Titel: Harry Potter und der Stein des Drachen

Titel: Harry Potter und der Stein des Drachen

Autor: Luka

Feedback: lukath@muenster.de

Altersbeschränkung: 12

Inhalt: Kapitel 15: Harry ist überzeugt, versagt zu haben. Doch unerwartet zeigt sich ein neuer Weg.

Disclaimer: Die vorliegende Geschichte ist eine FanFiction zu Harry Potter. Dies zu schreiben macht in erster Linie mir Spaß und liegt fern jedes kommerziellen Gedankens. Dies zu lesen soll allen Spaß machen, die eine neue Geschichte von Harry Potter haben wollen. Sie sollen das tun können ohne eine müde Mark auszugeben. Alle Charaktere gehören Joanne K. Rowling, bis auf die, die in der Geschichte noch entwickelt werden müssen und die nicht von JKR sind. ( So z.B. Tug, John und Henri Perpignan )

15. Wundersame Wege

Auf Durmstrang wieder angekommen, wurde Harry direkt in die Krankenstation gebracht, wo sie ein freundlicher, älterer Zauberer empfing. Sirius begleitete ihn dorthin. Harry war immer noch erschüttert, Hagrids tröstende Worte hatten nur kurzzeitig Linderung verschafft. Auch die Wunde schmerzte sehr, zwar hatte die Kühlung ihm die Heimreise ermöglicht, aber jetzt scheuerte der grobe Leinen-Verband auf dem rohen Fleisch. Harry fühlte sich elend.

Der Arzt der Krankenstation ließ sich kurz berichten, was vorgefallen war, dann griff er in seinen Medikamentenschrank und bereitete Harry einen Trank, der ihm von einer Sekunde zur anderen die Schmerzen nahm. Dann öffnete er den Verband und besah sich die Wunde. Die ganze Schulter war verbrannt, und es war nur der außergewöhnlichen Situation und den Stresshormonen zu verdanken, dass Harry nicht direkt ohnmächtig geworden und vom Besen gefallen war. Vorsichtig entfernte der Schularzt mit einer Pinzette die restlichen Hautfetzen, die sich nicht durch das kalte Wasser gelöst hatten, desinfizierte die Wunde und legte dann ein hauchdünnes Tuch darüber, das er vorher mit einer blauen Tinktur getränkt hatte.

„Du hast Glück gehabt, mein Junge,", sagte der Arzt, „dass die Riesin dir nicht irgendein Hausmittelchen darauf geschmiert hat. So etwas ist bei frischen Brandwunden nur sehr schwer zu entfernen und behindert die Heilung."

„Wird es lange dauern, bis ich mich wieder richtig bewegen kann?", fragte Harry. Er machte sich Sorgen um die nächsten Tage, denn entweder musste er fliehen oder irgendeine Möglichkeit finden, Voldemort entgegen zu treten.

„Mach dir mal keine Sorgen. Für heute ist auf jeden Fall Schluß, denn du wirst hier bleiben. Ich muss dich unter Beobachtung stellen, denn bei so schweren Brandwunden kann es leicht zu einem Schock kommen. Aber die Tinktur wird über Nacht wirken, und morgen sehen wir nur noch eine leichte Rötung. Ab morgen früh springst du wieder herum, wie ein junger Gott."

Harry war erleichtert. Er sah in Sirius nachdenkliches Gesicht. Sirius hatte sich einen Stuhl genommen und vor die Liege gesetzt. Auch er blickte Harry an, aber Harry konnte nichts aus seinen Zügen lesen. Als der Arzt hinaus gegangen war, um der Krankenschwester zu sagen, dass sie ein Bett für Harry vorbereiten sollte, setzte sich Harry auf, ließ seine Beine von der Liege baumeln und sagte zu Sirius:

„Ich habe versagt, nicht wahr?"

„Ach Harry,", seufzte Sirius. „Nicht du hast versagt, wir haben versagt, und damit meine ich Albus, Remus und mich. Wie konnten wir nur glauben, dass, wenn wir dich ins Feld schicken, alle Probleme gelöst sind. Du hast richtig gehandelt."

„Sirius, ich konnte den Drachen nicht töten. Ich habe noch nie getötet! Gut ich habe mal eine Fliege erschlagen..."

„Mach dir deswegen keine Gedanken, Harry. Wir hätten nie verlangen sollen, dass du einen Drachen tötest."

„Aber Voldemort...", begann Harry aufs Neue, „er hat es auf mich abgesehen! Wie soll ich mich jetzt schützen? Ich kann mich doch nicht immer verstecken!"

„Ich weiß zwar noch nicht wie,", sagte Sirius, „aber wir werden einen Weg finden. Dumbledore und Lupin haben sich schon zu einer Beratung zurückgezogen. Wir werden zu deinem Freund Henry Kontakt aufnehmen. Vielleicht finden sie eine andere Lösung."

„Das klingt nicht sehr überzeugt.", stellte Harry fest und Sirius konnte nur mit dem Kopf nicken. Der Schularzt kam wieder herein.

„Harry, wir haben ein schönes Zimmer für dich gefunden. Da wirst du heute Nacht schlafen, und morgen ist alles wieder in Ordnung. Jetzt werde ich dir noch ein leichtes Schlafmittelchen zusammen mixen. Wann du es einnimmst überlasse ich dir, aber du solltest es nehmen, denn der Schmerz-Trank wird nicht ewig anhalten."

Harry sah ihn dankbar an und nickte.

„Da sind auch noch ein paar Leute, die dich besuchen wollen.", fuhr der Arzt fort. „Möchtest du sie empfangen?"

„Ja gerne.", antwortete Harry. Er setzte sich wieder auf die Liege und der Arzt stellte das Kopfteil so hoch, dass Harry sich anlehnen konnte. Dann ging der Arzt zur Tür und rief hinaus:

„Ihr könnt reinkommen!"

Sirius stand von seinem Stuhl auf.

„Ich werd mal gehen, Harry", sagte er. „Ich denke, du brauchst mich im Moment nicht mehr. Wenn du willst, komm morgen zu mir und wir reden noch einmal darüber. Wahrscheinlich wissen wir dann auch mehr. Machs gut, Harry!"

