Chapter 20.26

Seine langen dunklen Haare hingen ihm im Gesicht und seine Augen waren fest geschlossen. Wei Wuxian lag auf der Seite, seine Hände entspannt an seine Brust herangezogen und seine Schultern hoben sich bei jedem Atemzug auf und wieder ab. Er machte im Schlaf einen entspannten und friedlichen Eindruck.

Doch plötzlich bemerkte er eine zarte Berührung auf seiner Wange. Wei Wuxian's Augenbrauen zuckten leicht auf, als ein paar Haarsträhnen von einer behutsamen Handbewegung aus seinem Gesicht gestrichen wurden. Wei Wuxian grummelte leise im Schlaf auf und zog seine Beine näher heran, als er etwas ganz weiches spürte, welches sich gegen seine Wange anschmiegte. Zwei zarte Lippen berührten seine Haut und hinterließen einen warmen und kaum spürbar feuchten Film. Der warme Atem einer Person traf noch gegen sein Gesicht und seine Wimpern flatterten einmal auf, als plötzlich die Matratze unter ihm zu wackeln begann.

Es wurde plötzlich kalt an seinem Rücken und das leise Knacken der Zimmertür holte ihn schließlich aus seinem Traum.
Wei Wuxian's Augen schnellten auf.
Er sah das bekannte, kleine Zimmer unter dem Dach in der Gaststätte und der Raum wurde von der hellen Mittagssonne geflutet. Die warmen Sonnenstrahlen schienen durch das kleine Fenster herein und tauchten den Raum in ein warmes, freundliches Licht.

Wei Wuxian blinzelte ein paar Mal und rieb sich seine Augen, welche sich erst an das helle Tageslicht gewöhnen mussten, als er sich langsam aufrichtete.
Plötzlich erinnerte er sich an die zarte Berührung an seiner Wange und er fasste sich mit seiner Hand ins Gesicht und spürte noch einmal nach. Das liebevolle und intime Gefühl war noch da.
„Lan Zhan?" Murmelte er noch müde über seine Lippen, als er sich ruckartig umdrehte und feststellte, dass das Bett hinter ihm leer war.
Er streckte seine Hand aus und legte diese auf die Matratze. Sie war noch warm.

Wei Wuxian´s Blick schweifte herüber zur Zimmertür und ihm wurde bewusst, dass er die zarte Geste am Morgen nicht geträumt hatte, sondern Lan Wangji schon aufgestanden sein musste.
Er streckte sich einmal und strich seine Haare nach hinten über seine Schultern, als er sich dann wieder umdrehte und zur anderen Seite des Bettes blickte.
Sein Blick fiel als Erstes auf Luan Han, welcher platt auf dem Rücken neben ihm lag, die Arme weit über seinen Kopf nach oben ausgestreckt und seine Beine knickten ab den Knien ab und hingen baumelnd aus dem Bett.
In seinem Gesicht trug er einen durchaus entspannten Ausdruck und Wei Wuxian schnaufte einmal belustigt durch seine Nase, als er seine hemmungslose Schlafposition begutachtete.

Luan Han war ein attraktiver, junger Mann und jetzt wo Wei Wuxian ihn einmal in Ruhe betrachten konnte, verstand er nur zu gut warum Jinan Liang gefallen an ihm gefunden hatte. Seine Haare sahen samtig und gepflegt aus und er hatte bemerkenswerte lange und dichte Wimpern für einen Mann. Sein attraktives Erscheinungsbild reichte vielleicht nicht ganz bis an Sun Yan heran, aber er hatte durchaus seine charmanten Vorzüge. Dazu kam, dass er nur so vor Jugend und Energie strotzte und Wei Wuxian begann es zu bedauern, dass dieser junge Mann vor ihm ausgerechnet im Qishan Wen Clan groß geworden war. Hätte das Schicksal ihn in einen anderen Clan hineingeboren, wäre er in seinem jungen Alter wahrscheinlich jetzt schon ein angesehener und talentierter Cultivator.

Ein Lächeln huschte über Wei Wuxian's Lippen, doch als er seinen Blick von Luan Han langsam wieder löste und weiter Richtung Fußende sah, weiteten sich auf einmal seine Augen.
Er sah wie Feng Ling und Sun Yan hintereinander im Bett schliefen. Sie lagen beide hintereinander auf der Seite und zwischen ihre Körpern hätte nicht einmal mehr ein Streichholz Platz gefunden.

Entrüstet sprang Wei Wuxian aus dem Bett, ging zwei Schritte und stellte sich dann direkt neben das Fußende.
Nicht nur, dass die beiden schon intim genug hintereinander lagen, sondern Feng Ling hatte Sun Yan auch noch definitiv im Arm. Auf seinem unterem Arm ruhte Sun Yan's Kopf und der andere umschloss ihn von hinten und seine Hand ruhte vor dessen Brust.

Wei Wuxian's Augenbrauen begannen unruhig zu zucken und er verschränkte seine Arme vor seiner Brust, als er einmal kräftig gegen das Bett trat.
„Ey, aufstehen!" Sagte er auffordernd und das Bett knarrte und wackelte.

Feng Ling schreckte durch die Schaukelbewegung sofort auf und auch Sun Yan's und Luan Han's Reaktionszeit kam in sekundenschnelle.
Feng Ling's Augen flogen auf und er fasste sofort Wei Wuxian scharf ins Auge.
Dieser warf ihm ebenfalls einen kritischen Blick zu, als er ziemlich deutlich und mit befehlender Stimme sagte:
„Ich hatte es dir gesagt!
Hände weg!"

Feng Ling zog unter dem wachen Blick von Wei Wuxian langsam seine Hände zurück und als diese wieder ganz bei ihm waren, streckte er seine Handinnenflächen nach vorne aus und beteuerte somit seine Unschuld.

Sun Yan und Luan Han, die gerade erst wach geworden waren, blickten sich derweil noch etwas müde im Raum um, als Sun Yan plötzlich Wei Wuxian dominant vorm Bett stehen sah.
„Guten Mor..." Kam noch etwas schwach über seine Lippen, als er plötzlich mitten in seinem Satz abbrach. Wei Wuxian's Körpersprache kam ihm mehr als beunruhigend vor und er folgte vorsichtig seinem strengen Blick.
Er drehte seinen Kopf leicht nach hinten und plötzlich sah er Feng Ling hinter sich liegen, dessen Hände dabei ergebend nach oben ausgestreckt waren.

Sun Yan runzelte seine Stirn und fragte sich, was das alles zu bedeuten hatte, als Wei Wuxian auch schon plötzlich nach seinem Handgelenk griff und ihn schwungvoll aus dem Bett zog.
„Aufstehen mein Junge. Zu Hause wartet Jiang Cheng auf dich, wir wollen ihm doch keine Schande bereiten oder?"

Sun Yan's Stirn legte sich in angestrengte Falten, als er noch immer nicht so ganz verstand.
Doch Feng Ling stand nun langsam auch auf und Luan Han gähnte noch laut, als er sagte:
„Guten Morgen. Was ist das denn schon für eine Unruhe am Morgen? Ufff, sind eure Füße auch so eisig wie meine?" Luan Han fasste an seine kalten Füße und massierte diese kurz um den Blutkreislauf wieder anzuregen.

Doch Wei Wuxian schnaufte nur durch deine Nase, als er Feng Ling noch einen verwarnenden Blick zuwarf und dann mit scharfem Ton sagte:
„Ja, die einen haben die Nacht wohl eisige Füße bekommen, während bei anderen ganz andere Körperregionen wohl ziemlich heiß geworden sind..."

Luan Han's Augen flogen bei dieser offensichtlich zweideutigen Bemerkung weit auf und er blickte sich etwas ängstlich um, als er plötzlich an den Kragen seiner Robe griff und diesen fest zuzog.
„Wei Wuxian, ich hoffe, du hast dich einfach nur missverständlich ausgedrückt. Ansonsten bekomme ich noch Sorge um mein leibliches Wohl. Das nächste Mal überlege ich mir sonst lieber zweimal, ob ich noch mal mit so vielen Männern in einem Bett schlafe."

