Teil 2: Die Dunkelheit in meinem Herzen
Die Nacht ertrinkt in Dunkelheit. Ein unheilverkündender Sturm zieht
auf und lässt die Bäume erzittern. Ich höre sie wispern und es hört
sich an, als wenn sie klagen und weinen. Ich kann keinen klaren
Gedanken mehr fassen. Ich habe so unendliche Angst. Etwas ruft mich.
Es ist so stark, es lässt mein Herz erschüttern, ich weiß das ich
gehen muss. Vielleicht ist es mein Schicksal, vielleicht bin ich
auch einfach nicht mehr in der Lage mich zu wehren. Ich laufe und
laufe. Ich lasse mich durch die Nacht gleiten und ich habe die
Gewissheit, dass, egal welche Richtung ich einschlage, ich mein Ziel
erreiche. Es ist alles so unwirklich, wie in meinem Traum. Ich laufe
und laufe. Ich höre Kojiro und Nyasus Schritte hinter meinen. Kojiro
ruft meinen Nahmen und es klingt so verzweifelt, dass es mich fast
zum Anhalten bringt. „Tut mir leid Kojiro, aber ich muss gehen!"
rufe ich ihn entgegen, aber der Wind verschlingt meine Worte. Ich
bahne mir weiter meinen Weg durch die nie enden wollende Dunkelheit.
Er und Nyasu folgen mir weiterhin und ich weiß, dass sie mir selbst
dann noch folgen würden, wenn mich mein Weg direkt in die Hölle
führen würde. Dieser Gedanke gibt mir ein bisschen jener
Geborgenheit zurück, die ich in letzter Zeit so vermisst habe. Ich
bin nicht allein. Sie haben mich gesucht und gefunden. Trotzdem kann
dieser Gedanken kaum mein Herz erwärmen. Es ist so kalt. Die
Finsternis hat irgendetwas Lebendiges. Ich spüre die Aura des
Schmerzes, der Traurigkeit und des Hasses und ich spüre auch, dass
ich mich immer mehr darauf zu bewege. Ich weiß nicht mehr, wie lange
ich gelaufen bin. Stunden? Minuten? Noch schwärzer als die
Dunkelheit, liegt das Haus vor mir. Es ist, als wartet es auf mich.
Ich werfe noch einen Blick auf das schwarze Haus, aber ich weiß
auch, dass in einem dieser Zimmer mein Schicksal, nein ich glaube
unser aller Schicksal entschieden wird. Ich bewege mich auf die
große rostige Tür zu, als mich Kojiro einholt. Er ist am Rande der
totalen Erschöpfung. Komisch ich bin doch auch die ganze Zeit
gelaufen und ich merke gar nichts. Er bittet mich, nicht zu gehen.
Das weiß ich, bevor er es mir sagt. Ich schaue in seine
smaragdgrünen Augen, aber sie sind trüb. Ich kann nichts darin
erkennen, außer vielleicht Angst. Er hat immer Angst und er wird
immer vor seinen Problemen davonlaufen. Ich gehe an ihm vorbei und
öffne die Tür. Sie knarrt, als wenn sie sehr, sehr lange Zeit nicht
benutzt wurde. Drinnen ist es totenstill und die Dunkelheit ist so
intensiv, dass man sie fast schneiden konnte. Kojiro hatte
aufgegeben mit mir zu sprechen oder mich aufzuhalten, eine traurige
resignierte Aura liegt jetzt über ihn wie über dieses ganzen Haus.
„Es tut mir leid, dass ich dir das angetan habe, dass ich dich hier
mit hergeschleppt haben, und dich so schlecht behandelt habe" flammt
es einen Moment durch meine Seele wie das kurze Aufflackern eines
Blitzes in einer Gewitternacht, danach ist es erloschen. Ich schaue
mich in der Halle um. Es dauert einen Weile, bis sich meine Augen an
die Dunkelheit gewöhnen. Die Halle scheint so groß, dass ich die
endgegengesetzten Wände nicht sehen kann. Zahlreiche Korridore gehen
von ihr ab und zwei Treppen, die in die oberen Stockwerke führen.
Früher muss dieses Haus einmal sehr prächtig ausgestattet gewesen
sein. Heute ist alles zerfallen. Jahrzehnte alter Staub bedeckt
alles wie eine Schicht des Vergessens. Er dämpft jeden Schritt den
ich mache und hüllt jedes Geräusch in ein unwirkliches Schweigen.
Jeder Schritt füllt mich mit neuer Furcht trotzdem bewege ich mich
schon fast ehrfürchtig weiter. An einer der Wände hängt ein altes
Gemälde. Ich gehe unwillkürlich darauf zu. „Lady Bjelle" Die
Eingravur ist kaum noch zu lesen. Es ist so von Staub bedeckt, dass
ich nichts darauf erkennen kann. Vorsichtig wische ich ihn zur
Seite. Eine junge blonde Frau mit einem glücklichen Lächeln kommt
zum Vorschein. Das Bild ist vergilbt und an einigen Stellen ist die
Farbe längst abgebröselt. Trotzdem erkenne ich diese Frau. Auch wenn
ich ihr Gesicht niemals im meinen Traum gesehen habe, weiß ich, dass
sie die Frau aus meinen Traum ist. Diese Erkenntnis jagt mir noch
nicht einmal mehr Angst ein. Es ist so etwas wie Gewissheit, ich
weiß, ich bin am Ziel.
**************************
Warum folge ich ihr überhaupt? Warum? Sie läuft blindlings in ihr
Verderben und ich folge ihr auch noch. Was will sie überhaupt hier?
Spürt sie denn nicht das Grauen, das wie Schatten in die Seele
eindringt? Das Haus der zerbrochenen Seelen. Vielleicht spürt sie es
ja wirklich nicht, sie ist stark, sie meistert jede Situation, ganz
im Gegensatz zu mir. Ich gehöre ganz eindeutig in diese Kategorie
Leute, die dieses Haus unter gar keinen Umständen je betreten
sollten, und nun bin ich hier. Namenlose Angst legt sich über mich
und ich fühle mich allein. Allein und verlassen so wie damals... .
