Eine halbe Stunde später betraten sie das stickige und von lauter Musik erfüllte Wohnzimmer Hiroshis, in dem alle anderen Partygäste bereits laut lachten und Bier tranken.
Die Mädels begaben sich direkt zu den Volleyball-Mädchen und Ranma wurde von seinen Kumpels in die andere Ecke gezerrt.
„Jo, Saotome, heute mal im anderen Look?"
„Hmm, meine Chinahemden sind in der Wäsche."
„Sieht nice aus! Aber hey, was hast du nur für einen heißen Feger als Verl…",
weiter kam Daisuke nicht, der bereits eine ordentliche Kopfnuss von Ranma erntete. Er würde dafür sorgen, dass keiner seine überaus attraktive Verlobte angaffen würde!
Der Abend zog sich hin. Zuerst wollte Ranma nichts trinken, da er Alkohol hasste. Doch irgendwann überredeten seine Kumpels ihn zu einem Bier. Ehe er sich versah, wurden daraus ein paar mehr. Die Musik war ihm zu laut und die Gäste zu aufgedreht. Doch irgendwie vertrieb er sich die Zeit. Zwischendurch redete er mit Akane, die ihm immer wieder zusicherte, dass es ihr gut ginge. Dann verschwand sie meistens wieder im Mädchen-Dunstkreis, der aus Gekicher und für ihn uninteressanten Gesprächsthemen bestand. Es wurde erst interessant und auch eine Herausforderung für ihn, als sie sich entschlossen, zu der lauten Musik zu tanzen. Von da an war er schwer damit beschäftigt, Akane nicht unendlich anzustarren und gleichzeitig die männlichen Gäste davon abzuhalten, seine Verlobte mit Blicken auszuziehen. Warum musste sie auch unbedingt dieses aufreizende Outfit tragen! Und dann bewegte sie sich noch so sinnlich, indem sie ihre Hüften so schamlos von Seite zu Seite schwang…schon trat ihm beinahe der Sabber aus dem Mund, während er ihr beim Tanzen zusah.
„Nein, Ranma! Reiß dich zusammen! Du bist doch kein Tier! Oder willst du, dass ihr Vorwurf sich bestätigt? Na gut…eigentlich bin ich wirklich ein Perversling…"
Endlich ließ sie sich erschöpft neben ihm fallen und er reichte ihr ein kaltes Getränk. Ihr lautes Schnaufen und die Schweißperlen auf ihrem Dekolleté ließen ihn wieder anders werden. Dazu noch dieser Duft von ihrem Parfum…er war mal wieder hin und weg! Am liebsten wäre er direkt aufgestanden und hätte die Party verlassen, doch dann wurden alle Partygäste um den Wohnzimmertisch versammelt, um die Geschenke auszuteilen.
„Danke, Ranma und Akane! Dann haben wir wieder was Neues zum Zocken!"
„Woher wusstet ihr, dass wir diese Spiele haben wollten?"
Ranma erklärte stolz:
„Ich habe euch zugehört, als ihr darüber geredet habt."
So wurden weitere Geschenke ausgepackt und alle unterhielten sich ausgelassen bei nun gedimmter Musik. Endlich musste man sich nicht mehr anbrüllen, dachte sich Ranma.
So verging die Zeit. Ranma merkte, wie ihm der Alkohol langsam zu Kopf stieg. Er sah auch Akane an, dass ihre Wangen deutlich gerötet waren. In ihrer Hand entdeckte er ebenfalls eine Bierflasche. Hoffentlich ging das gut, da sie beide keine Trinker waren und als Kampfsportler immer sehr auf ihre Gesundheit achteten.
„Hey, ich hab ne Idee!",
rief Sayuri in die gesellige Runde.
„Wie wärs mit Wahrheit oder Pflicht?"
„Wahrheit oder was?",
hakte Ranma nach, der das Spiel bis dato noch nicht kannte.
„Na, Wahrheit oder Pflicht! Das Spiel! Jemand dreht eine leere Flasche und fragt die Person, auf die die Flasche gerichtet ist: Wahrheit oder Pflicht? Dann muss man aussuchen."
„Und was muss man dann machen?",
fragte Ranma beunruhigt nach. Was sollte das für ein Spiel sein?