Wei Wuxian machte eine lockere Handbewegung in der Luft als er salopp sagte:
„Für manche wäre das wohl definitiv die bessere Wahl gewesen...nicht wahr Feng Ling?"

Es knisterte und die Luft begann förmlich zu schwingen, als Wei Wuxian und Feng Ling sich noch einmal in einem intensiven Blickaustausch duellierten.

Sun Yan und Luan Han blickten sich fragend an und gingen lieber einen Schritt zur Seite, als sie bemerkten, dass die Beziehung zwischen Wei Wuxian und Feng Ling scheinbar über Nacht wohl etwas umgeschlagen war.
Sie waren beide etwas überrascht und fragten sich, woran es gelegen haben mochte und vor allem, wann genau das geschehen war?"

Sun Yan zuckte mit den Achseln und begann seine Kleider wieder von den Stühlen einzusammeln, welche über Nacht mittlerweile getrocknet waren. Er zog sich wieder an und auch Luan Han richtete sich wieder ein wenig her.

Während die Situation aber zwischen Wei Wuxian und Feng Ling noch immer mehr als angespannt wirkte, versuchte Sun Yan währenddessen die Gemüter wieder etwas zu beruhigen, als er sagte:
„Was ist nur los mit euch? Ihr fangt doch jetzt jawohl nicht an hier drinnen zu kämpfen oder? Wir sitzen schließlich alle im selben Boot, wir sollten uns nicht gegeneinander wenden."

Wei Wuxian schnaufte verärgert über Sun Yan´s Naivität durch seine Nase.
„Im selben Boot? Wohl war, aber scheinbar ist das Boot für uns alle zu klein."
Er zog provozierend eine Augenbraue nach oben und nickte Feng Ling einmal herausfordernd zu. Doch dieser blieb ganz ruhig und lies sich nicht von seinen Stachelleien provozieren. Er war von Hause aus ein ruhiger Geselle und Feng Ling sagte meistens eher zu wenig anstatt zu viel.

Luan Han blickte derweil die beiden etwas unsicher an, als er schlichtend seine Hände hob und sagte:
„Ich weiß zwar nicht genau was vorgefallen ist aber vielleicht sollten wir uns auf das Wesentliche konzentrieren? Ich denke wir hatten gestern alle schon genug Ärger."

„Ich gebe Luan Han recht!"
Mischte sich plötzlich Sun Yan ein und stellte sich schützend vor Feng Ling.
Er stand nun genau zwischen den beiden Streithähnen und er warf Wei Wuxian einen Blick gefüllt mit Unverständnis zu.
„Was ist denn nur mit dir los Wei Wuxian? So kenne ich dich gar nicht. Warum fällt deine Missgunst ausgerechnet auf Feng Ling? Er ist ein guter Freund und treuer Begleiter. Er hat niemandem von uns etwas getan. Ganz im Gegenteil sogar."

Wei Wuxian biss sich kurz auf seine Unterlippe und atmete einmal tief ein, während er versuchte seinen Ärger zu unterdrücken. Er wusste eigentlich genau, dass dies nicht der richtige Zeitpunkt war um einen Streit anzufangen, aber eben gerade wegen den Geschehnissen vom vergangenen Tag, machte er sich Sorgen um Sun Yan.
Er wendete daher seinen Blick wieder ab, entlies Feng Ling aus seiner strafenden Missgunst und schüttelte seinen Kopf, als er ruhig und kontrolliert sagte:
„Das Problem ist, dass du zu naiv und leichtgläubig bist Sun Yan."

Sun Yan runzelte plötzlich seine Stirn und er begann sich über Wei Wuxian's Worte zu ärgern. Er verstand nicht wo genau sein Problem war und noch mehr ärgerte es ihn, dass jetzt plötzlich die Schuld bei ihm gesucht wurde.
Etwas wütend blickte er Wei Wuxian, an als er verärgert sagte:
„Ich verstehe dich nicht Wei Wuxian, warum suchst du jetzt die Schuld bei mir?"

Doch Wei Wuxian blickte ihn nur fürsorglich an.
„Das ist es nicht. Ich suche nicht die Schuld bei dir. Es ist nur das..."

Doch in diesem Moment hörten sie auf einmal Stimmen auf dem Flur und Wei Wuxian kam nicht mehr dazu seinen Satz zu Ende auszusprechen.
Durch die Hellhörigen Wände der Gaststätte vernahm man Lan Wangji's Stimme und erst in diesem Moment fiel allen auf, dass Lan Wangji die ganze Zeit gar nicht mit ihm Raum gewesen war.

Die Vier blickten sich fragend an und Wei Wuxian schrammte als erstes los zur Tür.
Er umfasste die Türklinke und öffnete die Tür mit einem Ruck. Er streckte seinen Kopf heraus und blickte zur Seite, als er die alte, kleine Gastwirtin und Lan Wangji am Ende des Flures erblickte.

Sun Yan und Luan Han drängelten derweil von hinten und wollten auch einen Blick erhaschen, doch Wei Wuxian versperrte ihnen den Weg und zog die Tür soweit wieder zu, dass nur er gerade so noch Platz in der Tür fassen konnte..

Feng Ling lehnte sich derweil neben der Tür an die Wand und die Vier konnten ohne Probleme dem Gespräch lauschen.
Scheinbar ging es um die Bezahlung des Zimmers und Lan Wangji schien die alte Dame wegen dem zerstörten Lagerraum neben der Küche zu beschwichtigen.
Seine Worte waren höflich und mehr als zuvorkommend, als er sich für all die Unannehmlichkeiten entschuldigte.

„Hmpf." Schnaufte Wei Wuxian hoch durch seine Nase.
„Als könnte die alte Wirtin einem respektvollem Mann wie Lan Zhan böse sein. Bei so einem attraktiven Cultivator und mit so viel Anstand und Höflichkeit wird sie ihm wahrscheinlich jede lieblich verpackte Ausrede abkaufen."

Sun Yan drückte vorsichtig von hinten, als er leise sagte:
„Lass mich nun auch mal sehen."

Doch Wei Wuxian drückte Sun Yan mit seinem Bein wieder nach hinten, als er sagte:
„Es gibt nichts zu sehen. Spitz lieber deine Ohren und höre zu."

Doch gerade als Wei Wuxian seinen Satz ausgesprochen hatte weiteten sich auf einmal seine Augen, als er einen unterdrückten Ausruf großen Erstaunens still aus seiner Kehle presste.
„Woahhh..."

„Was?" Sagte Sun Yan interessiert und begann wieder eifrig von hinten nachzuschieben.

Wei Wuxian räumte schließlich ein:
„Ich nehme es zurück, es gibt doch was zu sehen!"

„Was gibt es zu sehen?" Fragte nun auch Luan Han, dem auch die Neugierde langsam unter den Nägeln brannte.

Wei Wuxian flüsterte mit Staunen:
„Lan Zhan hat der alten Dame gerade eine große Summe Geld gegeben. Also ich meine, eine wirklich große Summe Geld. Davon kann die alte Wirtin gewiss für mindestens zwei Monate den Laden hier dicht machen. Hätte ich gewusst, dass er noch so viel Geld bei sich trägt, dann hätte ich ihm noch so viel mehr Speis und Trank aus den Rippen geleiert. Lan Zhan ist wahrlich ein gutbetuchter Mann."

Wei Wuxian war nun abgelenkt und Sun Yan und Luan Han schafften es endlich sich an ihm vorbei zu quetschen. Während der Kopf des einen hinter Wei Wuxian's Ellenbogen auftauchte blickte der andere zwischen seinen Füßen hervor und die Drei linsten auf den Flur hinaus.
Doch genau in diesem Moment blickten Lan Wangji und die alte Gastwirtin genau in ihre Richtung.

„Rückzug!"
Sagte Wei Wuxian plötzlich hastig und zeitgleich zogen die Drei ihre Köpfe wieder schnell zurück ins das Zimmer und schlossen die Tür wieder hinter sich.