Er legte Harry seine Hand auf den Arm, zögerte kurz und verließ dann das Krankenzimmer. Kaum war er draußen, stürmten Ron und Hermine herein.

„Mensch Harry", rief Ron. „Das war ein klasse Kampf, aber warum hast du nicht zugestoßen?"

Ron zog noch einen zweiten Stuhl herbei und setzte sich auf die andere Bettseite, während Hermine den Stuhl von Sirius nahm. Harry lächelte verbittert.

„Hättest du es getan?", fragte er und sah Ron sehr direkt an. Ron schaute verdutzt zurück.

„Äh,...weiß ich nicht....", sagte er. Aber hartnäckig fragte er noch einmal: „Warum hast du es nicht getan?"

„Ich weiß nicht, wie ich es dir erklären soll...ein Drache ist ein Lebewesen, noch dazu eines, das sehr sehr lange lebt. Ich glaube auch nicht, dass ein Drache bösartiger ist, als irgend ein anderes Tier und wie ich ihn vor mir liegen sah, hat er mich an einen Elefanten erinnert. Das ist auch ein Tier, das ausgerottet wird, weil wir Menschen es nicht verstehen, weil wir Angst haben. Und mir sind all die Sätze eingefallen, die Charly und Hagrid gesagt haben, und außerdem: Ich habe noch nie ein Tier getötet!"

„Ich fand es richtig, was Harry gemacht hat.", sagte Hermine. Harry schaute zu Hermine hinüber und lächelte.

„Ich muss dir noch danken.", sagte er. „Wenn du mich nicht gewarnt hättest, wäre ich jetzt ein verspeistes Grillhähnchen."

„Wir sind doch mitgegangen, um auf dich aufzupassen. Hast du gesehen, wie Viktor angeschossen kam. Ich habe fast gedacht er stürzt ab."

Hermine war stolz auf Viktor, das sah man ihr an. Ron rümpfte die Nase. Er hatte nichts dazu beigetragen und kam sich jetzt ein bisschen überflüssig vor. Er hatte zwar auch gesehen wie der Drache durch die Wolken gestoßen war, er hatte auch genao so wie die Anderen geschrien, aber nur Hermine war auf die Idee gekommen, den „Sonorus"-Spruch zu verwenden. Harry bemerkte, was in Ron vor sich ging. Er streckte beide Hände aus und legte sie in die seiner Freunde.

„Wenn ich euch beide nicht hätte...", sagte er. „Wie oft wäre ich dann schon unter der Erde!"

Ron musste bei der Vorstellung grinsen. „Du hättest einen starken Wiederbelebungszauber haben müssen, wenn man dich mehrmals hätte beerdigen sollen."

„Wie soll es denn jetzt weiter gehen?", fragte Hermine.

„Ich weiß nicht.", antwortete Harry leise. „Ich glaube, wir sollten alle wieder nach Hause. Hogwarts scheint sicher zu sein, dann kann ich halt dieses Jahr nicht nach Hogsmead und vielleicht brauche ich dann in den Ferien nicht mehr zu meinem Onkel fahren. Ist auch eine Überlegung wert..."

„Harry!", schimpfte Hermine. „Du kannst dich nicht in Hogwarts vergraben! Was willst du für ein Leben führen? Ständig unter Kontrolle von Miss Norris oder vielleicht als Ferienfreund von Professor Snape?"

Harry schüttelte sich bei dem Gedanken. Wenn er an Miss Norris, die Katze des Hausmeisters Mr. Filch dachte, dann fühlte er sich sogar hier, auf der Liege der Krankenstation beobachtet. Miss Norris schlich auf leisen Sohlen durch die Schule und tauchte immer dann auf, wenn man sie gar nicht brauchen konnte, und da sie anscheinend telepatische Kräfte mit Mr. Filch verband, dauerte es oft nicht lange und der Hausmeister war auch zur Stelle. Wie oft haben sie von diesem Ekel Strafarbeiten aufgebrummt bekommen!

„Und wenn wir noch mal zu diesem Henry fahren...", schlug Ron vor.

„Stimmt, Henry wollte sich noch einmal melden.", bemerkte Harry. „Ich kann mir nicht denken, dass er etwas herausgefunden hat. Aber ich könnte ihn anrufen. Du, Ron, magst du mir meine Umhängetasche aus unserem Zimmer holen?"

Ron nickte und lief los. Nach wenigen Minuten kam er etwas außer Atem wieder in die Krankenstation. Harry war nicht mehr im Behandlungszimmer und Ron muste erst nach dem Zimmer suchen, auf das Harry verlegt worden war. Aber er fand ihn und legte die Tasche auf Harrys frischbezogenes und ein wenig nach Waschmittel duftendes Bett. Harry holte aus der Tasche die Figur, drückte auf den Bauch und sagte Henrys Namen. Die Figur begann zu glimmen und, als sie eine Verbindung aufgebaut hatte, hell und grün zu leuchten.

„Harry?", sprach die Figur mit Henrys Stimme.

„Hallo Henry! Eine gute und eine schlechte Nachricht!"

„Die schlechte zuerst!", sagte Henry.

„Wir haben den Drachenstein nicht! Und die Gute ist, dass ich den Drachen besiegt und das Ganze auch noch überlebt habe."

„Erzähl!", war wieder die Stimme von Henry zu hören. Harry berichtete kurz vom Kampf und sagte auch, dass er es nicht übers Herz gebracht hatte, den Drachen zu töten.

„Tja!", hörten sie Henry auf der anderen Seite ratlos sagen. „Was nun?"

„Hast du noch etwas herausgefunden?", fragte Harry.

„Kann ich frei sprechen?", fragte Henry zurück.

„Ja, warum nicht? Es sind nur Ron und Hermine da." Im selben Augenblick wurde Harry klar, dass Ron kein Eingeweihter war. Das war komisch, hatte er doch sonst vor Ron nie ein Geheimnis gehabt.

„Ach, Ron? Hallo Ron, Harry hat mir viel von ihnen erzählt. Hallo Hermine!"

