Im Ligusterweg

Im Ligusterweg

Es war noch nicht sehr spät an diesem Tag, als der junge Harry Potter aus seinem Traum gerissen wurde. Es war die schrille Stimme seiner Tante die durch die Tür an seine Ohren drang. Mühsam richtete sich Harry im Bett auf und schaute an seinen selbstgebastelten Kalender, an dem er die noch verbleibenden Tage bis zur Rückreise nach Hoghwarts abhakte, wie lange er noch hier bleiben musste, doch leider fehlten noch 15 Kreuze bis zu dem Tag an dem dick nachgezeichnet "Abreise" stand. Vor diesem Termin stand jedoch ein anderer, jedoch weniger interessanter Termin nämlich Harrys Geburtstag. Die Dursleys hatten Harrys Geburtstage immer großzügig übergangen noch nie hatten sie ihm zum Geburtstag gratuliert, doch Harry legte gar keinen Wert darauf ob sich die Dursleys für ihn interessierten. Er hatte seine Freunde die ihm Geburtstagsgeschenke schickten und immer für ihn da waren wenn er Hilfe brauchte, aber noch mehr als über die Geburtstagsgeschenke seiner Freunde freute er sich über Briefe seines Patenonkels Sirius. Harry würde bei ihm wohnen, wenn er nicht ein gesuchter Verbrecher wäre, doch Harry wusste, dass Sirius unschuldig war, aber der Großteil der Magierwelt und sogar die gesamte Muggelwelt glaubten an Sirius' Schuldfähigkeit. Harry genoss die erschrockenen Gesichter der Dursleys wenn er von seinem kriminellen Patenonkel erzählte. Das war auch einer der Gründe warum er nicht mehr im Schrank unter der Treppe schlafen musste und ein eigenes Zimmer hatte, welches vorher Dudley als Lagerraum für seine kaputten Spielzeuge gedient hatte.
Wieder hörte er die Stimme seiner Tante vor der Tür und bewegte sich nur recht widerwillig aus dem Bett. Schnell zog er sich an und ging die Treppe hinunter in die Küche. Am Tisch saß sein Onkel Vernon und studierte die Tageszeitung. Harry ließ sich auf einen Stuhl fallen und las die Artikel auf der Rückseite, gerade war er bei der Schlagzeile "Eintracht Johlund schlägt FSB Gogen 1:0" als es aus dem 2. Stock einen seltsamen Aufschlag gab. Es klang als wäre etwas gut gepolstertes zu Boden gefallen. Tante Petunia schien sofort alarmiert und trabte zur Tür hinaus. Nach 10 Minuten kam sie wieder herunter und hinter ihr, missmutiger denn je, kam Harrys Cousin Dudley die Treppe herunter. "Mein Dudy-Bärchen ist aus dem Bett gepurzelt", ließ sie verlauten. Dudley ließ sich schnaufend auf die 2 Stühle neben Harry fallen (seine Diät des letzten Jahres hatte Tante Petunia bereits wieder "heraus gepäppelt"), Onkel Vernon schaute auf und musterte seinen Sohn, kurz darauf ließ er seinen Blick jedoch wieder in die Zeitung sinken und er sah erst wieder auf als Tante Petunia die Teller mit Spiegeleiern und gebratenem Schinken auf den Tisch stellte.
Harry fiel sofort auf, dass er wesentlich weniger auf dem Teller hatte als alle anderen Familienmitglieder doch er wusste was passieren würde wenn er es wagen sollte etwas zu sagen. Dudley schaufelte wie immer alles in sich hinein und war nach 5 Minuten mit seinem Teller fertig, nun nahm er gierig Harrys Teller ins Visier. Schnell schob sich Harry soviel in den Mund wie er nur kauen konnte um Dudley erst gar keine Angriffsfläche zu geben. Gerade als Harry fertig war und sich der Treppe zuwenden wollte hielt ihn Onkel Vernon auf.