„Was ist passiert?"
Fragte Feng Ling, der sich nun nicht mehr davon freisprechen konnte auch erfahren zu wollen, was die Drei gesehen hatten.

„Sie kommen auf uns zu!"
Sagte Wei Wuxian sich mit dem Rücken an die Tür lehnend, so als wollte er verhindern, das irgendjemand den Raum betreten konnte.

Feng Ling runzelte die Stirn.
„Und, ist das schlimm? Ihr seid doch offizielle Gäste hier im Haus oder etwa nicht?"

„Schon, aber meine Intuition verrät mir, das riecht nach Ärger."
Wei Wuxian holte einmal tief Luft, als es auch schon plötzlich an der Tür klopfte.

Klop Klop Klopf

Wei Wuxian zuckte zusammen, als er einmal seinen Zeigefinger versiegelnd auf seine Lippen legte. Dann nickte er den Dreien einmal zu und flüsterte leise und ganz souverän:
„Lasst mich das machen."

Die Drei entfernten sich von der Tür und Wei Wuxian packte dann an den Türgriff und öffnete augenblicklich mit einem strahlen im Gesicht schwungvoll die kleine Holztür.
„Guten Morgen!"
Sagte er höflich und mit einem verschmitzten Lächeln auf den Lippen.
Ein kurzer Seitenblick fiel zu Lan Wangji herüber, doch dieser blinzelte ihm nur einmal schweigend zu.

Die alte Gastwirtin war etwas überrascht über so viel gute Laune und dann auch noch so ein freundliches Lächeln eines so attraktiven Mannes geschenkt zu bekommen.
Sie begrüßte ihn ebenfalls höflich, wenn sie auch über das „Guten Morgen" etwas überrascht war. Schließlich stand die Sonne schon hoch am Himmel.

Doch Wei Wuxian nahm das nicht so genau, als er auch schon freundlich fragte:
„Wie kann ich der Dame so früh am Morgen behilflich sein? Gibt es irgendwelche Probleme?"

Die alte Gastwirtin lachte mit etwas rauchiger Stimme und kratze sich unsicher am Kopf. Ihr schien es ein wenig unangenehm zu sein, als sie schließlich sagte:
„Mein werter Herr, genau dies ist der springende Punkt. Es ist nicht mehr früh am Morgen, sondern schon kurz nach Mittag.
Die Herren baten mich gestern Nacht um eine Bleibe, diese habe ich ihnen gewehrt. Allerdings steht die Sonne nun schon hoch am Himmel und es ist mir sehr unangenehm dies zu sagen aber ich bräuchte das Zimmer nun für andere Gäste."

Wei Wuxian zog etwas überrascht seine Augenbrauen nach oben.
„Schon kurz nach Mittag? Haben wir denn so lange geschlafen?"
Fragte er verwundert, als er einmal Lan Wangji überrascht anblickte.

Dieser nickte ihm zu und sagte ruhig:
„Wir sind auch erst sehr spät zur Ruhe gekommen. Die Nacht war also dennoch nicht besonders lang für uns."

Wei Wuxian berührte mit seinem Zeigefinger seine Nasenspitze, als er ein paar Mal verständnisvoll nickte.
„Wohl wahr. Aber meine Dame..." Richtete er wieder charmant das Wort an sie.
„Unsere Mägen sind noch leer und wir haben noch gar nichts gegessen oder getrunken. Ich denke wir können Sie großzügig entlohnen, wenn Sie mit uns etwas nachsichtig sind und wir vielleicht noch etwas länger als geplant das Zimmer belegen können und somit in ihrem Hause verweilen?"

Die alte Frau wendetet nun etwas den Blick ab und schaute etwas unsicher zu Boden, als sie vorsichtig sagte:
„Nun ja, also unsere Küche ist zur Zeit schon wieder kalt. Das Frühstück ist schon lange vorbei. Außerdem war ihr Begleiter so freundlich mich über dir Geschehnisse vergangener Nacht in meinem Lagerraum aufzuklären. Es ist viel zu Bruch gekommen und wir wollen hier eigentlich keinen Ärger haben. Ihr Cultivator's seid immer gerne gesehen aber wir halten doch Abstand von rüpelhaftem Verhalten. Ebenso sind seid dem Morgen ein paar Gäste spurlos verschwunden, was wir sehr bedauern."

Wei Wuxian's Augen weiteten sich als er nun langsam verstand woher der Wind wehte. Die alte Gastwirtin war gerade im Begriff sie diskret hinauszuwerfen. Wahrscheinlich war die Sache mit der kalten Küche nur eine Ausrede und auch, dass sie das Zimmer anderweitig benötigen wurde. Wei Wuxian war erst etwas überrascht, aber da er auch nicht ganz so genau wusste, was Lan Wangji's Erklärung zu dem zerstörten Lagerraum und den verschwundenen anderen Cultivator's, die wahrscheinlich ihre Rechnung noch nicht beglichen hatten, gewesen war, konnte er der alten Dame nicht wirklich widersprechen.
Er lächelte sie dennoch höflich an und fragte:
„Hat mein Begleiter sie noch nicht großzügig entschädigt? Wir werden natürlich für alle Kosten und Unannehmlichkeiten aufkommen die Ihnen entstanden sind."

Wei Wuxian warfs Lan Wangji einen kurzen Blick zu, denn natürlich hatte er bereits gesehen, dass Lan Wangji eine ordentliche Summe Geld bereits als Entschädigung überreicht hatte. Das „wir" war auch weniger auf die Gemeinschaft bezogen, sondern eher auf Lan Wangji´s Geldbeutel. Schließlich trug der Rest von ihnen kaum noch eine Münze bei sich. Wer also sonst hätte für den Schaden aufkommen sollen?

Lan Wangji erwiderte Wei Wuxian's Blick und es stand deutlich in seinem Gesicht geschrieben, dass auch ihm nicht entgangen war, wer mit dem „wir" gemeint war. Schließlich fütterte Lan Wangji zu mindestens Wei Wuxian schon eine ganze Weile mit durch und er war über dessen nicht vorhandenen Finanzen durchaus im Bilde.

Die alte Frau begann sofort zu nicken und sich leicht zu verneigen.
„Doch, doch, das hat er. Sogar sehr großzügig. Vielen Dank den Herren für ihre Großzügigkeit. Aber Dennoch würde ich sie gerne darum bitten das Zimmer zu räumen, so leid es mir auch tut. Ich kann ihnen aber gerne eine andere Gaststätte oder ein Wirtshaus in der nächsten Stadt empfehlen, wo die Herren sich zu dieser Stunde gewiss noch einfinden können."

Wei Wuxian machte große Augen und seufzte einmal leise auf, als er Lan Wangji anblickte. Sie verstanden sich auch ohne Worte sprechen zu müssen. Selbstverständlich waren sie bereit der Bitte der alten Gastwirtin nachzukommen. Zudem war Wei Wuxian kein Unmensch und konnte die alte Dame verstehen. Schließlich haben sie den Lagerraum des Hauses fast vollkommen dem Erdboden gleich gemacht. Ihnen blieb also nichts anderes übrig als nachzugeben und auf ihr erhofftes Frühstück zu verzichten.
„Nun gut!" Sagte er so laut, dass auch die Drei im Zimmer ihn gut verstehen konnten.
„Wie es aussieht müssen wir schon los. Also kommt Männer, packen wir unsere Sachen."

Wei Wuxian stieß die Tür weiter auf und Luan Han, Sun Yan und Feng Ling gingen sofort los und räumten ihre letzten Sachen zusammen.
Die alte Frau stellte sich neben die Tür an die Wand und entschuldigte sich noch ein paar Mal, als Wei Wuxian als Erstes aus dem Zimmer wieder heraus trat.
Danach folgte Luan Han, welcher die alte Dame einmal kurz anlächelte und beim Vorbeigehen sich noch einmal kurz verneigte.
Als nächstes kam Sun Yan, welcher zwar weniger ein Lächeln auf dem Gesicht trug, aber auch dafür die alte Dame kurz höflich begrüßte.
Als letztes Folgte Feng Ling und die alte Dame machte plötzlich große Augen, als sie seine edlen Kleider und den großen, imposanten Speer auf seinem Rücken erblickte.
Auch wenn er ein attraktives Gesicht hatte mit zwei strahlenden, blauen Augen und auch er die alte Dame kurz respektvoll begrüßte, so war sein Blick aber eher kühl und emotionslos.

