrscheinlich die Geduld verlieren und Joey eigenhändig durch die Schatten wieder hier nach Hogwarts schicken. Tatsächlich waren wir bisher nur nachts allein und mussten Marik und Ryou heute beinahe bedrohen, damit sie uns mal einige Zeit für uns ließen. Ich war nur ungehalten, weil es mir vorkam, als hätten Yuugi und ich nur Sekunden allein in unserem Seelenraum gehabt."
Harry nickte verstehend, meinte dann aber besorgt: „Ihr seid vor über zwei Stunden in den Wald gewandert."
Doch Yamis nächste Worte zerstreuten seine Befürchtungen, dass die beiden Duellanten in ihrem Seelenraum völlig zeitlos existierten und eventuell tatsächlich irgendwann Yuugis realen Körper vergessen könnten.
„Ich weiß. Das war mehr eine Übertreibung, weil mir nach den ganzen wohlmeinenden Bemühungen unserer Freunde der letzten zwei Tage die Zeit einfach zu kurz vorkam."
Doch Yamis Stimme wurde bei diesen Erinnerungen auch wieder etwas dunkler und Harry ahnte, was dem Pharao durch den Kopf ging. Die beiden Schattenmagier waren der Fürsorglichkeit ihrer Freunde absichtlich entschlüpft, weil sie Zeit für sich brauchten und Yami war höflich genug, nicht auszusprechen, dass auch die Besorgnis Harrys und seiner drei Freunde zwar nett aber auch unwillkommen war. Yami und Yuugi waren absichtlich geflohen, um mit ihrem Partner allein zu sein. Und da sie dies nicht mehr sein konnten, ohne sich in ihren Seelenraum zurückzuziehen, was zur Folge hatte, dass Yuugis Körper apathisch in der Realität zurückblieb und sich ihre Umgebung Sorgen um sie machte, waren sie beide in die Einsamkeit des Verbotenen Waldes geflohen.
Nun blickte Yami Harry und anschließend Draco, Ron und Hermine fragend und auch ein wenig ungeduldig an und es war eindeutig, dass er sie eigentlich wieder los werden wollte. Also schluckte Harry seine unterschwelligen Ängste hinunter, dass ihr Plan am Ende doch schief gehen könnte und meinte dann so zuversichtlich, wie er konnte:
„Und doch glaube ich, dass ihr mit uns zurück ins Schloss kommen solltet. Ich denke, es gibt eine Lösung für euer Problem."
Yami blinzelte kurz und sah den Gryffindor anschließend mit zusammengekniffenen Augen ernst an. Seine Stimme wurde noch ein bisschen dunkler und Harry fühlte sich immer unbehaglicher. Es war deutlich zu spüren, dass dieser Mann einst ein Imperium unter sich vereint hatte und es gewohnt war, dass Untertanen ihn weder überraschten, noch gegen seinen Befehl handelten.
„Wir haben es euch schon gesagt. Es gibt im ganzen Milleniumspuzzle keine Möglichkeit, meinen Körper zurückzubringen. Und wir haben lange gesucht. Dumbledore und Remus sehen ebenfalls keine Möglichkeit, das Ritual zu wiederholen, nun da Voldemort besiegt ist. Mach uns keine falschen Hoffnungen." Yamis Stimme war zu einem Grollen geworden und Harry schluckte. Dann atmete er erleichtert auf, als Yami blinzelte und Yuugis violetter und eindeutig um Verzeihung bittender Blick in das Gesicht vor ihm zurück kehrte.
„Ich muss Yami leider zustimmen. Es gibt keinen Weg. Es wird schwer sein, das zu akzeptieren, aber Yamis Körper ist verloren." Doch Yuugis Stimme konnte nicht verhehlen, dass Harrys Worte tatsächlich Hoffnung in ihm geweckt hatten und Harry versuchte seine nächsten Worte betont optimistisch klingen zu lassen.
„Hermine und ich haben diese Idee eigentlich schon seit Mittwochabend, als wir in der Bibliothek an der Übersetzung saßen. Noch bevor Yami seinen Körper überhaupt verloren hatte. Wir dachten damals schon, dass das Rätsel zu spezifisch auf euch beide zugeschnitten ist. Doch wir haben nichts gesagt, weil es gar keinen Grund gegeben hätte, den Zauber zu sprechen. Uns ist erst nach der Schlacht klar geworden, wozu der Spruch tatsächlich gedacht ist und dass er von Anfang an für euch bestimmt war."
Yuugi blickte nun eindeutig fragend zu dem Gryffindor und Harry erkannte, dass Yuugi noch immer keine Ahnung zu haben schien, was Harry andeutete. Der Gryffindor war noch immer verblüfft über so wenig Selbstsucht und lächelte den jungen Japaner mit aufrichtiger Zuneigung an. Bevor er jedoch weiter sprechen konnte, fiel Draco seinem Freund ungeduldig ins Wort.
„Was Harry auf seine komplizierte und dadurch eindeutig unverständliche Art sagen will, ist, dass das Rätsel der Kartusche einen Zauberspruch enthält, von dem wir glauben, dass er Yami einen neuen Körper geben wird."
Yuugi sah Draco entgeistert an, brachte aber vor Verblüffung keinen Ton heraus. Dann sah er ungläubig zwischen Harry, Draco, Hermine und Ron hin und her, die alle vier bestätigend nickten. Noch immer sagte Yuugi nichts, doch dann wurde sein Blick erwartungsgemäß glasig und der Japaner starrte wieder durch die vier Schüler hindurch, ohne etwas zu sehen. Dieses Mal holte Harry Yuugi nicht aus seiner Versenkung in den Seelenraum zurück, denn es war klar, dass die beiden Schattenmagier diese Idee erst einmal durchsprechen mussten.
Minuten vergingen und Harry hatte sich längst erhoben. Er und Draco standen schweigend am Ufer des Sees und sahen zu, wie Ron kleine Steine über die Oberfläche hüpfen ließ. Einzig Hermine warf immer wieder einen besorgten Blick auf Yuugi, der noch immer unbeweglich an seinen Baumstamm gelehnt da saß.
„Sollten wir sie nicht bald wieder aufwecken. Sie beraten sich schon ziemlich lang." Harry folgte Hermines Blick, doch scheinbar hatten Yuugi und Yami die Worte der Gryffindor gehört, denn plötzlich kam wieder Bewegung in Yuugis Gestalt und der junge Japaner stand mit sichtlicher Anstrengung auf. Kurz schüttelte er seine Glieder, die vom langen Sitzen vermutlich steif geworden waren und kam dann langsam, beinahe zögernd auf die vier Schüler zu.
„Ihr glaubt wirklich, die Kartusche könnte zu diesem Zweck überliefert worden sein? Es ist kein Spruch, um einen Feind zu besiegen?" Yuugis Stimme war voller Zweifel aber auch voller Hoffnung und Harry lächelte zuversichtlich.