»Deine Tante Petunia hat mir gesagt, dass du dich den ganzen Tag nur in deinem Zimmer rumlungern würdest, also nicht, dass ich irgendwas dagegen einzuwenden hätte wenn du mir mal nicht vor die Füße läufst, aber du solltest eventuell auch mal etwas ordentliches lernen.«
Dudley gluckste vor sich hin. Harry wusste, dass das eine Anspielung auf seine Schule sein sollte und am liebsten hätte er Onkel Vernon mit einem Wackelbeinfluch belegt doch er wusste, dass er dann bestraft werden würde und das nicht nur von Onkel Vernon sondern auch vom Amt für Missbrauch der Zauberei. Denn es war minderjährigen Zauberern verboten außerhalb des Schuljahres zu zaubern, das wusste er, denn er hatte schon einmal eine Verwarnung bekommen obwohl er gar nicht gezaubert hatte. Damals, daran konnte sich Harry noch erinnern als wäre es gestern gewesen, hatte Dobby der Hauself ihn daran hindern wollen zurück nach Hoghwarts zu fahren und Tante Petunias Sahnetorte in der Küche einfach fallen lassen. Danach hatte natürlich Harry den ganzen Ärger am Hals gehabt, doch Dobby hatte es eigentlich nur gut mit ihm gemeint.
»Heute abend kommen einige meiner Kollegen zum Skat spielen vorbei und ich will, dass der Garten voll in Schuss ist«, Onkel Vernon schaute Harry durchdringend an »Du wirst heute den Garten sauber machen!« befahl er in gebieterischen Ton.
Wenn es sonst nichts weiter war, Harry hatte schon oft den Garten entrümpelt. Es war zwar ziemlich anstrengend doch konnte er sich wenigstens Dudley vom Hals halten, denn Dudley verabscheute Arbeit so sehr, dass er anderen Leuten nicht mal dabei zusehen mochte. Harry nickte zustimmend und wandte sich wieder der Treppe zu.
»Ach so, bevor ich es vergesse. Lass dich ja nicht hier unten blicken wenn meine Kollegen da sind!«
Onkel Vernon wandte sich wieder seiner Zeitung zu und Dudley drehte sich zu Harry um und grinste ihn hinterlistig an.

Harry ging hinauf in sein Zimmer, die anstrengende Gartenarbeit würde er heute Nachmittag erledigen wenn es nicht mehr so heiß war. Als er wieder ins Zimmer kam fiel ihm zum ersten Mal auf, dass Hedwig noch gar nicht von ihrem nächtlichen Ausflug zurück war.
Hedwig hatte es gut, dachte er und wollte sich gerade auf sein Bett fallen lassen als er etwas fürchterlich hoch zwitschern hörte. Er zuckte zusammen und sprang wieder auf, drehte sich um und erkannte genau an der Stelle auf die er sich setzten wollte eine winzige Eule, doch die Winzeule machte ein Spektakel wie 5 ausgewachsene Uhus zusammen, jedoch in einer fürchterlich hohen trommelfeldbetäubenden Piepston. Harry schnappte sich die Eule die inzwischen um seinen Kopf herum flatterte und stopfte ihr einen von Hedwigs Eulenkeksen in den Schnabel. Hoffentlich hat niemand diesen Krawall gehört, hoffte Harry während er der Eule ihren Brief abnahm. Er faltete ihn auf und las die krakelige Handschrift seines Freundes Ron Weasley.