Die alte Wirtin blickte die fünf Herren noch einmal alle der Reihe nach skeptisch an, schließlich hatte sie die Männer zuvor nur im dunkeln der Nacht und im schwachen Kerzenschein gesehen. Erst jetzt konnte sie ihre wahre Gestalt bei hellem Tageslicht ausmachen und sie war überrascht, so viele attraktive Männer auf einmal zu sehen.
Doch während sie in ihren Gedanken noch einmal darüber nachdachte und noch einmal im Geiste nachzählte, ob es noch die gleiche Anzahl Männer wie in der Nacht zuvor gewesen war, so runzelte sie plötzlich die Stirn, als ihr Blick auf Feng Ling heften blieb.
Waren es in der Nacht noch vier erwachsene Männer gewesen die sich seltsamerweise ein Doppelbett teilen wollten, so waren es nun fünf Männer die aus dem Zimmer heraustraten.
Die alte Frau trug einen leicht schockierten Gesichtsausdruck, als sie etwas atemlos nuschelte:
„Grundgütiger..." Dabei legte sie ihre rechte Hand vor Empörung auf ihr Herz.
Etwas neugierig linste sie nun vorsichtig an den Männern vorbei und blickte misstrauisch in das Zimmer hinein, als sie sich zu fragen begann, was genau diese fünf Männer in der Nacht in einem Bett eigentlich gemacht hatten?"

Wei Wuxian und die anderen bemerkten ihren misstrauischen Blick und zu mindestens Luan Han und Feng Ling zeigten leichte Anzeichen von Scham auf, als es offensichtlich wurde, welche unkeuschen Gedanken der alten Frau durch den Kopf gehen mussten.
Die alte Wirtin zog entgeistert ihre Augenbrauen nach oben und ihr Mund öffnete sich einen Spalt, so als wollte sie etwas sagen. Doch dann schluckte sie ihre eigenen Worte wieder herunter, unfähig es auszusprechen was ihr durch den Kopf ging, als Wei Wuxian sich entschied die Vermutung der alten Frau noch weiter in die Irre zu führen. Während die anderen schon begannen langsam die Treppe hinunter zu steigen berührte Wei Wuxian vorsichtig die Schulter der altem Dame und er lehnte sich etwas näher heran. Während er seinen Zeigefinger versiegelnd auf seine Lippen legte zwinkerte er der alten Frau einmal keck zu, als er mit zarter Stimme sagte:
„Ihr werdet es doch niemandem erzählen, oder?"

Nun blieb der alten Frau gänzlich jedes Wort in der Kehle stecken. Ihr Gesicht wurde zunächst etwas kreideweiß und ihre faltigen Lippen zogen sich kraus zusammen.
Fühlte sie sich nun vollkommen bestätigt in der Annahme, scheinbar fünf attraktiven „cut sleeves" eine Bleibe für ihre ungezügelten Fantasien gegeben zu haben.
Auf ihre alten Jahre lief ihr faltiges Gesicht ein wenig rot an und sie blickte entgeistert in Wei Wuxian's Augen, als sie noch vollkommen ungläubig ihren Kopf schnell verneinend hin und her schüttelte.

„Gut!" Sagte Wei Wuxian mit einer so sanften Stimme wie nur möglich. Er lächelte verschmitzt von einem Ohr über das Andere, als er die arme, alte Frau sich ihren verstörenden Gedanken selbst überlies und dann leichtfüßig den anderen die Treppe hinunter folgte.
Genugtuend dachte er darüber nach, dass so viel Strafe schon sein musste, wenn er gänzlich ohne Frühstück gezwungen war, das Haus zu verlassen.

Als die Fünf unten angekommen waren und die Gaststätte verließen, blickten sie hinaus auf die leere Straße. Es war relativ still draußen und nur das Zwitschern der Vögel und der rauschende Wind in den Baumkronen war zu hören. Die Gaststätte lag am Rande der Stadt, eher außerhalb und die Scharen von Besuchern blieben daher eher aus. Nur hier und dort verirrte sich ein Pilger auf Reisen und kehrte in die eher etwas spärliche Gaststätte ein.

Die Sonne stand hoch am Himmel und ihre warmen Strahlen erhellten das Gemüt. Die Fünf standen noch draußen vor der Tür und blickten die Straße entlang, als Wei Wuxian sich einmal lang streckte und sagte:
„Trennen sich hier schon unsere Wege oder suchen wir uns erst noch gemeinsam ein hübsches kleines Örtchen aus wo wir noch ein bisschen was zwischen die Zähne bekommen? Ich habe einen Mordshunger."

Doch gerade als jemand ihm antworten wollte, hörten sie auf einmal charmantes Gekicher und eine Handvoll junger Frauen kamen die Straße entlang. Sie hatten bis eben noch etwas abseits an einer hohen Mauer gestanden und es wurde viel getuschelt und gewitzelt, als die Damen sie schließlich ins Auge fassten und dann zu ihnen herüber blickten.
Zwei von den jungen Frauen trugen bunte Blumenkränze in den Haaren und sie hatten jeweils einen Bambuskorb in der Hand, welcher mit allerlei Früchten, Wein und Brot gefüllt waren.
Sie blickten zu Wei Wuxian und den Anderen herüber und schienen sich noch etwas Mut anzusammeln, ehe sie von der lebhaften, schnatternden Gruppe voran geschickt wurden.
Die zwei jungen Frauen lächelten den Fünf entgegen, als sie sich von der Gruppe lösten und wie ein frischer Sommerwind mit ihren bunten Kleidern und wehenden langen Haaren auf sie zukamen.

Wei Wuxian, Lan Wangji, Luan Han, Sun Yan und Feng Ling staunten nicht schlecht, als es kein Versehen mehr gab und die zwei hübschen Damen tatsächlich direkt auf sie zusteuerten.
Noch etwas perplexed standen sie an Ort und Stelle und blickten erwartungsvoll den zwei jungen Damen entgegen, als diese schließlich vor ihnen zum Stehen kamen.
Sie verneigten sich leicht und lächelten die Fünf freundlich an, als eine der beiden sagte:
„Meine Herren, bitte verzeiht die Störung, aber wir haben auf euch gewartet."

Wei Wuxian zog seine Augenbrauen verblüfft nach oben und während die anderen im Bunde noch etwas sprachlos auf so viel weiblichen Zuneigung reagierten, sagte Wei Wuxian charmant:
„Wie kommt es, dass zwei so hübsche junge Damen wie ihr es seid auf uns wartet und uns mit eurer Anwesenheit beglückt? Wie kommen wir zu solch einer Ehre?"

Nun ergriff die andere junge Frau das Wort, als sie zunächst Wei Wuxian zunickte, aber dann mit einem leicht verlegenem Lächeln auf den Lippen zu Sun Yan herüber linste:
„Vergangene Nacht war es sehr dunkel und wir waren uns erst nicht ganz so sicher, unseren Retter wiederzuerkennen.
Aber wir sind uns nun sehr sicher, ihr seid es wirklich! Eure grünen Augen haben euch verraten!"
Ihr Blick schweifte plötzlich an Wei Wuxian vorbei und dieser starrte noch etwas verwundert die zwei jungen Damen an.
-Grüne Augen?- Dachte sich Wei Wuxian.
Er zog zunächst seine Stirn etwas kraus, als er zu seiner Enttäuschung feststellte, wie die zwei jungen Damen voller Anerkennung und Hochachtung Sun Yan anhimmelten. Sie ließen Wei Wuxian einfach ungeachtet stehen und gingen an ihm vorbei, als sie mit großen, funkelnden Augen vor Sun Yan stehen blieben.
„Mein Herr ihr habt uns vergangene Nacht gerettet. Wir können gar nicht in Worte fassen wie Dankbar wir euch sind!"