„Hallo Mr. Henry!", sagte Ron.

„Ron, er heißt Mr. Perpignan!", verbesserte ihn Hermine.

„Also,", hörten sie Henry sprechen, „Ich habe noch einmal mit einigen...Kollegen...äh gesprochen. Das einzige, das ähnlich wirkt, wie ein Drachenstein, der einem von dir getöteten Drachen entnommen wurde, ist ein Drachenstein von einem Drachen, der auf natürliche Weise gestorben ist, und dessen Stein noch nie von einer Zaubererhand berührt wurde. Aber du kannst dir vorstellen, wie häufig man über das Gerippe eines natürlich verstorbenen Drachen stolpert. Da kannst du dir ausmahlen, wie groß unsere Chancen sind..."

„Oh, ja!", sagte Harry und klang beinahe schon sarkastisch.

„Was willst du jetzt machen?", fragte Henry.

„Ich werd erst einmal meine Wunden pflegen.", antwortete Harry. „Und dann müssen wir uns mit Professor Dumbledore beraten. Vielleicht fällt ihm ja noch etwas ein. Was macht denn übrigens Lord Voldemort?"

„Wir wissen jetzt definitiv, dass er in Rumänien ist. Du kannst davon ausgehen, dass er den Drachenkampf beobachtet hat. Vielleicht hat er dich ja sogar beeinflusst, mental meine ich, und du konntest deswegen den Drachen nicht töten. Wenn ich das richtig verstanden habe, muss dein Sieg ja auch sehr überraschend gewesen sein. Vielleicht hat er ja auch geglaubt, der Drache würde dich erledigen!"

„Da hat er sich getäuscht!", sagte Harry. „So schnell bin ich nicht klein zu kriegen!"

„Harry, du bist schon ein Knaller! Aber mach weiter so. ... Sei vorsichtig, wenn du die Burg verläst. Ich fürchte, Voldemort wartet nur auf eine Gelegenheit, dich anzugreifen. Pass auf dich auf!"

„Mach ich Henry. Der soll sich nur die Beine in den Bauch stehen. Ich hab Zeit."

„Gut Harry. Sobald ich was neues weiß, melde ich mich wieder. Und du auch, ja?"

„Ist gut Henry. Tschüß"

Die Figur verblasste wieder und die Verbindung erlosch. Harry steckte sie in die Tasche zurück, holte einmal tief Luft und ließ sich dann in die Kissen zurück sinken.

„Ich glaub, ich möchte mich jetzt ein bisschen ausruhen...", sagte er. „Seid mir nicht böse, wenn ich euch jetzt raus schmeiße. Morgen bin ich wieder fit."

„Kein Problem!", sagte Ron. Hermine nahm Harrys Hand, drückte sie, sah Harry noch einmal ganz lieb an und sagte: „Gute Besserung."

Dann verließen sie das Zimmer. Harry griff nach der Flasche mit dem Schlaftrank. Er zog den Korken heraus und nahm einen tiefen Schluck. Dann lehnte er sich zurück. Der ganze Tag ging ihm noch einmal durch den Kopf. Bei dem Vorfall im Zaubertrankunterricht musste er grinsen. Eigentlich war es sogar sehr komisch gewesen. Sein Gespräch mit Sirius fiel ihm wieder ein. ‚ Sieh zu, dass ihr Freunde bleibt', hatte er gesagt. Er hatte vor Ron ein Geheimnis, eines dass er niemals lüften durfte. Was würde das mit ihrer Freundschaft machen, würde sie es aushalten?

Seine Gedanken schweiften zu dem Moment, als er vor dem ohnmächtigen Drachen stand. Warum traute er sich nicht, den entscheidenden Stoß zu machen? War er feige? Das kann es nicht gewesen sein. Er hatte sich dem Drachen gestellt. Und damit mehr als Mut bewiesen. Was dachte Dumbledore jetzt? Und was Sirius.

Langsam wurde Harry müde. Noch einmal kam das Bild vor seine Augen, wie Ron und er in der Quidditch-Halle gestanden hatten, ihr Haar langsam zu einem hohen Berg gewachsen war. Sie hatten das Gespenst von Durmstrang gesehen. Wieder lächelte Harry. Was hatte es noch gesagt? ‚ Ich weiß etwas, das dich interessieren könnte', was meinte es damit? Gab es hier auf Durmstrang jemanden, der gegen ihn arbeitete? Bisher waren alle ziemlich freundlich gewesen und der Streich mit den Haaren war nun wirklich als ein Schülerstreich zu werten. Was wollte das Gespenst ihm sagen? Er musste noch einmal versuchen, es heraus zu locken und mit ihm sprechen.

Dann wurden seine Gedanken wirr. Immer wieder tauchten Traumbilder auf, die die Gedanken verdrängten. Wenn er aus einem solchen Traumbild wieder auftauchte, hatte er das Gefühl zu erwachen, nur um im nächsten Moment wieder in ein solches Traumbild abzutauchen. Er begann nur noch zu träumen, und irgendwann war auch kein Traum mehr da, er schlief.

***

Das Schlafmittel schaltete Harry für sechzehn Stunden aus. Als er erwachte, fühlte er sich ausgeruht und schlug sofort die Augen auf. Es war schon hell, aber durch den trüben und Wolkenverhangenen Himmel konnte er überhaupt nicht einschätzen, wie lange er geschlafen hatte. Seine Schulter tat nicht mehr weh, und als er vorsichtig mit der Hand nach seiner Wunde tastete, fühlte er unter dem dünnen Verband keinen Schmerz mehr. Es kribbelte ein wenig, als er mit dem Finger über seine Schulter strich, so als würde Sand über die Haut rieseln.

Harry setzte sich auf, Ein dringendes Bedürfnis trieb ihn aus dem Bett. Er fand ein paar weiche Filzpantoffeln vor einem Stuhl, auf dem ordentlich zusammengefaltet seine Kleider lagen. Irgendjemand musste ihn gestern noch ausgezogen und in ein langes weißes Nachthemd gesteckt haben. Er schlüpfte in die Pantoffeln und schlurfte aus dem Zimmer. Den Gang war er gestern schon entlang gelaufen, und er meinte sich erinnern zu können, dass in der Mitte des Flures links zwei Türen abgingen, die einen Jungen und ein Mädchen zeigten. Er steuerte darauf zu und fand seine Vermutung bestätigt.

