X.
Es war Shouyous Idee gewesen, dass Tooru zunächst einmal alleine mit Tobio sprechen sollte, doch er bereute diese Idee kaum, dass er wusste, dass die beiden nun alleine miteinander sein würden.
Das Problem war weniger, dass er Tooru nicht vertraute, es war mehr, dass … nun, dass Tooru und Tobio auf eine komplizierte Geschichte zurückblickten, und sein Ex-Mann schon negativ auf den Besuch von Sugawara-san reagiert hatte, und der war immerhin einer seiner Lieblingsmenschen, während Oikawa Tooru … Nun Shouyou nahm an, dass mein ein Buch über die Beziehung dieser beiden Männer schreiben könnte und dabei wahrscheinlich immer noch nur an der Oberfläche kratzen würde. Man wusste einfach nie wie ein Treffen zwischen den beiden ablaufen würde. Sie waren Teamkameraden, Gegner, Feinde, Freunde, Verbündete und alles dazwischen gewesen. Also war alles drin.
Und dann war da noch die Tatsache, dass Oikawa Tooru … nun, keine besonders taktvolle Person war. Er sagte nun mal gerne die Dinge, die andere nicht auszusprechen wagten, was ja auch einer der Gründe war, warum Shouyou ihn angerufen und hergebeten hatte; weil Tooru keine Skrupel hätte das zu sagen, was gesagt werden musste, um zu Tobio durchzudringen. Aber zugleich bestand dabei natürlich auch die Gefahr, dass er Tobio verletzte anstatt ihm zu helfen.
Also, ja, er bekam schnell Zweifel an seinem eigenen Plan. Wer konnte ihm das schon verübeln? Noch mehr wenn man bedachte, dass seine letzten Versuche Tobio durch Besucher etwas Gutes zu tun total nach hinten losgegangen waren.
Er hatte Tooru an diesem Morgen vom Flughafen abgeholt und dann in die Wohnung verfrachtet, Kenma angewiesen Tobio und dessen Gast einige Zeit miteinander alleine zu lassen, und hatte sich dann selbst wieder aus der Wohnung entfernt. Er hatte eigentlich vorgehabt spazieren oder einkaufen zu gehen oder irgendetwas anderes zu tun um sich von dem Wissen abzulenken, dass Oikawa Tooru mit Kageyama Tobio alleine sprach (etwas, dass er in den letzten Jahren immer mit voller Absicht verhindert hatte, wann immer es sich einrichten ließ), doch leider funktionierte der Versuch nicht, und er konnte in Wahrheit an nichts anderes mehr denken als daran, dass er einen Fehler gemacht hatte.
Toorus Besuch konnte alles nur noch schlimmer machen. Etwas anderes anzunehmen war reine Naivität. Wenn sich Tobio schon Sugawara gegenüber schuldig und wie eine einzige Enttäuschung fühlte, wie musste er sich dann erst gegenüber Oikawa fühlen?
In leichter Panik lenkte er seine Schritte also wieder zurück zur Wohnung, bereit seinen letzten Versuch Kageyama Tobio zu helfen abzubrechen. Er würde einfach hineinplatzen, vorgeben etwas vergessen zu haben, und die beiden Rivalen so voneinander trennen, bevor Blut fließen konnte. Er würde Tooru den Flug zurückerstatten und sich bei Tobio entschuldigen, und das wäre es dann auch schon wieder.
Mit diesem unausgereiften Plan im Kopf stolperte er in die Wohnung und erblickte … Tooru wie er am Boden neben Tobios Rollstuhl hockte und wie er einen weinenden Tobio in den Armen hielt. Ja, das hier musste definitiv abgebrochen worden.
„Was hast du getan?! Was hast du zu ihm gesagt?!", beschwerte sich Shouyou erbost, „Hast du ihm wehgetan?" Ja, das hier war eindeutig ein Fehler gewesen.
„Timing ist nicht gerade deine Stärke, Shouyou, zumindest nicht außerhalb des Volleyball-Feldes", murmelte Tooru.
Tobio löste sich von ihm und blickte mit geröteten Augen in Shouyous Richtung.
