Als ich die ersten Familienhäuser sah, überkam mich ein melancholisches Gefühl der einstigen Vergangenheit. Vieles kam mir noch so bekannt vor, als würde ich erst gestern durch die Straßen spazieren. Andererseits sind die Straßen wirklich stockdüster, nicht mehr das Licht in den Häusern, sondern lediglich die der dürren Straßenlaternen erhellen den Weg. Trotzdem war meine Anreise in der späten Nacht ganz genau von mir geplant worden.

Damals als ich hier noch wohnte, fürchtete ich die Nacht, doch nun ist alles anders und ich habe mich verändert. Es ist diese Ruhe und Anonymität, die mich in dunklen Straßen so fasziniert. Wenn ich dann zum Himmel hinaufblicke, dann sehe ich den prächtigen Nachthimmel, den ich stundenlang beobachten könnte. So als würde der Mondschein stetig auf mich aufpassen. Im Allgemeinen spüre ich nun alles viel intensiver als vor den zwei Jahren, als ich hier noch gelebt hatte. Einst hätte ich nie gedacht, dass mich mein Gefühl nochmal hierhertreiben würde.

Nicht sehr viel später traf ich auf die Hauptstraße Mystic Falls' ein. Viele der verschiedenen Läden sind noch offen. Soweit das Auge reicht immer wieder kleine Drogeriegeschäfte, Tabakwarenläden und dieser besondere Souvenirladen, der nun leider schon für heute geschlossen hat. Ich meine, wer besucht denn unsere Kleinstadt und kauft sich daraufhin noch ein Souvenir? Doch sowie es aussieht, rentiert sich das Geschäft noch für den Besitzer. Alles in einem blendeten mich diese leucht-erhellenden Schaufenster. Wobei ich mich doch gerade an die angenehme Dunkelheit gewöhnt hatte.

Dann spürte ich es, wie ein großflächiger Schauer auf meinem ganzen Körper… Irgendwer, irgendwas beobachtete mich. Obwohl ich mich meist furchtlos der Gefahr entgegenstelle, habe ich mich nicht gewagt mich umzudrehen. Geschweige denn mich umzusehen, um mich zu vergewissern, ob meine Sinne mir keinen Streich spielen. Jedenfalls täusche ich mich nie. Dieses Gefühl konnte auch nicht richtig Furcht beschreiben. Es war echt schwer zu definieren, doch es fühlte sich so an, als dürfte ich mich noch nicht umdrehen. Als würden alle meine Sinne gleichzeitig sagen: „Der Mystic Grill ist direkt da vorne, hol dir erst deinen verdienten Drink und mach dir nen' Feierabend".

Dann war es weg. Dieses Gefühl, dieser Schauer. Als wäre er nie da gewesen. Ich fühlte mich so, als wäre es mir wieder erlaubt mich frei zu bewegen. Ich sah reflexartig hinter mir und um mich herum, als ich bemerkte, dass ich wohl schon geistesabwesend die Straßenseite überquerte, um zum Grill zu kommen. So etwas unheimliches habe ich noch nie in meinem Leben gespürt. Bevor ich durch die Eingangstür ging, drehte ich mich nochmal um und sah in der Ferne eine Krähe, die auf eines der Straßenlaternen saß. Sie erinnerte mich irgendwie an irgendetwas ungreifbares, dass schon vor einer langen Zeit missfallen ist.

Ich schlich mich in den Grill, wie ein Flüchtiger. Es ist nicht so, als möchte ich nie wieder jemanden aus meiner alten Freundesgruppe treffen. Es muss einfach nur noch nicht heute geschehen. Für heute ist mein Tag schon genug schiefgelaufen, weswegen ich mich an die Hoffnung klammere, dass keiner zu solch einer späten Stunde noch hier sitzen wird. Ich schlüpfte also durch und erhaschte mit einem schnellen Blick, dass sich zu dieser Zeit wirklich nicht viele Gäste aufhalten. Also rollte ich mich mit meinen Koffern fokussiert auf den Bartresen. Ich setzte mich und versuchte es vergeblich mich auf dem Barhocker gemütlich hinzusetzen. Entweder die Sitzplätze werden immer unbequemer oder ich erinnere mich einfach nicht mehr an die Sitzplätze hier.