Nein, ich darf nicht daran denken! Wenn ich mich jetzt erinnere,
werden nur noch größere Öffnungen da sein, durch die die Schatten in
meine Seele gelangen können. Ich muß stark sein. Ich schaue mich
nach Nyase um und erschrecke. Ich habe noch nie so viel Angst in
denn Augen eines Pokemons gesehen. Es drückt sich an die Wand und
starrt wie ein Kaninchen, das vor einer Schlange sitzt. Jedes
einzelne Haar an seinem Körper ist gesträubt. Pokemon sind viel
sensibler als Menschen, das heißt, wenn Nyasu so reagiert.... Oh
Gott, ich will raus hier. Vorsichtig nähere ich mich dem kleinen
Katzenpokemon und versuche beruhigend auf es einzureden. Es ist
nicht leicht, denn meinen Stimme überschlägt sich vor Angst.
Irgendwann klart sein Blick auf und ich nehme das zitternde Bündel
in meinen Arm. Oh es tut so gut, in diesem schrecklichen Haus etwas
warmes, lebendiges zu spüren. Es gibt mir wieder ein bisschen Kraft.
"Kojiro" Nyasus Stimme klingt immer noch verängstigt, aber
wenigstens scheint er wieder Herr seiner selbst zu sein „Kojiro, wir
müssen hier unbedingt raus! Die Aura, sie ist so stark... etwas
schreckliches wird passieren, wenn wir nicht sofort verschwinden"
Nyasu hat Recht! Ich möchte nichts lieber, als hier zu verschwinden,
aber Musashi... . Anscheinend kann Nyasu Gedanken lesen „Los,
schnapp dir Musashi und bring sie hier raus! Wenn es sein muß mit
Gewalt. Los mach schon. Etwas in diesem Haus verändert sie. Du mußt
dich beeilen." Ich glaube Nyase sagt die Wahrheit. Und außerdem, was
habe ich den schon zu verlieren? Sie kann mich doch nicht noch mehr
ignorieren, als sie es in den letzten Tagen getan hat, oder? Ja, ich
werde sie hier raus bringen und dann kann ich endlich dieses Horror
Haus verlassen. Ich richte mich auf und stelle fest, dass Musashi
verschwunden ist. Namenloses Entsetzen packt mein Herz. Sie stand
doch noch eben grade bei dem Gemälde. Was hatte sie dort noch einmal
gesagt? Sie redete von Bjelle und dass Tamar sie verraten hat. Woher
weiß sie von der Geschichte? Ich hatte nicht die Möglichkeit, mit
ihr darüber zu reden! Angst! Ich blicke mich um doch, ich kann sie
nirgendwo mehr sehen. Es ist als wenn sie sich in Luft aufgelöst
hat. Warum tut sie das? Warum lässt sie mich allein? Warum kann sie
nicht das eine Mal auf mich hören?. Eigentlich hätte sie es
verdient, hier zu rück gelassen zu werden. Ich blicke zur Tür. Sie
lockt so verführerisch. Ein paar Schritte und ich bräuchte diese
entsetzliche Angst in meiner Seele nicht mehr spüren. Nein! Niemals!
Das darf ich nicht tun! Ich weiß, wie es sich anfühlt, alleine zu
sein. Ich werde sie finden, sie kann doch noch nicht weit weg sein.
Ich drehe mich von der Tür weg und schaue auf das Gemälde, was
Musashi so lange betrachtet hatte. Die junge Frau mit dem
sympathischen Lächeln muss Lady Bjelle sein. Was mus bloß geschehen,
um einen Menschen in einen Rachegeist zu verwandeln, der eine solche
Aura des Hasses um sich zieht? Ich habe das schreckliche Gefühl,
dass ich es noch erfahren werde. Nein! Ich will es nicht erfahren!
Ich will nichts damit zu tun haben! Ich will Musashi finden und dann
nichts wie weg hier. Musashi... wo könnte sie nur hingegangen sein.
Das Haus ist einfach riesig, wie soll ich sie da finden? Irgendetwas
sagt mir, ich solle die Treppe herauf gehen. Aber ich will nicht.
Die Aura die man hier unten spürt, scheint dort oben noch verstärkt
zu sein. Als mein erster Fuß die Stufen berührt, ist es, als wenn
ein kalter dunkler Wind durch meine Seele weht. Noch habe ich genug
Mut, mich der Eindringlinge zu erwehren, aber ich weiß, dass ich das
nur eine kurze Zeit durchhalten kann. Ich drücke Nyasu noch enger an
mich und steige die Treppe empor. Dann kommt mir eine Idee. „Nyase!
Wir müssen uns aufteilen, sonst finden wir sie nicht mehr
rechtzeitig" ich setzte ihn auf den Boden. Er zittert immer noch
„Ich halte zu euch, egal was passiert!" „Ich weiß, Nyase und jetzt
geh!" rufe ich den Pokemon zu, was sich immer weiter von mir
entfernt. Ich bin wieder allein, allein, allein, allein und ich habe
solche Angst....
***************************
Da war etwas! Ich laufe darauf zu, aber es scheint verschwunden. Ich
irre durch die Zimmer und Korridore, aber ich habe längst die
Orientierung verloren. Wo bin ich? Wo ist Kojiro? Ich muss den Weg
zurück zu ihm finden. Mein Herz, es erdroht zu erfrieren. Ich fühle
mich so einsam und verlassen, wie noch nie in meinen Leben. Stimmt
nicht, ich kenne dieses Gefühl nur all zu gut. Leider. Nein! Ich
will es nicht mehr spüren und ich will mich nicht erinnern! Ich kann
nicht anders, Gedanken schießen auf mich. Erinnerungen und Gefühle
von früher. Ich wünschte, ich könnte sie vergessen, vergessen für
immer. Ich will, dass sie aufhören, mich zu quälen. Alles beginnt,
vor meinen Augen zu zerlaufen und in Dunkelheit zu verschwinden. Als
sich die Dunkelheit lichtet, bin ich weit weg an einem anderen Ort.
Ich öffne meine Augen und registrier, dass ich mich in einer alten
Blockhütte befinde. Mein pochendes Herz beruigt sich langsam. Es ist
so schön warm und friedlich hier. Es ist als wenn die Schrecken der
letzten Tage weit hinter mir liegen. Ich schaue mich in dem kleinen
Raum um. Die Leute die hier leben, scheinen nicht viel zu besitzen,
und trotzdem kommt mir alles so unheimlich vertraut vor. Aus dem
Nebenraum hört man Menschen. Ich werde zu ihnen hingehen, mit ihnen
reden...