„Ernsthaft, geh weg von ihm! Es kommt alles wieder in Ordnung, Tobio!", erklärte Shouyou hitzig und machte sich bereit sich zwischen seinem Ex-Mann und dessen ehemaligen Senpai zu werfen, falls das notwendig werden sollte. Niemand hatte das Recht Tobio weh zu tun, nicht mal seine Freunde!
Tobio musterte ihn einen Moment lang verwundert. Dann meinte er: „Ist schon gut. Er hat mir nichts getan…." Er wirkte etwas verwirrt, als er das sagte, und schniefte.
Tooru tätschelte jetzt Tobios Kopf und ging dann hinüber zu Shouyou. „Du unterbrichst uns gerade", erklärte er leise, „Tobio brauchst das hier jetzt, er braucht jemanden, den er vollheulen kann. Das ist ein notwendiger Schritt zur Besserung. Er ist gerade dabei sich mir zu öffnen, oder war es zumindest. Aber jetzt, wo du hier bist, wird er wieder den starken Mann spielen wollen, und…."
„Hast du ihn etwa absichtlich zum Weinen gebracht?", zischte ihm Shouyou erbost zu.
Tooru rollte die Augen. „Ich hab ihm ein paar harte Wahrheiten gesagt. Und zugleich versucht klar zu machen, dass sein Leben nicht vorbei ist", behauptete er, „Das hat ihn dazu gebracht endlich aufzuhören den höflichen tapferen Soldaten zu spielen, und das war auch wirklich notwendig."
„Du solltest ihm helfen sich besser zu fühlen, nicht schlechter", meinte Shouyou wütend, „Wenn du dazu nicht in der Lage bist, dann solltest du besser gehen!" Bestimmt wies er dem älteren Mann die Türe.
Tooru riss überrascht die Augen auf und musterte ihn ungläubig, doch es war Tobio, der Einspruch einlegte. „Ich will aber nicht, dass er geht", verkündete er mit erstaunlich fester Stimme, wenn man bedachte, dass er sich gerade eben noch die Seele aus dem Leib geheult hatte, „Er ist mein Gast, oder etwa nicht? Und ich sage, dass er bleibt."
Shouyou starrte Tobio überrascht an. „Aber…." Ihm fehlten die Worte.
Yachi und die anderen hatte Tobio angeblich kaum schnell genug loswerden können, und offenbar war er nur allzu froh gewesen, dass Suga-san endlich gegangen war, und das waren alles Menschen, die er mochte, aber ausgerechnet Oikawa Tooru sollte bleiben, obwohl er ihm zum Weinen gebracht hatte?!
„Du denkst immer, du kannst und sollst alles für mich entscheiden", fuhr Tobio fort, „Dass du besser weißt was gut für mich ist als ich. Und weil ich von dir abhängig bin, dachte ich im Grunde meines Herzens, dass du dazu auch das Recht haben musst. Aber das hast du nicht. Weder weil du mich geheiratet hast, noch weil du mich pflegst."
Shouyou schüttelte hilflos den Kopf. Waren sie schon wieder dabei sich zu streiten?
„Nein, verzichte jetzt nicht einfach auf eine Antwort", warf Tooru ein, „Sag was du dazu zu sagen hast, Shouyou. Du willst Konflikt vermeiden, ihr beide wollt das, aber manchmal geht es nicht anders als den Konflikt auszuleben. Iwa-chan und ich konnten erst wirklich zusammenfinden, nachdem wir uns stundenlang richtig angeschrien haben. Denn auch das ist eine Form der Kommunikation, und ohne Kommunikation funktionieren Beziehungen nicht. Je besser man einen anderen kennt, desto eher neigt man dazu zu glauben, dass man weiß was diese Person denkt. Aber das, was man denkt, dass der Andere denkt, entspricht nicht immer zwangsläufig der Wahrheit."
Shouyou warf ihm einen irritierten Blick zu. Hielt sich Oikawa Tooru jetzt für eine Paartherapeuten? „Ich will nur nicht streiten", erwiderte er gepresst, „Und das schon gar nicht direkt vor einem Außenstehenden."
„Dann lass mich endlich meine eigenen Entscheidungen treffen", beharrte Tobio, „Ich will, dass er bleibt." Er schien darauf zu warten, dass Shouyou ihm erneut widersprach, doch dieser war jetzt nur noch verwirrt.