„Wie wir schon vor fünf Tagen festgestellt haben: die Ägypter damals konnten doch von den Feinden die noch kommen würden, gar nichts wissen. Sie mögen eine dunkle Bedrohung in der Zukunft gesehen haben, aber genaues gibt das Kartuscheninnere eindeutig nicht her. Hätten sie einen Spruch gegen einen speziellen Feind aufgeschrieben, hätten sie doch auch die Natur dieses Feindes benennen müssen – schon allein damit der Zauberer, der den Spruch anwenden will, weiß, dass es der richtige Gegner ist. Nein, ich glaube, sie wussten nur, dass sie das bewahren mussten, was sie kannten und was sie bisher schon vor dem Bösen geschützt hatte. Und das war ihr Pharao, der sie vor den Monstern des Schattenreiches gerettet hatte. Ihm vertrauten sie. Seine Macht kannten sie. Und er hatte sein Leben für sie geopfert und würde es folglich wieder tun, wenn sie dafür sorgen konnten, dass er als Beschützer zu ihnen zurück kam."
Yuugi sah Harry noch immer zweifelnd an. Und einen Augenblick später blickte Yami ebenso zweifelnd in Harrys grüne Augen.
„Ich habe mein Volk nicht gerettet, damit sie mich belohnen. Ich…"
Harry hatte das Vergnügen, den Pharao tatsächlich sprachlos und verlegen zu erleben und er ahnte, dass dies ein sehr seltener Anblick war, den noch nicht viele gesehen hatten oder wieder beobachten würden.
„Natürlich nicht. Das ist es ja gerade, weshalb die Weisen deines Volkes ihr verbliebenes Wissen gesammelt und den Spruch in der Kartusche überliefert haben. Es ist immer die Selbstlosigkeit, die die wertvollste Belohnung verdient." Dann lächelte Harry kurz sarkastisch und fuhr einschränkend fort: „Dein Volk hat ja auch in Eigennutz gehandelt, denn immerhin wollten sie dich als ihren Beschützer vor der Dunkelheit zurück haben."
Yami sah Harry noch immer zweifelnd an, doch Hermine hinderte den Pharao daran, etwas zu erwidern. Mit einem Schlenker ihres Zauberstabes holte Hermine ein Pergament aus dem Nichts hervor und hielt es Yami hin. Stirnrunzelnd las der Pharao die Übersetzung des Kartuscheninneren noch einmal, die Hermine nicht nur kopiert, sondern noch angepasst hatte.
Das Siegel der Schatten verbannte das Böse in die graue Dunkelheit, auf dass Licht in die Herzen der Gläubigen zurückkehrte. Die Götter trauerten um die Flamme der Macht, die ihr kaltes vernichtendes Feuer nie wieder auf Erden werfen konnte, ohne die Dunkelheit zu befreien. Die warme Flamme der Unschuld und Gerechtigkeit wurde den Gläubigen von den Göttern als Entschädigung für ihr Opfer gegeben. Dieses warme Licht brannte so hell und klar, wie das kalte Feuer im Angesicht der Dunkelheit gebrannt hatte. Die Orakel weissagten eine Zeit, in der das Böse an den Grenzen zum Guten entlang schleichen würde. Sie prophezeiten, dass die Dunkelheit in die Welt zurückkehren würde. Licht würde die Schatten überstrahlen und doch die Dunkelheit nicht besiegen können. Das Böse würde den Weg aus der Dunkelheit finden, wenn das Siegel der Schatten nicht mit der Wärme der Unschuld vereint werden würde. So gaben die Götter den Gläubigen Worte der Wiedergeburt, um die Wärme der Gerechtigkeit und die Kälte der Pflicht auferstehen zu lassen. Die Worte versprachen eine Fusion ohne Vereinigung.
Flamme der Macht, leuchte getrennt.
Brenne im Gleichklang, wirf Schatten geteilt.
Oh kaltes Feuer, erwachse aus Dunkelheit.
Oh warme Flamme, werde geboren aus Licht.
Vereinigte Macht weise den Weg in die Ewigkeit.
Licht, bedecke den Schatten; Schatten, erglühe im Licht.
Doch die Gläubigen verloren die Kraft der Stimme und fürchteten die Rückkehr des Bösen. So suchten die Wissenden einen Weg, die Worte der Wiedergeburt zu bewahren, auf dass sie gesprochen werden konnten, wenn die Zeit der Prophezeiung gekommen ward. Die Wissenden prophezeiten die Rückkehr der Kraft der Stimme durch den Spiegel der Macht. Die Gläubigen gelobten, den Spiegel zu suchen, auf dass er ihnen ihre Flamme rettete, um so ihre große Zukunft zu sichern und das Böse in der grauen Unterwelt zu halten.
„Wir verstehen immer noch nicht, was der Spruch genau bewirken soll und vor allem wie. Ich meine, man könnte es so verstehen, dass eure lichte Magie als der Spiegel unserer Schattenmagie den Spruch sprechen muss. Aber warum sollte das meinen Körper zurück bringen? Oder mir einen neuen geben? Wieso sollte es überhaupt nötig sein, denn unsere Magie, die das Kartuscheninnere eindeutig als die kalte Flamme bezeichnet, ist doch schon längst da. Wir sind hier. Unsere Magie muss nicht ‚gerettet' werden."
Hermine war es nun, die sich einmischte und Yami auf einen entscheidenden Fehler in seiner Denkweise aufmerksam machte. „Ihr dachtet bisher immer, dass die warme Flamme, auf die sich die Kartusche bezog, unsere Magie ist. Aber ich habe mich schon in der Bibliothek gewundert, dass euch der Fehler nicht selbst aufgefallen ist. Besonders, da ihr selbst schon nach Voldemorts Angriff vor Halloween die Frage entsprechend gestellt habt. Unsere Magie ist der Spiegel, aber die warme Flamme ist Yuugis Teil eurer gemeinsamen Magie."
Yami sah Hermine verblüfft an und plötzlich lächelte er verstehend. Hermine nickte, als sie sah, dass der Pharao endlich begriffen hatte, worauf Harry und sie hinaus wollten.
„Dahal hatte es auch so ausgedrückt und ja, Hermine, du hast recht. Wir haben Dumbledore selbst genau danach gefragt. Meine Magie ist das kalte, vernichtende Feuer. Yuugis Magie ist die Warme aber doch tödliche Flamme. Zusammen sind wir eins und sollten nie getrennt sein. Aber durch meine Versiegelung im Puzzle wurden die beiden Teile des Feuers doch getrennt."
Hermine nickte bestätigend. „Ich dachte sofort an diese Worte, als ich die ersten Zeilen der Übersetzung gelesen habe."
Dann deutete sie auf eine bestimmte Stelle auf dem Pergament, welches Yami noch immer in der Hand hielt. „Ich habe die unwahrscheinlichen Synonyme in eurer Übersetzung heraus gestrichen und ich denke, besonders die Passage kurz vor dem Spruch ist die entscheidenden. Eine Wiedergeburt ist an sich ja schon eine eindeutige Wortwahl. Aber der Passus „Fusion ohne Vereinigung" ist, denke ich, das was zählt."
