Matt & Jun

Matt & Jun

by Schillok

Disclaimer: Nein, ich besitze keinerlei Rechte an den Figuren dieser Story. Und nein, ich habe sie auch nicht geschrieben, um Geld zu verdienen.

„Das wird sie mir büßen", murmelte Davis den ganzen Tag. Sogar im Unterricht konnte er diese Worte nicht vergessen. Den ganzen Tag über. Immer wieder diese Worte.

„Was ist den heute mit dir los?", fragte T.K. mit einem kleinem Grinsen im Gesicht. So wie heute war er ja noch nie. „Ach nichts, es ist alles in Ordnung.", erwiderte Davis gereizt. „Komm' schon, uns kannst du es erzählen!", redete auch Kari auf ihn ein. Auch sie konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. „Starrt nicht so auf meine Haare!", schrie Davis und zog Tai's Fliegerbrille in eine andere Position. In diesem Moment fingen die anderen zu Lachen an.

„Das ist alles Jun's Schuld!", verteidigte sich Davis und erreichte zumindest, dass die Klasse wieder ruhig wurde. Dann flüsterte er wieder: „Das wird sie mir büßen."

Wenn Davis eines gelernt hatte, dann war es das: große Geschwister haben immer mehr Kraft und die besseren Argumente. Als Kleiner konnte man nur seine Eltern dagegen halten - und wenn die einem nicht helfen wollen, dann braucht man die Hilfe von anderen. Jetzt müsste er nur noch Jun's Schwachstelle finden.

Auf den ersten Blick scheint es so, als sei ihr gesamtes Leben eine Schwachstelle, aber dieser Eindruck täuscht gewaltig. Man weiß bei Jun nie, was sie nur ärgert, was sie wütend macht oder was sie wirklich trifft. Und Davis wollte das Dritte erreichen - ihr eine Lektion erteilen, die sie nie vergessen sollte.

Was war passiert? Warum hatte seine Schwester ihm das angetan? Und was hat sie überhaupt gemacht?

Eigentlich war es nur eine Kleinigkeit. Nichts besonderes. Es passierte gestern...

„Davis, vergiß nicht die Sachen, die auf der Liste stehen!", ermahnten ihn seine Eltern, als sie das Haus verließen um zu einem Klassentreffen zu gehen. Als ob er sie vergessen hätte... er hatte nur die Zeit vergessen. Wenn man sich ein gutes Spiel geborgt hatte und wenn in der Schule keine Arbeiten geschrieben wurden - dann vergehen die Stunden doch etwas schneller. Jun sollte das doch selber wissen.

Außerdem: auf der Liste stand nur Zeug, dass Jun selber brauchte. Warum sollte also er einkaufen und nicht sie? Und deswegen hatte er es sein lassen.

Auf der Liste standen vor allem Knabbereien, Getränke und ein paar Filme aus der Videotec. Jun hatte ein paar Freundinnen eingeladen und wollte so einen Mädchenabend veranstalten. Und Davis sollte in der gesamten Zeit leise bleiben.

Aber ohne Filme, Essen und Trinken fiel der natürlich aus - und Jun hatte sich furchtbar blamiert. Wegen Davis.

Dieser war mit der Konsequenz seines Vergessens sogar zufrieden - Jun eine Auszuwischen war schon immer ein Vergnügen für Davis. Leider hatte er nicht mit dem Echo gerechnet.

Endlich endete der für Davis wohl schlimmste Tag. Fünf kurze Schulstunden, und trotzdem waren sie schlimmer als einen ganzen Tag Mathe. Jetzt wollte er nur noch nach Hause.

„Vergiß nicht unser Treffen bei T.K.'s Vater", wurde er nach dem Unterricht von Yolei erinnert. „Auch wenn du so komisch aussiehst, du musst kommen.", fügte sie kichernd hinzu.