Nachdem er sich erleichtert hatte, verspürte er auf einmal Hunger. Am Ende des Ganges sah er auf der Seite eine große Glasscheibe in der Wand und eine offenstehende Tür. Wahrscheinlich saß dort die Krankenschwester. Harry ging hin, sah sie durch die Glasscheibe und klopfte an die offenstehende Tür. Die Krankenschwester, die an ihrem Schreibtisch saß, schaute auf und lächelte Harry an.

„Na, ausgeschlafen?", fragte sie freundlich.

Harry nickte. „Ich habe Hunger", sagte er.

„Dann lassen sie uns mal nach der Wunde sehen. Ist sie verheilt, können wir sie direkt entlassen und sie können zum Frühstück in die Mensa gehen. Ok?"

Wieder nickte Harry. Er wurde von ihr gebeten, sich auf die Liege zu setzen und sein Nachthemd auszuziehen. Wenigstens hatten sie ihm die Unterhose gelassen, sonst wäre es ihm peinlich gewesen. Die Krankenschwester entfernte vorsichtig das hauchdünne Tuch und besah sich eingehend die Stellen, die gestern noch krebsrot und hautlos geglänzt hatten. Es hatte sich neue, rosa Haut gebildet, die nur etwas dunkler war, als das umliegende Gewebe.

„Sieht gut aus, Harry.", bemerkte sie. „Ich werde jetzt noch etwas Salbe darauf schmieren, damit die Farbe auch wieder normal wird, dann können sie sich anziehen und hinunter gehen."

„Danke.", sagte Harry, ließ geduldig die Prozedur über sich ergehen und begab sich dann in sein Krankenzimmer, um sich anzuziehen. Fünf Minuten später saß er in der Mensa und hatte einen Berg Rührei, mehrere Brötchen und Marmelade vor sich stehen. Aus einer große Tasse dampfte der Kakao. Die Uhr in der Mensa zeigte siebenuhrfünfundvierzig, er war also noch vor den Schülern hier, die gewöhnlich um viertel nach acht zum Frühstück kamen. Er genoss die Ruhe des großen Raumes und den Blick nach draußen. Es war zwar etwas trübe, aber es regnete nicht. Die Wälder lagen dunkel und geheimnisvoll um den See herum und die schneebedeckten Gipfel der Berge tauchten ihre Spitze in die graue Watte der Wolken.

Harry war eigenartig entspannt. Er hatte das Schlafmittel in Verdacht, dass es ihn nicht nur unaufhaltsam in den Schlaf gezwungen, sondern auch alle Nervosität und seine Angst vor Lord Voldemort weggenommen hatte. Sein Kopf war über alle Maße klar. Er dachte an den Drachenkampf und musste für sich feststellen, dass er richtig gehandelt hatte. Niemals hätte er den Drachen töten können. Das hätte er nie mit seinem Gewissen vereinen können, nicht einmal Lord Voldemort konnte er töten, denn auch er war ein Lebewesen. Was er allerdings mit Voldemort jetzt anfangen sollte, blieb ihm rätselhaft. Wie lange konnte er sich vor seinem Gegner verstecken? Konnte er auf die Hilfe von Dumbledore zählen? Konnte der überhaupt helfen? Dann fiel ihm wieder das Gespräch mit dem Gespenst ein und er beschloß, nach dem Frühstück hinuter zu gehen, in die Halle, und zu versuchen das Gespenst hervorzulocken.

Die Mensa füllte sich langsam mit verschlafen aussehenden Schülern und keiner nahm Notiz von ihm. Ron und Hermine kamen sehr spät und als sie Harry in der Mensa erblickten, sahen sie ihn gespielt vorwurfsvoll an. Sie hatten ihn in der Krankenstation gesucht und von der Schwester den Hinweis erhalten, er sei schon frühstücken gegangen.

„Hallo Harry, wieder fit?", fragte Ron, als er sich an den Tisch setzte. Harry nickte.

„Alles wieder verheilt?", fragte Hermine.

„Alles", antwortete Harry. Ihm war nicht besonders nach Unterhaltung zu Mute, und so schleppte sich das Gespräch mühsam über das Frühstück.

„Wollen wir heute noch einmal am Unterricht teilnehmen?", schlug Hermine vor.

„Du kannst nichts Anderes als lernen!", sagte Ron. Hermine warf ihm einen missbilligenden Blick zu.

„Ich finde es sehr interessant, zu sehen, wie es an anderen Schulen läuft.", sagte sie herablassend.

„Tut mir leid Leute", meldete sich Harry. „Ich muss noch ein wenig nachdenken. Ich komm nicht mit."

„Willst du etwa alleine bleiben?", fragte Ron, der ahnte, dass ihm nur die alternativen Langeweile oder Unterricht blühten.

„Sei mir nicht böse, Ron, aber ...", fing Harry an, wurde aber von Ron unterbrochen.

„Ich versteh schon. Du willst deinen Sieg auskosten!"

Harry entging die Spur von Verbitterung in Rons Stimme nicht.

„Was ist los, Ron? Ich muss einfach nachdenken, wie es weiter gehen soll, zum Beispiel!"

„Lass dich nicht stören!", war Rons knappe Antwort. Dann wandte er sich an Hermine. „Was gibt es denn?"

„Kräuterkunde und Verwandlung, und heute Nachmittag gehen wir in den Wald, um magische Pflanzen zu bestimmen.", antwortete sie.

„Das geht ja noch. Ich hatte schon befürchtet, dass sie heute Geschichte der Zauberei oder so etwas langweiliges geben.!"

Harry war noch nicht fertig mit Ron. Ihn störte die Angriffslust in Rons Stimme.

„Was ist los mit dir, Ron? Habe ich dir etwas getan?"

„Nee.Aber du spielst mal wieder ganz groß den Helden. Brauchst du das? Wir bewundern dich doch alle schon genug!"