Offenbar hatte er die Situation, in die er hineingeplatzt war, falsch interpretiert, okay, aber jetzt beschlich ihm zunehmend das Gefühl, dass er gar nichts richtig machen konnte, und dass es ein Fehler gewesen war Tooru herzuholen, weil sich dieser offenbar mit Tobio gegen ihn verbündete hatte. Und er wusste nicht wie der damit umgehen sollte oder mit sonst irgendetwas, was diese Situation hier betraf, wenn er ehrlich war.
„Vielleicht sollte ich derjenige sein, der jetzt wieder geht", meinte er also, da ihm klar wurde, dass offenbar er derjenige war, der hier unerwünscht zu sein schien, und nicht Tooru.
Tobio murmelte etwas Unverständliches, doch Tooru meinte: „Hast du mir vorhin nicht zugehört? Kommunikation. Wenn du jetzt gehst, dann machst du wieder denselben Fehler."
Shouyou schüttelte nur den Kopf. „Offenbar habe ich euch bei … was auch immer … unterbrochen. Also sollte ich gehen, oder nicht? Oder verstehe ich das auch falsch, weil ich ja offenbar alles falsch verstehe?! Denn, weißt du, Tobio, es fällt mir verdammt schwer zu wissen wie ich mich verhalten soll, wenn du mir immer nur Dinge sagst, die du in Wahrheit offenbar gar nicht so meinst!" Seine Stimme zitterte wütend, und ihm wurde klar, dass er jetzt lieber wirklich gehen sollte, bevor diese Situation hier noch mehr außer Kontrolle geriet.
Er wollte nicht streiten, das war nach wie vor sein Ziel, Toorus psychiatrische Binsenweisheiten hin oder her, aber wenn er wenn er bleiben würde, dann würde es wieder Streit geben, so viel wusste er mit Sicherheit. Es gab zu viel aufgestaute Gefühle auf beiden Seiten, und Oikawas Toorus Gegenwart schaukelte sie beide noch mehr auf anstatt sie zu beruhigen.
Tobio öffnete den Mund um zu antworten, aber Shouyou hob seine Hand. „Nein, ich … wir müssen uns irgendwann unterhalten, aber das hier ist definitiv nicht der richtige Zeitpunkt dafür. Macht weiter mit was auch immer. Ich … ich habe jetzt einen Termin", behauptete er, und dann floh er regelrecht aus der Wohnung, und achtete nicht mehr auf die Einwände von auch nur einen der beiden anderen Männer.
Es war besser so, er musste sich beruhigen, und er musste Tobio eine Chance einräumen sich ebenfalls zu beruhigen. Ansonsten würde es nur weitere Missverständnisse geben.
Trotzdem, vielleicht hatte Tooru in einem nicht ganz unrecht gehabt, vielleicht kommunizierten er und Tobio wirklich nicht richtig, weil sie es vermieden einander die Wahrheit zu sagen.
Doch wozu sollte man sich die Wahrheit sagen, wenn diese dem Anderen eigentlich nur weh tat? War es dann nicht besser zu schweigen? Oder war es wirklich Shouyous Versuch der Konfliktvermeidung gewesen, der sie in ihre aktuelle Lage geraten hatte lassen? Hatte er all die Gäste eingeladen, nicht zuletzt Oikawa Tooru, damit er eben nicht derjenige sein musste, der die harte Arbeit Tobio aus seinem Trott zu reißen und aufzuwecken, durchführen musste? Dachte Tobio, dass er ihn hasste, weil er das Gefühl hatte, dass Shouyou nicht genug Interesse an ihm zeigte?
Wenn ja, dann macht meine Angewohnheit andauernd wegzulaufen, wenn wir uns streiten das alles nicht besser. Seine langen Spaziergänge, all der Raum, den Shouyou seinem Ex-Mann nach ihren Streits einräumte - das hätten ihnen beiden helfen sollen, aber was wenn es genau das Gegenteil bewirkte?
Aber er will mich doch gar nicht um sich haben. Oder etwa doch?
Tooru hatte gesagt, dass er immer annahm zu wissen was Tobio dachte, und vielleicht war das ja auch wahr. Was Kageyama Tobio sagte und was er meinte waren abseits des Volleyball-Feldes oft sehr verschiedene Dinge.