Warum fanden das nur alle so witzig? Sogar Cody, der sonst immer todernst blieb, konnte sich nicht zurückhalten. Aber Davis kam nicht drumherum: wollte er vor seinen Freunden sein Gesicht nicht endgültig verlieren, dann musste er mitkommen. Auch mit dem Risiko, dass ihn deshalb noch mehr Freunde treffen könnten.

Die Wohnung von Matt's Vater lag einfach ideal: kurzer Weg, beste Lage und... Ruhe vor Erwachsenen (und nervigen Schwestern), die über die Existenz der Digiwelt nichts erfahren durften. Deswegen wollten sie sich dort treffen.

„Da seid ihr ja endlich!", wurden die fünf von Matt begrüßt, als sie ankamen. Matt wollte ursprünglich etwas kochen - allerdings hatte er die Zeit falsch eingeteilt. Als er die Wahl hatte, ob er das Essen lieber kalt werden oder anbrennen lassen wollte, entschied er sich für das zweitere - Rauchschaden aus der Küche zeugten davon, dass es die falsche Wahl war.

„Wollt ihr ein paar... Kartoffeln?", versuchte Matt verzweifelt eine unidentifizierbare, gelbe Masse an seine fünf Gäste loszuwerden. Verlegenes Lächeln und Kommentare à la „Jetzt noch nicht." brachten Matt zu der traurigen Erkenntnis, was seine Abendessen sein würde: verbranntes Essen, völlig kalt.

„Und jetzt müßt ihr mir noch erzählen, was mit Davis's Haaren passiert ist", fragte Matt nachdem er stundenlang von den Abenteuern der neuen  Digiritter erzählt bekam. „Meine Haare!", schrie Davis entsetzt. „Die habe ich ja glatt vergessen." „Genau, was ist passiert", grinste Yolei neugierig.

„Das ist alles Jun's Schuld. Die blöde Kuh. Nur, weil ich nicht für sie Eingekauft habe...", erzählte Davis mit erregter Stimme „Nur deshalb. Sie muss Farbe in mein Haargel gemischt haben."

Und die hatte seine Wirkung nicht verfehlt. Davis, der seit T.K.'s Erscheinen sehr viel Wert auf sein Äußeres legte, benutzte es auch diesen Morgen, um seine Haare nach der Nacht wieder in Form zu bringen. Seit heute früh hatte er weiße Farbe in seinem Haar, die sich nur schwer entfernen ließ. Zu schwer, um es noch vor Schulbeginn zu schaffen. Deswegen musste er den ganzen Tag sein weiß-gescheckten Haar verbergen - mit eher bescheidenem Erfolg.

Die anderen wußten nicht, was sie machen sollten. Einerseits war Davis ihr Freund, sie sollten zu ihm stehen, egal was passierte. Aber anderseits sah er einfach zu lächerlich aus, um ernst zu bleiben. Es dauerte eine Weile, bis sich Kari, T.K., Matt, Yolei und Cody ausgelacht hatten.

„Das wird sie mir büßen", flüsterte Davis noch einmal. Die anderen nickten.

In diesem Moment ging das Telefon. „Ich gehe ran", verkündete T.K., stand auf, nahm den Hörer ab und sagte mit erstaunten Gesicht: „Matt, es ist für dich. Jun."

Jun - für Davis hörte sich dieser Name wie ein Fluch an. Und was für einer: wo er auch war, Jun schaffte es immer wieder, ein Zeichen ihrer Omnipräsenz zu hinterlassen. Aber soeben hatte er ihre Schwachstelle gefunden - glaubte er.

Davis deutet T.K., er solle Jun noch eine Weile hinhalten. Inzwischen beredete er etwas mit Matt. „Sag' mal, spinnst du? Sowas mache ich doch nicht!", sagte Matt, nachdem ihm Davis eine Weile lang etwas ins Ohr geflüstert hatte. Wieder flüsterte er unverständliches und schließlich nickte Matt: „Ok. Unter diesen Bedingungen mache ich es!"