Yami blickte noch einmal mit gerunzelter Stirn auf den mittleren Teil der Übersetzung, auf den Hermine zeigte. „Ich glaube trotzdem nicht, dass ihr einfach nur den Spruch aufsagen müsst und schon habe ich einen neuen Körper. Da gehört noch mehr dazu, dass fühle ich."
Zu Yamis Überraschung nickte Hermine. „Ich bin der gleichen Ansicht. Ich glaube, die Kartusche muss zusätzlich in den Spruch eingebettet werden. Ihr sagtet, sie besteht aus veredeltem Turmalin und Elektrum."
Yami nickte bei Hermines kurzer Pause bestätigend und die Gryffindor fuhr fort.
„Ich hab nachgesehen und habe herausgefunden, dass diese Materialien auch in unserer Magie bekannt sind. Und sie sind so selten, wie ihr es angedeutet habt. Sie ermöglichen das Kanalisieren einer ganzen Menge von Magie durch den Zauberer, der das Material nutzt und ich denke, dadurch wird der Spruch erst seine Wirkung haben."
Yami erinnerte sich nun an etwas und rezitierte verblüfft die letzte Zeile des Textes auf der Außenseite der Kartusche: „'Bis das Siegel gebrochen wird, sind beide nie getrennt.' Die Kartusche ist das Siegel und muss zerstört werden?"
„Ich denke schon. Der innere Text spricht vom ‚Siegel der Schatten' und ich denke vom Kontext her, dass damit deine Seele gemeint ist, Yami. Doch der äußere Text spricht nur vom Siegel. Die Kartusche wird zur Wirkung des Zauberspruches benötigt und wird dabei vermutlich zerstört, aber dadurch werden Schatten und Licht, die beiden Flammen des gleichen Feuers, getrennt und können gleichzeitig nebeneinander, aber doch getrennt voneinander existieren."
Draco, der vor wenigen Stunden das erste Mal überhaupt von dem Rätsel der Kartusche gehört hatte, warf nun mit trockenen Worten ein: „Das Ganze ist meiner Meinung nach ein extrem aufwändiger Zauber und kein Magier, der auch nur einiges auf sich hält, würde heutzutage so einen komplexen Spruch versuchen. Je mehr Worte ein Spruch benötigt, desto mehr Magie braucht er auch, um wirksam zu werden. Und desto verheerender kann es ausgehen, wenn der Spruch schief geht. Aber gerade deshalb denke ich, dass Hermine Recht haben könnte. Das Ganze ist kein alltäglicher Spruch. Einen Körper aus dem Nichts hervorzuzaubern ist eine so komplexe Magie, dass keiner der heutigen Zauberer auch nur daran denken würde, so etwas auch nur zu versuchen. Auch die alten ägyptischen Zauberer konnten den Spruch nur entwickeln oder herbeizaubern oder wie auch immer sie damals magische Offenbarungen erlangt haben. Sie konnten ihn aber nicht selbst ausführen. Sie wussten genau, dass für den Erfolg des Zaubers alle Bedingungen exakt stimmen müssen und so konnten sie nur dafür sorgen, dass die Kartusche zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle auftaucht. Deswegen haben sie den Spruch auch mit all den Erklärungen ringsherum verpackt. Es ist trotz des erklärenden Inhaltes nur eine Art Blendwerk, damit nur die richtigen Zauberer zur richtigen Zeit die korrekten Schlüsse ziehen konnten. Ich bin zwar immer noch der Meinung, dass wir Severus und Lupin einen Blick drauf werfen lassen sollten, bevor wir das Ganze versuchen. Dumbledore vielleicht auch. Aber ich denke, der Spruch hat Potential."
Yuugi fiel etwas hinter den vier jungen Zauberern zurück, als sie den Wald verlassen hatten und zum Schloss hinauf gingen. Fasziniert und verblüfft dachte er darüber nach, wie schnell ihre aussichtslose Lage doch wieder einen Hoffnungsschimmer erhalten hatte.
Es war erst wenige Stunden her, dass Yuugi zuerst Joey am Handy und später Ryou und Marik beim Frühstück entschlossen, aber leider auch wenig überzeugend, den alten fröhlichen Yuugi vorzugaukeln versucht hatte. Was ihnen bis vor zwei Monaten noch recht gut gelungen war, zog bei ihren Freunden nun schon längst nicht mehr und besonders Marik und Ryou hatten Yuugi nur mit hochgezogener Augenbraue bezeichnend angesehen, als er ihnen versucht hatte zu erklären, dass Yami und er völlig in Ordnung waren und sich mit der neuen alten Situation abgefunden hatten. Natürlich durchschauten sie die Lüge. Sie hatten sie vermutlich schon in Domino City durchschaut, doch damals hatte keiner von ihnen gewusst, dass es überhaupt möglich wäre, Yami einen eigenen Körper zu geben. Mitleid hätte Yami und Yuugi also nur mehr verletzt, als Ignoranz. Nun jedoch, nachdem die Schattenmagier wussten, was möglich war, fiel es allen schwerer, die Fassade der Unbekümmertheit aufrecht zu erhalten. Sie waren Freunde und sie litten nun entsprechend mit Yuugi und seinem Geliebten. Zu sehen, wie die beiden ihren Freunden eine ‚heile Welt' vorzuspielen versuchten, während sie innerlich vor Trauer und Leid verzweifelten, war für alle nicht leicht zu ertragen.
Yami hatte sich in den wenigen wachen Stunden der beiden letzten Tage gar nicht an die Oberfläche ihres gemeinsamen Bewusstseins gedrängt. Er wusste, dass Yuugi besser geeignet war, ihren Freunden eine Fassade der Akzeptanz vorzuspielen und unterstützte seinen Hikari nur aus dem Inneren heraus. Yuugi und er wussten genau, dass der Pharao die wohlmeinenden Worte und mutmachenden Ratschläge nur schwer hätte ertragen können, ohne die Geduld zu verlieren und ihre Freunde mit harten Worten anzufahren und damit notgedrungen und ungewollt zu verletzen. Yami kam viel schlechter mit Mitleid klar, als Yuugi. Doch mehr als Mitleid konnten ihre Freunde ihnen nicht geben. Also war Yami wortkarg in ihrem Seelenraum verblieben und Yuugi hatte sich in jeder freien Minute, die ihm gegönnt wurde, ebenfalls in das Puzzle geflüchtet.
Sie hatten darüber nachgedacht, erneut das Wissen des Puzzles nach Antworten zu durchforsten, doch sie hatten dieses Vorhaben schnell wieder aufgegeben. Drei Jahre der Suche hatten keine Antworten gebracht. Auch wenn sie nun nach dem Ritual der Zauberer wussten, dass es prinzipiell möglich war, Yami einen Körper zu geben, wussten sie doch, dass nichts innerhalb des Milleniumspuzzles ihnen helfen konnte.
Und nun waren diese vier Schüler gekommen und hatten ihnen einen Weg aufgezeigt, auf den sie zwar insgeheim gehofft, den sie aber nicht mehr für möglich gehalten hatten.
‚Nach allem, was ich gerade gehört habe, habe ich dennoch Angst, zu hoffen.' Yuugi seufzte in ihrem Seelenraum vernehmlich und lehnte sich an Yamis warmen Körper.
