Anomorphs_1
Hi Leute! Das ist meine erste
Animorphs-fanfiction...also seid bitte nicht zu streng! Und lasst euch
nicht verwirren, wenn gewisse Dinge....komisch erscheinen*g* Mehr wird
nicht verraten!
Der Schein trügt
by Latrisha
MARCO:
Ich wusste nicht, wo ich war. Es
roch noch frisch gewaschener Wäsche und Desinfektionsmittel. Klar,
ich konnte einfach die Augen öffnen. Aber ich hatte Angst vor dem,
was mich erwartete.
Ich konnte spüren, dass eine
Decke über mir lag. Und ich konnte hören, wie plötzlich
die Türe aufging.
„Sir, sind sie sicher, dass dies
ihr Sohn ist?" Die Stimme war mir fremd.
„Natürlich bin ich mir sicher.
Denken sie, ich würde meinen eigenen Sohn nicht wieder erkennen?!"
Mein Dad. Ja, das war er eindeutig.
Aber dennoch ließ ich die Augen geschlossen.
„Ich hole mir eine Tasse Kaffee.
Wie lange dauert es denn noch, bis er endlich aufwacht?"
„Das kann ich ihnen nicht sagen.
Er müsste aber bald zu sich kommen."
Da öffnete sich die Tür
noch mal. Eine Person trat ein, und mein Vater ging hinaus.
„Und? Gehört er zu ihm?", fragte
der Mann, der gerade hereingekommen war.
„Jepp. Um ehrlich zu sein, ich hätte
ihn verleugnet, wenn es meiner wäre.", meinte der andere.
„Pfft. Drogen! Und das in seinem
Alter."
Drogen??? Plötzlich erinnerte
ich mich wieder. Daran, wie ich mich mit meinen Kumpels traf. Daran, wie
ich ihnen, wie versprochen, die Drogen überreichte, die ich für
sie beschaffen hatte.
Sie hatten mir auch etwas angeboten.
Zu viel, schätze ich.
Mein Tod war so gut wie vorprogrammiert.
Mein Alter würde mich umbringen, ohne mit der Wimper zu zucken. Er
hatte mir schon mehrmals die schlimmsten Sachen an den Hals gewünscht,
nicht nur als die Polizei mich einmal wegen eines Ladeneinbruchs mitten
in der Nacht nach Hause brachte.
Und jetzt...
Dabei konnte ich ja noch nicht mal
was dafür. Die Leute verstehen manches nicht. Und erklären hilft
da auch nichts... - Hätte ich mich geweigert, hätten sie mich
verprügelt. Und zwar ernsthaft. Ich hatte wirklich keine Lust mit
gebrochenen Beinen und Armen rumzulaufen. Das hätte ich erst mal erklären
müssen.
Es ließ sich jetzt auch nicht
mehr ändern. Ich hatte sie gesehen, und sie unglücklicherweise
auch mich. Schätze, Leute wie die können niemanden brauchen der
weiß wann und wo sie sich treffen um ihren Stoff untereinander aufzuteilen.
Aber schlimm wird es auch noch, wenn jemand weiß wer diese Leute
sind. Und wenn sie wissen wer du bist. Tja, ich hatte meine Nase eben in
anderen Angelegenheiten als meinen eigenen. Und von da an waren diese Angelegenheiten
auch meine. Sie waren sicherlich froh, jemanden gefunden zu haben, der
‚freiwillig' Drogen zu beschaffen. ‚Freiwillig' irgendwelche Einbrüche
und andere Straftaten begeht. ‚Freiwillig' jemandem ein Messer in den Arm
schlägt. Es war sozusagen als Schutzgeld. Nur zum Wohl meiner eigenen
Gesundheit. Und der von anderen Personen. Wie nett...
Was dachte mein Dad von mir? Er hasste
mich, klar. Es hatte keinen Wert mehr, bei ihm zu bleiben, darauf
zu warten dass er mir verzieh. Nicht einmal ich würde so einen Sohn
haben wollen. Sicher, er wusste nicht warum das alles geschehen war. Aber
er durfte es auch nie erfahren. Es stand zu viel auf dem Spiel. Sie wussten
wo ich wohnte, wie ich hieß. Sie wussten, wo Samantha wohnte. Sie
wussten, wer sie war. Und sie wussten, wie wichtig sie mir war. Ich hatte
beschlossen, ihnen besser Glauben zu schenken, als sie mir schworen, sie
umzubringen, wenn ich auch nur ein Wort verraten würde. Das waren
keine gewöhnlichen Vorstadtgangster. Sie meinten es ernst. Wirklich
ernst.
„Aha, er ist aufgewacht, unser kleiner
Suchtbolzen. Du hattest so viel Gift in dir, dass man damit ein Pferd hätte
töten können. Es war nur dein Glück, dass man dich gleich
gefunden hat."
Plötzlich traf es mich wie ein
Blitz. Ich hatte einen Plan. Er würde wahrscheinlich nur vorübergehend
funktionieren, vielleicht auch überhaupt nicht. Aber einen Versuch
war es Wert.
Ich setzte mich langsam aufrecht
hin.
„Gift? Was meinen sie damit? Wo bin
ich denn überhaupt?", fragte ich, wobei ich mich bemühte, möglichst
schlaftrunken auszusehen. Ich rieb mir die Augen und schaute die beiden
mit einem unschuldigen Blick an.