„Oh, hi Jun. Ich war gerade beschäftigt.", sagte Matt am Telefon.

„Ist nicht so schlimm. Ich will dann mal gleich zur Sache kommen.", antwortete Jun.

„Ja, worum geht es?", erwiderte Matt gelangweilt. Es war das gleiche wie jedes Mal.

„Weißt du, ich fände es echt toll... nein, ich würde mich freuen,... was ich wollte ist... und da wollte ich dich fragen... ob wir - das heißt, du und... ähh ich nicht heute - also erst heute abend, ob wir da nicht...", stammelte Jun, die zum Glück nicht Matt's „begeistertes" Gesicht sehen konnte. Warum kann sie sich nicht vorher überlegen, was sie sagen will? Seit sie seine Nummer herausbekommen hatte (Matt verfluchte seit jenem Tag abwechselnd die Auskunft, das Telefonbuch oder einen seiner Freunde - er wusste bloß noch nicht, woher sie die Nummer hatte), versuchte sie es mindestens dreimal die Woche mit ihm zu sprechen. Und immer stotterte sie unverständliche Worte - und ließ einem keine andere Wahl, als Gerüchte von „Arbeiten an der Telefonleitung" in die Welt zu setzten um sie wieder los zu werden.

„...sagen will, oder besser: wollte ist... wir beide... heute... könnten wir nicht.", redete sie ohne Pause weiter.

„Komm' endlich zur Sache!", unterbrach Matt, nachdem ihm ein Blick auf die Uhr zeigte, dass ihm Jun wieder fünf Minuten seines Lebens gekostet hatte.

„Wollen wir heute essen gehen. Nur wir beide. In ein Restaurant. Heute abend... ich meine, wenn du willst...", war ihre Antwort, begleitet von einem hörbaren Aufatmen.

„Ekelhaft", dachte Matt - und schaute auf die gelbe Kartoffelmasse, die in ihrem Topf immer kälter wurde. „Aber das ist noch ekelhafter!"

„ Weiß du was, ich lade dich sogar ein!", sagte Matt und verblüffte alle im Raum - alle, bis auf Davis. Dieser streckte nur seinem Daumen nach oben, und lächelte...

Woraufhin Matt ebenfalls seinen Daumen nach oben streckte und mit der anderen Hand auf den Topf mit den ...ähh, Kartoffeln zeigte.

„Teil eins unserer Abmachung...", seufzte Davis und versuchte, Matt's breites Grinsen zu übersehen. „Wer immer gesagt hatte, Rache ist süß - derjenige musste sicher nicht Matt's Spezialkartoffeln essen."

Am Abend ging Matt los - nicht mit seinen besten Sachen, aber dennoch ungewöhnlich elegant gekleidet. Weit hinter ihm liefen Davis, Kari und T.K., alle mit Fotoapparaten in der Hand. Davis hatte ihnen gesagt, sie würden es schon bemerken, wann sie abdrücken sollten - allerdings hatten weder Kari noch T.K. Ahnung, wann das sein würde. Eins war klar: das Treffen zwischen Matt und Jun war eine Falle und sollte Davis's Rache dienen. Was aber genau passieren würde, war den beiden absolut schleierhaft.

„Tatsächlich, sie wartet schon auf mich.", dachte Matt, als er sich der verabredeten Stelle näherte. „Wie ein Geier."

Matt schauderte, noch könnte er sein Angebot zurückziehen und Jun einfach sitzenlassen. Er hatte sich gerade umgedreht, als eine durchdringende Stimme die Ruhe des Parks durchschnitt: „Juhu, MATT! Hier bin ich! Hier drüben, hinter dir."

Zu spät - Jun hatte ihn entdeckt. Langsam ging Matt auf die Bank zu, die Jun ganz für sich in Anspruch genommen hatte. „Wieso habe ich mich nur dazu überreden lassen?", fluchte Matt kurz, bevor er endgültig in Jun's Reichweite kam.

