Kapitel 09 - Rei
"Shinji", flüsterte Rei.
Ich will bei dir sein.
Tränen liefen über ihre Wangen.
Sind das Tränen? Meine Tränen? Ich weine? Warum weine ich?
Ein Blitz nahm ihr die Sicht. Dann war da nichts mehr...
Rei hob die Hand vor die Augen, um die Helligkeit zu dämpfen.
Sie kauerte nackt vor dem Klontank im Terminal-Dogma, die Haut noch immer naß
von der LCL-Flüssigkeit.
Vor ihr stand ein Mann.
Kommandant Ikari.
"Hier." Er reichte ihr einen weißen Kittel.
Mechanisch streifte sie ihn sich über.
Ich lebe... Was ist Leben?
***
EVA-01 stürzte sich auf den Engel, trieb ihn vor sich her, in den Hangar hinein.
"Nummer 5!" brüllte Shinji.
Die entsprechende Aufzugsplattform wurde aktiviert, EVA und Engel rasten nach
oben, an die Oberfläche, fort von der Geofront, fanden sich in einem Waldstück wie-
der.
Die Gigant schlugen aufeinander ein, EVA-01 bekam schließlich die Oberhand, prügel-
te im Takt auf den Engel ein.
Links-rechts-links-rechts-links-Stillstand.
Die internen Batterien hatten keine Energie mehr abzugeben.
Im Entry-Plug wurde es dunkel, die Augen des EVA erloschen.
Shinji ruckte und zerrte an den Steuerungselementen, erzeugte keine Reaktion.
"Beweg dich! Beweg dich!"
Der Engel erkannte seinen Vorteil, schleuderte ihn gegen einen Hügel. Ein
Peitschenarm trennte dem rechten Arm von EVA-01 an der Schulter ab.
"Beweg dich!"
Ein Ruck ging durch den EVA.
Der Engel konzentrierte sich weiter auf seinen Gegner, schlug auf die Brustpan-
zerung ein, fetzte die Tri-Polymer-Titaniumpanzerung auf wie ein heißes Messer,
das durch Butter fährt.
"Beweg dich endlich. Beweg dich! Bitte! Beweg dich!"
Unter der Panzerung kam ein rotpulsierendes... Etwas zum Vorschein, einem überdi-
mensionalem Herzen nicht unähnlich.
"Beweg dich!"
Plötzlich glühten die Augen des EVA auf.
Er stieß einen Schrei aus, voller Schmerz und Wut, vor allem aber voller Wut. Mit
dem noch existierenden Arm fing er den Peitschenarm des Engels ab, riß ihm mit ei-
nem Ruck ab, trat den Engel fort von sich.
Wieder ein Schrei, triumpfierend...
EVA-01 preßte den Arm des Engels gegen den eigenen Stumpf, assimilierte das Zell-
material, formte einen neuen Arm, stürzte sich erneut auf den Engel, riß ihn aus-
einander...
Und begann ihn zu fressen...
EVA-01 war erwacht...
***
Irgendwo
"Der Kontakt zu EVA-04 ist abgebrochen."
"Und Seraph?"
"Sein cybernetischer Neuro-Emitter gibt noch schwache Signale von sich. Sollen
wir die anderen PALADIN-Einheiten aktivieren?"
"Wir warten noch."
"Neue Informationen aus Tokio-03: Der 16. Engel ist aufgetaucht und bis zur Geo-
front durchgestossen."
Die Männer und Frauen im Dunkeln hielten den Atem an.
"EVA-01 konnte ihn aufhalten. EVA-04 wurde bei der Aktion zerstört."
Aufatmen.
"EVA-01 hat sich das S2-Organ des Engels einverleibt."
"Also hat Ikari jetzt seinen eigenen Gott..." flüsterte jener, der erst einmal ge-
sprochen hatte.
"Unsere Vermutungen und Befürchtungen beginnen sich zu bewahrheiten."
"Hat Seraph überhaupt noch eine Chance?"