. Ich öffne die Tür zu dem Raum, der gleichzeitig als Küche,
Wohnzimmer und Esszimmer dient. Ein gemütliches Feuer prasselt im
Kamin, dann fällt mein Blick auf die Leute, die in diesem Haus
wohnen und mein Herz bleibt stehen. Danach ist nichts mehr wie es
war. Die eben noch friedliche Atmosphäre verwandelte sich in das
komplette Gegenteil. Es ist noch viel schlimmer, als vorhin im Haus.
Es ist wie ein Drama zu lesen und unweigerlich zu wissen, dass alles
auf eine Katastrophe hinauslaufen wird. Ja, ich kenne diese Hütte.
Ich wurde in ihr geboren und etwas von mir ist in ihr gestorben. Ich
kenne den jungen Mann der über den Töpfen gebeugt steht und irgend
etwas kocht, denn er ist mein Vater. Ich kenne die junge
fliederhaarige Frau mit ihrer schwarzen Team Rocket Uniform, die auf
ihren Stuhl sitzt und nervös überlegt, wie sie ihrer kleinen
rothaarigen Tochter ihre neue Mission beibringen soll. Denn sie ist
meine Mutter und die kleine Tochter, die so unbeschwert durch den
Raum tanzte, das war ich. Warum? Warum bin ich hier? Ich will das
alles nicht noch einmal erleben müssen. Noch einmal würde ich das
nicht schaffen. Plötzlich lässt die Hoffnung meine Seele erleuchten.
Vielleicht bin ich ja hier, um den Lauf der Dinge zu ändern. Wenn
ich es schaffe, dass Mama nicht auf diese verdammte Mission geht,
dann wird alles gut werden! Ich werde glücklich sein. Glücklich.
„Musa-chan" zärtlich nimmt Miyamoto ihre kleine Tochter in den Arm
„ich habe dir etwas Wichtiges zu sagen..." „Nein!" meine Stimme
überschlägt sich fast, als ich hervorpresche und mich in der Mitte
des Raumes postiere. Miyamoto steht nur eine Zentimeter von mir
entfernt, ich kann ihre Wärme spüren. Ich erinnere mich, wie gut ihr
Zeuch roch und wie schön sich ihre Hände anfühlten, wenn sie mir
sanft über den Kopf streichelten. Ich schaue in ihre unheimlich
sanften, traurigen Augen und ich muss fast weinen, als ich mit ihr
rede, so sehr habe ich sie all die Jahre vermisst. „Bitte geh
nicht!" flehe ich sie an „Wenn du gehst, dann wirst du sterben und
wir werden uns nie, nie, niemals wiedersehen und ich werde allein
sein!" Tränen laufen an meinen Wangen entlang. Ich weiß nicht, wie
lange es her ist, seit ich das letzte Mal geweint habe. Sanft
streicht Miyamoto ihrer kleinen Tochter durch die Haare, bevor sie
mit trauriger Stimme fortfährt „Deine Mama hat eine wichtige Mission
auszuführen, sie wird erst in einigen Tagen
wiederkommen..."Verwunderung, Warum? Doch dann trifft mich die
Erkenntnis. Nein! Nein! Sie kann mich nicht hören! Niemand sieht
mich! Ich kann es nicht verhindern. Es wird wieder geschehen. Oh
Gott, es wird wieder geschehen. Ich fühle mich so machtlos, so
entsetzlich machtlos. Ich schluchze unkontrolliert und lasse mich
auf den Boden fallen. „Mama bitte geh nicht, bitte lass mich nicht
allein, ich habe solche Angst" Ich blicke hoch durch den Schleier
der Tränen und sehe ich die kleine Musashi weinen. Ihre Mutter
drückt sie an sich und versucht sie zu beruigen und auch ihr Vater
kommt hinzu „He Musa, beruige dich doch, Mami ist doch nicht aus der
Welt. Oder findest du es so übel, ein paar Tage mit deinem Papa
verbringen zu müssen?.." „Ein paar Tage? Sie wird niemals, niemals
wieder kommen! Und du.. „oh nein, warum muss das alles noch einmal
geschehen? „Musa-chan, sei nicht traurig, ich verspreche dir, dass
ich bald wieder da bin, ich lasse dich niemals alleine, großes
Indianerehrenwort.." „ Lügnerin!" Ich springe vom Boden auf, ich
spüre Hass in meinem Herzen. "Du abscheuliche Lügnerin! Warum tust
du das? Warum lässt du sie im Stich? Hast du eine Ahnung davon, was
du ihr damit antust? Weißt du, wie das ist, alleine zu sein, weißt
du das?" Tränen der Verzweifelung brennen wie Feuer in meinen Augen.
Ich habe mich nicht mehr unter Kontrolle, als ich mit meiner rechten
Hand aushole und auf ihr Gesicht ziele. „Ich hasse dich Miyamoto,
ich hasse dich!" Meine Hand zielt ins Leere. Die junge Frau geht an
mir vorbei zu ihrem kleinen Reiserucksack. Sie schnallt ihn sich
über und wirft ihrer Familie einen letzten langen Blick zu, dann
geht sie in Richtung Tür. „Ich hab dich lieb Mami!" höre ich die
kleine Musachi rufen „Ich dich auch..." dann ist sie verschwunden
und ich weiß, dass ich sie niemals mehr wiedersehen werde und ich
weiß auch, dass mein persönlicher Albtraum grade erst begonnen
hat....
**********
Ich fühle mich so alleine, so schrecklich alleine. Ich wandere durch
endlose Korridore und rufe ihren Nahmen. Alles ist verfallen und an
allem klebt Trauer und Hass. Ich habe das Gefühl als wenn des
gesamte Haus in der Zeit gefangen ist. Es ist so traurig und dunkel,
aber auch bedrohlich wie in einer Gruft. Wie viele Zimmer hat das
Haus? Ich habe das dumpfe Gefühl, dass es unendlich groß ist und uns
niemals wieder gehen lässt. Ich gehe und gehe, aber ich komme
nirgendwo an. Meine Füße hinterlassen keine Abdrücke in der
Staubschicht. Warum? Es ist als wenn ich nicht existiere! Vielleicht
existiere ich ja auch gar nicht. Vielleicht bin ich nichts mehr, als
ein Schatten, ein Nichts, das jeder ignoriert. Das würde auch
erklären, warum mich alle so hassen. Warum ich so falsch bin. Ich
war schon immer falsch, immer, immer, immer, immer. Die Dunkelheit
scheint lebendig zu werden. Sie legt sich um mich. Ich bin zu
schwach, um mich zu wehren. Sie verschlingt mich..
Ich öffne meine Augen. Wo bin ich? Ich befinde mich auch in einem
Großen Haus und es ist dunkel und unheimlich, aber alles ist heile.