„Da bist du ja! Ich hatte schon Angst, du würdest nicht mehr kommen.", jubelte Jun, stürmte auf Matt zu und ehe dieser reagieren konnte, hatte sie schon ihre Arme um Matt's Rücken geschlungen und ließ ihn nicht mehr los. „Flucht sinnlos", dachte Matt, bevor er den Mund aufmachte und redete.

Kari konnte sich ein Kichern nicht verkneifen, während T.K. und Davis aus Scham um ihre älteren Geschwistern am liebsten im Boden versunken währen. Dank Zoom-Objektiv war es kein Problem, diesen Moment auf ewig festzuhalten.

„Jun, was meinst du mit...", sagte Matt, während er verzweifelt versuchte sich aus Jun's Klammer zu befreien. „... nicht mehr? Ich bin doch nur 3 Minuten zu spät gekommen."

Jun wurde rot im Gesicht, löste sehr zu Matt's Behagen ihre Umarmung etwas auf und flüsterte: „Weiß du, wie lange drei Minuten sind, wenn man auf jemanden wartet?"

Mit diesen Worten drückte sie Matt nochmehr - ohne Rücksicht auf Matt's Rippen oder vorbeigehende Passanten. Für Kari war dies der zweite perfekte Schnappschuß.

Im Restaurant angekommen, mußten Matt und Jun feststellen, dass sie es versäumt hatten, einen Tisch zu reservieren. „In einer halben Stunde ist einer für euch frei.", meinte eine Kellner und schleppte eine riesige Filetplatte zu einer Familienfeier. „Bis dahin könnt ihr euch ja ein wenig in dem Vergnügungspark amüsieren."

Matt war alles andere als begeistert von diesem Vorschlag. Dafür Jun natürlich um so mehr. „Oh Gott, wenn mich meine Freunde dort sehen", dachte Matt und verdrehte die Augen. „Die würden mir meine Gründe nie glauben."

Dennoch kam er nicht um den Abstecher zum nahegelegenem Vergnügungspark herum. Ein kurzer Blick nach hinten verriet ihm, dass Davis, T.K. und Kari ihnen noch immer folgten - und Matt könnte schwören, dass die drei ein verstohlenes Lächeln im Gesicht hatten.

„Laß uns hiermit fahren!", drängte Jun und versuchte zum x-ten Male, Matt auf ein Karussell zu zwingen, für das selbst Cody schon zu alt war. „Das ist doch langweilig!", wehre Matt ab und schlängelte sich durch die Unmengen von Besuchern. „Vielleicht kann ich sie ja in der Menge abschütteln", dachte Matt und schaute auf seine Uhr. Erst fünf Minuten! Sie waren erst fünf Minuten im Vergnügungspark und Jun brachte ihn schon jetzt an den Rand der Verzweiflung! So langsam zweifelte Matt daran, dass der heutige Abend eine Strafe für Jun werden würde. Bis jetzt war es nur eine Strafe für ihn selbst.

„Da bist du ja!", tönte es hinter ihm und zwei Arme schlangen sich um Matt's rechten Arm. „Ich hätte dich beinahe aus den Augen verloren!" „Oh, ich dachte du wärst genau hinter mir", erklärte Matt so überzeugend wie er nur konnte. Nein, er war Jun nicht losgeworden. Viel schlimmer noch: jetzt hatte sie sich in seinem rechten Arm verklammert und würde den sicher nicht so bald wieder los lassen. Höchstens um ihren Arm um seine Taille zu schlingen.

„Er kann einem fast leid tun.", sagte T.K. und schoß das fünfte Bild für diesen Abend. Er, Kari und Davis hatten sie für kurze Zeit im Getümmel verloren, aber auf einer Anhöhe hatten sie die beiden wiedergefunden. „Hey, hebt euch euere Photos für später auf!", erinnerte Davis und schoß selbst noch ein Photo. Ein sehr peinliches Photo...