/Mir geht es genauso. Ich hoffe und gleichzeitig versuche ich die Hoffnung zu verdrängen./ Die Stimme des Pharaos hatte einen sarkastischen Unterton und Yuugi wusste, dass der andere über sich selbst innerlich den Kopf schüttelte. Sie waren sonst nie so zögerlich. Sie stellten sich gemeinsam allen Gefahren und allen Bedrohungen und doch fürchteten sie sich nun davor, die Hoffnung zuzulassen. Denn sie wussten nicht, ob sie es ertragen konnten, diese letzte Hoffnung dann doch wieder zerplatzen zu sehen. Würden sie sich davon wieder erholen können?
‚Alles was Hermine und Harry gesagt haben, klingt logisch. Und es ist nicht ganz abwegig, dass die Hofmagier nach deinem Verschwinden ihre letzten Reste der Magie zusammen gekratzt haben, um die Prophezeiung zu erhalten, die am Ende in der Entstehung der Kartusche gemündet ist.'
Yami stimmte seinem Hikari zu. /Sie waren auch ohne die Schatten mächtig und das Erstellen von Weissagungen war damals eine zentrale Form der Magie. Und natürlich konnten wir nichts über die Kartusche in dem Wissen des Puzzles finden, wenn sie die Vorhersage erst nach meiner Versiegelung gemacht hatten./
‚Und dennoch...' Yuugis Stimme verklang leise und gedankenverloren und er schmiegte sich noch enger an Yami, während er gleichzeitig in der Realität hinter Harry und den anderen durch das Schlossportal ging.
/Und dennoch, sich vorzustellen, dass sie nur für mich diese Prophezeiung ausgesprochen und mehr als 500 Jahre überliefert haben - das klingt zu gut um wahr zu sein./ Yami konnte es noch immer nicht fassen. Ja, er hatte sich immer bemüht, ein guter und gerechter Herrscher zu sein. Und er hatte sein Leben für sein Volk gegeben, als er es vor den Schatten beschützt und das Schattenreich mit seiner Seele versiegelt hatte. Doch dass sein Volk so viel Magie für ihn mobilisiert hatte….
Plötzlich lachte Yuugi leise auf und drehte sich in Yamis Armen um. ‚Harry hat allerdings nicht ganz unrecht. Sie haben es nicht völlig uneigennützig getan. Sie wollten deine Macht zu ihrem Schutz erhalten. Sie wussten ja nicht, was bei der Weissagung herauskommt. Sie hofften sicherlich auf einen Weg, dich zu ihrer Zeit zurück zu holen.'
Yami nickte nachdenklich und küsste Yuugi dann verträumt auf die Lippen. Yuugi erkannte, dass genau wie bei ihm, nun nach und nach auch bei seinem Aibou die Erkenntnis einzusickern begann, dass dies alles wirklich und wahrhaftig sein könnte. Dass sie nicht träumten.
Sie hatten es am Mittwoch ja schon zu Harry, Hermine und Ron gesagt: All ihre bisherige Erfahrung hatte sie gelehrt, dass Hilfe immer genau zu dem Zeitpunkt auftauchte, wenn sie benötigt wurde. Sie hatten die Kartusche in Hagrids Hütte unter all dem Krimskrams und Klimbim gefunden. Außer ihnen waren nur noch eine Handvoll anderer auf der Welt überhaupt in der Lage, den Wortlaut der Schriftzeichen zu übersetzen. Und es war ihnen gelungen, das erste Rätsel zu lösen und so das Innere der Kartusche offen zu legen. Diese ganze Abfolge der Ereignisse konnte kein bloßer Zufall sein.
Die Kartusche existierte schon seit Jahrtausenden, aber bisher war niemand in der Lage gewesen, ihren Inhalt und dessen Bedeutung zu entziffern. Was konnte dies also anderes bedeuten, als dass genau jetzt die richtige Zeit und der richtige Ort für den Spruch im Inneren der Kartusche waren.
Yuugi erwiderte Yamis Kuss zärtlich, tauchte dann aber wieder vollständig mit den Gedanken in die Realität ein. Harry und die anderen liefen nun durch die Gänge von Hogwarts und Yuugi beeilte sich, aufzuholen und hielt dann mit ihnen Schritt. Sie waren noch im Wald überein gekommen, die Übersetzung Dumbledore zu zeigen, bevor sie weitere Mutmaßungen anstellten. Besonders Hermine hatte sich verwundert gezeigt, als Yuugi ihnen mitgeteilt hatte, dass die beiden Schattenmagier den Inhalt der Kartusche bisher noch mit keinem der Professoren besprochen hatten. Zu ihrer Entschuldigung hatten die beiden immerhin vorbringen können, dass sie den Inhalt des Kartuscheninneren ja auch erst seit letztem Mittwoch kannten. Und danach hatte es einfach keine Gelegenheit mehr gegeben, sich um einen Spruch zu kümmern, der viel zu unklar war, als dass er im kommenden Kampf hätte Verwendung finden können.
Jetzt war das natürlich anders und Hermine bestand darauf, dass sie das magische Wissen eines Mannes wie Albus Dumbledore nicht ungenutzt lassen durften, selbst wenn sie sich beinahe sicher waren, was die nächsten Schritte sein mussten. Und gerade weil sie ahnten, dass ein Magier vom Kaliber des Schulleiters den Spruch würde aussprechen müssen, war es um so wichtiger, dass der Mann auch Gelegenheit bekam, sich mit dem Zauber auseinander zu setzen.
Yuugi und Yami hatten zugestimmt, die Professoren um ihre Meinung zu Hermines und Harrys Theorie zu befragen. Nicht unbedingt, weil sie an den Schlussfolgerungen oder am Wissen der beiden Schüler zweifelten. Yuugi war sich sogar ziemlich sicher, dass Hermines magisches Wissen dem des Schulleiters in nichts nachstand, trotz ihrer geringeren Anzahl an Lebensjahren. Doch die beiden Duellanten waren eigentlich erst noch damit beschäftigt, das Wunder dieser neuen Hoffnung zu begreifen und konnten sich noch gar nicht mit dem Gedanken befassen, dass jemand innerhalb der nächsten Minuten die Beschwörung aus der Innenseite der Kartusche aussprechen und Yamis Körper so einfach mir nichts, dir nichts herbeizaubern würde. Sie brauchten Zeit und Harry hatte nur wissend gelächelt, als Yuugi relativ verhalten auf Rons Vorschlag reagiert hatte, den Spruch direkt dort im Verbotenen Wald an dem stillen Waldsee auszuprobieren.
Nach weiteren drei Treppen erreichten die vier Schüler und der Schattenmagier dann den Eingang zu Dumbledores Büro und Harry wollte gerade das Passwort aussprechen, als sich der Zugang zur Wendeltreppe von allein öffnete. Severus Snape und Remus Lupin blickten die fünf jungen Leute überrascht an, doch bevor Remus Harry fragen konnte, was sie zum Eingang des Büros des Schulleiters brachte, ergriff Harry das Wort.