„Bei Wahrheit darf man der Person eine Frage stellen, die sie wahrheitsgemäß beantworten muss. Bei Pflicht darf man von der Person etwas verlangen, was sie machen muss."
„Oh ja, das wird bestimmt lustig",
entgegnete Yuka und Ranmas Kumpels waren dem auch nicht abgeneigt.
„Das hebt die Stimmung auf jeder Party!",
riefen die anderen Partygäste aufgeregt. Schon wurde eine leere Flasche auf den Tisch gelegt und Sayuri drehte als erstes los.
„Na, worauf haben wir uns denn da wohl eingelassen?",
dachte Akane bei sich. Das konnte auch nach hinten losgehen.
„Boah, hoffentlich erhoffen sich die Jungs nichts Perverses von MEINER Verlobten!",
dachte Ranma sich zähneknirschend.
Die Flasche stoppte bei einem Jungen der Hentai-Horde namens Yuki.
„Ok, Yuki, was wählst du? Wahrheit oder Pflicht?"
„Em, ich nehme Wahrheit. Erstmal gechillt anfangen."
„Na wenn du dich da mal nicht täuschst…",
deutete Sayuri mit einem diabolischen Grinsen an.
„Oh oh",
kam es von Yuki, als schon die Frage an ihn gerichtet wurde.
„Bist du in jemanden verliebt?"
Die Anwesenden kicherten aufgeregt los und warteten gespannt die Antwort des Jungen ab, der hochroten Kopfes und mit aufgerissenen Augen dasaß.
„Muss ich das jetzt wirklich beantworten?",
hakte er nach.
„Aber ja! Du hast Wahrheit gewählt. Schieß los!",
entgegnete eines der Volleyball-Mädels.
„Ok…em…ja, ich bin verliebt."
Schon kamen die aufgeregten OOOOOHs der Anwesenden.
„Wer ist es, wer ist es!",
hakte Sayuri nach.
„Du darfst nur eine Frage stellen, Sayuri!",
entgegnete ihr Yuka.
„Oh Mist! Ich hab die Frage falsch formuliert!",
jammerte Angesprochene.
Ranma blickte stirnrunzelnd drein. Was das Spiel noch bringen würde? Diese kindischen Fragen… Die Hitze des Raums – oder war es eher des Alkohols? – ließ ihn ganz schön schwitzen.
Yuki ergriff in dem Moment die Flasche und drehte sie schwungvoll, bis sie bei Yuka stoppte.
„Wahrheit oder Pflicht?",
fragte er sie.
„Ich nehme Pflicht."
„Hmm, mal sehen. Mach mal was Lustiges. Wie wäre es damit: Leck den Teppich von unten ab!"
„WAAAS! Du spinnst doch! Der ist doch total dreckig!"
Die Anwesenden brachen in schallendes Gelächter aus.
„Los, du musst alles machen, was ich dir sage!"
„Ja, ok."
Schon kniete sich Yuka vor die Kante des Teppichs, hob diesen an und schleckte einmal kurz über die Unterseite, nicht ohne selber voller Lachtränen auszubrechen. Akane war nicht mehr zu halten. Sie hielt sich vor Lachen den Bauch. Man merkte, dass durch den reichlichen Alkohol die ganze Gruppe sehr gelöst war. Es reichte ein wenig, um alle zum Lachflash zu treiben.
Selbst Ranma konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, obwohl die Aktion total skurril war. Endlich beruhigten sich die Partygäste ein wenig, sodass Yuka sich wieder zum Tisch mit der leeren Flasche begeben konnte. Sie drehte sie schwungvoll, bis die Flasche vor Daisuke stehenblieb.
„Wahrheit oder Pflicht?",
fragte sie ihren Schulkameraden.
„Hmm, lass mich überlegen…ich nehme Wahrheit."
„Ok, dann überlegen wir uns mal eine besonders fiese Frage für dich…",
kündigte Yuka schadenfroh an. Ihr war nicht entgangen, dass Daisuke von allen Jungs am lautesten gelacht hatte, als sie den Teppich abschlecken musste.
„Hast du schon mal was geklaut und wenn ja, erzähle uns die Geschichte!"