Bin ich 200 Jahre zurück versetzt worden? Ich schaue mich genauer
um. Nein, es sei denn, sie kannten früher schon Fernseher. Ich
befinde mich in einem großen dunklen Raum. Er ist vollgestopft mit
allem möglichen Zeug. Was ist das? Spielzeug? Ja, es scheint so,
aber es ist, als ob eine unheimliche Kälte von ihm ausgeht. So wie..
Oh Nein, das kann nicht sein oder? Ist das mein Spielzeug? Ist das
mein Zimmer? In der einen Ecke ist etwas. Ich gehe darauf zu, jetzt
kann ich erkennen, was sich dort befindet. Es ist ein kleiner Junge
mit lavendelfarbenen, schulterlangen Haaren. Er schaut sich
ängstlich um. In seinen smaragdfarbenen Augen spiegelt sich
Traurigkeit. Ich bin wirklich in meiner eigenen Vergangenheit
gelandet, denn der kleine Junge bin ich. Seit ich Musashi kenne,
habe ich versucht, das Gefühl zu verdrängen. Das Gefühl ein Nichts
zu sein und das Gefühl alleine zu sein. Alleine in der Dunkelheit.
Jetzt bricht es über mich herein wie die Wassermassen bei einen
Dammbruch. All diese Gefühle, die ich jahrelang gestaut hatte,
fliesen über mich und reißen mich in die Dunkelheit. Der kleine
Kojiro weint. Ich kann ihn nicht trösten. Er nimmt mich nicht wahr.
Ich bin ein Nichts. Alles ist so dunkel und so voller Schatten......
*******************
Ich erwache aus diesem schrecklichen Alptraum. Ich will aufstehen
und weglaufen. Aber ich kann nicht! Ein stechender Schmerz
durchzuckt meinen Körper. Was ist passiert? Ich liege inmitten von
Trümmern und ein riesiges Holzstück hat sich in meinen Oberkörper
gebohrt. Reflexartig ziehe ich es aus mir heraus. Oh Gott, das hätte
ich nicht tun sollen. Schmerzen, schreckliche Schmerzen und ganz
viel Blut. Ich presse die Hand auf die stark blutende Wunde und
versuche mich aufzurichten. „Kojiro! Hilf mir!" Ich muß im Traum die
Flucht ergriffen haben und einfach losgelaufen sein. Die alte Treppe
hat wohl meinen Gewicht nicht mehr stand gehalten. „Kojiro! Nyase!"
ich schleppe mich vorwärts. Mir wird immer schwummriger vor den
Augen. Es ist, als wenn immer mehr Schwarz dazu kommt. Irgendwann
ist alles schwarz.
Es ist dunkel, so dunkel. Ich brauche mich nicht umschauen, ich
weiß, wo ich bin. Ich befinde mich in der alten Blockhütte, genauer
gesagt in meinen alten Zimmer. Ich will sie nicht sehen, aber ich
weiß, dass sie da sind die Schatten, die Schatten, die
Schatten......
Sie versuchen in meine Seele einzudringen, sie lähmen mein Herz. Sie
machen mir solche Angst. Ich sitze zusammengekauert auf dem Boden
und wimmere wie ein kleines Kind, dann hebe ich leicht meinen Kopf
und schaue mich um. Der ganze Raum ist erfüllt von dieser
schrecklichen Dunkelheit. Am Fenster sitzt ein kleines rothaariges
Mädchen und schaut hinaus in diese unendliche Dunkelheit. Ich gehe
zu ihr und schaue in ihre unendlich blauen Augen. Ihr Blick wirkt
durcheinander, wie der eines Fukanos, der an einem Laternenpfahl
angebunden ist und nicht versteht, dass sein geliebtes Herrchen ihn
ausgesetzt hat. Trotzdem ist da noch Hoffnung. Man kann noch bis auf
den Grund ihrer Seele schaun. Ich setze mich neben dieses Mädchen
und weine. Weine um ihr Schicksal, das auch gleichzeitig mein ist.
Ich versuche, ihr durchs Haar zu streicheln, ihre Wärme zu spüren,
aber meine Hand gleitet durch sie hindurch. Obwohl ich weiß, dass
sie mich nicht hören kann, beginne ich, mit ihr zu reden „Weißt du"
beginne ich „Du glaubst noch, dass deine Mutter ihr Versprechen hält
und auf alle Fälle wiederkommt und dass dann alles gut wird, oder?
Ich weiß es besser, sie hat dich angelogen, sie kommt nicht mehr
wieder! Und auch all die anderen Menschen, denen du vertraust,
lassen dich im Stich. Sie lassen dich allein in der Dunkelheit
zurück". Noch nie habe ich den Schmerz so real in mir gefühlt, er
bohrt sich in mein Herz wie ein glühendes Messer. Der Schmerz lässt
mich weinen, als ich weiter spreche „Und es wird niemals aufhören.
Sie werden dich ausnutzen, ausgrenzen, verletzen und dann wegstoßen.
Sie werden dir versuchen weiß zu machen, dass du schlecht bist und
es nicht wert bist, glücklich zu sein und vielleicht.. vielleicht
haben sie recht..". Nein! Sie haben niemals recht. Es muss ein Licht
geben in dieser schrecklichen Finsternis. Ein Licht, an dem ich
meine Seele erwärmen kann und ich werde es finden... Die Tür geht
auf und reißt mich aus meiner Suche. Vor mir steht mein Vater. Sein
Gesicht hat sich seit meinen letzen Besuch verändert, es ist so kalt
und ausdruckslos. Ich weiß, was jetzt passieren wird. Mit einer
Mischung aus unheimlicher Abscheu und Faszination warte ich auf den
Augenblick, wo er die unschuldige, engelsgleiche Seele seiner
Tochter für immer zerstören wird. „Weist du Musa.." sagt er mit
tonloser, tränenerstickter fast monotoner Stimme „Mama wird nicht
mehr zurückkommen, sie hatte einen Unfall, sie ist tot." Er dreht
sich um und rennt aus der Tür. Wieder alleine. Wieder Dunkelheit.
Ich drehe mich von der Kleinen weg, ich will nicht in ihre Augen
sehen müssen. Es gibt keine Tränen um zu beweinen, was eben
geschehen ist.