„Autsch, wo kam nur dieser Ast her?", heulte Jun, nachdem sie sich mit Matt auf einer Parkbank ausruhte. „Oh Gott, ist die blöd", dachte Matt. „Wir liefen doch genau darauf zu. Vor uns war kein Mensch. Der Ast war sogar von Scheinwerfern angestrahlt gewesen. Wie hätte sie ihn da übersehen können? Wie hätte sie volle Kanne dagegen laufen können?"

„Tut es sehr weh?", fragte Matt und bereute die Frage fast im selben Moment. Sie war viel zu freundlich gestellt. „Ich meine, solltest du nicht lieber nach Hause gehen?", verbesserte er sich und hoffte innerlich, das der Abend damit enden könnte.

„Sieh es dir doch selbst an!", schluchzte Jun und deutete auf den roten Streifen, der sich quer über ihr Gesicht zog. Ok, es tat ganz sicher weh.

„Die übertreibt mal wieder", dachte Matt und wünschte sich, dass Jun endlich aufstehen und nach Hause rennen würde. Auf gar keinen Fall wollte er sich mit ihr in der Öffentlichkeit zeigen.

„Hallo Matt!", rief plötzlich eine bekannte Stimme. Es war Tai und er ging direkt auf sie zu. Sein Gesicht verriet eindeutig, dass er sich ein Lachen kaum verkneifen konnte. „Tai, verdammt was machst du den hier?", fragte Matt entsetzt. „Ich habe Gerüchte gehört, du würdest dich hier rumtreiben. Und da bin ich zufälligerweise vorbei gekommen."

Oh ja, sehr zufälligerweise. Matt war klar, dass dies nur das Werk von Davis, Kari oder T.K. sein könnte - und, dass er nicht eingeweiht war.

„Hey, dich kenne ich doch!", rief Jun plötzlich und deutete auf Tai. „Bist du nicht einer von Davis's Freunden?"

„Man, braucht die lange, um sich zu erinnern", dachte Matt herablassend. „Aber wie stelle ich es jetzt an, damit sie keinen Verdacht schöpft?" „So ich bin hier, also was ist nun?", fragte Matt und hoffte, Tai loszuwerden oder endlich diesen Abend hinter sich zu bringen.

„Wie gesagt, es war alles Zufall", sagte Tai nach einer kurzen Pause. „Ich merke schon, ihr beiden kommt auch sehr gut ohne mich zurecht. Ich geh' dann mal." Ohne auf eine Antwort zu waren verschwand Tai wieder in der Menschenmasse.

„Was wollte der hier?", fragte Jun streng und blickte Matt in die Augen. „Und was für Gerüchte?" „Woher soll ich das wissen?", wich Matt ihrer Frage und ihren Blicken aus. „Mich hat er jedenfalls genauso überrascht wie dich."

„Wehe, wenn es noch mehr solche Überraschungen gibt!", dachte Matt und stieß insgeheim einen Fluch gegen Davis, Kari, T.K. und natürlich Jun selbst aus.

„Laß uns jetzt zum Restaurant zurückgehen!", schlug Matt vor und blickte auf seine Uhr!

„Was? Das kann doch nicht war sein!", dachte Matt und brach innerlich zusammen. „Erst zehn Minuten sind vorbei? Dieser Zusammenstoß mit dem Baum hat überhaupt nichts gebracht.

Jun bestand darauf, die Zeit im Park zu verbringen - und Matt fiel kein Grund dagegen ein.

Die nächsten zwanzig Minuten waren für Matt ein Alptraum: Jun klebte an seiner rechten Seite und schien der Meinung zu sein, er würde sie durch die Gegend tragen, wenn sie sich nur fest  genug an ihm festklammerte, hinter ihm waren Davis und die anderen, die jeden Moment auf Photos festhalten könnten und irgendwo in diesem Gewühle könnten noch mehr Freunde oder Klassenkameraden lauern. Endlich verließen sie den Park und gingen wieder auf das Restaurant zu.