"Solange es Hoffnung gibt, gibt es immer eine Chance..."
"Zur Not könnten wir seine Tochter in eine PALADIN-Einheit stecken, wir wissen,
daß sie akzeptiert werden würde", schlug eine andere Stimme vor.
"NEIN", donnerte jener, der mittlerweile zweimal gesprochen hatte. In der Dun-
kelheit richtete sich ein gewaltiger Schatten auf, kurz glühten zwei Augen in
smaragdenem Feuer. "Zu soetwas dürften wir uns niemals herablassen."
***
Autsch...
Larsen hing kopfüber im vorderen Teil der Steuerkapsel.
Grün und blau geschlagen... Ein Königreich für einen Sicherheitsgurt...
***
Der stellvertretende Kommandant von NERV, Kozo Fuyutsuki, saß mit auf den
Rücken gefesselten Händen im Dunkeln auf einem Stuhl. Das Verhör durch SEELE
schien beendet.
Die Tür wurde aufgestoßen, Licht fiel herein.
"Die Wache wird noch eine Weile schlafen", grinste Kaji.
"Sie hier?"
"Ich kann Sie ja schlecht hier lassen, oder?"
Er begann, den Sub-Kommandanten loszubinden.
"SEELE wird Sie dafür elimieren lassen."
"Manchmal muß man Entscheidungen treffen, die unangenehme Folgen haben könn-
ten..."
***
Fast-Forward...
EVA-01 hatte den Engel aufgefressen.
Dabei stieg der Synchronisationswert auf 400%, als Ergebnis wurde Shinji Ikari
von seiner EVA-Einheit absorbiert.
Es dauerte 31 Tage, bis er zurückkehrte.
Shinji war nicht mehr der alte...
Zugleich kam die Nachricht, daß Rei die Explosion von EVA-02 überlebt und die
letzten Wochen unter strengster Geheimhaltung auf der Krankenstation verbracht
hatte.
Auch dies konnte Asuka nicht aus ihrem katatonischen Zustand holen.
EVA-02 und -04 waren schwer beschädigt, Dr.Akagi konzentrierte sich nach der
´Rettung´ Shinjis auf die Reparatur von EVA-02, wie Kommandant Ikari sie angewiesen
hatte. Das Pro-gramm von EVA-02 sollte auf Rei umgeschrieben werden.
Misato erhielt Ausweis und Dienstwaffe mit der Bemerkung, sie solle sich des Pro-
blemes annehmen, zurück.
***
Shinji schob sich in Reis Krankenzimmer.
"Hallo, ich will nicht stören..."
Diese saß in ihrem Bett, die Arme und der halbe Kopf waren bandagiert.
Sie lächelte...
"Shinji."
Ihre Stimme war voller Wärme, ihre Augen - oder zumindest das, welches nicht unter
einer Bandage versteckt war, voller Leben.
"Du störst nicht."
Shinji zögerte.
Sie ist anders... Ob das damit zusammenhängt, daß sie fast gestorben ist?
"Wirklich nicht. Komm rüber, oder willst du schon wieder gehen?"
"Nein..." Er trat an das Bett heran und setzte sich auf den Stuhl daneben.
"Wie...wie geht es dir, Rei?"
Sie blinzelte.
"Ich habe mir Sorgen um dich gemacht."
Diese plötzliche Offenbarung, noch dazu von Rei, die dem Tod gerade ganz knapp
von der Schippe gesprungen war, machte Shinji sprachlos.
"Du...dir...Sorgen...um mich?"
"Man sagte mir, du wärst in EVA-01 gefangen. War es falsch, mir Sorgen zu ma-
chen?" fragte sie neugierig.
"Nein..., Rei... Ich habe mir auch Sorgen um dich gemacht."
"Das war lieb." Sie lächelte, legte den Kopf dabei schräg und schloß die Augen.
Jetzt lief es zur Abwechslung Shinji eiskalt den Rücken hinab.
"Oder?" fragte sie unschuldig.
Shinji schluckte.