Ron hatte die letzten Worte ziemlich abfällig gesprochen. Harry war sehr erstaunt. Er hatte gar nicht damit gerechnet, dass Ron jetzt ausklinken würde. War er etwa eifersüchtig?

„Ron, ich versteh nicht, was du willst!", sagte er eindringlich.

„Wenn du schon nachdenken musst, kannst du ja auch darüber nachdenken.", sagte Ron und stand auf. Er ging zur Tür.

„Was hat Ron?", fragte Harry und sah Hermine an. Sie runzelte die Stirn.

„Keine Ahnung!" Hilflos hob sie die Schultern. „Aber ich glaube, er hat ein Problem damit, dass du ständig ins Rampenlicht gerückt wirst. Ich glaube, Ron möchte auch mal im Mittelpunkt stehen."

„Ach das Spiel!", seufzte Harry und verdrehte die Augen. „Hatten wir das nicht schon letztes Jahr?"

„Na komm Harry, da warst du auch nicht unbeteiligt dran."

Harry kräuselte die Mundwinkel.

„Ja, schon gut...Ich gestehe. Meinst du, er beruhigt sich wieder?"

„Wart es mal ab.", sagte Hermine beschwichtigend. „Ihr seid doch Freunde und irgendwann lässt er wieder mit sich reden. Lass ihm ein bisschen Zeit. ... Du kommst wirklich nicht mit?"

„Nein. Geh du nur. Ich bin froh, wenn ich ein wenig Ruhe finde."

Harry lächelte unsicher. Ein Streit mit Ron kam ihm jetzt äußerst ungelegen. Hermine ging hinaus und lief hinter Ron her. Harry trank noch einen Schluck des inzwischen kalt gewordenen Kakaos, dann stand auch er auf. Sollte er noch bei Sirius vorbei schauen? Harry überlegte. Eigentlich trieb ihn die Neugier in die Quidditch-Halle. Auf der anderen Seite war es wichtig, herauszufinden, was Sirius, Dumbledore und Lupin besprochen hatten. Harry entschloß sich bei Sirius vorbei zu schauen, es aber so kurz wie möglich zu machen. Also ging er hinauf in den Turm und klopfte an Sirius Tür. Niemand öffnete. Harry klopfte noch einmal, wartete kurz und wollte sich gerade zu gehen wenden, als sein Blick auf einen zusammengefalteten Zettel fiel, der in Höhe der Klinke zwischen Tür und Rahmen eingeklemmt war. Harry zog neugierig den Zettel heraus und faltete ihn auseinander. Es war eine Nachricht, die an ihn gerichtet war.

Hallo Harry,

falls du mich suchst, ich bin bei einer Besprechung mit Albus und Remus in Dumbledores Räumen. Wie du dort hin kommst, siehst du auf der Karte. Würde mich freuen, wenn du kommen könntest, wir haben wichtiges zu besprechen.

Gruß Sirius

P.S. Tut mir leid, aber ich bin kein so guter Kartenzeichner.

Unten auf dem Zettel waren einige Striche gekrakelt, aber Harry konnte annähernd erkennen ob es sich um einen Flur oder ein Treppenhaus handelte und er machte sich auf den Weg. Jetzt musste er seine Neugier erst einmal unterdrücken, das Gespenst lief ja nicht weg, und vielleicht war es auch nicht so wichtig, was es zu sagen hatte. Harry kannte Geister von Hogwarts zur Genüge und hatte auch ein Gefühl dafür, was sie wichtig fanden und was nicht. Ein deutliches Beispiel dafür war die maulende Mytrhe, die sich in den Schüsseln ihres Mädchenklos vergrub und es als eine persönliche Beleidigung empfand, wenn man sie durch das Klo spülte.

Harry folgte der Karte und fand, dass Sirius sie zwar nicht besonders schön, aber doch sehr genau gezeichnet hatte. An den wichtigsten Stellen hatte er Kommentare dazu geschrieben, und so fand er die Wohnung von Professor Dumbledore auf Anhieb. Als er geklopft hatte, wurde die Tür geöffnet und Dumbledore bat ihn herein. Er war nicht im mindesten überrascht, dass Harry vor ihm stand, im Gegenteil, er begrüßte ihn mit:

„Hallo Harry! Komm herein, wir haben dich schon erwartet. Wieder gesund?"

„Hallo", antwortete Harry, „ja, es ist alles verheilt."

Dumbledore legte Harry väterlich die Hand auf die Schulter und führte ihn zu dem großen Schreibtisch, vor dem Sirius und Lupin saßen. Harry setzte sich auf den dritten, freien Stuhl und Dumbledore nahm in dem hochlehnigen Sessel hinter dem Schreibtisch Platz. Sirius nickte Harry lächelnd zu und Remus Lupin hob die Hand zum Gruß.

„Ja, Harry", begann Dumbledore, „wir diskutieren nun schon eine ziemlich lange Zeit über die Maßnahmen, die wir in Zukunft ergreifen müssen. Vorweg möchte ich eines schicken, Harry, du musst dir jetzt keine Vorwürfe machen, weil du den Drachen nicht getötet hast. Es war uns ein großes Vergnügen, zuzusehen, wie du den Drachen fertig gemacht hast. Wir drei können deine Beweggründe durchaus nachvollziehen und zu deiner Beruhigung sei gesagt, dass der Drachenstein nur eine Möglichkeit, vielleicht die naheliegenste und, wie wir hofften, die einfachste war. Nun gut, es hat nicht sein sollen. Du hast dich wacker geschlagen und dafür verdienst du in jedem Falle Respekt."

Harry hörte zwar die Worte, er konnte aber nicht so ganz glauben, dass sich bei den Dreien keine Enttäuschung breit gemacht hatte.

„Wir haben fürs Erste ein paar Maßnahmen beschlossen.", fuhr Dumbledore fort. „Zunächst müssen wir sicherstellen, dass dir nichts passiert. Es ist ratsam, dass immer ein ausgebildeter und mächtiger Zauberer in deiner Nähe ist, sobald du dich aus dem Schutz der Schulen begiebst. Das heißt, dass ich deinem Onkel einen Brief schreiben werde, in dem ich ihn bitte, die Erlaubnis zu erteilen, dich bei deinem Paten unter zu bringen."