„Gut, dass wir dich hier treffen. Wir haben etwas, was wir gern mit dem Schulleiter besprechen würden und deine Meinung wäre auch interessant. Professor Snape sollte ebenfalls mitkommen."
Dann sah sich Harry zu Yuugi um und dieser ahnte, was der Gryffindor als nächstes fragen wollte. Doch da bogen Marik und Ryou schon um die Ecke und gesellten sich mit einem fragenden Blick zu den Anwesenden. Yuugi hatte die beiden Schattenmagier schon um ein Treffen gebeten, als Hermine und Harry ihren Plan des Besuches Dumbledores geäußert hatten.
„Na dann sind ja alle da." Rons enthusiastischer Ausruf erntete einen fragenden Blick von Remus und eine skeptisch hochgezogene Augenbraue von Professor Snape, doch die beiden Lehrer stellten keine Fragen und folgten Harry nur wieder die Treppe hinauf zu dem Büro, aus dem sie Minuten zuvor aufgebrochen waren. Marik sah Yuugi fragend an, doch dieser schüttelte nur knapp den Kopf.
„Wartet bis zur Besprechung oben, sonst müssen wir alles zweimal erklären." Damit ging der Japaner hinter den Professoren und den Hogwartsschülern her und Marik und Ryou folgten dem Freund wortlos aber mit deutlicher Neugierde.
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Professor Dumbledore sah den Eintretenden mit einem wissenden Lächeln entgegen und Yuugi fragte sich erneut, wie es Harry und seine Freunde in der Vergangenheit immer wieder geschafft hatten, sich unbeaufsichtigt in all diese Schwierigkeiten zu bringen, die er in ihren und Dumbledores Erzählungen hatte anklingen hören. Der Schulleiter schien genau zu wissen, wieso die sieben jungen Zauberer nun in sein Büro traten. Den beiden Professoren, die hinter Harry und den anderen eintraten, warf er nur einen kurzen, amüsierten Blick zu. Kein Wort der Verwunderung über deren Rückkehr nach der kurzen Abwesenheit kam über die Lippen des Schulleiters. Doch immerhin wäre es auch ungewöhnlich gewesen, wenn der Zauberer nicht gewusst hätte, was unmittelbar vor der Tür seines Büros passierte. Dumbledore wusste immerhin fast immer über alles Bescheid, was innerhalb der Mauern seiner Schule geschah, da waren eine simple Holztür und eine Wendeltreppe wohl kein größeres Hindernis.
Der ältere Mann blieb noch einige Sekunden hinter seinem Schreibtisch sitzen, während er die Pergamentrolle zur Seite legte, in der er bei ihrem Eintreten gelesen hatte. Dann stand er auf und trat erwartungsvoll um den Schreibtisch herum. Er bedachte alle mit einem freundlichen Lächeln und wartete, bis sie sich im Halbkreis um ihn und den Schreibtisch versammelt hatten.
Doch erst, als sich das Schweigen in dem großen, runden Raum in die Länge zog und Dumbledore sich mit einem aufmunternden aber doch auch fragenden Schmunzeln direkt an Harry wandte, dämmerte es Yuugi, dass er sich genau wie die Hogwartsschüler durch Dumbledores übliche Selbstsicherheit hatten täuschen lassen. Wahrscheinlich kostete es den Mann nicht einmal mehr eine bewusste Anstrengung, jederzeit den Eindruck zu erwecken, allwissend zu sein. Immerhin stimmte es ja auch die meiste Zeit und außerdem war es immer von Vorteil, wenn andere nicht wussten, dass man nur einen Teil des Geschehens erahnte. Doch seine sanften Worte ließen keinen Zweifel daran, dass der Schulleiter dieses Mal eben nicht genau wusste, was der Grund für ihr Erscheinen war. Er hatte sicherlich Vermutungen, war sich aber über deren Treffsicherheit nicht ganz im Klaren.
„Wie ich sehe, habt ihr euch alle gut erholt. Und ich vermute mal, ihr habt ein bestimmtes Anliegen, was euch zu mir bringt."
Harry blinzelte verblüfft und Yuugi lächelte amüsiert in sich hinein.
‚Dumbledore gibt vermutlich nicht oft zu, dass er neugierig ist, was Harry von ihm will.'
Yami nickte zustimmend in ihrem Seelenraum. /Er beginnt den jungen Mann als gleichwertig zu akzeptieren. Was Harry nur zu sehr verdient hat, nach allem, was er in der letzten Schlacht und in all den Jahren davor für ihre Sache geleistet hat./
Yuugi beobachte weiterhin Harrys offensichtliche Verlegenheit, als auch diesen diese Erkenntnis traf. ‚Es ist nie leicht, sich der Anerkennung anderer bewusst zu werden und sie ohne Verlegenheit zu akzeptieren.'
Yamis liebevolle Gedanken streiften Yuugis Seele, denn auch der Pharao wusste, wie schwer es Yuugi gefallen war, zu akzeptieren, dass sein Geliebter und auch seine Freunde stolz auf seine Taten waren. Dies war das Los der Bescheidenen, die sich ihrer eigenen Macht immer erst viel zu spät bewusst wurden, weil sie bis dahin einfach immer nur das getan hatten, was ihnen sinnvoll erschien. Sie wollten nicht gefallen, sie wollten einfach nur das Richtige tun.
Harry straffte sich nun jedoch, nachdem er einen kurzen Blick auf den wie immer unnahbar aussehenden Draco geworfen hatte und räusperte sich dann fest.
„Ja, uns geht es wieder gut, danke der Nachfrage. Und ja, wir haben eine Bitte. Würdet Ihr Euch bitte die Übersetzung der Kartusche ansehen, die Yuugi und Yami angefertigt haben."
Hermine trat bei Harrys Worten vor und ließ das Pergament erscheinen, welches den Inhalt des Kartuschentextes enthielt und hielt es dem Schulleiter hin. Der Professor griff automatisch danach, doch er blickte Harry und Hermine so überrascht an, dass niemand einen Zweifel daran hatte, dass er mit etwas ganz anderem gerechnet hatte.
„Die Kartusche?" Die Stimme des Professors war fragend und Yuugi ließ besagten Gegenstand wortlos aus den Schatten erscheinen. Dann trat er vor und legte ihn auf den Schreibtisch.
„Das ist die Kartusche, die wir bei Hagrid-san gefunden haben. Wir haben es letzten Mittwoch zusammen mit Hermine, Harry und Ron geschafft, den Inhalt des Rätsels im Inneren der Kartusche zu übersetzen."
Dumbledore legte das Pergament ungelesen auf einen Stapel Briefe direkt neben sich und betrachtete die 10 Zentimeter große Kristallkartusche, die schwarz und doch geheimnisvoll schimmernd auf dem Holz des Schreibtisches lag.
„Ah, ich entsinne mich, dass ihr versuchen wolltet, die Inschrift zu übersetzen. Ich kann mich aber gar nicht daran erinnern, dass sich die Kartusche öffnen ließ, als die Experten des Ministeriums sie untersucht hatten."