"Rei, erinnerst du dich, was passiert ist?"
Sie versteifte sich, sah ihn an.
"Wir sollten den Engel abfangen. Ein zweiter tauchte auf und beschäftigte Asuka
und Larsen. Der erste Engel griff EVA-00 an und verschmolz mit ihm... Dann wollte
er mit EVA-01 verschmelzen... Mit dir... Ich aktivierte die Selbstzerstörung...
Und dann ist da nichts mehr..."
"Du erinnerst dich nicht, wie du aus der Kapsel gekommen bist?"
"Nein." Ihr starrer Blick traf sich mit dem seinen. "Ich bin wohl die Dritte." flü-
sterte sie mit sanfter Stimme.
Shinji trat den Rückzug an...
***
Kajis Melonenfeld
"Du kommst spät", lächelte Kaji. "Ich habe schon befürchtet, du hättest den Anruf-
beantworter nicht abgehört."
Misato holte als Antwort ihre Dienstwaffe hervor und richtete sie auf Kaji. Ihre
Augen schimmerten feucht.
Ryoji Kaji fehlten irgendwie die Worte...
Er schluckte.
"Ich hatte befürchtet, daß sie dich schicken würden..."
Ihre Finger krampften sich um die Waffe, die Hände begannen zu zittern, konnten die
Waffe nicht gerade halten. Schließlich senkte sie ihren Revolver.
"Ich kann es nicht. Kaji, ich liebe dich. Ich kann dich nicht töten..."
Er trat auf sie zu, zog sie an sich.
"Schhh. Schon gut."
Eine andere Gestalt trat aus dem Dunkel, richtete ihre Waffe auf die beiden.
"Zu schade, Major." erklärte der Mann im dunklen Anzug. "Wir hatten mit Ihrer Lo-
yalität gerechnet."
Kajis Augen weiteten sich, er schob Misato hinter sich, sich selbst in die Schußlinie.
"Ihr wollt nur mich."
Der Mann in Schwarz krümmte den Finger um den Abzug.
´Plopp´
Der Anzugträger sah an sich herab, mitten auf der Brust, auf dem weißen Hemd, das
er unter seinem Jackett trug, breitete sich ein roter Fleck aus. Sein Gesicht bekam
einen ungläubigen Ausdruck. Dann gaben seine Knie nach...
Der NERV-Agent schlug hart und leblos zu Boden. Hinter ihm stand eine Frau in
schwarzer uniformartiger Kleidung, die rauchende Waffe noch in der Hand, von der
sie gerade den Schalldämpfer abschraubte.
"Agent Kaji, ich bin Celeste von ODINS RABEN, der Rat hat mich geschickt, um
Sie in Sicherheit zu bringen."
Sie stieß den Toten mit dem Fuß an.
"Offenbar ist Ihre Tarnung noch gründlicher aufgeflogen, als wir bereits befürchtet
hatten."
Celeste ging in die Knie und begann den Toten zu entkleiden.
"Helfen Sie mir, Sie müssen Ihre Kleidung mit ihm tauschen."
"Kaji, wer ist das?" fragte Misato.
"Ein Freund, glaub mir, wir stehen auf derselben Seite." Hastig öffnete er sein
Hemd.
Celeste holte eine Injektionsspritze aus der Tasche ihrer Kombination, preßte sie
gegen den Arm des Toten und jagte den Inhalt der Ampulle hinein.
"Major Katsuragi, ich habe diesem Mann gerade einen morphogenetischen Virus inji-
ziert, der ihm Ryoji Kajis DNA aufprägt. Die Wirkung hält etwa 48 Stunden vor,
sorgen Sie dafür, daß der Tote in dieser Zeit gefunden, als Kaji identifiziert und
bestattet wird, ich empfehle, ihn zu verbrennen."
"Ich... ich sorge dafür."
"Danke, Katsuragi-chan", flüsterte Kaji.
"Und was geschieht mit dir?"
"Ich tauche unter. Wir haben in der Nähe eine Reihe sicherer Verstecke. Komm mit."