Shouyou hatte schon in seinen Oberschulzeiten Kageyamaerisch gelernt und schnell durschaut welches spezielle „Boke" in Wahrheit etwas ganz anderes bedeutete als das übliche „Idiot". Doch im Laufe der Zeit waren sie auseinander gedriftet, hatten verlernt einander zu verstehen, auch wenn sie immer noch vorgaben dem anderen zuzuhören. Was in ihre endgültige Trennung gegipfelt hatte. Und seit dem Unfall, nun seit dem hatte Shouyou das Gefühl seinen Mann überhaupt nicht mehr zu verstehen.
Ihr dringend notwendiges Gespräch wurde von Minute zu Minute dringender notwendig, das wusste er, und doch tat Shouyou immer noch alles um diesem auszuweichen. Er suchte immer noch nach Gründen es hinauszuzögern.
Vermutlich, weil er Angst hatte, dass Tobio in Wahrheit wirklich nicht mehr in seiner Nähe sein konnte. Er hatte nie erwartet, dass einmal der Tag kommen würde, an dem Kageyama Tobio und Oikawa Tooru Seite an Seite gegen ihn stehen würden. Selbst Kuroo hatte sie im All Star-Match in verschiedene Mannschaften eingeteilt, weil er wusste, dass zwischen diesen beiden zu viel stand, als dass sie einfach so miteinander klar kommen könnten.
Dass Kageyama sich jemals für Oikawa aber gegen Shouyou entscheiden könnte, nun das war einfach nur ein lächerlicher Gedanke gewesen, bisher zumindest. Tobio war Shouyous Ehemann, und Tooru war Shouyous Freund, aber so sehr beide Männer reifer geworden waren und gelernt hatten einander zu tolerieren, so sehr würden sie nie miteinander im Einklang sein können, davon war Shouyou tief im Inneren immer überzeugt gewesen, aber jetzt, jetzt vertraute sich Tobio auf einmal Oikawa an, und nicht ihm. Jetzt wollte er lieber Oikawa um sich haben als seinen Ehemann.
Und ja, gerade eben weil er dachte, dass Oikawa Tooru derjenige sein würde, der die besten Chancen hätte zu Tobio durchzudringen, hatte Shouyou ihn hergebeten, aber nun, da es passiert war … da fühlte sich Shouyou auf einmal in seine Oberschulzeit zurück versetzt, in der er versuchte herauszufinden was den König des Spielfeldes genau mit dem Großen König verband, und wobei er auf alle möglichen abwegigen (oder naheliegenden) Gedanken kam.
Er war eigentlich immer wie selbstverständlich davon ausgegangen, dass Oikawa Tobios erste Liebe gewesen sein musste, und dass Tobio sich selbst in Oikawa sah und umgekehrt. Er war immer der Meinung gewesen, dass es eine Art von Band zwischen den beiden gab, das Shouyou einfach nicht begreifen konnte. Und manchmal hatte er sich von diesem Band bedroht gefühlt. Dieses Gefühl war verschwunden, nachdem er selbst Freundschaft mit Oikawa geschlossen hatte, und er erfahren hatte, dass dieser seine absehbare Zukunft in Argentinien verbringen würde.
Doch auf einmal war die alte Unsicherheit wieder da, obwohl er wusste wie absurd es war, und dass Tobio momentan wahrlich andere Probleme hatte als sich nach einem neuen Seelengefährten umzusehen, und dass Tooru besessen von seinem Iwa-chan war, aber trotzdem konnte er nicht anders als sich zu fragen, ob Tooru vielleicht besser zu geeignet wäre sich um Tobio zu kümmern als er. Weil Tooru einfach der bessere Mann war, und auch noch derjenige, der besser zu Tobio passte, der diesen besser verstand als Shouyou, der besser wäre für Tobio, weil er geduldiger war, verständnisvoller und weiser.
Was stimmt nur nicht mit mir? Ich wollte doch seit Jahren, dass sie sich vertragen, und jetzt halte ich es nicht aus? Selbst wenn, selbst wenn Tobio Tooru wählen sollte, wäre es dann nicht Shouyous Pflicht zurückzutreten und ihm zu erlauben mit der Person zusammen zu sein, die ihn glücklich machte? Sollte ihm das Glück des Anderen nicht wichtiger sein als sein eigenes? Sollte er sich nicht darüber freuen, dass es eine Aussicht auf ein Leben voller Glück für Tobio gab?