„Verdammt, jetzt kommt der schlimmste Teil!", dachte Matt, nachdem sie an einem Tisch Platz genommen hatten. „Hoffentlich kommt der Kellner bald vorbei."

Matt's Hoffnung wurde aber sofort von Jun begraben: sie rückte mit ihren Stuhl an Matt's Seite, schlang erneut ihren Arm um Matt und versuchte, sich mit ihm zu unterhalten. Kein Kellner würde ihn so schnell erretten, dass war klar.

„Ist es nicht toll, dass wir hier sind?", fragte Jun schüchtern und streckte ihren Kopf, um ihn auf Matt's Schulter zu legen. „Ja, echt toll", erwiderte Matt sarkastisch und zog automatisch die Schulter noch ein Stück nach oben. Jun störte das herzlich wenig - sie lehnte ihren Kopf eben gegen seinen Oberarm.

*klick* , lachte T.K. aus sicherer Entfernung und nahm dieses Ereignis mit seiner Kamera auf.

„Und wann kommt nun die Strafe für Jun?", fragte er. „Bisher scheint sie einen super Abend zu haben." „Wart's ab!", lachte Davis und warf einen Blick auf seine Kamera. „Und heb' dir ein paar Bilder auf!"

Endlich kam der Kellner vorbei und nahm ihre Bestellung auf - eine willkommene Abwechslung für Matt, da Jun in diesem Moment bewußt wurde, dass sie noch keine Ahnung hatte, was sie Essen wollte. Hastig durchsuchte sie die Speisekarte. „Mhh, das klingt nicht schlecht... aber das ist auch toll, ...wow, dass hört sich super an..."

„Könntest du dich bitte entscheiden!", drängte Matt, nachdem Jun die Karte zum dritten Mal durchgegangen war und von einer Entscheidung genauso weit wie am Anfang entfernt war. Die Augen aller Gäste waren bereits auf sie gerichtet.

„Dann nehme ich das, was Matt auch will!", war ihre spontane Antwort. Ein Kichern ging durch die Reihen des Restaurants, aus einer Ecke ertönte sogar ein ersticktes Lachen. Matt wäre am Liebsten im Boden versunken - aber der blieb fest. Jun hingegen schien sich kein bisschen um die anderen zu kümmern, ganz im Gegenteil: Matt spürte schon wieder, wie sie ihren Arm um seine Taille legte und wie sie ihren Kopf auf seinen Schultern zur Ruhe brachte.

Die nächsten Minuten saß Matt stocksteif auf dem Stuhl, in der Hoffnung, der Abend sei bald vorbei. „Jede Bewegung vermeiden", dachte Matt - den jede Bewegung könnte Jun dazu bringen, ihm noch näher auf die Pelle zu rücken. Trotzdem hatte er ab und zu Jun's Haare im Gesicht - und jedes Mal, wenn er sie wieder zur Seite strich, hatte er das Gefühl, Jun sei wirklich näher gekommen. Falls das überhaupt noch ging...

„Bitte sehr, ihr Essen." - der Kellner hatte Erbarmen mit Matt und stellte die Teller auf den Tisch. „Lassen sie es sich schmecken!"

Sofort stürzte sich Matt auf seine Portion - und wider allen Erwartungen ließ Jun ihn in Ruhe und widmete sich ebenfalls ihrem Teller. „Das ist der angenehme Teil!", dachte Matt und genoß das Essen. „Alles schmeckt doppelt so gut, wenn andere es bezahlen müssen!"

„Seht ihn euch an", flüsterte Davis, einem Nervenzusammenbruch nahe. „Wie er sich für mein Geld den Bauch vollschlägt! Er könnte wenigstens etwas sparsamer sein." „Anderer Leute Geld zu verschwenden, ist seine Spezialität", entgegnete T.K. mit einem Lächeln im Gesicht. „Ich hoffe nur, du hast ihm gesagt, wieviel er ausgeben darf", fügte er hinzu.