Nicht nur Sun Yan war nun mehr als überrascht, als die zwei hübschen Damen mit all ihrer Lieblichkeit und Dankbarkeit ihn förmlich überschütteten. Auch die Anderen standen sprachlos daneben und schauten sich das bunte Treiben etwas distanziert an. Denn schließlich konnte niemand von ihnen sich als besonderen Frauenkenner verstehen. Wei Wuxian mal einmal ausgeschlossen. Denn aufgrund seines losen Mundwerkes und seiner unbefangenen, charmanten Art war auch er auf diesem Gebiet mehr Schein als Sein. Luan Han war somit der Einzige, der bis Dato eine Liebesbeziehung zu einer Frau für sich verzeichnen konnte. Der Rest von ihnen hatte die meiste Zeit ihres Lebens überwiegend unter Männern verbracht und mit der Leidenschaft zur Cultivation. So viel verführerische Weiblichkeit war ihnen also daher eher ein Fremdwort und das wiederum spiegelte sich auch in ihren etwas steifen Körperhaltungen wieder.

Erst in diesem Moment, als Sun Yan's Wangen sich vor lauter Aufmerksamkeit, welche ihm plötzlich zuteil wurden, in ein zartes Rosé tauchten, erkannte er ihre hübschen Gesicht wieder.
Noch etwas überrumpelt stottere er:
„Ihr seid die zwei jungen Damen von letzter Nacht. Aus dem Lagerraum!"

„So ist es! Ihr habt uns also nicht vergessen." Sagte die eine junge Frau.
„Es ging alles so schnell und wir hatten solch eine Angst letzte Nacht, dass wir zunächst einfach nur fliehen konnten. Aber später machten wir uns große Sorgen um euch und so warteten wir schon seit dem Morgen in der Nähe der Gaststätte und hofften euch noch einmal wiederzusehen. Wir freuen uns ja so euch doch noch abgefangen zu haben und das es euch scheinbar gut geht. Ihr seid unser Held. Ohne euer selbstloses Einschreiten, wer weiß, wie es uns wohl ergangen wäre? Ihr habt unseren größten Dank."

Sun Yan war mehr als peinlich berührt von so viel Lob und Dankbarkeit von zwei so hübschen, jungen Damen. Er kratzte sich etwas verlegen am Kopf und spielte es dann mit etwas improvisiertem Imponiergehabe herunter:
„Ach das war doch kaum der Rede wert. Es war meine Pflicht als Mann einzuschreiten. Wie hätte ich als Cultivator in so einer Situation nur wegsehen können? Es wäre mit meiner Ansicht von Rechtschaffenheit nicht vertretbar gewesen. Ich musste handeln."

Die beiden jungen Frauen kicherten vergnügt über Sun Yan's ehrenvoller Selbstdarstellungen seiner Ruhmhaftigkeit und versprühten ihren zarten Hauch von femininer Lieblichkeit.
Die andere junge Frau lächelte ebenfalls entzückt, als sie etwas schmeichelnd sagte:
„Wer hätte gedacht, dass ihr euch im hellen Tageslicht als so ein junger Cultivator und dann auch noch als so ausgesprochen hübsch herausstellt? Hätten wir das vorher gewusst, hätten wir euch nicht nur als Dankeschön Geschenke mitgebracht, sondern euch vielleicht gleich lieber für immer zu uns nach Hause eingeladen."
Die beiden jungen Frauen kicherten vergnügt, wären Sun Yan's Wangen nun eine noch deutlichere Gesichtsfarbe aufwiesen. Unter dem charmanten Lachen der zwei Damen und den aufmerksamen und vielleicht auch etwas neidischen Blicken der anderen, kratze sich Sun Yan etwas verlegen am Kopf und versuchte seine Unsicherheit und seine Kratzspuren im Gesicht mit seiner Hand etwas zu kaschieren.

Die beiden Jungen Damen waren nun noch entzückter von Sun Yan´s beschämter Geste und während sie ihn weiter mit Komplimenten überhäuften und anfingen ihn mit seiner Schüchternheit etwas zu necken, schoben sie ihm die gefüllten Bambuskörbe als Dankeschön in die Arme.

Wei Wuxian schnaufte währenddessen etwas belustigt durch seine Nase, als er seine Arme vor der Brust verschränkte und Sun Yan bei seinem hilflosen Gestrampelt gegen die süße Macht der Weiblichkeit belustigt zusah.
Luan Han, der Wei Wuxian's schadenfrohes Schmunzeln im Augenwinkel bemerkte, lehnte sich schließlich etwas zu ihm herüber, als er leise zu ihm flüsterte:
„Du machst ja gar keine zynische Bemerkung? Ich hätte darauf gewettet, dass dies ein gefundenes Fressen für dich ist um Sun Yan noch mehr in die Scham zu treiben."

Wei Wuxian zog überrascht eine Augenbraue nach oben, als er sich im ersten Moment fragte, was Luan Han eigentlich für einen schlechten Eindruck von ihm hatte? Doch im selben Moment fiel ihm auch schon auf, dass eigentlich genau das zu ihm passen würde und so zuckte er nur mit den Achseln und sagte großzügig:
„Ich bin überrascht wie gut Luan Han mich nach so kurzer Zeit schon kennt. Man könnte meinen schon fast besser als ich mich selbst kenne. Aber heute bin ich dem Jungen wohlgesonnen und mache mal eine Ausnahme. Es sei Sun Yan gegönnt von den zwei jungen Damen so umgarnt und umschwärmt zu werden. Soll er es von mir heute unkommentiert genießen, denn schließlich hat er tatsächlich die beiden Damen selbstlos gerettet und für sie sogar wortwörtlich den Arsch hingehalten."

Luan Han's Augen weiteten sich und er verschluckte sich kurz über Wei Wuxian explizit treffende Wortwahl, als er sich hinter vorgehaltener Hand einmal räusperte und sagte:
„Wohl wahr..."

Sun Yan wusste währenddessen gar nicht so recht wohin mit sich und während seine beiden Hände nun mit zwei vollbestückten Dankeskörben belegt waren, blickten sich die zwei jungen Damen einmal an, zwinkerten sich zufrieden zu und nahmen dann kichernd ihre Blumenkränze von den Köpfen. Den einen Kranz setzten sie Sun Yan auf und den anderen machten sie an einer Stelle auf und legten ihn dann wie eine Kette um seinen Hals. Und damit nicht genug. Zwischen ihren süßen Lobeshymnen und schmeichelhaften Danksagungen, küsste die eine von links und die andere von rechts, seine ohnehin schon heißen Wangen. Mit dem Ergebnis, dass Sun Yan fasst mit seinen Körben nach hinten umgefallen wäre, hätte nicht Lang Wangji unauffällig seine Hand ausgestreckt und ihn kurz stabilisiert.

Wie bei der Verführung der Aphrodite stand Sun Yan sprachlos und stocksteif in der Mitte, als ihre zarten Lippen seine Wangen liebkosten. Wei Wuxian und die Anderen staunten nicht schlecht, als die zwei jungen Damen, nach ihrer kühnen Tat, sich auch schon belustigt abwendeten und dann so elfengleich wie sie gekommen waren auch wieder verschwanden. Sie liefen über die Straße und ihre bunten Roben und ihr langes Haar flatterten noch im Wind. Sie versammelten sich wieder mit den anderen Frauen, welche sie begleitet hatten und gespannt alles aus der Ferne beobachtet hatten. Während der gesamte Pulk lieblicher Weiblichkeit den Männer noch verabschiedend zuwinkte liefen sie auch schon wieder kichernd die Straße hinfort.

Die Fünf waren nun wieder unter sich und noch sichtlich überrascht von dem kleinen Überfall, blickten sie den Damen noch nach, wie sie in der Ferne wieder verschwanden.