*******************
Wieviele unendliche Nächte saß ich hier im Dunkeln und wie viele
werden es noch werden? Die Tür öffnet sich einen Spalt. Licht strömt
herein, aber es ist hart und kalt. Unser Diener tritt herein. Der
kleine Kojiro steht auf, nimmt etwas und geht in richtung Tür. Was
hält er in der Hand? Ich weiß es nicht, aber ich weiß, was jetzt
kommt. Die Essensprozedur. Die einzige Zeit am Tag, wo ich meine
Eltern zu gesicht bekommen habe und mein Zimmer verlassen durfte.
Ich folge dem Diener und dem Jungen durch endlose Korridore, bis wir
den Speisesaal erreichen. „Du bist schon wieder zu spät, Kojiro!"
Der Mann, der sich mein Vater nannte, sitzt an einer großen Tafel,
am anderen Ende sitzt die Frau, die sich meine Mutter nannte. Er
wirft dem kleinen Jungen einen wütenden Blick zu. „Aber ich.." „Sei
ruig und setzt dich endlich!" lässt er den Kleinen erst gar nicht zu
Wort kommen. „Aber ich habe extra was für euch gemalt" Seine Augen
glänzen erwartungsvoll, als er das Papier, was er die ganze Zeit in
der Hand hielt hoch hält. „Hast du mir nicht zu gehört!" Wütend
packt der Mann den Jungen am Kragen „Du sollst verdammt noch mal nur
reden, wenn man dich dazu auffordert. Haben wir uns verstanden?"
Nach dem er seinen Griff gelockert hat, fällt der Junge zu Boden.
Sein Bild landet einige Meter weiter vor den Füssen meines Vaters.
Er hebt es auf und zerknüllt es, ohne es zu betrachten. „Warum?
Warum tust du das?" ich kann nicht anders. Ich weiß, dass es nichts
bringt, aber es nimmt mich einfach zu sehr mit „Du hast das Bild
noch nicht einmal angeschaut! Er hat sich so viel Mühe gegeben. Er
wollte euch eine Freude machen.." Ich weine. All die verdrängten
Schmerzen steigen in mir hoch „Er wollte nur geliebt werden. Aber
ihr liebt ihn nicht. Ihr wollt ihn verändern, nach euren
Vorstellungen. Habt ihr vergessen, dass er ein lebendiges Wesen ist?
Mit einem eigenen Herz und einer eigenen Seele?" Ich heule
unkontrolliert, genau wie der kleine Kojiro vor mir auf den Boden.
"Du solltest deine Zeit sinnvoller verbringen, dann würdest du uns
auch nicht immer so enttäuschen!" Ich wische mir die Tränen aus den
Augen. "Ja, wahrscheinlich hast du recht Vater! Ich bin ein
Nichtsnutz, man kann mich nicht mögen. Es war nicht euer Fehler mich
so zu behandeln. Euer Fehler war, mich in die Welt gesetzt zu
haben". Noch denkt der kleine Kojiro, dass er seinem Schicksal
entkommen kann, in dem er wegläuft. Aber es wird ihn niemals
gelingen, denn er ist ein Nichts...
****************************
Ich weiß nicht, wie lange ich hier schon bin. Vielleicht schon seit
Jahren. Die Dunkelheit hat schon fast etwas vertrautes. Am Anfang
tat sie mir noch weh, aber jetzt.. . Am Anfang tat es mir auch noch
weh mich zu erinnern. Festzustellen, dass ich und die kleine Musashi
ganz alleine sind. Verlassen von allen, sogar vom eigenen Vater. Er
war nicht mehr derselbe, stürzte sich in Arbeit. Und wenn er spät in
der Nacht nach Hause kam, war er meistens stockbetrunken. Am Anfang
tat es auch noch weh, zu sehen, wie er das kleine Kind von sich weg
stieß, was heulend darum bat, nicht mehr allein gelassen zu werden.
Am Anfang habe ich auch noch getobt und geschrien, warum er seine
Tochter so behandelt. „Miamoto ist tot!" habe ich geschrien," Aber
Musashi lebt! Warum willst du sie auch töten?" Er hat nie
geantwortet, auch nicht, als ich ihm an den Kopf geworfen habe, wie
sehr ich ihn hasse. Wie auch, er konnte mich nicht hören. Keiner
kann mich hören. Ich bin ein Niemand. Vielleicht bin ich auch schon
gestorben und ein Geist... Jetzt ist mir alles gleichgültig. Die
Dunkelheit hat sich um mich gelegt wie eine Blase, aus der es kein
Entrinnen gibt. Langsam aber sicher tötet sie meine Seele. Manchmal
beobachte ich die kleine Musashi. Sie hat noch immer ein bisschen
Hoffnung. Oft steht sie am Fenster und wartet auf ihre Mutter,
manchmal gehen wir auch raus in den Garten. Ihre Seele stirbt
langsamer als meine. Ich habe mich erinnert was mein Licht in der
Dunkelheit ist. Meine Freunde bei Team Rocket. Nyase und besonders
Kojiro. Kojiro der schmale Junge mit den lavendelfarbenen Haaren und
den smaragdfarbenen Augen. Seine Augen erzählen so viel über ihn,
wenn ich in sie schaue, ist es so, als wenn... ich mich finde. Uns
verbindet so viel, ich kann ihm trauen, er würde mich niemals im
Stich lassen und er verzeiht mir alles. Er ist der einzige Mensch,
der mir das Gefühl gibt, auch einer zu sein. Kojiro ist mein Licht.
Die Lichtkugel, die mich jetzt noch am Leben erhält, die mir sagt,
dass alles gut wird. Aber je länger ich hier bin, um so unwirklicher
wird alles. Ich habe das Gefühl, als wenn Team Rocket nie existiert
hätte. Als wenn Kojiro ein Phantasiegebilde ist, das ich mir
ausgedacht habe, um nicht völlig an der Welt zu verzweifeln.
"Kojiro, wenn du wirklich der bist, für den ich dich halte, dann
komm und rette mich. Rette mich aus der Dunkelheit." Das Licht wird
immer kleiner. Mir ist so kalt, so unendlich kalt....
**************************
Ich öffne meine Augen und bin im Haus. Wie lange habe ich geträumt?
Ich habe so unendliche Angst. Ich bin ein nichts, oder? Ich drehe
mich um und laufe zurück. Auf ein mal ist da dieses Licht, das mich
ruft...
Wo bin ich? Es ist so kalt und einsam hier. Ich muss weit weg sein.
Es ist nicht meine Vergangenheit, eine andere Einsamkeit liegt über
diesen Ort. Es ist auch nicht jenes unheilvolle Schloss, denn ich
spüre nicht mehr die dunkle Atmosphäre des Hasses auf mir lasten.