Sie zögerte. Etwas in ihr schrie geradezu, sie solle sich ihm anschließen, mit ihm
durchbrennen.
"Ich kann nicht, die Children brauchen mich."
Misato hatte ihre Entscheidung getroffen.
Kaji nickte, sein Lächeln war fort, von Ernsthaftigkeit ersetzt, als er sie noch
einmal an sich zog.
"Wenn alles vorbei ist, komme ich. Versprochen."
"Versprochen?"
"Ja. Ich werde euch soviel Unterstützung zukommen lassen, wie mir möglich ist. Gib
auf dich acht."
"Und du auf dich. Wenn du nicht kommst, kannst du sicher sein, daß ich dich finden
werde!"
"Wir müssen los", warf Celeste völlig unro-mantisch ein, wurde aber ignoriert.
"Misato, damals konnte ich es dir nicht sagen..."
"Was?"
"Ich liebe dich..."
Mit diesen Worten küßte er sie, löste sich dann von ihr und verschwand mit Celeste
in der Nacht.
***
Rei schloß die Augen.
Da war etwas, etwas aus einem anderen Leben... Eine plötzlich aufsteigende Erin-
nerung, verschwommen und undeutlich...
Sie stammte nicht von ihr, auch nicht von Rei II oder gar Rei I...
Sie sah die Welt durch die Augen eines vierjährigen Kindes, spürte die Angst vor
dem Tod...
Spürte den kalten Hauch des Vergessens...
Da war jemand, jemand, der nicht zulassen wollte, daß sie verging...
Jemand, der bereit war, seine Seele zu geben, um ein Kind zu retten, einen anderen
Menschen, den er nicht einmal kannte...
Ein Gesicht... verschwommen, dann deutlicher...
Rei wußte plötzlich, woher im Hangar das Gefühl von Vertrautheit gekommen war,
das ihre Vorgängerin verspürt hatte, jetzt da sie das Gesicht ganz klar erkennen
konnte.
Larsen...
"Shinji", flüsterte Rei.
Ich will bei dir sein.
Tränen liefen über ihre Wangen.
Sind das Tränen? Meine Tränen? Ich weine? Warum weine ich?
Ein Blitz nahm ihr die Sicht. Dann war da nichts mehr...
Rei hob die Hand vor die Augen, um die Helligkeit zu dämpfen.
Sie kauerte nackt vor dem Klontank im Terminal-Dogma, die Haut noch immer naß
von der LCL-Flüssigkeit.
Vor ihr stand ein Mann.
Kommandant Ikari.
"Hier." Er reichte ihr einen weißen Kittel.
Mechanisch streifte sie ihn sich über.
Ich lebe... Was ist Leben?
***
EVA-01 stürzte sich auf den Engel, trieb ihn vor sich her, in den Hangar hinein.
"Nummer 5!" brüllte Shinji.
Die entsprechende Aufzugsplattform wurde aktiviert, EVA und Engel rasten nach
oben, an die Oberfläche, fort von der Geofront, fanden sich in einem Waldstück wie-
der.
Die Gigant schlugen aufeinander ein, EVA-01 bekam schließlich die Oberhand, prügel-
te im Takt auf den Engel ein.
Links-rechts-links-rechts-links-Stillstand.
Die internen Batterien hatten keine Energie mehr abzugeben.
Im Entry-Plug wurde es dunkel, die Augen des EVA erloschen.
Shinji ruckte und zerrte an den Steuerungselementen, erzeugte keine Reaktion.
"Beweg dich! Beweg dich!"
Der Engel erkannte seinen Vorteil, schleuderte ihn gegen einen Hügel. Ein
Peitschenarm trennte dem rechten Arm von EVA-01 an der Schulter ab.
"Beweg dich!"
Ein Ruck ging durch den EVA.
Der Engel konzentrierte sich weiter auf seinen Gegner, schlug auf die Brustpan-
zerung ein, fetzte die Tri-Polymer-Titaniumpanzerung auf wie ein heißes Messer,
das durch Butter fährt.