Sun Yan blickte noch sichtlich schockiert drein aber er hatte nun etwas ungemein charmantes und niedliches an sich, wie er mit seinen roten Wangen, den zwei bunten Blumenkränzen und den zwei gefüllten Körben in den Armen so dar stand.

Wei Wuxian konnte schließlich nicht anders und musste beherzt lachen, als er sagte:
„Sun Yan, jetzt gerade siehst du nach allem aus aber nicht wie der edle Retter in schimmernder Rüstung. Vielleicht hättest du wirklich mit ihnen nach Hause gehen sollen? Ich bin mir sicher, nicht nur eine Dame würde dir die Gunst erweisen und zu einer Heirat zustimmen. Du könntest somit also jeden Tag feine Köstlichkeiten essen, ihren charmanten Komplimenten lauschen und so viel Blumenschmuck tragen wie es dir beliebt."

Sun Yan, der sich langsam wieder fing und ins Hier und Jetzt zurückfand, schnaufte sofort entrüstet durch seine Nase, als er Wei Wuxian konterte:
„Bevor du hier schadenfrohe Sprüche kloppst solltest du mir lieber Dankbar sein und mir helfen."
Mit diesem Satz schob er Wei Wuxian plötzlich beide Geschenkkörbe in die Hand und sagte selbstlobend:
„Immerhin habe ich uns gerade unverhofft unser Frühstück beschafft. Wenn ich damit nicht eher deinen Dank, als deinen Spott ernten sollte, dann weiß ich auch nicht. Ansonsten würde ich dich einfach des unverschämten Neides bezichtigen."

Wei Wuxian legte sich gerade die passenden Worte im Kopf zurecht als Feng Ling plötzlich einen Schritt nach vorne machte.
Sun Yan, dessen Hände nun frei waren, wollte gerade an den Blumenkranz auf seinem Kopf fassen und diesen herunter nehmen, als Feng Ling plötzlich seine Hände festhielt. Er kam ihm etwas näher und lehnte sich mit seinem Kopf weiter heran. Sun Yan schaute etwas verwundert zur Seite, als er in Feng Ling's blaue Augen blickte und dieser dann ruhig zu ihm sagte:
„Nicht. Lass ihn noch etwas auf."

Unter Luan Han's belustigten Schmunzeln und Wei Wuxian's scharfem Blick legte sich Sun Yan's Stirn in kritische Falten, als er sich fragte wie genau er Feng Ling´s Aufforderung verstehen sollte? Als er gerade verwundert darüber war, dass scheinbar sogar ein überaus ernster Mensch wie Feng Ling sich nun ebenfalls auf seine Kosten amüsieren wollte, sagte dieser plötzlich mit sanfter stimme zu ihm:
„Er steht dir."

Luan Han zog eine Augenbraue interessiert nach oben, Lan Wangji blickte im Wechsel zwischen Sun Yan und Feng Ling unauffällig hin und her und Wei Wuxian zog eine entrüstet Schmollippe, während er am liebsten Feng Ling augenblicklich von Sun Yan weggestoßen hätte. Doch leider waren seine beiden Hände nun mit zwei prall gefüllten Bambuskörben belegt und machten ihn somit handlungsunfähig.

Sun Yan lief währenddessen erneut feuerrot im Gesicht an, er riss seine Hände zurück und griff nun noch hastiger an die Blumenkränze, rupfte diese von seinem Kopf und seinem Hals und schob diese ebenfalls in Wei Wuxian's Arme. Zornig und peinlich berührt stapfte er ein paar Schritte nach vorne über die Straße, als er laut sagte:
„Wieso nur, findet die allgemeine Erheiterung eigentlich ständig auf meine Kosten statt? An Wei Wuxian's fiese Stachelleien habe ich mich ja schon gewöhnt aber das jetzt sogar du, Feng Ling mir in den Rücken fällst..."

Sun Yan grämte sich und wahrscheinlich war er der Einzige der Feng Ling's Bemerkung als Beleidigung aufgefasst hatte. Die anderen hatten schließlich schon längst bemerkt, dass Feng Ling ihm scheinbar wohlgesonnen war und etwas für ihn übrig hatte. Das seine Aussage als Kompliment galt und die Ehrlichkeit aus seinem Herzen sprach, dieser Gedankengang schien Sun Yan´s engstirnigen Geist erst gar nicht gekreuzt zu haben.
Er fluchte daher noch ein wenig vor sich hin und sein angekratztes Ego rebellierte ihn ihm, als er mürrisch sagte:
„Ich war ein Idiot auf diese Mission mitzukommen. Es ist immer das Gleiche. Wer euch als Freunde hat, der braucht keine F..."

Doch Sun Yan kam nicht mehr dazu seinen Satz noch ganz bis zum Ende auszusprechen, als sein Interesse plötzlich auf etwas anderes gelenkt wurde.
Seine Augen weiteten sich, als er auf die andere Seite der Straße blickte.
Er sah einen frischen Erdhügel, welcher exakt ab dem Straßenrand begann und sich dann ca. zwei Meter der Länge nach auf das gegenüberliegende freie Feld erstreckte.
Er runzelte verblüfft seine Stirn, als er sich wieder zu den Anderen umdrehte und mit seinem Finger provokant auf den Erdhügel deutete:
„Sieht aus als wäre hier jemand frisch...begraben!...Oder?...Aber direkt an der Straße? Wer macht denn so etwas?"
Sun Yan blickte sichtlich irritiert drein, als Wei Wuxian unschuldig in die zwei prall gefüllten Körbe in seinen Armen blickte. Mit trockenem Humor sagte er:
„Es sieht nicht nur so aus. Dort IST jemand begraben. Und zufällig kenne ich jemanden der so etwas tut!"

Sun Yan zuckte zusammen und auch Feng Ling blickte nun etwas misstrauisch auf die andere Straßenseite.
Luan Han räusperte sich kurz und gemeinsam mit Lan Wangji schaute er etwas diskret zur Seite um sich zu vergewissern, dass sie auch niemand hörte.

Sun Yan zog eine Augenbraue nach oben, als er punktgenau fragte:
„Wer?"

Wei Wuxian blickte nun zu ihm herüber und schob dann einen Bambuskorb ungefragt in Feng Ling's Arme. Er suchte sich einen schönen saftigen Apfel heraus und biss dann provokant in ihn hinein. Noch mit etwas vollem Mund sagte er:
„Wer da liegt oder wer so etwas tut?"

Sun Yan sagte nicht ganz dumm:
„Zunächst, wer da liegt. Anhand dessen lässt sich vielleicht ableiten wer so etwas tut."

Wei Wuxian biss erneut in seinen Apfel. Aus seinen vollen Wangen nuschelte es:
„Der Hund liegt dort begraben!"

„Der Hund?"
Sun Yan verstand erst nicht und er blickte mit einem etwas dummen Gesichtsausdruck zu Wei Wuxian.

Feng Ling dagegen dämmerte es so langsam, als Luan Han sich plötzlich einmischte und sagte:
„Na, unsere schweißtreibende Arbeit von letzter Nacht...der Mann aus dem Lagerraum."

Sun Yan's Augen weiteten sich, als es ihm plötzlich dämmerte. Sein Mund stand vor Empörung leicht offen, als er schockiert sagte:
„Zuko? Ihr habt Zuko direkt vor der Gaststätte, gerade noch so auf der anderen Straßenseite begraben? Was ist denn mit euch nicht ganz richtig?"

Wei Wuxian biss von seinem Apfel ab und wedelte mit seiner Hand abweisend in der Luft umher.
„Ja was glaubst du denn? Meinst du wir hatten Lust den Typen erst noch mitten in der Nacht weit durch die Gegend zu tragen? Weißt du eigentlich wie schwer der war und er selbst hat nicht mal einen Finger gerührt und uns geholfen. Wie ein nasser Sack hing er da und lies sich unbekümmert durch die Gegend schleppen.
Also was beschwerst du dich jetzt? Erst räumen wir hinter dir und deinem Chaos auf, begraben sogar noch den Schuft und dann ist dir die andere Straßenseite nicht weit genug entfernt!"
Wei Wuxian schloss mit gestellter Dramatik seine Augen und schüttelte unzufrieden seinen Kopf hin und her, als er laut aufseufzte.
„Und abgesehen davon...wer ist Zuko?"
Er verputzte das letzte Stück seines Apfels, als er Sun Yan einen fragenden Blick zuwarf.