Alles ist ruig, ganz ruig. Meine aufgewühlten Gedanken fallen in
eine Art Kältestarre. Vorsichtig öffne ich meine Augen. Ich befinde
mich in einer Eisgrotte. Eis, überall Kälte und Eis. Das Eis glänzt
in den verschiedenen Farben im matten Licht der Grotten. Gefangen!
Gefangen im ewigen Eis, das niemals schmilzt. Das jede Form von
Wärme und Fröhlichkeit sofort absorbiert. In mir drinne kann nichts
mehr erfrieren, weil in mir drinne nichts mehr ist. Ich fühle mich
so unendlich leer. Ich gehe durch die Höhlen aus Eis. Zeit existiert
nicht in dieser Welt aus Trauer und Kälte. Ich folge der inneren
Stimme, die mich ruft, so lange bis ich eine gigantische Grotte
ereicht habe. Die Grotte übersteigt alles, was ich jemals gesehen
habe. Sie gleicht einen Dom aus majestätischen Kristallen. Die
Atmosphäre hier ist so unendlich kalt und traurig. Ehrfürchtig
schreite ich durch die Halle, bis ich gefunden habe, weswegen ich
hier bin. Am Fuße einer gigantische Säule aus Eis befindet sich eine
junge Frau. Ich habe noch nie etwas so traurig, anmutiges gesehen.
Sie hängt da, wie eine der Heiligenfiguren, die ich von früher, aus
der Kirche kannte. Das Eis bedeckt fast ihren ganzen Körper. Selbst
ihre fliederfarbenen Haare und ihr Gesicht sind von einer Eisschicht
bedeckt. Ihre Hände sind zum Gebet gefaltet. Tränen laufen aus ihren
geschlossenen Augen. Aber die Tränen schmelzen das Eis nicht. Im
Gegenteil, sie frieren ebenfalls und vergrößern so die Eisschicht.
Ob so die gesamte Grotte entstanden ist? Was beweint sie bloß mit so
vielen Tränen? Als wenn sie mich gehört hat, öffnet sie langsam ihre
Augen. Ich habe noch nie so viel Trauer und Schmerz in zwei Augen
gesehen. „Warum weinst du?" wiederhole ich meine Frage, ohne
überhaupt zu wissen, warum es mich interessiert. „Um den Schmerz zu
vergessen, den ich all den Menschen zugefügt habe, die ich liebe"
Die Stimme schien von überall gleichzeitig zu kommen und sie ist so
leblos und traurig, als wen das Eis zu mir spricht. Bevor ich weiter
über ihre Antwort nachdenken kann, beginnt die Stimme von neuem, und
diesmal ist sie noch viel schmerzerfüllter, als eben „Bitte helf
Musashi!" Musashi! Woher kennt sie sie? Wer zum Teufel ist diese
Frau? Plötzlich schallt mir Willys Stimme durch den Kopf „... Wenn
ein Mensch stirbt, verlässt seine Seele diese Welt. Aber manche
Seelen können nicht gehen, sie sind an irgendetwas gebunden, oder
sie haben noch etwas zu erledigen. Diese unglücklichen Seelen sind
dazu verdammt, auf immer und ewig zwischen den Welten zu wandern, so
lange, bis sie befreit werden...." „Bitte helf Musashi!" Immer mehr
Tränen laufen ihre Wangen hinunter „Musashis Seele driftet in eine
Richtung, aus der es kein Zurück mehr gibt. Sie wird in die
Dunkelheit stürzen und verglühen, wie ein Stern der vom Himmel
fällt." Schweigen erfüllt den Raum „Und was soll ich dabei machen?"
schreie ich sie an. .An der Stelle, wo früher einmal mein Herz
schlug, pocht jetzt Hass und Verzweifelung. Ich fühle mich so leer.
„Du wirst sie finden, mit Hilfe deiner Seele. Eure Seelen sind wie
zwei Pole, sich gegenseitig anziehen, aber den Weg zu ihr durch die
Dunkelheit kann sich nur ein brennendes Herz bahnen". Schweigen,
Resignation. Dann manifestiert sich Wut in mir. Ich balle meine
Fäuste und schreie sie an: „Ich kann ihr nicht helfen, denn ich bin
ein Niemand ein Nichts! Außerdem, warum sollte ich ihr helfen?" Bin
das wirklich noch ich? Oder sind das die Schatten in mir? Hass, nur
noch Hass in mir „Jeder Mensch ist alleine! Alleine in seiner
Dunkelheit. Sie wird es auch alleine schaffen. Sie hat mich auch
sonst nie gebraucht. Und wenn sie es nicht schafft, dann ist das ihr
Problem. Jeder ist sich selbst der nächste..." Ich weine, während
ich das sage, oder zumindestens mein Herz tut das. „Man ist nicht
nur verantwortlich für Dinge, die man tut, sondern auch für Dinge,
die man nicht tut" Die Stimme kling resigniert und wird immer leiser
„Ich konnte ihre Seele nicht mehr erreichen, wenn du ihr nicht
hilfst, ist sie für immer verloren." Es war fast nur noch ein
Flüstern. Die Trauer in ihren Augen war unbeschreiblich groß. Sie
berührte mein Herz. Dann schloss sie die Augen und fiel zurück, in
ihre ewige Starre. Die Grotte um mich herum begann zu verschwimmen,
alles wurde dunkler und dunkler. Ich öffne meine Augen und befinde
mich wieder im Haus. Genauer gesagt im Eingangssaal. Die Tür! Ich
sehe die Tür. Sie steht offen! Wenn ich durch diese Tür gehe, dann
bin ich frei! Dann kann mir die Dunkelheit nichts mehr anhaben. Dann
tut es nicht mehr weh, nicht mehr weh in meiner Seele. Ich laufe auf
diese Tür zu. Ein letztes Aufflackern in mir. Aber Muasshi, du
kannst sie doch nicht alleine lassen. Du liebst sie doch. Ich liebe
sie nicht, habe sie nie geliebt. Ich war allein, immer allein. Dann
habe ich die Tür passiert.