Harry sprang auf und starrte Dumbledore entgeistert an. Als er begriffen hatte, was er gesagt hatte, konnte Harry nur mit Mühe verhindern, dass er sofort losjubelte. Er begann, über das ganze Gesicht zu strahlen. Dumbledore machte eine kurze Pause, um Harry genügend Zeit zu lassen, sich zu freuen. Es war einiges zu ihm durchgedrungen, das im Ligusterweg passiert war, und so gönnte er Harry die Freude. Dann verfinsterte sich Harrys Miene wieder.

„Was ist mit Sirius? Kann ich überhaupt bei ihm wohnen? Er wird doch noch gesucht!"

„Ganz so schlimm ist es nicht, Harry", antwortete Sirius. „Wir haben die mündliche Zusage vom Ministerium, dass mein Verfahren endgültig eingestellt ist. Es kann nur noch ein paar Tage dauern, bis ich eine schriftliche Mitteilung bekomme. Und dann bin ich frei!"

„Endlich!", seufzte Harry erleichtert.

„Die übrige Zeit", begann Dumbledore wieder, „wirst du dich etwas einschränken müssen. Die Ausflüge nach Hogsmead müssen wir leider streichen. Es ist zu gefährlich, dich in das Dorf zu lassen. Und auch sonst kann ich nicht zulassen, dass du das Schulgelände verlässt."

Harry nickte zustimmend. Er hatte damit schon fast gerechnet, und so überraschte es ihn nicht. Diesmal war er sich der Gefahr bewusst und hatte auch nicht unbedingt das Bedürfnis, sich heimlich aus der Schule zu schleichen.

„Ja und dann müssen wir uns überlegen, wie wir mit Voldemort fertig werden.", fuhr Dumbledore fort. „Die Tatsache, dass er seine Macht durch den Zauberstab enorm vergrößert hat, können wir nicht weg diskutieren."

„Gibt es denn überhaupt eine Möglichkeit, gegen den Zauberstab etwas zu unternehmen?", fragte Harry. Langsam machte sich wieder sein schlechtes Gewissen in ihm breit.

„Tja, das ist gar nicht so einfach. Wir können, um nur einmal ein Beispiel zu nennen, keinen Expelliarmus mehr verwenden. Der Zauberstab hängt praktisch an einer magischen Kette und ist ihm nicht weg zu nehmen."

„Mit einer weiteren Schwierigkeit müssen wir auch rechnen!", sagte Remus Lupin. „Wenn er einen Fluch auf einen von uns schickt, wird der Fluch unweigerlich ankommen. Weglaufen nützt nichts."

„Wir müssen wesentlich wirksamere Schutzzauber anwenden", sagte Sirius, „als wir bisher verwandt haben. Es wäre zu überlegen, inwieweit wir auf das Wissen von Merlin oder vielleicht noch älteren Zauberern zurückgreifen müssen."

„Ich sehe schon", meinte Dumbledore heiter, „wir müssen wie unsere Schüler wieder die Schulbank drücken. Wollen wir heute Nachmittag die Bibliothek heimsuchen? Ich glaube, dass Professor Brancusi nichts dagegen hat, wenn wir uns in der geheimen Abteilung umschauen."

Alle stimmten zu, nur Harry hielt sich bedeckt. Große Lust auf das Wälzen von Büchern hatte er nicht gerade. Sie diskutierten noch einige Stunden, wogen verschiedene Strategien gegeneinander ab, versuchten die Sache von dieser und von jener Seite zu beleuchten. Aber zu einem Ergebnis kamen sie nicht. Dumbledore hatte literweise Tee und eine Dose mit Plätzchen kommen lassen, jetzt konnten sie nicht mehr. Die Mittagszeit war außerdem angebrochen und sie beschlossen, eine Pause zu machen und danach in die Bibliothek zu gehen. Harry konnte nicht in die geheime Abteilung mitkommen, was ihm nur zu recht kam. Schließlich hatte er noch vor, in die Quidditch-Halle zu gehen.

Ron und Hermine planten, nachmittags mit in den Wald zu gehen. Die Unterrichtsstunden erwiesen sich als angenehm interessant und als sie sich beim Essen in der Mensa mit Harry trafen, sagte Hermine, dass sie gute Lust hätte, einmal ein Jahr hier zur Schule zu gehen. Ron war ziemlich schweigsam beim Essen, richtete, wenn überhaupt nur ein paar Worte an Hermine und sah Harry kaum, und höchstens verstohlen an. Nach einer dreiviertel Stunde brachen sie auf und versammelten sich im kleinen Hof der Burg.

Harry holte aus seinem Zimmer den Besen. Wenn er schon in die Halle ging, dann konnte er noch ein bisschen trainieren. Schließlich fiel dieses Jahr das Quidditch-Turnier in Hogwarts nicht aus und es konnte nicht schaden, das, was er von Viktor gelernt hatte, zu vertiefen. Und er hoffte, mit seinen Flugkünsten das Gespenst wieder hervor zu locken, denn er wollte unbedingt noch erfahren, was es ihm mitzuteilen hatte.

Er begab sich zu dem Aufzug, nannte sein Ziel und fuhr in die düstere Halle hinunter. Beim Mittagessen hatte er Viktor gefragt, wie man das Licht an- und ausschalten konnte und Viktor hatte es ihm erklärt. Jetzt hob Harry den Zauberstab und setzte den Spruch ab. Das Licht erglühte strahlend hell. Die Halle war leer, von dem Gespenst war nichts zu sehen, also schwang sich Harry auf den Besen und flog ein paar Runden. Immer wieder begab er sich in den Sturzflug und probte der Wronski-Bluff, aber er konnte feststellen, dass er ihn gelernt hatte und mit großer Sicherheit beherrschte.