Doch Sun Yan presste augenblicklich schweigend seine Lippen zusammen, seine Augenbrauen zogen sich kraus und er sagte kein weiteres Wort mehr.

Feng Ling dagegen schob nun den Bambuskorb aus seinen Armen Luan Han herüber. Damm streckte er seine Hände weit nach vorne aus und verneigte sich einmal höflich, als er sich augenblicklich bei Wei Wuxian, Lan Wangji und Sun Yan bedankte.
Schließlich war er es gewesen, der Zuko das Leben nahm und daher hätte er es sein müssen, der sich um die Angelegenheit hätte kümmern müssen. Ansprüche über die Art und Weise wie ihm diese Verantwortung nun abgenommen wurde, standen ihm aus seiner Sicht nicht zu zu stellen.

Lan Wangji der die ganze Zeit schweigend daneben stand, atmete einmal tief ein und in seinem Gesicht erkannte man, dass er scheinbar in der Nacht zuvor selbst nicht ganz konform mit der Ausführung des frischen Erdhügel gewesen war. Als Wei Wuxian seinen unzufriedenen Gesichtsausdruck bemerkte, lächelte er ihn an, griff dann in den Bambuskorb in seinen Armen und setzte Lan Wangji prompt einen Blumenkranz auf. Seine Augen begannen zu funkeln, bei dem entzückenden Anblick welcher sich ihm nun bot und er lachte herzallerliebst auf, als er sagte:
„Nicht so mürrisch schauen Lan Zhan. Es war wirklich der beste Plan den ich letzte Nacht mir aus dem Ärmel schütteln konnte. Und das auch noch auf die Schnelle. Hier, Lächel ein wenig. Ich gebe dir auch den Blumenkranz."

Doch Lan Wangji's Gesichtsausdruck wurde nicht gerade besser, stattdessen blickte er nun noch unglücklicher drein.
Doch Wei Wuxian hatte seinen Spaß mit ihm, als er verwegen lachte und dann auch noch frech Lan Wangji's Nase mit seinem Zeigefinger anstupste.
„Nimm es mir nicht übel HanGuang-Jun, aber der Blumenkranz steht auch dir besonders gut. Aber hier, damit du dich nicht weiter grämen musst, setze ich ihn mir auch auf."

Wei Wuxian erlöste Lan Wangji wieder von der Blütenpracht und er griff behutsam in das Blattwerk und setzte sich nun selbst den Blumenkranz auf. Zwischen seinem schadenfrohen und belustigtem Lächeln auf seinen Lippen gesellte sich nun ein Hauch weiblicher Eleganz und er wirkte nun durchaus selbst sehr liebreizend. Wei Wuxian war ohnehin von attraktiver Gestalt und er musste sich keineswegs hinter den anderen Herren verstecken.
Ganz im Gegenteil.

In Lan Wangji's Augen begann währenddessen eine tiefe Sehnsucht zu funkeln, als er mit wachem Blick in Wei Wuxian's lachendes Gesicht blickte und ihm dabei zusah, wie er anmutig den Blumenkranz zur Schau stellte. Er war in diesem Anblick gefangen und tief in seinem Innern bedauerte er es jetzt schon ein wenig, wenn Wei Wuxian den Blumenkranz später wieder absetzen würde.

Sun Yan dagegen stand noch immer etwas abseits und war in Gedanken versunken, während er noch immer auf den frischen Erdhügel auf der gegenüberliegende Straßenseite starrte. Es war nun ein Teil seines Lebens, eine hässliche und plagende Erinnerung, welche dort nun begraben lag. Zuko war nun tot, aber er hatte zweimal eine tiefe Narbe in Sun Yan´s Seele hinterlassen.
Schließlich atmete der Junge einmal tief ein, schnallste mit der Zunge und schüttelte dann seinen Kopf hin und her, als ein paar Pilger und eine Kutsche plötzlich die Straße passierten.
Etwas Staub und Dreck wirbelte auf und Sun Yan drehte sich wieder zu den Anderen, als Feng Ling ihn plötzlich auffordernd ansah.
„Bist du so weit? Wir sollten langsam aufbrechen. Zurück, nach Lotus Pier."
Sagte er mit ruhiger Stimme und es war dieser Moment, in dem allen wieder bewusst wurde, warum jeder einzelne von ihnen eigentlich hier war.

Sun Yan nickte und kam schließlich die paar Schritte zurück. Luan Han schob Sun Yan sogleich den vollen Bambuskorb wieder zurück in die Arme, welchen er zuvor von Feng Ling überreicht bekommen hatte, dieser hatte ihn von Wei Wuxian und dieser wiederum hatte ihn ursprünglich von Sun Yan überreicht bekommen. Somit war er dann wieder dort, wo er mal einmal seine Reise begonnen hatte.
Luan Han lächelte Sun Yan an, als er sagte:
„Dies war dein Verdienst. Du solltest ihn mitnehmen. Bis nach Lotus Pier ist es ja nicht mehr weit aber Reiseproviant kann man immer gebrauchen."

Sun Yan stimmte ihm zu und begutachtete in Ruhe den Inhalt seines Gewinnes, als sich nun auch Wei Wuxian und Lan Wangji aus ihrer kurzen Zweisamkeit wieder dazu gesellten und sie ein paar Worte des Abschiedes wechselten. Wei Wuxian trug dabei noch die ganze Zeit den Blumenkranz auf seinem Kopf und schien auch noch keine Anstalten zu machen ihn bald wieder abzusetzen. Er hatte die absolute Ruhe weg. Denn als würde es den ehemaligen Yiling Patriarch schon kümmern was andere von ihm dachten. Lan Wangji hatte ohnehin schon still zum Ausdruck gebracht, dass er Wei Wuxian stehen würde und das war alles, was für Wei Wuxian zählte. Somit blieb der Blumenkranz noch eine Weile dort, wo er genau jetzt war.

Feng Ling, der noch nie der große Redner war und ihn mit den Anderen, nach der kurzen gemeinsam verbrachten Zeit, noch keine enge Freundschaft verband, verabschiedete sich recht kurz und knapp und ging dann schon ein Mal ein paar Schritte vor.

Sun Yan dagegen konnte sich scheinbar nur schwer von Wei Wuxian, Lan Wangji und Luan Han trennen. Auch wenn er es auf der einen Seite kaum erwarten konnte zurück nach Lotus Pier, an Jiang Cheng's Seite zurückzukehren, so war er doch ein sehr geselliger Mensch und genoss die gemeinsame Zeit unter Freunden. Auch wenn ihr gemeinsamer Ausflug zu mindestens für Sun Yan zeitweise eine dramatische Wendung nahm, so hatte er die Zeit mit ihnen doch sehr genossen und er war ein wenig traurig darüber, ihnen erst einmal wieder Lebewohl sagen zu müssen. Denn es war nicht gerade so, dass der Jiang Yunmeng Clan und der Gusu Lan Clan eine überaus tiefe Freundschaft verband und einen regen Austausch untereinander pflegten. Schließlich war Jiang Cheng der Sect Leader von Lotus Pier und seit Wei Wuxian wieder aufgetaucht und offiziell in die Cloud Recesses gezogen war, war ihm diese noch mehr ein Dorn im Auge als vorher. Besonders im Hinblick auf die Gerüchte und seine eigene Vermutung zu der Beziehung zwischen Lan Wangj und Wei Wuxian. Sollte er selbst in dieser Hinsicht zwar auch kein Deut besser sein, da er selbst der Liebe zu einem Mann und dann noch zu seinem Untertan verfallen war, so blieb ein alter Groll eben ein alter Groll und Jiang Cheng machte nur langsame Fortschritte die Vergangenheit ruhen zu lassen. Persönlichkeiten veränderten und entwickelten sich zwar mit der Zeit, aber manche Charaktereigenschaften blieben eben unangetastet und entzogen sich mancher Vernunft. Ein freier Geist blieb eben ein freier Geist und ein mürrischer Grummel, blieb wohl auch immer ein mürrischer Grummel.