*******************
Es war mir, als wenn Nyase neben mir saß und beruhigend zu mir
sprach. Er sagte irgendetwas von Hilfe hohlen. Aber wahrscheinlich
geht meine Fantasie mit mir durch, denn ich bin allein. Ich liege
auf dem kalten Boden und betrachte die Wunde, die sich in meinem
Oberkörper befindet. Immer mehr warmes Blut färbt mein ehemals
weißes Oberteil rot und um mich herum beginnt sich eine kleine Lache
zu bilden. Ich spüre kaum den Schmerz und ich frage mich, ob die
Schwummrigkeit von dem hohen Blutverlust kommt, oder eher daher,
weil ich meine eigene Seele nicht mehr spüren kann. So viele
Schatten haben sich darin festgesetzt und halten sie im Todesgriff
umklammern. Ich spüre die Anwesenheit von etwas. Etwas, das mich
gerufen hat. Ich weiß, dass es Bjelle ist, aber ich habe keine
Angst. Ich drehe den Kopf leicht, um sie zu sehen. Sie ist wirklich
wunderschön und ihre Augen haben den selben traurigen, verletzten
Glanz wie meine. Bloß noch viel stärker. Ein Mädchen, was an der
Grausamkeit der Welt zerbrochen ist, genau wie ich. Sie beugt sich
zu mir herunter. Eine unheimliche Kälte erfüllt den Raum aber auch
das nehme ich kaum war. „Warum hast du mich gerufen? Warum quälst du
mich mit all diesen Erinnerungen und führst mir immer wieder vor
Augen, wie hoffnungslos alles ist?" weine ich. „Schhhh" versucht sie
mich zu beruigen. Ihre Stimme klingt einschläfernd. Sie versucht,
mir durch mein Haar zu streichen, aber ihre Hand gleitet durch mich
hindurch. „Arme Musashi, alle Menschen tun dir weh. Sie gewinnen
dein Vertrauen und wenn sie es haben, dann nutzen sie es aus, um
deine Seele zu zerstören. Sie lassen dich alleine, alleine in der
Dunkelheit. Ich weiß, wie weh das tut. Mich haben sie auch
ausgenutzt, verletzt, zerstört und allein gelassen." Sie machte eine
Pause und schaute sich in dem Raum um „Weißt du, in diesem Raum
saßen Tamar und ich oft. Er hat gesagt, dass er mich liebt und ich
habe ihm getraut" ihre Augen verhärteten sich zu kleinen Schlitzen
„Er hat mich im Stich gelassen, du kennst die Geschichte. Es gibt
keine Liebe, kein Vertrauen oder sonst etwas von diesen guten
Werten, alles Lügen! Jeder Mensch ist allein!" Oh Gott, sie hat so
recht, Ich war immer allein und werde es immer sein.....
***********************
Ich laufe durch den Wald und atme die Luft der Freiheit. Aber warum
tut es bloß so weh in mir? Warum muss ich bei jedem Schritt nur an
sie denken? Musashi was hast du mit mir gemacht? Ich laufe und laufe
und versuche den Gedanken an sie zu verdrängen. Aber es funktioniert
nicht. Erinnerungen holen mich ein, egal wie schnell ich laufe.
Meine erste Begegnung mit Musashi. Das war im Lehrerzimmer unserer
Schule. Ich saß dort, um mir Pflaster abzuholen, weil mich ein paar
Jungs verprügelt hatten. Wenig später zerrte man Musashi ins Zimmer,
weil sie eben jene Jungs verprügelt hatte, als diese ihr ein Bein
gestellt haben. Als ich sie das erste Mal sah, war mir klar, dass
wir irgendwie zusammengehören. Etwas verband uns sofort und das,
obwohl wir so verschieden sind. Ich habe sie immer gesucht und sie
mich. Es war, wie hat es die Frau eben ausgedrückt, wären unsere
Seelen Pole von Magneten, die sich anziehen. Wenn sie bei mir war,
war ich kein Niemand mehr. Sie hat mir das Gefühl gegeben, ein
Mensch zu sein. Manchmal glaube ich, dass sie meine Gedanken lesen
kann. Und doch waren dort Mauern zwischen uns. Mauern, die wir nie
einreißen konnten. Bäume ziehen an mir vorbei, meine Lunge droht zu
explodieren. „Was findest du bloß an diesem Mädchen? Sie ist nicht
anders, als alle anderen auch. Das dich etwas ganz besonderes mit
ihr verbindet, das ist doch nur deine Wunschvorstellung. Du glaubst
doch nicht wirklich, dass sie etwas für dich empfindet, oder?
Niemand tut das. Dich kann man nicht mögen! Du bist ihr doch
vollkommen egal. Sie sucht doch nur jemanden, der die Drecksarbeit
für sie erledigt. Jemand, den sie rumscheuchen kann, und dafür bist
du grade gut genug." „Nein! Das stimmt nicht!". "Aber wenn es anders
wäre, warum erzählt sie dir dann nie etwas über ihre Gefühle. Warum
verschließt sie ihr Herz vor dir? Also sag mir ehrlich, was findest
du am diesem Mädchen? Ist es ihr Körper? Sie ist wirklich
außergewöhnlich schön und sie hat eine Figur, um jeden Mann den Kopf
zu verdrehen." „Nein! Es ist nicht ihr Körper. Natürlich ist sie
unheimlich schön, aber das ist mir egal. Es ist ihre Seele, die mich
anzieht." „Ihre Seele? Wie kannst du das glauben? Sie hat dich nie
in die Nähe ihrer Seele gelassen!" „Ich weiß. Sie versteckt ihre
Seele hinter hohen Mauern. Aber ein Schimmer geht durch die Mauern
hindurch und erreicht mein Herz." „Einbildung, alles Einbildung!".
„Nein es ist die Wahrheit!" Erinnerrungen kommen über mich.
Erinnerungen von dem Momenten, wo Musashi für den Bruchteil einer
Sekunde ihre strahlende Seele offenbart hat. Auf der MS St.Ann
wollte sie mich nicht zurücklasen. Sie hat meine Hand genommen und
mich über den brennenden Abgrund geführt. Und waren dort nicht
Tränen in ihren Augen, als sie glaubte, dass ich das Team verlassen
würde, um wieder im Reichtum zu leben. Sie sorgt sich um mich, genau
so wie ich mich um sie sorge. Aber sie kann es nicht zeigen. Sie
braucht mich. Genauso, wie ich sie brauche. Aber sie kann es niemals
sagen. Man sagt je weniger ein Mensch selbst fähig ist zu lieben,
desto nötiger hat er die Liebe. Warum habe ich das vorhin nicht
erkannt? Warum habe ich nur an mich gedacht? Ich habe vergessen, wie
sehr ich sie brauche und dass ich auch alleine bin, wenn ich sie
alleine lasse. Warum habe ich das getan? Wie konnte ich sie nur im
Stich lassen? Sie braucht mich! Ich muss zurück zu ihr! Schatten
verschwindet! Ihr habt keine Chance mehr! Meine Seele ist frei und
hat nur noch ein Ziel. Zurück zu ihr. Ich drehe auf der Stelle um.