„OOOOOOOH!",
kam es wieder von der versammelten Mannschaft. Hiroshi grinste wissend in sich hinein, weil ihm prompt eine peinliche Geschichte in den Sinn kam.
„Ha! Hiroshi weiß Bescheid! Also spucks aus, da ist doch was gewesen!"
Daisuke druckste herum, bevor er sich endlich überwand und zu erzählen begann:
„Naja, es gab vor zwei Monaten so ne Story. Hiroshi und ich waren beim Kendoclub, als die eine Party veranstaltet haben. Ich habe sehr viel gesoffen und hatte danach einen Filmriss. Am nächsten Morgen wachte ich in meinem Bett auf und naja…ich hatte irgendwie ein Baustellenschild im Arm."
Alle Anwesenden brachen wieder in schallendes Gelächter aus. Ranma konnte es nicht glauben. Warum hatte ihm niemand davon erzählt? Er wusste, dass die beiden bei dieser Party gewesen waren, aber was passiert war, hatten die beiden ihm wohl bewusst verschwiegen. Mit Fragezeichen und einem breiten Grinsen im Gesicht starrte er Hiroshi an, der nur zurückgrinste und den Kopf schüttelte.
„Wie ist das denn passiert, Daisuke?"
„Wie gesagt hatte ich einen Filmriss, aber Hiroshi erzählte mir im Nachhinein, wie es dazu kam. Auf dem Heimweg sind wir wohl durch das Industriegebiet gelaufen und da war doch alles abgesperrt an der Straße, erinnert ihr euch? Ich habe wohl dieses Schild angelabert und so getan, als wäre es ein Mensch…"
„…nicht einfach ein Mensch, sondern ein Mädel!",
korrigierte Hiroshi lachend, bevor die Anwesenden nur noch mehr lachten. Den Rest erzählte Hiroshi selbst, weil er es mit eigenen Augen mitangesehen hatte:
„Daisuke, dieser verrückte Kerl! Er flirtete mit einem Verkehrsschild, weil er dachte, es sei ein heißes Mädel. Er wollte sie abschleppen und riss das Schild aus der Betonfassung heraus! Keine Ahnung, wo er diese Kraft herholte, aber er schaffte es tatsächlich, das Teil mitzunehmen! Das war so abartig, wie er das Schild abknutschte…"
Ranma lachte Tränen. Ihm war schon länger klar, dass seine Freunde ein wenig irre waren, aber dass Daisuke so etwas total Beklopptes bringen würde, hätte selbst er nicht für möglich gehalten. Akane schaute ihren Verlobten von der Seite an. Schon lange hatte sie ihn nicht mehr so herzlich lachen gesehen. Wie er so seine schönen Zähne bleckte und sich die Tränen aus dem Gesicht wischte, wurde ihr ganz warm ums Herz. Ob es am Alkohol lag?
„Das war also die Geschichte. Bin ich jetzt entlassen?",
murrte Daisuke peinlich berührt.
„Ja ok, was du mit dem Schild zuhause gemacht hast, wollen wir lieber nicht wissen…",
beendete Yuka seine Tortur.
Endlich durfte Daisuke die Flasche drehen, bis sie bei Akane stehenblieb. Schlagartig spannte sich Ranma an. Das durfte einfach nicht wahr sein! Würde sein Kumpel die Situation schamlos ausnutzen? Er würde das nicht zulassen!
Daisuke sah scheu zu Ranma rüber, der ihn schon mit diesen giftigen Augen anstarrte. Sofort schüchterte es ihn ein, doch er fragte dennoch:
„Wahrheit oder Pflicht, Akane?"
Besagte dachte angestrengt nach. Was wäre weniger riskant? Wahrheit oder Pflicht? Was, wenn Ranmas Kumpel sie so etwas fragen würde wie: „Bist du in Ranma verliebt?" Andererseits: Was, wenn sie Pflicht wählte und sie Daisuke küssen sollte? Das würde dieser sich eh nicht trauen oder? Selbst wenn, würde Ranma eingreifen…
„Ich wähle Pflicht."
Gespannt starrte Ranma seinen Freund an. Was er wohl von ihr verlangen würde? Er presste seine Kiefern zusammen, dass es schon fast knackte.