Hallo Harry,

tut mir Leid, dass ich dir so lange nicht mehr geschrieben habe, aber Hermine hat mich um etwas gebeten und Pig hat geschlagene 2 Wochen gebraucht um es ihr zu bringen. Ich glaube sie macht gerade Urlaub in Südafrika - oder Südamerika? Ich weiß nicht mehr, jedenfalls muss es dort tierisch heiß sein und was glaubst du macht sie dort? Nicht etwa am Strand liegen und Urlaub machen. Nein, Hermine macht ihre Hausaufgaben für Geschichte der Zauberei dort. Hast du diese Aufgabe über die Besiedlung ferner Länder durch Zauberer schon gemacht? Also, ich habe noch nicht einmal damit angefangen, vielleicht kann ich ja etwas aus Hermine rauskitzeln oder ich frage Bill der hatte mal eine brasilianischen Brieffreundin.

Harry fiel gerade ein, dass er ja auch noch seine Hausaufgaben machen musste, doch wie sollte er an seine Schulbücher herankommen? Denn die waren im Schrank unter der Treppe eingeschlossen und er hatte noch keine Gelegenheit gehabt einige davon aus dem Schrank zu befreien.
Harry wandte seinen Blick wieder dem Brief zu und lass weiter.

Ich habe gestern Mum gefragt ob du zu uns kommen darfst, aber sie hat gemeint Dumbledore hätte gesagt, dass du die Sommerferien über bei deiner Tante und deinem Onkel bleiben sollst.
Tut mir leid für dich, aber Mum sagt wir sollten besser auf Dumbledore hören, denn er wüsste was er zu tun hätte.
Bis bald - Ron

Harry lass Rons Brief noch einmal durch und faltete ihn dann zusammen, danach schaffte er Pigwidgeon zum Fenster und ließ ihn hinaus flattern. Während er Pig nachsah, der so winzig war, dass er bereits nach wenigen Metern nicht mehr zu sehen war, überlegte er warum Dumbledore der Meinung war er solle Ron nicht besuchen.
Natürlich, Voldemort war hinter ihm her.

Voldemort der letztes Jahr vor Harrys Augen einen unschuldigen Schüler umgebracht hatte. Er, der seine Eltern auf dem Gewissen hatte, wollte sich an Harry rächen, weil Harry ihm vor 14 Jahren seiner Macht beraubt hatte. Gerade in dem Augenblick in dem er Harry umbringen wollte fiel seine Macht in sich zusammen und Harry hatte nur die blitzförmige Narbe auf seiner Stirn abbekommen, doch Voldemort verlor seinen Körper. Seitdem hatte er sich in andere Geschöpfe eingenistet und beraubte sie ihrer Lebensenergie.
Letztes Jahr jedoch ist Lord Voldemort wieder zurückgekehrt in seinem eigenen Körper. Harry hatte ihn mit eigenen Augen gesehen und auch seine Anhänger, die Todesser, waren zu ihrem Herren gekrochen und haben sich wie Hunde vor ihm in den Dreck geworfen. Harry lief ein kalter Schauer über den Rücken als er sich an das Geschehene erinnerte. Nein, Harry schüttelte den Kopf. Er wollte nicht mehr daran denken. Er musste sich ablenken und was half da besser den Kopf frei zu bekommen als Gartenarbeit?

Er ging hinaus in den Garten und begann den Rasen zu mähen, danach entfernte er das Unkraut aus den Blumenbeeten, beschnitt den Holunderbusch und düngte die Rosen. Harry fragte sich was seine Freunde wohl grade unternahmen, während er einen besonders großen und widerborstigen Löwenzahn aus dem Rosenbeet rupfte. Ron spielte sicher gerade Quidditch in dem von Bäumen verborgenen Feld hinter ihrem Haus, gemeinsam mit Fred und George und Hermine trippelte wohl gerade alle Sehenswürdigkeiten in ihrem Urlaubsort ab um ihren Aufsatz mit ein paar zusätzlichen Informationen zu füllen.
Harry richtete sich auf und besah sein Werk. Er hatte ganze Arbeit geleistet, der Garten hatte in seinen Augen noch nie so sauber ausgesehen.
Tante Petunia trat durch die Hintertür in den Garten hinaus und machte große Augen bekam sich jedoch sofort wieder ein und beäugte Harry.
»Na ja, ist ganz gut geworden. Hätte ich dir gar nicht zugetraut. Dann essen wir heute Abend auf der Veranda« sagte sie und verschwand wieder in der Küche.