"Beweg dich endlich. Beweg dich! Bitte! Beweg dich!"
Unter der Panzerung kam ein rotpulsierendes... Etwas zum Vorschein, einem überdi-
mensionalem Herzen nicht unähnlich.
"Beweg dich!"
Plötzlich glühten die Augen des EVA auf.
Er stieß einen Schrei aus, voller Schmerz und Wut, vor allem aber voller Wut. Mit
dem noch existierenden Arm fing er den Peitschenarm des Engels ab, riß ihm mit ei-
nem Ruck ab, trat den Engel fort von sich.
Wieder ein Schrei, triumpfierend...
EVA-01 preßte den Arm des Engels gegen den eigenen Stumpf, assimilierte das Zell-
material, formte einen neuen Arm, stürzte sich erneut auf den Engel, riß ihn aus-
einander...
Und begann ihn zu fressen...
EVA-01 war erwacht...
***
Irgendwo
"Der Kontakt zu EVA-04 ist abgebrochen."
"Und Seraph?"
"Sein cybernetischer Neuro-Emitter gibt noch schwache Signale von sich. Sollen
wir die anderen PALADIN-Einheiten aktivieren?"
"Wir warten noch."
"Neue Informationen aus Tokio-03: Der 16. Engel ist aufgetaucht und bis zur Geo-
front durchgestossen."
Die Männer und Frauen im Dunkeln hielten den Atem an.
"EVA-01 konnte ihn aufhalten. EVA-04 wurde bei der Aktion zerstört."
Aufatmen.
"EVA-01 hat sich das S2-Organ des Engels einverleibt."
"Also hat Ikari jetzt seinen eigenen Gott..." flüsterte jener, der erst einmal ge-
sprochen hatte.
"Unsere Vermutungen und Befürchtungen beginnen sich zu bewahrheiten."
"Hat Seraph überhaupt noch eine Chance?"
"Solange es Hoffnung gibt, gibt es immer eine Chance..."
"Zur Not könnten wir seine Tochter in eine PALADIN-Einheit stecken, wir wissen,
daß sie akzeptiert werden würde", schlug eine andere Stimme vor.
"NEIN", donnerte jener, der mittlerweile zweimal gesprochen hatte. In der Dun-
kelheit richtete sich ein gewaltiger Schatten auf, kurz glühten zwei Augen in
smaragdenem Feuer. "Zu soetwas dürften wir uns niemals herablassen."
***
Autsch...
Larsen hing kopfüber im vorderen Teil der Steuerkapsel.
Grün und blau geschlagen... Ein Königreich für einen Sicherheitsgurt...
***
Der stellvertretende Kommandant von NERV, Kozo Fuyutsuki, saß mit auf den
Rücken gefesselten Händen im Dunkeln auf einem Stuhl. Das Verhör durch SEELE
schien beendet.
Die Tür wurde aufgestoßen, Licht fiel herein.
"Die Wache wird noch eine Weile schlafen", grinste Kaji.
"Sie hier?"
"Ich kann Sie ja schlecht hier lassen, oder?"
Er begann, den Sub-Kommandanten loszubinden.
"SEELE wird Sie dafür elimieren lassen."
"Manchmal muß man Entscheidungen treffen, die unangenehme Folgen haben könn-
ten..."
***
Fast-Forward...
EVA-01 hatte den Engel aufgefressen.
Dabei stieg der Synchronisationswert auf 400%, als Ergebnis wurde Shinji Ikari
von seiner EVA-Einheit absorbiert.
Es dauerte 31 Tage, bis er zurückkehrte.
Shinji war nicht mehr der alte...
Zugleich kam die Nachricht, daß Rei die Explosion von EVA-02 überlebt und die
letzten Wochen unter strengster Geheimhaltung auf der Krankenstation verbracht
hatte.
Auch dies konnte Asuka nicht aus ihrem katatonischen Zustand holen.