„Äh... hätte ich das machen sollen?", fragte Davis sichtlich nervös - woraufhin T.K. und Kari in ein leises Gelächter ausbrachen.

Unterdessen hatte Matt ein kleines Problem - und diesmal war es nicht einmal Jun's Schuld. Zumindest nicht direkt. Ein kleiner Knochen im Essen wurde ihm zum Verhängnis: Zunächst spürte Matt nur, wie ihm irgend etwas im Hals steckengeblieben war. Nicht weiter schlimm, dachte Matt zunächst. Als auch ein kräftiger Schluck Wasser nicht ausreichte, das Etwas hinunterzuspülen, der nächste Happen Essen ebensowenig Erfolg hatte und auch ein leichtes Husten keine Wirkung zeigte, wurde ihm schon etwas anders zumute. Keuchend versuchte er aufzustehen und begann zu Husten - immer noch ohne Erfolg. Der Knochen bewegte sich nicht und blockierte Matt's Atmung.

„Matt was ist mit dir?", fragte Jun beunruhigt. Matt keuchte und hustete weiter, bis sich sein Gesicht verkrampfte und sich in ein leichtes Blau verfärbte. „Matt!", kreischte Jun, bevor es Matt kurz Schwarz vor Augen wurde.

Dann spürte er drei kurze, starke Schläge auf seinen Rücken - der Knochen löste sich und mit einem weiterem Huster landete er auf dem Fußboden. Matt rang kurz nach Luft, aber es ging ihm gut. Im Nu färbte sich sein Gesicht wieder normal und er blickte sich um.

Einmal mehr waren alle Blicke auf ihn gerichtet, aber kaum als er versuchte wieder aufzustehen, schauten alle wieder an ihre Tische zurück. Bis auf Jun. Vorsichtig half sie Matt wieder auf seinen Stuhl, lächelte kurz und murmelte etwas wie: „Iß nicht so schnell, ich habe Zeit" - und blickte wieder auf ihren Teller.

Trotzdem konnte Matt kaum noch Essen. Es schmeckte ihm irgendwie nicht mehr. Er wollte jetzt einfach nur noch weg von hier, weg und den Plan, den er mit Davis geschmiedet hatte zu Ende bringen.

„Macht es dir etwas aus, wenn ich kurz an die frische Luft gehe", fragte Matt unsicher, nachdem er zwei Minuten in seinem Essen gestochert hatte. Jun schüttelte nur mit dem Kopf und aß weiter.

Bevor er an die Luft ging, sprach er noch kurz mit dem Kellner und bezahlte die Rechnung - ohne, dass Jun etwas bemerkte. Dann verließ er das Lokal.

„Mensch Matt, was war den da eben los?", fragte T.K. besorgt, nachdem Matt sich in das Versteck von Kari, T.K. und Davis begeben hatte. „Ich habe mich nur verschluckt!", antwortete er schroff und deutete damit an, dass er nicht weiter über dieses Thema sprechen wollte. „Wenigstens habe ich es hinter mir."

„Jetzt kommt der beste Teil!", lachte Davis vor sich her. „Jetzt wird sie meine Rache zu spüren bekommen!"

Von ihrem Versteck aus hatten die drei einen perfekten Überblick über den Tisch, an dem Jun saß. Sie hatte nicht bemerkt, dass Matt abgehauen war und aß genüßlich weiter. Als sie aufgegessen hatte und Matt immer noch nicht an seinen Platz zurückgekehrt war, blickte sie sich im Restaurant zu. Sie wurde sichtlich unruhiger, stand dann sogar auf und lief vor die Tür, um sich draußen umzublicken.