„Ok Akane. Zähle im Kreis die Personen ab. Die fünfte Person musst du umarmen."
Ranmas Augen weiteten sich entsetzt. Hatte sein Freund gerade einen Körperkontakt von seiner Verlobten, SEINER Verlobten! verlangt, aber nicht für sich, sondern willkürlich an den nächstbesten…
Weiter kam er mit seinen Gedanken nicht, da Akane sich plötzlich vor ihn auf den Boden hinkniete. Erst jetzt realisierte er, dass er die fünfte abgezählte Person war. Schüchtern schaute sie ihn mit ihren großen braunen Augen an. Endlich setzte sie sich in Bewegung und legte ihre Arme um seinen Nacken, bevor sie sich leicht an ihn schmiegte. Sofort umhüllte ihn ihr wunderbarer Duft und die Wärme, die von ihrem Körper ausging. Es war ein schönes Gefühl, so von ihr umarmt zu werden. Wie von selbst legten sich seine Hände um ihren Rücken. Unweigerlich strich er ihr über die nackte Haut, sodass sich sofort eine Gänsehaut bildete. Wenig später löste sie sich wieder von ihm. Die Umarmung hielt für seinen Geschmack viel zu kurz an.
Die anderen Partygäste pfiffen und klatschten den beiden zu. Bevor sich Ranma versah, war seine Verlobte wieder zu ihrem alten Platz gekrochen, einen Rotschimmer um die Nase. Endlich trafen sich ihre Blicke. Er sah ihr an, dass es ihr irgendwie peinlich war, zugleich war er erleichtert. Nur woher wusste sein Kumpel…hatte er etwa vorher schon die Leute abgezählt? Ein Blick zu Daisuke zeigte ihm, dass seine Vermutung stimmte.
„Danke",
hauchte er lautlos seinem Kumpel entgegen, der nur wissend nickte. Manchmal waren seine Kumpels eben doch noch richtige Freunde!
Akane musste sich sehr bemühen, ihr Herzklopfen unter Kontrolle zu bringen. Dass sie so eine intime Geste vor allen anderen machen musste, blendete sie in dem Moment aus. Viel zu sehr nahm sie die Präsenz ihres Verlobten ein, an dessen muskulösen Oberkörper sie sich in dem Moment anschmiegte. Als er ihr so sanft über den nackten Rücken strich, verpasste es ihr regelrechte Elektroschläge. Sie wollte am liebsten so viel mehr davon! Wie selten hatte sie so einen Körperkontakt mit ihm! Wie selten spürte sie seine Zärtlichkeit! Diese Seite kam nur ganz sporadisch bei ihm hervor. Umso mehr genoss sie es!
Endlich löste sie sich aus ihrem inneren Zwiegespräch und drehte die Flasche, bis sie bei einem Jungen stehenblieb, der sie früher vor Schuldbeginn besiegen wollte.
„Also, Kenzo, Wahrheit oder Pflicht?"
„Wahrheit!",
kam es wie aus der Pistole geschossen, was bei den anderen für Lacher sorgte. Da hatte sich jemand schon vorab Gedanken gemacht!
„Was war das Ekligste, was du jemals gegessen hast?"
„Hmm, also jeder hat bestimmt schon mal Milch getrunken und plötzlich was Saures im Mund gespürt. Aber noch schlimmer fand ich es damals, als ich bei meiner Oma Pfirsiche gepflückt habe. Da biss ich als kleines Kind mal genüsslich in einen Pfirsich und sah einen Wurm!"
„IIIIHHHHH!",
riefen die Anwesenden, vor allem die Mädels.
„Das Schlimmste daran war, dass der Wurm nur zur Hälfe da war. Ich hatte die andere Hälfte im Mund",
ergänzte er seine Story.
„BAH! WIE WIDERLICH!",
riefen die Partygäste. So schnell würde wohl keiner mehr in einen Pfirsich beißen.
Das wars mit dem zweiten Kapitel! Noch geht es gesittet zu...aber was wohl passiert, wenn die Fragen versauter und die Pflichtaufgaben gewagter werden? Bleibt dran! Es wird noch heiß...
Eure LeeSunHee