EVA-02 und -04 waren schwer beschädigt, Dr.Akagi konzentrierte sich nach der
´Rettung´ Shinjis auf die Reparatur von EVA-02, wie Kommandant Ikari sie angewiesen
hatte. Das Pro-gramm von EVA-02 sollte auf Rei umgeschrieben werden.
Misato erhielt Ausweis und Dienstwaffe mit der Bemerkung, sie solle sich des Pro-
blemes annehmen, zurück.
***
Shinji schob sich in Reis Krankenzimmer.
"Hallo, ich will nicht stören..."
Diese saß in ihrem Bett, die Arme und der halbe Kopf waren bandagiert.
Sie lächelte...
"Shinji."
Ihre Stimme war voller Wärme, ihre Augen - oder zumindest das, welches nicht unter
einer Bandage versteckt war, voller Leben.
"Du störst nicht."
Shinji zögerte.
Sie ist anders... Ob das damit zusammenhängt, daß sie fast gestorben ist?
"Wirklich nicht. Komm rüber, oder willst du schon wieder gehen?"
"Nein..." Er trat an das Bett heran und setzte sich auf den Stuhl daneben.
"Wie...wie geht es dir, Rei?"
Sie blinzelte.
"Ich habe mir Sorgen um dich gemacht."
Diese plötzliche Offenbarung, noch dazu von Rei, die dem Tod gerade ganz knapp
von der Schippe gesprungen war, machte Shinji sprachlos.
"Du...dir...Sorgen...um mich?"
"Man sagte mir, du wärst in EVA-01 gefangen. War es falsch, mir Sorgen zu ma-
chen?" fragte sie neugierig.
"Nein..., Rei... Ich habe mir auch Sorgen um dich gemacht."
"Das war lieb." Sie lächelte, legte den Kopf dabei schräg und schloß die Augen.
Jetzt lief es zur Abwechslung Shinji eiskalt den Rücken hinab.
"Oder?" fragte sie unschuldig.
Shinji schluckte.
"Rei, erinnerst du dich, was passiert ist?"
Sie versteifte sich, sah ihn an.
"Wir sollten den Engel abfangen. Ein zweiter tauchte auf und beschäftigte Asuka
und Larsen. Der erste Engel griff EVA-00 an und verschmolz mit ihm... Dann wollte
er mit EVA-01 verschmelzen... Mit dir... Ich aktivierte die Selbstzerstörung...
Und dann ist da nichts mehr..."
"Du erinnerst dich nicht, wie du aus der Kapsel gekommen bist?"
"Nein." Ihr starrer Blick traf sich mit dem seinen. "Ich bin wohl die Dritte." flü-
sterte sie mit sanfter Stimme.
Shinji trat den Rückzug an...
***
Kajis Melonenfeld
"Du kommst spät", lächelte Kaji. "Ich habe schon befürchtet, du hättest den Anruf-
beantworter nicht abgehört."
Misato holte als Antwort ihre Dienstwaffe hervor und richtete sie auf Kaji. Ihre
Augen schimmerten feucht.
Ryoji Kaji fehlten irgendwie die Worte...
Er schluckte.
"Ich hatte befürchtet, daß sie dich schicken würden..."
Ihre Finger krampften sich um die Waffe, die Hände begannen zu zittern, konnten die
Waffe nicht gerade halten. Schließlich senkte sie ihren Revolver.
"Ich kann es nicht. Kaji, ich liebe dich. Ich kann dich nicht töten..."
Er trat auf sie zu, zog sie an sich.
"Schhh. Schon gut."
Eine andere Gestalt trat aus dem Dunkel, richtete ihre Waffe auf die beiden.
"Zu schade, Major." erklärte der Mann im dunklen Anzug. "Wir hatten mit Ihrer Lo-
yalität gerechnet."
Kajis Augen weiteten sich, er schob Misato hinter sich, sich selbst in die Schußlinie.
"Ihr wollt nur mich."
Der Mann in Schwarz krümmte den Finger um den Abzug.