Nachdem er noch einige Runden durch die Halle mit der Schraube gedreht hatte, landete er. ‚Es hat keinen Zweck!', dachte er und löschte das Licht. Bevor er mit dem Aufzug nach oben fuhr, trieb ihn die Neugier noch in das Foyer. Er wollte wissen, was sich hinter den Vorhängen verbarg. Als er einen der schweren Stoffe beiseite zog, konnte er durch ein großflächiges Fenster auf den See schauen. Er befand sich nur noch wenige Meter über der Wasseroberfläche und blickte auf eine weitläufige Terrasse, die an einer Stelle in einer breiten Treppe hinunter zum Wasser führte. Wenn er seine Nase an der Scheibe plattdrückte konnte er den Steven des Schiffes sehen.

Harry ging das Halbrund des Foyers entlang und schaute hinter andere Vorhänge. Zwei von ihnen verdeckten große, gläserne Flügeltüren, durch die man auf die Terrasse kommen konnte. Auf der anderen Seite des Sees erkannte Harry die Schüler, wie sie nach einer Wanderung um den See gerade in den Wald eintauchten. Wieder fiel ihm Ron ein. Er musste unbedingt mit ihm reden, bevor es wieder soweit kam, dass sie wochenlang kein Wort mehr miteinander sprachen. Vielleicht half ihm dabei Hermine.

„Schöne Aussicht, nicht wahr?", hörte er plötzlich eine dünne Stimme hinter sich. Harry fuhr herum und sah vor sich den durchscheinenden, blassen Körper des Gespenstes in der Luft schweben.

Fast erfreut sagte er: „Hallo, ich hab dich schon gesucht. Hab gedacht, du traust dich nicht!"

„Ich mag das helle Licht nicht so sehr. Als Geist bevorzuge ich die Dunkelheit."

„Da habe ich ja richtig Glück gehabt, dass ich noch hier hereingeschaut habe.", sagte Harry.

„Ja, das ist ein schöner Raum. Ich kann mich noch gut an unsere großen Spiele erinnern. Wenn wir gewonnen haben, gab es hier immer ein Buffet. Bei schönem Wetter spielten sie draußen Musik und wir haben auf der Terasse getanzt. Ja, damals gab es noch meine Romania. Das waren schöne Zeiten."

„War das deine Freundin?", fragte Harry.

„Ja,...und wie schön sie war. Sie hat meinen Tod nicht gut überstanden. Sie ist in tiefe Depressionen gefallen und kam schließlich in eine geschlossene Anstalt."

„Wie bist du gestorben? ...wenn ich das fragen darf?"

„Du darfst. Ein Klatscher hat mich vom Besen gefegt. Leider war ich ganz oben in der Halle und bin fast 50 Meter tief gefallen. Das war ein kleines bisschen zu viel."

„Aua!", sagte Harry und verzog bei der Vorstellung das Gesicht. Auch er war schon mal vom Besen gefallen und reichlich tief gestürzt. Und mit einem Klatscher hatte er auch schon Bekanntschaft gemacht, als Dobby, der Hauself versucht hatte, ihn durch die Verzauberung der Kugel aus Hogwarts zu vertreiben.

„Du sag mal", begann Harry nach einer kurzen Pause. „Was wolltest du mir denn gestern sagen?"

„Wollte ich dir was sagen?", fragte das Gespenst und runzelte die Stirn. „Was war es denn noch? Helf mir mal."

Harry überlegte kurz, dann sagte er:

„Wir hatten dir gerade erzählt, dass ich gegen den Drachen kämpfen muss, und du hast gesagt, dass du noch etwas wüsstest, was mich interessieren würde. Was war das?"

Das Gesicht des Gespenstes hellte sich auf.

„Ja, stimmt.", sagte es. „Um den Drachen ging es. Weist du, ich als Gespenst komme hier unten ja ein bisschen herum, ich habe ja Zeit. Und Wände, egal, wie dick sie sind, machen mir ja auch nichts. Vor dreißig Jahren war das, glaube ich – ach ich habe gar kein Gefühl mehr für die Zeit... - ist auch egal. Vor vielleicht 30 Jahren habe ich mal Langeweile gehabt. Und da wollte ich ausprobieren, ob ich durch den Felsen bis zur anderen Seite des Berges kommen kann. Das ist so ein schönes Gefühl, man spürt fast den rauen Fels. Das ist nahezu so, als hätte man noch einen Körper. Heute mach ich das fast jeden Tag. Äh, wo war ich stehengeblieben?"

„Dass du vor dreißig Jahren durch den Berg wandern wolltest!", sagte Harry etwas ungeduldig.

„Ach ja, genau... Ja, ich schwebe da also durch den Felsen, vorbei an herrlich glänzenden Quartz-Adern, weißt du eigentlich, dass es da kleine Löcher im Fels gibt, in denen die herrlichsten Kristalle wachsen?"

Harry schüttelte den Kopf. ‚Komm zum Thema', dachte er.

„Nicht so ungeduldig, junger Mann. ... Also, um es kurz zu machen. Ich bin also durch den Felsen geschwebt und mit einem Mal bin ich in einer Höhle gelandet. Nicht so groß, wie diese, viel kleiner. Und nun rate mal, was ich in dieser Höhle gesehen habe?"

„Äh,..Edelsteine?", fragte Harry.

„Nein!... Du wolltest doch einen Drachen töten! Denk mal nach!"

„Einen Drachen?", fragte Harry und wurde mit einem Mal aufmerksam.

„Einen toten Drachen!", rief das Gespenst. „Ein herrliches Drachengerippe! Der muss schon viele hundert Jahre da drinnen liegen."

„Hat das Gerippe etwa noch einen Drachenstein?", fragte Harry aufgeregt.

„Natürlich!", antwortete das Gespenst und sah Harry schelmisch an. „Und wie schön der leuchtet, so schön blau, und so hell, das man jede Einzelheit in der Höhle erkennen kann."

„Wo ist die Höhle?", rief Harry und wollte das Gespenst am Arm anfassen. Er griff ins leere.

„Komm mit!", sagte das Gespenst und schwebte in die Halle. Ehe Harry noch etwas sagen konnte war es in der Tribüne verschwunden. Ratlos stand Harry auf dem Quiditch-Feld und starrte hinter dem Gespenst her. Nach einer Weile kam es wieder aus der Tribüner heraus.