Nachdenklich nahm der alte Mann die Kartusche in die Hand und beobachtete mit neugierigem Blick den Farbwechsel des Kristalls von blau zu rot und grün, sowie das Leuchten der Schrift. Dann klappte er die Seiten auseinander und betrachtete mit offensichtlicher Verblüffung die Unmengen an ägyptischen Schriftzeichen, die sich auf der Innenseite über die vier Seitenwände der Kartusche erstreckten. Auch Severus Snape und Remus Lupin traten nun neugierig heran und Yuugi und Yami dämmerte, dass sie vielleicht nicht ganz so geheimniskrämerisch hätten sein sollen. Die drei Männer waren ganz eindeutig an diesem für sie so fremden Artefakt aus einer fremden Kultur interessiert und Yuugi warf Marik auf der anderen Seite des Raumes einen amüsierten Blick zu. Das war genau die gleiche Reaktion, die auch der Grabwächter an den Tag gelegt hatte, als er die Kartusche das erste Mal gesehen hatte. Wenn Yuugi also nichts unternahm, würden die drei Professoren für die nächste Stunde in Fachsimpelei und Mutmaßungen abdriften. Und auch wenn Yuugi die Faszination verstehen konnte, konnte er auch sehen, wie Harry vor Ungeduld zu zappeln begann.
Also erhob der junge Japaner die Stimme und riss die drei Lehrer aus ihrer Versenkung.
„Wir haben das Rätsel der Außenseite recht schnell lösen können und es gelang uns, die Kartusche zu öffnen." Knapp berichtete Yuugi von jenem Sonnenaufgang vor knapp einem Monat. „Wir dachten anfangs, dass das Innere uns einen Zauberspruch offenbaren würde, um im Kampf gegen Voldemort zu helfen, doch wir wurden lange Zeit nicht aus der Übersetzung schlau. Natürlich glaubten wir, dass das Rätsel wichtig war, denn warum sonst war es uns gelungen, das Innere der Kartusche zu offenbaren, wo alle Experten zuvor versagt hatten? Doch da wir andere und verlässlichere Wege hatten, um uns gegen die Gegner zu behaupten, haben wir uns natürlich darauf konzentriert."
Als Yuugi nun schwieg, fuhr Hermine an seiner statt entschlossen fort. „Yuugi und Yami dachten nur daran, dass sie den Spruch zum Nutzen anderer gebrauchen könnten, doch Harry und mir war von Anfang an klar, dass der Nutzen viel weniger für andere, als für die Finder bestimmt war. Wie die beiden vermuteten, ist es kein Zufall, dass die Kartusche sich gerade jetzt hat finden lassen. Es ist Schicksal."
Dumbledore sah die junge Hexe anerkennend und mit deutlichem Stolz an und griff dann neugierig nach dem Pergament, welches er zuvor scheinbar achtlos beiseitegelegt hatte. Er hatte sicherlich Hermines Handschrift erkannt und seine Augen folgten nun gebannt jeder Zeile der Übersetzung. Severus las über seine Schulter mit und nach wenigen Augenblicken reichte Dumbledore wortlos die Zeilen an Remus weiter, der noch immer die Kartusche haltend ebenfalls gebannt das Rätsel aus deren Innerem las.
Nachdem Remus das Pergament gesenkt hatte, sahen sich die drei Männer an, als würden sie sich telepathisch verständigen und dann nickten sie einander zustimmend zu.
„Es könnte möglich sein." Remus' Stimme war zuversichtlich.
„Ihre Magie ist uns fast unbekannt und die Kartusche ist alt. Wir wissen fast nichts über ihre Möglichkeiten. Wir wussten ja auch nichts über die Schattenmagie." Severus sah ein wenig grimmig zwischen Yuugi, Marik und Bakura hin und her und der Japaner konnte sich eines leichten Schauderns nicht erwehren. Der Zaubertränkeprofessor würde ihnen ihre direkte Beeinflussung damals in London wohl niemals richtig verzeihen.
Bevor die drei Lehrer weiter in Rätseln sprechen konnten, schnippte Bakura genervt mit den Fingern und das Pergamentpapier verschwand aus Remus Hand und tauchte in der Hand des Grabräubers wieder auf. „Wovon bei Apophis redet ihr eigentlich?"
Marik und er beugten sich nun ebenfalls über die Übersetzung und sahen Yuugi eine halbe Minute später verständnislos an. Yuugi stellte mit Zufriedenheit fest, dass weder der Grabräuber noch der Grabwächter trotz ihres Wissens um die ägyptische Magie eine Ahnung zu haben schienen, was das Rätsel zu bedeuten hatte, während die drei Hogwartsprofessoren instinktiv sofort das Ziel des Spruches erkannt hatten. Dies bewies mehrere Sachen auf einmal. Erstens waren Yuugi und Yami nicht die einzigen, die nicht so selbstsüchtig dachten, dass sie sofort auf die beabsichtigte Lösung kamen. Bakura hatte wie Yami keinen eigenen Körper und er hätte nun ebenfalls zu dem korrekten Schluss wie die Hogwartszauberer kommen können – und ihn auch auf sich anwenden können. Natürlich würde der Spruch für Bakura nicht funktionieren, denn er war zu spezifisch auf Yami und die Wiedergeburt seiner Macht – Yuugi – zugeschnitten. Doch wenn Bakura sich erst Hoffnungen gemacht hätte, einen eigenen Körper zu gewinnen, bevor er diese letzte Tatsache erkannt hätte, dann hätte er nicht so fragend ausgesehen. Nein, ganz offensichtlich war es den Schattenmagiern allesamt nicht gegeben, die Belohnung hinter diesem Zauberspruch zu erkennen. Yuugi war sich ziemlich sicher, dass das in Bakuras Fall daran lag, dass der Mann einfach nicht glaubte, eine solche Belohnung zu verdienen. Nach all dem, was Bakura an Mariks und Yamis Seite schon durchgemacht hatte, war Yuugi hier zwar anderer Meinung, doch das würde er tunlichst vermeiden, sowohl vor seinem Aibou, als auch vor dem Grabräuber laut auszusprechen.
Bakuras und Mariks Verblüffung in Verbindung mit der unumstößlichen Sicherheit der Professoren so kurz nach deren erster Lektüre der Übersetzung bewies aber auch, dass Harry und Hermine Recht haben mussten. Die Hogwartszauberer waren dazu bestimmt, zu wissen und zu helfen und damit waren alle Puzzleteile für den Zauberspruch bereit. Und das bewies weiterhin, dass es wirklich möglich war. Der Zauber war real. Yami würde wieder einen Körper bekommen! Und es würde nicht einmal mehr lange dauern.
/Es ist tatsächlich die richtige Zeit und der richtige Ort./ Yamis Stimme war ehrfürchtig und voller Hoffnung und Yuugi sandte ihm alle Liebe und Wärme die er selbst angesichts dieser Erkenntnis empfand.
Dann wurde er sich der weiterhin fragenden Blicke Mariks und Bakuras bewusst und lächelte beschwichtigend. „Harry und Hermine glauben, dass mit diesem Spruch Yamis Körper zurückgeholt werden kann. Und ich denke, sie könnten Recht haben."