Natürlich konnte sie Matt nicht sehen. Aber der sah sie. Kari, T.K. und besonders Davis machten fleißig Fotos - besonders als sie aufgeschreckt im Restaurant umherlief, plötzlich stehen blieb, etwas sagte, sich dann vor die Herrentoilette stellte, kurz klopfte, wieder etwas sagte, dann wartete, zurück an den ihren Platz kehrte und wartete und wie sie schließlich mit dem Kellner redete.

Und bei allem machte sie ein seltsames Gesicht - sie war nervös, ängstlich, aufgeregt und angespannt auf einmal. Sie sah einfach nur zu dämlich aus! Darauf hatte Davis anscheinend gewartet: Er schoß ein Bild nach dem anderen - und mit dem Objektiv, das er verwendete wurden die Bilder sicher gestochen scharf und stark vergrößert.

Mit dem Kellner unterhielt sie sich nur kurz - dann wandelte sich ihr Gesicht. Sie sah jetzt nicht mehr dämlich aus, sondern kläglich! Noch bevor der Kellner fertig mit ihr geredet hatte, stürmte sie auf die Straße und schrie: „MATT! MATT! Wo bist du?"

Matt hütete sich natürlich davor zu antworten. Er beobachtete nur.

Nachdem ihre Rufe unbeantwortet blieben, flüsterte Jun nur etwas vor sich her und rannte los! Sie rannte direkt an Matt's Versteck vorbei - und natürlich nutzte Davis dies für ein letztes Foto. Jun hatte sie nicht bemerkt. Sie lief weiter die Straße entlang.

Matt war frei!

„So, das war's", sagte Davis zufrieden. Er hatte erreicht was er wollte! So schnell würde Jun diese Lektion sicher nicht vergessen. „Jetzt wird sie es sich zweimal überlegen, ob sie noch mal so gemein zu mir ist!"

„Zeig' uns morgen, wie die Bilder geworden sind!", erinnerte T.K. „Wir treffen uns wieder bei Matt!" „Und vergiß nicht: morgen solltest du besser nicht dein Haargel benutzen!", lachte Kari. „Falls ich morgen überhaupt noch Haare habe!", scherzte Davis. Alle lachten. Bis auf Davis selbst.

Am nächsten Morgen trafen sie sich wieder bei Matt. „Und hier läuft sie direkt gegen einen Baum!", erklärte Kari die Bilder, denn Cody und Yolei waren schließlich nicht dabei. Sofort brachen alle in ein lautes Gelächter aus. „Ja, deshalb hat sie auch auf allen Bildern danach so einen Streifen im Gesicht", fügte T.K. hinzu und bewirkte ein neues Kichern in der Gruppe.

„Und hier sucht sie verzweifelt nach Matt!", trumpfte Davis. „Nanu, dass ist seltsam", bemerkte dieser kurz darauf nachdenklich. „Ein Foto scheint zu fehlen!" „So, und welches?", fragte Yolei neugierig. „Na das letzte! Oh man, ich hatte bei diesem letzten Bild doch ein ganz besonders gutes Gefühl!", ärgerte sich Davis.

„Wahrscheinlich ist es nichts geworden", meinte Matt. „Oder sie sieht so furchtbar aus, dass die bei der Entwicklung es sofort vernichten mußten", ergänzte Davis. Wieder lachten alle.

Fast alle. Einer lachte nicht. Und das Photo war auch was geworden. Es war sogar sehr gut geworden. Er hatte es sofort versteckt - keiner sollte es sehen, höchstens er selbst. Es war wirklich das letzte Bild - Jun lief am Versteck vorbei. Aber sie sah nicht gräßlich aus. Nein, das nicht. Aber ihr Anblick war trotzdem unerträglich!

Man sieht Jun' s Gesicht. Sie hat Tränen in den Augen. Kleine, runde Tränen. Das Licht einer Laterne bricht sich in ihnen. Sie weinte - und nur wegen ihm. Nur wegen ihm, Matt.