„Entschuldige...", sagte es. „Ich habe vergessen, dass du noch lebst. Wie kommen wir jetzt dahin?"

„Gibt es einen Ausgang der Höhle?"

„Ja, aber da liegen dicken Brocken davor. Er ist verschüttet"

„Wie finde ich den Ausgang, ich meine von Außen?"

„Du musst zum Fuß der Brücke, und dann, wenn du auf die Burg schaust, nach links. Müssten etwa dreihundert Schritte sein, genau kann ich es nicht sagen, ich laufe nicht mehr."

„Mensch, das ist die Lösung. Wenn wir es schaffen an den Stein zu kommen, dann haben wir den Schutz vor Voldemort!" Harry war äußerst aufgeregt. „Danke dir. Ich muss sofort zu Dumbledore!"

Harry lief zum Aufzug und fuhr hinauf. Zuerst wollte er sich zu Dumbledores Wohnung wenden, dann, als er schon im Turm die Treppe hochhetzte, fiel ihm ein, dass Dumbledore von der Bibliothek gesprochen hatte. Er wandte sich auf dem Absatz um, stürmte die Treppe hinunter, lief durch die Flure, um jemanden zu finden, der ihm erklären konnte, wie man hier die Bibliothek finden könne, fand aber niemanden und setzte sich, als er keinen Weg mehr wusste auf die unterste Stufe im Haupt-Treppenhaus.

Wen konnte er noch fragen? Die Flure waren wie ausgestorben. Vielleicht wusste ja die Stimme in der Mensa, wie man zur Bibliothek kam. Also sprang er wieder auf, hetzte die Treppe in den ersten Stock hinauf und lief in die Mensa.

„Wo finde ich die Bibliothek?", rief er in den Raum. Keine Antwort. Harry überlegte. Die Stimme hatte auf die Frage reagiert, was es denn zu Essen gäbe. Also versuchte er es erneut.

„Was gibt es denn noch zu essen?", fragte er.

Die bekannte Frauenstimme meldete sich.

„Wünschen sie noch etwas von der Mittagskarte, oder interessieren sie sich für die Abendkarte?", fragte sie.

„Äh, nein, eigentlich möchte ich etwas ganz anderes wissen!"

„Zum Kaffee oder Tee gibt es heute Baisee mit Vanilleeis. Darf ich ihnen etwas bringen?"

„Nein, danke, ich habe nur eine Frage!", sagte Harry.

„Bitte?"

„Können sie mir bitte sagen, wie ich zur Bibliothek komme?"

„Möchten sie den Kafee in der Bibliothek zu sich nehmen?"

„Nein! Ich ... doch!", wieder war ihm eine Idee gekommen. „Ich möchte eine Tasse Kaffee und ein Baisee in der Bibliothek und wenn ich sie bitten dürfte, langsam." Jetzt war er gespannt, was passieren würde. Wie er erwartet hatte, materialisierte vor ihm in der Luft das Bestellte.

„Folgen sie bitte!", sagte die Frauenstimme. Der Kaffee und das Baisee bewegten sich auf die Mensatüre zu. Harry ging hinterher. Es ging die Treppe hinunter, ins zweite Untergeschoß, den Flur entlang, und vor der vorletzten Tür hielt sein Kaffee an.

„Wenn sie bitte klopfen würden!", forderte ihn die Frauenstimme auf, die nun etwas leiser und entfernter klang. Harry klopfte an die Tür. Es dauerte einen Moment, bis er schlurfende Schritte hörte und die Tür von einem alten, eisgrauen Zauberer geöffnet wurde.

„Kommen sie herein!", sagte der Zauberer.

Harry betrat die Bibliothek, hinter ihm schwebte der Kaffee herein und setzte sich auf einem großen Tisch ab. Harry ließ seinen Blick suchend umher schweifen. Dann fragte er:

„Wo finde ich denn Professor Dumbledore und die Herren Black und Lupin?"

„Sie sind der junge Potter, nicht wahr?", fragte der Bibliothekar, und ohne eine Antwort abzuwarten fuhr er fort: „Sie sind in der geheimen Abteilung der Bibliothek, ich darf sie da leider nicht hinein lassen. Aber ich werde Professor Dumbledore heraushohlen, wenn sie das wünschen."

„Ja, bitte" sagte Harry.

„Setzen sie sich so lange, und genießen sie ihren Kaffee, es dauert einen Augenblick."

Der Zauberer stellte sich vor ein Regal, murmelte etwas, woraufhin das Regal zur Seite schwang, und verschwand in der Öffnung. Harry setzte sich und begann, den heißen Kaffee zu schlürfen. Er freute sich darauf, Dumbledore die freudige Nachricht mitzuteilen, und er genoss es, der Überbringer einer so guten Nachricht zu sein. Nach ein paar Minuten kamen Dumbledore und der Zauberer aus dem Regal heraus.

„Harry!", sagte Dumbledore und es lag eine leichte Überraschung in seiner Stimme.

„Professor Dumbledore!", sagte Harry aufgeregt. „Ich hab eine Lösung!"

Dumbledore horchte auf und sagte:

„Dann erzähle mal."

Harry erzählte von dem Gespräch mit dem Gespenst von Durmstrang, und erzählte auch, wie man in die Höhle gelangen konnte. Dumbledore zweifelte zunächst an der Wahrhaftigkeit der Aussage des Gespenstes, aber als Harry ihm sagte, dass das Gespenst den Kristall als wunderschön und von blauem Leuchten geschildert hatte, war auch er überzeugt, dass es eine solche Höhle geben musste. Er wandte sich sofort wieder in die geheime Abteilung und holte Sirius und Lupin, die sich die Geschichte auch von Harry erzählen ließen.

„Wunderbar!", sagte Sirius und strahlte Harry an. „Ich wusste doch, dass wir eine Lösung finden. Wenn wir den Stein haben, dann können wir Voldemort seine Macht nehmen. Harry, lass dich umarmen." und er drückte Harry an seine Brust, dass Harry der Atem verging.