Vielleicht bin ich einfach nicht so selbstlos. Vielleicht bin ich einfach zu selbstsüchtig. Vielleicht ist das der wahre Grund, warum wir seit dem Unfall nicht mehr miteinander auskommen. Weil ich nicht dafür gemacht bin an jemand anderen als mich zu denken.
Ihm fiel wieder ein wie Sugawara-san ihn angesehen hatte, als er erfahren hatte, dass Shouyou immer noch vorhatte zu seiner alten Mannschaft zurückzukehren. Ja, vielleicht war das wahre Problem Shouyou. Vielleicht war er einfach ein schlechter Mensch, der sich selbst wichtiger nahm als alles andere, als alle anderen, und vielleicht war er deswegen einfach nicht der Richtige, um sich um Kageyama in seinem derzeitigen Zustand zu kümmern.
Kenma war derjenige dessen Idee es gewesen war das Bad umzubauen um Tobio entgegen zu kommen. Kuroo hatte Kageyama für seine Sendung gewollt, und Kenma war ihm dabei zur Seite gestanden. Kageyama vorsichtig unter Leute zu bringen war Bokutos Idee gewesen, nicht Shouyous. Und Kuroo hatte ihn dazu angeregt Oikawa anzurufen. Wenn man es genau betrachtete, dann hatten alle anderen mehr für Kageyama Tobio getan als er.
Das Einzige, was er getan hatte, war zurück nach Japan zu kommen um sich um seinen Mann zu kümmern, und das erst viel zu spät. Wenn er aufmerksamer und weniger stolz gewesen wäre, dann hätte er schon viel früher erfahren, was Kageyama zugestoßen war. Und war die Wahrheit nicht, dass er einen Moment lang gezögert hatte, als er die Nachricht erfahren hatte? Dass er nicht sofort alles liegen und stehen gelassen hatte, sondern darüber nachgedacht hatte, was er jetzt tun sollte?
Wenn er Tobio wirklich selbstlos lieben würde, dann hätte er keine Sekunde gezögert, das wusste er. Dann hätte er sofort von allem erfahren, dann wäre er an Tobios Seite gewesen, als das alles passiert war, und dann hätte er jetzt auch kein Problem damit ihn gehen zu lassen, wenn das wirklich das Beste für ihn wäre.
Doch er liebte Tobio nicht selbstlos, er liebte ihn selbstsüchtig, soviel war klar. Und das machte ihn zum denkbar ungeeignetsten Partner für den anderen Mann.
Was wiederum bedeutete, dass ihm gar keine andere Wahl blieb als ihn gehen zu lassen, nicht wahr? Denn damit würde er einmal in seinem Leben das Richtige tun, und einmal in seinem Leben jemand anderen wichtiger nehmen als sich selbst.
Vielleicht gibt es für mich einfach kein Happy-End, vielleicht bin ich wie Atsumu auf ewig dazu bestimmt alleine zu sein, weil ich mich nicht binden kann, nicht wirklich zumindest.
Nun, zumindest hatte er immer noch Volleyball. War ihm Volleyball nicht immer wichtiger gewesen als alles andere, inklusive Tobio? Ohne Partner, der ihn brauchte, gab es nichts, das ihn daran hindern könnte der beste Spieler der Welt zu werden.
Aber vielleicht wäre ihm das nicht mehr genug. Vielleicht wollte er mehr. Vielleicht würde es ihm nicht reichen der Beste von allen zu sein, wenn er dabei alleine wäre.
Aber um jemanden zu finden, der an seiner Seite wäre … nun dazu müsste er sich vermutlich ändern. Aber vielleicht könnte er sich ja ändern, wenn er es wirklich wollte. Vielleicht wäre er dazu in der Lage ein besserer Mensch zu werden. Und dann müsste er nicht mehr alleine sein. Doch die Person, die an seiner Seite sein würde, die würde nicht mehr Kageyama Tobio sein.
Konnte er mit dieser Aussicht leben?
Nun, er würde damit zu leben lernen müssen.
Tooru fand ihn Stunden später in Miya Osamus Onigiri-Shop. „Wir haben uns schon Sorgen gemacht", stellte er fest und nahm neben Shouyou Platz, „Bist du nicht ein wenig zu alt um von zu Hause wegzulaufen? Ich glaube, selbst ich habe das seit Jahre nicht mehr getan…"
Shoyou ging nicht auf den Witz ein, sondern er seufzte nur. „Hat er mit dir geredet? Dir gesagt was er braucht? Was er tun will?", wollte er nur wissen.