Bakuras und Mariks Blicke waren unbezahlbar. Sie sahen Yuugi vollständig verblüfft an und es dauerte mehrere Sekunden, bevor in Bakuras Augen ein gieriger Blick erschien, als er diese Zukunft für sich selbst wünschte. Doch wie Yuugi erwartet hatte, dauerte es auch nur wenige weitere Sekunden, bevor der Blick wieder verschwand und der Geist in dem Körper des weißhaarigen Japaners seinen hungrigen, aber auch zufriedenen Blick auf den ebenfalls weißhaarigen Ägypter neben sich richtete. Bakura hatten sehr schnell erkannt, dass dieser Zauber nicht für ihn bestimmt war. Und er hatte erkannt, dass er schon längst alles hatte, was Yami und Yuugi noch erhalten mussten. Er mochte keinen eigenen Körper besitzen, aber er hatte durch die besondere Natur seiner Beziehung zu Marik und Ryou schon längst alle Möglichkeiten, die Yuugi und dem Pharao bisher bis auf die letzten sechs Wochen verwehrt geblieben waren.
Die Worte Albus Dumbledores lenkten alle Aufmerksamkeit wieder auf sich: „Auch ich denke, dass Harry und Hermine korrekt erkannt haben, was der Spruch der Kartusche bewirkt."
Dumbledore streckte die Hand aus und Bakura reichte dem Mann ohne zu Zögern das Pergament. Die blauen Augen hinter den Halbmondgläsern huschten erneut über die Zeilen und seine Lippen bewegten sich lautlos.
„Ich habe von solchen Prophezeiungen gehört. Es gibt nicht viele von ihnen und es war mir noch nie vergönnt, eine selbst zu sehen, geschweige denn, einen derartig komplexen magischen Spruch selbst auszusprechen." Dumbledores Stimme verlor sich, als seine Gedanken wanderten. Dann sah er Yuugi nachdenklich an, aber er adressierte zweifellos Yami mit seinen nächsten Worten.
„Die Magie der ägyptischen Priester erschien mir in den alten Geschichten immer als sehr stark und ich habe nie verstanden, wie sie so schnell und allumfassend hatten niedergehen können. Nun, nachdem ich euch und die Schattenmagie habe kennen lernen dürfen, bekomme ich eine Ahnung von dem, was die ägyptische Magie wirklich hätte leisten können, wenn nicht die Geschichte und die Umstände einen so hohen Preis für die Rettung der damaligen Welt verlangt hätten. Es wäre wirklich interessant, zu erfahren, was heute sein könnte, wenn die Schattenmagie und mit ihr auch die „normale" ägyptische Magie damals nicht so vollständig hätten geopfert werden müssen."
Dumbledore sah nacheinander Remus und Severus an, die noch immer nachdenklich auf die Kartusche und die Übersetzung starrten.
„Dieser Zauber ist alt und komplex. Und die Magie, die dafür nötig ist, kann nur von wenigen Zauberern unserer heutigen Welt ausgeführt werden. Hermine hat Recht. Es ist kein Zufall, dass sich die Kartusche gerade hier in Hogwarts befand, als wir euch zu Hilfe riefen. Es ist auch kein Zufall, dass sich ein paar der mächtigsten Magier unserer Zeit genau jetzt genau hier befinden. Die Prophezeiung selbst hat mit der ihr mitgegebenen Magie dafür gesorgt, dass sie sich zu genau dem richtigen Zeitpunkt genau den richtigen Menschen offenbarte."
„Also denken Sie, dass wir Yami seinen Körper damit wirklich zurückgeben können?" Dafür, dass es ursprünglich unter anderem Harrys Idee war, klang der junge Mann jetzt ziemlich zweifelnd, doch Yuugi verstand, wieso Harry die Frage stellte. Dumbledore war trotz seiner Fehler immer ein wichtiger Mentor Harrys gewesen und es bedeutete dem jungen Zauberer viel, seine eigenen Vermutungen aus dem Mund des weisen Mannes bestätigt zu bekommen.
Dumbledore nickte lächelnd und nahm Remus dann die Kartusche ab.
„Ich denke, ihr habt auch schon erkannt, dass ein Teil der nötigen Magie für den Spruch aus der Kartusche selbst kommen wird. Ein mächtiger Zauberer unseres Magiezweiges muss den Zauber sprechen. Es sind auch nicht unbedingt die Worte selbst. Sie sind zwar wichtig, aber wie ihr sicherlich bemerkt habt, gibt es keine wortwörtliche Passage, die Yamis Körper anspricht. Oder den menschlichen Körper der kalten Flamme – wenn wir mit den Worten der alten Ägypter sprechen möchten. Ich denke, entscheidend ist der Wunsch."
Dumbledore sah nun unverwandt Yuugi an, doch dem jungen Japaner wurde sofort klar, dass auch die weiteren Worte des Schulleiters nicht für ihn, sondern für Harry bestimmt waren.
„Das Ritual, welches Yuugi zu uns rief und damit endete, dass Yami einen eigenen Körper erhielt, war ebenfalls nicht spezifisch. Die Worte sind nur die Hülle für die Magie und für den Wunsch, den der Magier hinter dem Zauberspruch formuliert. Genauso verhält es sich mit dieser Prophezeiung. Es ist ein Spruch, der gesprochen werden muss, aber er sorgt nur für den nötigen Rahmen. Das Bild, was sich am Ende entwickeln soll; das Ziel, welches mit der Magie erreicht werden soll, dass wird durch den Willen des Zauberers bestimmt, der den Spruch ausspricht. Die Magie, die in der Kartusche gefangen ist, wird dem gleichen Zweck dienen. Es ist eine Anleitung und ein Wegweiser, ohne dass das Endergebnis beeinflusst oder vorgegeben wird."
Yuugi sah, wie Harry nachdenklich nickte und der Duellant lächelte still in sich hinein.
„Und dennoch ist das Endergebnis ganz klar. Es kann nur diese eine Lösung geben, denn Yami und Yuugi haben sie seit Tausenden von Jahren verdient."
Harrys Blick richtete sich nun zuversichtlich auf Yuugi und der Japaner ahnte, wie sehr es den jungen Zauberer beschäftigt hatte, vielleicht doch falsch mit seinen Vermutungen zu liegen und in den beiden Schattenmagiern unerfüllbare Hoffnungen zu wecken. Yami umarmte Yuugis Seele warm und blickte ebenfalls mit echter Zuneigung auf den jungen Zauberer, der ihnen in so kurzer Zeit so vertraut geworden war und den sie sehr gern ihren Freund nannten. Dann lächelte Yuugi Harry erwartungsvoll an und sie konnten beinahe spüren, wie Harrys eigene Zuversicht ins unermessliche wuchs.
„Dann bleibt eigentlich nur noch zu entscheiden, wann Sie den Zauber sprechen werden, Schulleiter."