Natürlich wusste Harry, dass mit "wir" die Dursleys gemeint waren, denn sie taten alles dafür, dass niemand den verkommenen Nachwuchs von Petunias Schwester zu Gesicht bekam. Tante Petunia, die so darauf bedacht war, dass das kleinste Staubkorn sofort beseitigt wurde und sich vollen Herzens der Überwachung der nachbarlichen Aktivitäten widmete, hatte von ihrer nichts nutzigen Schwestern Lily auch noch diese Plage auf den Hals bekommen. Harry jedoch vermutete, dass Tante Petunia nur eifersüchtig war auf seine Mutter ist. Harry wurde durch ein rascheln aus seinen Gedanken geschreckt und vor ihm in der Hecke saß -
»Hedwig« stieß Harry hervor als die große Schneeeule auf seinen Arm geflattert war. Sie schuschuhte zufrieden und streckte ihm ihr Bein aus an dem ein prall gefüllter Umschlag hing. Harry versuchte Hedwig verständlich zu machen sie solle doch hoch in sein Zimmer fliegen und dort warten bis er nachkommen würde. Zu Harrys großer Verwunderung kniff ihn Hedwig kurz in den Finger, als ob sie verstanden hätte, breitete die Flügel aus, stieß sich ab und schwebte nach einer Umkreisung des Gartens durch Harrys offenes Fenster ins Haus.
Schnell lief er zur Hintertür und betrat die Küche. Tante Petunia hatte einen Weg aus Zeitungen auf dem Küchenboden ausgebreitet, als er an ihr vorbei kam drückte sie ihm ein belegtes Brötchen und ein Glas Zitronenlimonade in die Hand und deutete ihm er solle nach oben gehen.
Gerade als er den oberen Treppenabsatz erreicht hatte hörte er mehrere Autos die über den Kies der Einfahrt fuhren. Tante Petunia kam aus der Küche gewirbelt und stellte sich neben der Tür auf. Als Harry oben am Treppenabsatz stehen sah machte sie mit einer deutlichen Handbewegung klar, dass er sich verkrümeln sollte, ganz so als wolle sie eine lästige Schmalzfliege von ihrem Essen verjagen. Er ließ sich nicht zweimal bitten und verschwand in seinem Zimmer. Dort angekommen setzte er sich auf sein Bett und öffnete an seinem Brötchen kauend den Umschlag. Hedwig hatte sich inzwischen auf ihrem Käfig nieder gelassen und beobachtete ihn mit großen Augen während er seinen Brief las.

Lieber Harry,

Ron hat mir geschrieben, dass du ihn dieses Jahr nicht besuchen kommen darfst. Tut mir wirklich leid für dich, aber Dumbledore weiß schon warum und komm bitte nicht auf den Gedanken noch einmal wegzulaufen. Denn wir wissen alle, dass du jetzt wieder einen Feind hast, der nicht locker lassen wird bis er dich in die Finger bekommt.
Ich bin mit meinen Eltern gerade in Südafrika und das Wetter ist einfach herrlich, aber das beste hier ist, dass selbst in diesem Land Zauberer und Hexen existieren und die haben ganz andere Angewohnheiten als wir. Ich konnte soviel herausfinden und mein Aufsatz über die Besiedlung der Welt durch Zauberer ist ganze 4 Pergamentrollen lang geworden.
Hast du schon wieder etwas von Schnuffel gehört?
Übrigens, im Tagespropheten stand, dass Percy jetzt einen anderen Job im Zaubereiministerium bekommen. Er ist jetzt in der Abteilung "Magische Spiele und Sportarten" unter der Leitung von Ludo Bagman.

Hermine

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