Tränen der Reue füllen meine Augen. Ich nehme eine fremde Aura wahr.
Da ist doch jemand! Zwischen den Bäumen steht ein junger Mann. Seine
braunen Haare wehen im Wind und er schaut mich aus seinen traurigen
braunen Augen an. „Wer bist du und was willst du?" schreie ich ihn
an. „Du siehst mich?" fragt er ungläubig „nur ein sehr sensibles
Herz kann meine schwache Aura wahrnehmen". Tamar! Es muss Tamar
sein, aber ist das möglich? Ich dachte immer, ihn würde eine Aura
des Bösen umgeben aber er scheint nicht gefährlich. Eher schwach,
verzweifelt und unglücklich. „Du hast Bjelle damals verraten! Damit
hast du sie dem Hass direkt ausgeliefert. Für all das Unglück bist
du verantwortlich! Also sag, was zum Teufel willst du von mir?"
Weint er? Ja er weint, aber warum? „Es ist nicht so gewesen wie du
denkst...." Plötzlich sind Bilder in meinem Kopf. Tamar projiziert
sie aus seinem Geist in meinen. Tamar und Bjelle laufen Hand in Hand
durch die Gänge des Schlosses. Man hört klirrende Schwerter und
Menschen schreien. Überall richt es nach Blut und Tod. Tamar zieht
Bjelle an sich heran. Sie umarmen sich und küssen. „Du musst
fliehen, das ist die einzige Chance" höre ich ihn sagen. „Aber ich
will bei dir bleiben.." schluchzt sie. Er wischt ihre Tränen weg.
„Lauf zu der Stelle am See, wo wir uns das erste mal trafen. Ich
werde auch dort hin kommen, das verspreche ich." Sie umarmte ihn
noch ein letztes Mal „Ich liebe dich" „Ich dich noch viel mehr" dann
lief sie hinaus in die Dunkelheit. Er stand dort und schaute ihr
weinend nach. Kurz darauf wurde die Tür eingetreten. Fünf Männer
betraten den Raum „Hier sind sie!" schrie der eine „aber die Frau
fehlt" antwortet ein anderer. Tamar stürzt sich in den Kampf. Er
will nicht zulassen, dass sie sie verfolgen. Er kämpft tapfer und
verbissen, um die Frau zu retten, der sein Herz gehört. Aber gegen
die Übermacht hat er keine Chance....
Die Bilder verschwinden ich öffne meine Augen. „Aber das bedeutet
ja, dass alles nur ein Missverständnis ist. Du hast sie nicht im
Stich gelassen" er nickt traurig „Aber warum gehst du dann nicht zu
ihr und stellst alles wieder richtig?" Tränen tropfen von seinem
Kinn „Ich kann nicht zu ihr gelangen. Der Hass hat ihr Herz
erblinden lassen. Sie kann mich nicht mehr sehen. „Er tut mir so
leid. Warum ist das Schicksal so unfair? Er hat sie niemals im Stich
gelassen. Ganz im Gegensatz zu mir. Musashi! Ich muss zurück zu ihr,
sonst wird etwas Schlimmes passieren „Ihre Seele bewegt sich in eine
Richtung aus der es kein Zurück mehr gibt.." höre ich die Stimme der
fremden Frau in meinen Erinnerungen. Ich laufe los. Zurück zu ihr.
Bitte, bitte, lass mich nicht zu spät da sein....
**********************
„Nein!" Ein letztes Mal leuchtet die kleine Lichtkugel, die mich
durch die Dunkelheit geführt hat auf, bevor sie für immer erlischt.
Nyase und Kojiro! Ich reiße mich aus meiner Lähmung. „Kojiro hält zu
mir, egal was passiert. Er wird kommen, ganz sicher!" schreie ich
sie an. Irre ich mich, oder schauen mich ihre Augen plötzlich nicht
mehr hasserfüllt, sondern nur noch traurig an. "Du bist genau wie
ich, Musashi. Darum habe ich dich gesucht. Du bist meine
Seelenschwester. Zusammen können wir uns an der Welt für ihre
Ungerechtigkeit rächen..." Aber wieso denn? Was ist los? „Verstehst
du es immer noch nicht? Sie haben dich schlimmer verraten, als alle
anderen. Nyase ist weggelaufen, aber was erwartest du von ihm, er
ist nur ein Tier und Kojiro... . Er hat dich allein gelassen, um
sein eigenes Leben zu retten. Genau wie Tamar damals. Er hat dich
niemals wirklich gemocht oder gar geliebt.... Liebe ist eine
Illusion" „Nein! Das ist nicht wahr! Du lügst!" Ich wusste vorher
nicht, was Schmerzen sind. Mein Herz zerspringt in tausend Teile. Es
tut so weh! Nichts tat jemals so weh. Nicht der Tod meiner Mutter,
nicht das weggestoßen werden, nicht die Einsamkeit, nichts. „Du
Lügst!" Es hilft nichts, ich weiß, dass sie die Wahrheit sagt.
„Warum! Kojiro, warum hast du das getan?" Eine Welle des Schmerzes
rollt über mich. Nachdem sie vorbei ist, spüre ich kein anderes
Gefühl mehr, außer Hass, unendlich tiefer Hass. „Zusammen können wir
uns für all das rächen" höre ich ihre Stimme „Du musst nur deine
Seele mit meiner vereinen" Ich sehe keinen Grund mich dagegen zu
wehren. Ich spüre etwas kaltes meine Seele berühren. Es legt sich
über sie, wie ein Leichentuch. Danach fühle ich nur noch Hass und
Dunkelheit in mir. Ich hasse dich, Kojiro, ich hasse die Welt und
ich werde euch beide zerstören....
Allein in der Dunkelheit
Dunkelheit verschlingt mich,
Ich bin allein,
mein Herz ist zerbrochen,
hörst du mich schrein?
Ich wurde verraten,
weil ich dir vertaut hab,
warum hast du das getan?
das Leben liegt in mir wie in einem Grab.
Ich weiß nicht mehr weiter
hab nichts mehr zu geben,
nun werde ich mich rächen,
für mich und mein Leben!