Sun Yan schnaufte auf und blickte in Wei Wuxian's Arme. Während er den Bambuskorb mit einem Apfel weniger in der Mitte und den Blumenkranz auf Wei Wuxian's Kopf musterte, huschte ein belustigtes Lächeln über seine Lippen, als er sagte:
„Den Korb nehmt ihr besser mit. Zwei von denen sind für mich und Feng Ling eh zu viel und außerdem seit ihr zu dritt. Und gefrühstückt hatten wir alle noch nicht, auch wenn es schon auf den Nachmittag zugeht."

Lan Wangji, Wei Wuxian und Luan Han bedankten sich kurz bei ihm und nahmen den Korb dankend entgegen, als Sun Yan plötzlich mit etwas gesenkter Stimme ein anderes Thema anschnitt:
„Jetzt, wo sich unsere Wege wieder trennen...wollte ich doch noch einmal kurz etwas nachfragen...also nur um sicher zu gehen."

Die Drei horchten auf und warteten gespannt auf Sun Yan's Frage, als dieser sagte:
„Also diese geheime Mission, welche jetzt eigentlich gar nicht mehr so geheim ist..." Sun Yan räusperte sich kurz.
„Also wie noch immer, korrigiert mich bitte wenn ich falsch liege...
Aber habe ich das richtig verstanden, dass Luan Han:
ein ehemaliger Wen ist,
der Geliebte von Jinan Liang, also der Ehefrau von Lan Xichen,
welche aber eigentlich gerade erst den Bund der Ehe mit Lan Xichen eingegangen ist und ihr ihn jetzt in die Cloud Recesses holt?"

Wei Wuxian, Lan Wangji und Luan Han stutzten erst. Sie selbst mussten die verwickelten Beziehungen erst in ihrem Kopf noch einmal aufdröseln, als sie dann schließlich einvernehmlich nickten, ohne auch nur ein Wort dazu zu sagen.

Sun Yan's Augen weiteten sich in Empörung und er blickte sprachlos drein. Für einen Moment dachte er nach, als er schließlich sagte:
„Wenn Jinan Liang's Herz aber in Wirklichkeit Luan Han gehört, er aber dennoch im Gusu Lan Clan mit aufgenommen wird, dann ist in Wirklichkeit die Ehe zwischen Lan Xichen und Jinan Liang nur eine Scheinehe...?"
Da Sun Yan's Frage auch dieses Mal unkommentiert blieb und niemand etwas darauf antwortet, außer ein stummes Nicken, war die Antwort damit schon eindeutig gegeben. Sun Yan's Augen wurden vor Staunen immer größer, als er schließlich noch schlussfolgerte:
„Daraus wiederum schließe ich...das Lan Xichen dies nur erlaubt, da er selber auch eine heimliche Geliebte hat?"

Luan Han blickte Sun Yan überrascht an, scheinbar hatte diese Schlussfolgerung bis jetzt seine eigenen Gedanken selbst noch gar nicht gekreuzt. Lan Wangji dagegen hüllte sich diskret in Schweigen und Wei Wuxian nickte ein wenig mit seinem Kopf hin und her als er sagte:
„Vielleicht in der tatsächlichen Ausführung nicht ganz so weiblich aber ja, so kann man das sagen."

Sun Yan blickte schockiert drein. Auch wenn er Wei Wuxian's letzte Bemerkung noch nicht ganz so verstanden hatte, so war er doch zutiefst überrascht. Jetzt wo die Fakten noch einmal nackt auf dem Tisch lagen, wurde ihm erst noch einmal die weitreichende und skandalöse Bedeutung ihrer Mission bewusst.
Während sich in seinem Kopf noch ein Gedankenknoten bildete und er begann sich die ganze Situation vorzustellen und warum und wieso, stolperte es plötzlich nur so unschuldig aus ihm heraus, als er auf einmal fragte:
„Wer ist sie? Die Geliebte? Kennt man sie?"

Wei Wuxian zog seine Augenbrauen entgeistert nach oben, als er plötzlich sagte:
„Wisst ihr was, die Erklärung überlasse ich jetzt mal zur Feier des Tages Lan Zhan. Er ist nämlich Zewu-Jun's Bruder und kennt sich bestens mit dieser Thematik aus.
Nicht wahr Lan Zhan?"
Wei Wuxian gab Lan Wangji einen liebevollen Klapps auf die Lenden, als er einmal belustigt in die Runde grinste. Dann drehte er sich auf dem Absatz um und ging mit seinem Bambuskorb und dem Blumenkranz auf dem Kopf zu Feng Ling herüber. Er wedelte noch kurz mit seiner freien Hand in der Luft umher, als er schadenfroh sagte:
„Ich gehe kurz zu Feng Ling, komme gleich wieder."
Damit verschwand er auch schon und die drei Blickten ihm noch kurz hinterher.

Lan Wangji räusperte sich kurz und blickte etwas beunruhigt zu Boden, unsicher wo er nun beginnen sollte.

Wei Wuxian dagegen steuerte selbstbewusst auf Feng Ling zu, welcher schweigend abseits der Straße stand und geduldig darauf wartete, dass Sun Yan sich von seiner Reisegruppe verabschiedete. Er blickte mit kühnem Blick die Straße entlang, auf seinem Rücken blitzte sein großer metallischer Speer in der Sonne und seine Robe flatterte leicht im Wind.
Als er die selbstbewussten Schritte hinter sich bemerkte, drehte er sich rasch um und erblickte Wei Wuxian, welcher dominant und mit klarem Blick vor ihm stehen blieb. Wenn auch seine Erscheinung gerade nicht besonders furchteinflößend auf einen wirkte, so wie er da mit seinem Accessoires so stand, so spüre Feng Ling jedoch, dass Wei Wuxian mit ernstzunehmenden Absichten zu ihm gekommen war.

Wei Wuxian kam langsam noch ein paar Schritte näher, dabei lies er Feng Ling kein einziges Mal aus den Augen. Sein Blick war prüfend und herausfordernd. Als er seinen Mund öffnete, sprach er mit ruhiger und klarer Stimme, von seiner lustigen und unbefangenen Art war nichts mehr zu spüren:
„Ich hoffe, du bringst in heile und unversehrt zurück nach Lotus Pier, an Jiang Cheng's Seite, dort wo er hingehört."

Feng Ling's Augen formten sich zu zwei kleinen Schlitzen. Er spürte, dass dies keine Bitte oder die Frage nach einem Gefallen war. Es war eine Aufforderung, ein Befehl so klar und mächtig wie das aufbrausende tosen eines herabstürzenden Wasserfalles.

Feng Ling nickte kurz. Seine Stimme war tief und klar:
„Ich werde ihn mit meinem Leben beschützen."

Wei Wuxian schnaufte kurz durch seine Nase, dann kam er noch ein wenig näher, ihre Körper nur wenige Zentimeter von einander entfernt, als Wei Wuxian sich mit seinem Gesicht plötzlich noch etwas näher heranlehnte. Feng Ling konnte fast schon seinen warmen Atem auf seiner Haut spüren, als Wei Wuxian mit scharfer Zunge sagte:
„Ich bezweifle keines Falls, dass du ihn an meiner Stelle vor jeglichen Gefahren beschützen kannst. Vielleicht bist du dafür sogar noch besser geeignet als ich, denn wie es mir scheint, wirst du von einer noch stärkeren Macht angetrieben.
Ich frage mich nur..."

Wei Wuxian's Kopf erstreckte sich langsam über Feng Ling's Schulter, als er mit bedrohlichem Unterton in dessen Ohr hauchte:
„...Aber kannst du ihn auch vor dir selbst beschützen?"