„Nun, wir haben miteinander geredet, das ja. Und ich glaube, ich bin wirklich zu ihm durchgedrungen. Aber ich würde nicht so weit gehen zu sagen, dass Tobio-chan weiß was er braucht oder auch nur was er will", erwiderte Tooru, „Ich habe ihn vor allem dazu gebracht nicht mehr im Selbstmitleid zu baden und versucht klar zu machen, dass das hier nicht das Ende der Welt ist, auch wenn es sich so anzufühlen scheint." Er musterte Shouyou von der Seite.
„Muss ich das jetzt auch bei dir tun?", wunderte er sich, „Was genau ist dir über die Leber gelaufen? Ich dachte, du hast mich geholt, eben weil niemand anderer zu ihm durchdringen kann. Und jetzt bist du – was? Sauer, dass es mir gelungen ist und nicht dir? Oder denkst du immer noch ich wäre der Böse, weil ich ihm zum Weinen gebracht habe? Er musste weinen, er musste alles raus lassen; er hat zuviel in sich hineingefressen und sich niemandem anvertraut. Das ist immer schlecht, glaub mir, da spreche ich aus Erfahrung."
„Ich bin der Böse hier", entgegnete Shouyou, „Ich war ein schlechter Partner für Tobio, immer schon. Und ich weiß, dass ich ihn gehen lassen muss, wenn es das ist, was er will und braucht, und natürlich wird es das sein. Aber ich ertrage den Gedanken daran ihn zu verlieren nicht. Ich ertrage den Gedanken daran vollkommen alleine zu sein nicht."
Tooru starrte ihn an. Dann seufzte er. „Ich hab mich immer darauf verlassen, dass ihr verrückten Kids immer einander haben werdet, aber offenbar habe ich dabei übersehen, dass ihr beide stur und blöd seid", meinte er dann, „War mein Fehler, schätze ich. Ja, Shouyou, es gibt noch mehr im Leben als Volleyball, und es tut mir sehr leid, dass ihr das beide unter diesen Umständen herausfinden musstet."
„Das ist es nicht", behauptete Shouyou, „Oder es ist es doch. Ich hatte nie Probleme damit Gesellschaft zu finden. Oder mir Freunde zu machen. Oder in Kontakt zu allen zu bleiben, an denen mir etwas liegt. Aber ich wollte trotzdem immer der Beste sein. Und ich habe immer gedacht, dass ich beides haben kann: Ein Privatleben und Erfolg in der Karriere. Aber jetzt, jetzt wird mir klar, dass ich das, was wichtiger gewesen wäre, geopfert habe um das andere zu erreichen. Und dass mich diese Entscheidung das Einzige gekostet hat, das ich dringender haben wollte als Erfolg im Volleyball."
Tooru seufzte. „Du und Tobio-chan, die selbe Schallplatte, aber verschiedene Tracks", stellte er fest, „Ja, du kannst nicht alles haben, keiner kann das. Aber du hast auch nicht alles verloren. Du kannst immer von vorne anfangen. Du bist nicht alleine, und du hast Möglichkeiten. Und ganz unter uns: Tobio-chan ist meiner Meinung nach ziemlich eindeutig immer noch eine davon. Nur, dass er denkt, dass du derjenige bist, den er verloren hat."
Shouyou blickte ihn erstaunt an. „Meinst du wirklich?", wunderte er sich.
Tooru nickte. „Ich meine das nicht nur, ich weiß es. Nach dem er endlich damit aufgehört hat über Volleyball zu jammern, hat er vor allem über dich gejammert. Der Mann ist verrückt nach dir. Also, nein, du hast es noch nicht versaut", erklärte er, „Aber nur wenn du jetzt zu ihm gehst, und endlich mit ihm redest und ihm genau sagst was du fühlst."
AN: Fun Fact: Zwischendurch dachte ich mal, dass diese Fic zehn Kapitel haben wird. Da war mir nicht klar, dass sie viel länger werden wird als ursprünglich geplant. (Also keine Sorge, es geht weiter).
Reviews?