„Hey, ich gebe dir einen guten Rat. Also nur, falls du morgen nicht mit einem komplett demolierten Rücken aufstehen möchtest", meinte eine männliche Stimme, die von der rechten Seite kam. Ich gebe zu, dass er mir einen kleinen Schreck gab. Ich war wohl so fokussiert darauf keinen meiner alten Bekanntschaften hier zu entgegnen, dass ich daraufhin nicht bemerkte, dass ich ja auch jeglichen Kontakt mit anderen Menschen vermeiden wollte. Ich drehte mich etwas zur rechten Seite und sah mir den Mann genauer an. Er hat eine Mischung von kurzen blond bis zu braunfarbigen Haaren. Obwohl man ihm ansah, dass er nicht gerade unter 30 ist, sah man ihm sein Alter nicht an. Außerdem hatte er einen leichten 3-Tage-Bart und blaue Augen. Sein Gesichtsausdruck sah sehr freundlich aus und im Gegensatz zu mir hatte er schon einen Drink in seinen Händen umschlossen.

Er fügte zum vorherigen hinzu: „Du bist wohl nicht von hier, jeder aus Mystic Falls weiß, dass dieser Barhocker sozusagen Tabu ist" Ich sah ihm zu, wie er einen Platz nach rechts zurückrückte, um mir seinen Platz zu überlassen. Ich bin der Geste entgegengekommen und rückte daraufhin auf seinen ehemaligen Platz auf. Es ist wirklich nicht so, als ob ich mir für heute einen Trinkkumpanen suche, aber nach dem langen Spaziergang tuen schon meine Füße weh, da muss nicht unbedingt noch mein Rücken folgen. Ich lächelte ihm also zu und bedankte mich für seine nette Geste. Danach fing ich an meinen Blick nach dem Kellner zu streuen, doch dies erfolglos. Der Typ neben mir hat doch auch einen Drink, wenn er ihn nicht gerade selbst geschüttelt hat, dann weiß ich auch nicht wie ich hier einen bekommen soll.

„Soll man sich hier seinen Drink selbst machen oder existiert hier zufälligerweise noch Personal?", fragte ich den Mann zu meiner rechten. „Sicher, dass du schon Alkohol trinken darf?", entgegnete er mir. Ich grummelte innerlich. Schon wieder jemand, der denkt es wäre klug, mich einfach zu verurteilen. Ich ignorierte ihn also mit einem kleinen Seufzer und mit Augenrollen. Dies war wohl nicht schwer zu übersehen, da er sich daraufhin entschuldigte. „Ich wollte Sie echt nicht verärgern, ich bin Alaric Saltzman" „Und ich bin zwar gerade so alt, dass ich Alkohol trinken darf, aber wenn Sie mich siezen, fühle ich mich zwingend wie über 25", erwiderte ich.

Besonders hier in Mystic Falls bin ich es nicht gewöhnt andere Menschen zu siezen. Da dies eine Kleinstadt ist, kannten sich meistens alle untereinander. Andererseits war ich damals noch 16 Jahre alt. Ich lächelte ihm zu: „Apropos, mein Name lautet Y/n L/n".

In weiterer Zeit unterhaltenen wir uns noch ein bisschen über alles Mögliche. Saltzman kam wohl hierher, um einen Neuanfang in einem kleinen Kleinstadt-Kaff zu wagen. Es stellte sich heraus, dass er als Geschichtslehrer in meiner ehemaligen Schule, Mystic Falls High School, angestellt ist. Wahrscheinlich kennt er dann sogar auch Caroline und die anderen. Von mir habe ich stadtessen nicht so viel preisgegeben. Dafür war ich mir noch zu nüchtern. Trotzdem erzählte ich, dass ich vor längerer Zeit noch hier wohnte und nun wieder zurückgekehrt bin, für eine unbestimmte Zeit. Alaric Saltzman wirkte recht offen, genauso wie ein Lehrer sein sollte. Außer, dass er ein Drink in seinen Händen hält, bestimmt schon vorher ein paar verdrückt hat und somit schon ein bisschen intus hat. Vielleicht ist das einer dieser verzweifelten Lehrer, die Tagsüber überglücklich sind und dann abends in Depressionen verfallen.

Dann ging die Tür hinter der Bar abrupt auf und eine allzu bekannte Stimme erhebt sich: „Also Alaric, da war so ein Leck in den Wasserrohren. Ist jetzt wahrscheinlich einigermaßen geflickt, soll sich morgen trotzdem nochmal ein Handwerker ansehen. Hoffentlich hast du nicht zu lang gewartet, willst du nochmal das Gleiche?" Er ging direkt auf Mr. Saltzman zu, als er zu mir hinüber schielte. Der Kellner ließ sein Werkzeug auf den Boden fallen, als er mich sah: „Y/n L/n? Sicher, dass ich noch lebe oder sitzt du da wirklich direkt vor mir?" Es war Matt Donovan, der hinter der Bar stand und mich ansah, als wäre ich eine Art Geist.