Harrys Stimme drückte Entschlossenheit aus und auch Yuugi hoffte, dass dieser Zeitpunkt nicht mehr fern sein würde. Zwar hatte er noch vor etwas weniger als einer halben Stunde damit gehadert, sein Glück überhaupt zu begreifen, aber mittlerweile ertappte er sich bei dem Gedanken, dass es ihm gar nicht schnell genug gehen konnte, bis jemand den Spruch der Kartusche aussprach. Jetzt, da er einmal erkannt hatte, dass dies alles echt war und nicht nur leere Hoffnung, da konnten Yami und er es kaum erwarten. Ihre Seelen vibrierten förmlich vor unterdrückter Spannung.
Hermine räusperte sich kurz und meinte dann verlegen und mit etwas verunsicherter Stimme: „Auch wenn ich noch immer nicht am Ziel des Spruches zweifle, wäre es dennoch nicht klüger, noch ein paar Nachforschungen anzustellen? Was ist, wenn wir uns irren? Was ist, wenn die Kartusche vernichtet wird, weil wir doch mitten drin die falschen Worte sprechen? Vielleicht müssen wir auch eine bestimmte Tageszeit abwarten, wie Yami und Yuugi es beim Öffnen der Kartusche hatten tun müssen. Es wäre unverzeihlich, wenn wir diese einzige Chance vernichten, nur weil wir es überstürzen."
Für drei Sekunden sprach niemand ein Wort und jeder dachte über Hermines ernsthaft vorgebrachte Einwände nach. Doch dann schüttelten sowohl Yuugi als auch Harry und Dumbledore den Kopf und auch Remus, Severus, Draco und Marik blickten entschlossen drein.
„Unter normalen Umständen hättest du natürlich Recht, Hermine. Doch Remus, Severus und ich haben in den letzten Tagen schon alle Bücher und Schriftrollen durchforstet, die wir haben finden können. Und ich vermute mal, du hast seit Mittwoch ähnliches getan. Es gibt nicht mehr Wissen, als das, was wir hier vor uns haben. Und wir alle spüren doch, dass der Zeitpunkt gekommen ist."
Widerstrebend nickte Hermine und Ron nahm sie liebevoll in den Arm. Die junge Hexe hätte es sich einfach nicht verzeihen können, wenn sie die Bedenken nicht angesprochen hätte, auch wenn sie selbst davon überzeugt war, dass sie nicht mehr Wissen erlangen würden, egal, wie lange sie in irgendwelchen Bibliotheken hätten suchen mögen.
Doch zu ihrer aller Überraschung brachte nun Remus noch ein weiteres Argument, welches Hermines Worte des Advocatus Diabolo zu unterstützen schienen: „Wir sollten trotzdem noch mindestens bis morgen warten, Albus. Du hast seit Samstag vielleicht 6 Stunden geschlafen, nach all den Absprachen mit den Ministern und der Suche nach einer Lösung für Yuugis und Yamis Problem. Du bist bei weitem nicht ausgeruht genug, um einen so komplexen Zauber aussprechen zu können. Der Zauber läuft nicht fort und ich denke Yuugi und der Pharao können noch 24 Stunden warten."
Yuugis erster Impuls war Protest und er spürte förmlich, wie Yamis Wut über diese Verzögerung unter seiner gespielten Gleichgültigkeit brodelte. Doch sie hielten sich zurück, da sie längst ahnten, was nun kommen würde. Und Yuugi und sein Aibou behielten recht, denn Dumbledore schüttelte amüsiert lächelnd den Kopf.
„Oh, du hast durchaus Recht, Remus. Ich bin bei weitem nicht fit genug, diese komplexe Magie durchzuführen. Aber wir werden trotzdem nicht warten." Dumbledores Blick glitt über die Kartusche, die er noch immer in seiner Hand hielt und Yuugi ahnte, dass Dumbledore dadurch noch viel besser als er und der Pharao spüren konnte, dass die Entscheidung des Schicksals unmittelbar bevorstand.
Remus kniff verwirrt die Augen zusammen und wollte schon protestieren, als der Schulleiter die Hand hob. „Ich werde es auch nicht sein, der den Zauber spricht."
Für eine Sekunde herrschte verblüfftes Schweigen im Raum, als die Hogwartszauberer zu begreifen versuchten, was der Mann damit ausdrücken wollte, den sie noch immer für den mächtigsten Zauberer ihrer Zunft hielten. Doch dann lächelte Harry verstehend und trat einen Schritt auf den Schulleiter zu.
„Der Spiegel der Macht."
Dumbledore lächelte ebenfalls, sah von Yuugi zu Harry und dann zu Draco und reichte anschließend dem Gryffindor die Kartusche.
„Genau. Ihr beide, Draco und du, ihr seid die mächtigsten Zauberer unserer Zeit. Das habt ihr nicht zuletzt bei Toms Vernichtung bewiesen. Und ihr seid Yuugi und Yami näher, als ich oder irgendeiner der mächtigsten Auroren je sein könnten, denn ihr seid ihre Freunde. Euer Wille wird die Magie in die richtige Richtung lenken und den Zauber komplettieren. Und dazu kommt, dass Yami und Yuugi zwei Seiten der gleichen Seele sind und ihr beide seid ihnen auch in dieser Hinsicht ähnlicher, als jeder andere Zauberer. Niemand in unserer Zeit wird je so geeignet sein, wie ihr beide, um den Platz als Spiegel der Macht einzunehmen."
/Ich könnte mir keine Besseren für diese Aufgabe vorstellen./ Yamis huldvolle Stimme hätte Harry sicherlich erröten lassen, wenn dieser sie vernommen hätte. Doch Yuugi konnte dem Pharao nur vorbehaltlos beipflichten.
Draco trat beinahe lautlos an Harrys Seite und nahm diesem die Kartusche ab. Nachdenklich betrachtete er sie und schien der Magie nachzuspüren, die in ihr verborgen war. Dann blickte der Blonde zu Yuugi hinüber und zeigte ein so offenes und zuversichtliches Lächeln, wie Yuugi es noch nie an dem sonst so unnahbaren und ernsten jungen Mann gesehen hatte. Doch Yuugi erinnerte sich auch an seine gemeinsame Zeit mit dem Slytherin am See, als dieser ihm vom Verlust seiner Mutter, aber auch von dem Gewinn erzählt hatte, den er zum Ausgleich erhalten hatte. Dracos Liebe für Harry war in diesem Lächeln deutlich zu erkennen, genauso wie sein Wunsch, dass Yuugi und Yami das Glück dieser Zweisamkeit ebenfalls zurückgewinnen sollten. Es gab keinen Zweifel an dem, was Dumbledore zuvor schon korrekt erkannt hatte. Draco und Harry bildeten trotz ihrer unterschiedlichen Lebensgeschichten eine Einheit und ihre Seelen waren sich so ähnlich, wie es Yamis und Yuugis Seelen schon seit Anbeginn der Zeit gewesen waren. Yami und Yuugi standen dem Spiegel ihrer Schattenmagie gegenüber.
Und wieder ein Cliffhänger...aber nur ein ganz kleiner ^_^' Es ist ja ziemlich eindeutig, dass ich eher der Verfechter von Happy Ends bin ^_^