´Plopp´
Der Anzugträger sah an sich herab, mitten auf der Brust, auf dem weißen Hemd, das
er unter seinem Jackett trug, breitete sich ein roter Fleck aus. Sein Gesicht bekam
einen ungläubigen Ausdruck. Dann gaben seine Knie nach...
Der NERV-Agent schlug hart und leblos zu Boden. Hinter ihm stand eine Frau in
schwarzer uniformartiger Kleidung, die rauchende Waffe noch in der Hand, von der
sie gerade den Schalldämpfer abschraubte.
"Agent Kaji, ich bin Celeste von ODINS RABEN, der Rat hat mich geschickt, um
Sie in Sicherheit zu bringen."
Sie stieß den Toten mit dem Fuß an.
"Offenbar ist Ihre Tarnung noch gründlicher aufgeflogen, als wir bereits befürchtet
hatten."
Celeste ging in die Knie und begann den Toten zu entkleiden.
"Helfen Sie mir, Sie müssen Ihre Kleidung mit ihm tauschen."
"Kaji, wer ist das?" fragte Misato.
"Ein Freund, glaub mir, wir stehen auf derselben Seite." Hastig öffnete er sein
Hemd.
Celeste holte eine Injektionsspritze aus der Tasche ihrer Kombination, preßte sie
gegen den Arm des Toten und jagte den Inhalt der Ampulle hinein.
"Major Katsuragi, ich habe diesem Mann gerade einen morphogenetischen Virus inji-
ziert, der ihm Ryoji Kajis DNA aufprägt. Die Wirkung hält etwa 48 Stunden vor,
sorgen Sie dafür, daß der Tote in dieser Zeit gefunden, als Kaji identifiziert und
bestattet wird, ich empfehle, ihn zu verbrennen."
"Ich... ich sorge dafür."
"Danke, Katsuragi-chan", flüsterte Kaji.
"Und was geschieht mit dir?"
"Ich tauche unter. Wir haben in der Nähe eine Reihe sicherer Verstecke. Komm mit."
Sie zögerte. Etwas in ihr schrie geradezu, sie solle sich ihm anschließen, mit ihm
durchbrennen.
"Ich kann nicht, die Children brauchen mich."
Misato hatte ihre Entscheidung getroffen.
Kaji nickte, sein Lächeln war fort, von Ernsthaftigkeit ersetzt, als er sie noch
einmal an sich zog.
"Wenn alles vorbei ist, komme ich. Versprochen."
"Versprochen?"
"Ja. Ich werde euch soviel Unterstützung zukommen lassen, wie mir möglich ist. Gib
auf dich acht."
"Und du auf dich. Wenn du nicht kommst, kannst du sicher sein, daß ich dich finden
werde!"
"Wir müssen los", warf Celeste völlig unro-mantisch ein, wurde aber ignoriert.
"Misato, damals konnte ich es dir nicht sagen..."
"Was?"
"Ich liebe dich..."
Mit diesen Worten küßte er sie, löste sich dann von ihr und verschwand mit Celeste
in der Nacht.
***
Rei schloß die Augen.
Da war etwas, etwas aus einem anderen Leben... Eine plötzlich aufsteigende Erin-
nerung, verschwommen und undeutlich...
Sie stammte nicht von ihr, auch nicht von Rei II oder gar Rei I...
Sie sah die Welt durch die Augen eines vierjährigen Kindes, spürte die Angst vor
dem Tod...
Spürte den kalten Hauch des Vergessens...
Da war jemand, jemand, der nicht zulassen wollte, daß sie verging...
Jemand, der bereit war, seine Seele zu geben, um ein Kind zu retten, einen anderen
Menschen, den er nicht einmal kannte...
Ein Gesicht... verschwommen, dann deutlicher...
Rei wußte plötzlich, woher im Hangar das Gefühl von Vertrautheit gekommen war,
das ihre Vorgängerin verspürt hatte, jetzt da sie das Gesicht ganz klar erkennen
konnte.
Larsen...