„Im Krankenhaus natürlich, junger
Mann. Dein Dad wird gleich zurückkommen, und dann gibt's wohl erst
mal mächtig Ärger.", meinte der Arzt, oder was auch immer er
war, und grinste schadenfroh.
Wenn ich nicht vorgehabt hätte,
mal eben mein Gedächtnis zu verlieren, wäre ich im an die Gurgel
gesprungen. Das ließ ich dann selbstverständlich lieber bleiben,
denn ich wollte mich nicht zu auffällig benehmen.
„Dad? Welcher Dad?"
Zugegeben, es machte wirklich Spaß,
die beiden zu verarschen und zuzusehen, wie sie fragende Blicke austauschten.
Mr Schadenfroh holte kurz Luft und
fragte: „Sag mal, dein Name ist doch Marco, nicht wahr?"
Anscheinend dachten sie nun, sie
hätten den falschen Vater erwischt.
„Nun ja, ehrlich gesagt, mir fällt
mein Name gerade selbst nicht ein. Das klingt jetzt vielleicht bescheuert.
Aber ich glaube aber nicht, dass ich Marco heiße. Wer würde
seinem Kind schon so einen Namen geben?" Ich machte eine wegwerfende Handbewegung.
Die Augen der beiden Herren wurden
größer. Ich schätze, ich hatte sie davon überzeugt,
meine Gedanken verloren zu haben. Sie waren wirklich sehr naiv. Ich war
mir nun auch sicher, dass sie noch keine richtigen Ärzte waren, sondern
so zu sagen Azubis. Ob der Chefarzt mir diese Lüge wohl abkaufen würde?
Panik hatte ich allerdings vor meinem Dad, der ja auch gleich zurück
sein musste.
Wie auf Kommando ging die Tür
ein drittes mal auf.
„Ah, sie müssen wohl der
Chefarzt sein! Gut dass sie da sind, uns dreien ist nämlich gerade
aufgefallen, dass ich meinen Namen vergessen habe. Sie können mir
nicht zufällig auf die Sprünge helfen? Ach, und noch was: der
Herr, der sich als mein Vater ausgibt, ist ein Betrüger. Es wäre
mir ja selbstverständlich bewusst, wenn ich einen Vater hätte,
nicht wahr?" Ich gab ein seltsames Lachen von mir.
Klar, das ganze mochte sich
ziemlich geschwollen angehört haben, aber genau das brauchte es, um
meinen Vater zu verwirren. Ich will mich nun wirklich nicht selbst loben,
aber nicht einmal ich wusste, was für ein schauspielerisches Talent
in mir steckte. Ich tat so, als hätte ich das normalste der Welt von
mir gegeben, legte mich wieder hin und streckte mich genüsslich.
„Und, Herr Oberarzt, könnten
sie mich vielleicht informieren, in was für einem gesundheitlichen
Zustand ich mich befinde? Wenn ich im Krankenhaus bin, gehe ich einfach
mal davon aus, dass etwas schwerwiegendes vorgefallen ist."
Oh Mann, das machte nun echt
Spaß. Mein Dad stand einfach nur da und ich konnte beobachten, wie
seine Kinnlade immer weiter nach unten klappte.
„Marco?", fragte er misstrauisch,
so als ob er schon ahnte, dass das alles nur gespielt war.
„Sie wollen doch nicht allen Ernstes
behaupten, ich heiße Marco? Das kann doch nicht ihr Ernst sein!"
Ich machte ein Gesicht wie sieben
Tage Regenwetter und hoffte dabei nur, dass mein Dad keinen Verdacht geschöpft
hatte.
„Hat er sein Gedächtnis verloren
oder was? Das kann doch nicht wahr sein!"
„Sir, wir sind zwar noch keine zugelassenen
Ärzte, aber es ist ziemlich naheliegend, dass so etwas in dieser Art
geschehen ist. Es wird schwierig sein, herauszufinden, was genau passiert
ist, aber im Normalfall kommen die Erinnerungen nach einiger Zeit von allein
zurück.", sagte der Arzt, der bis jetzt noch nicht so viel gesagt
hatte, unsicher.
„Na gut. Und sobald er die wieder
hat, stecke ich ihn in ein Heim. Ich werde jetzt mit dem Chefarzt reden,
ob ich ihn gleich mit nach Hause nehmen kann.", sagte er gereizt. Man merkte
ganz genau, dass ihm das überhaupt nicht in den Kragen passte.
„Ach, sie sind gar nicht der Chefarzt?",
rief ich ihm noch hinterher, glücklich, dass mein Plan so gut funktioniert
hatte.
Adieu, du dummes Heim! Bevor jemand
überhaupt merkte, dass ich alles nur gespielt hatte, würde ich
nämlich schon längst weg sein. Innerlich schon Pläne schmiedend,
lehnte ich mich zurück in das weiche, weiße Kissen und machte
es mir es mir bequem.
* * *
Nach einer halben Stunde ungefähr,
kam mein Dad wieder zurück. Er befahl mir, meine Sachen zu packen,
um mich wieder nach Hause zu bringen. Ich stand widerspenstig auf und wollte
gerade beginnen, einzupacken, als mir auffiel, dass ich ja gar nicht wusste,
was denn meine Sachen waren. Also ging ich zum Fenstersims und fing mit
den dort stehenden Blumen an.
„Soll ich die einfach so mitnehmen
oder soll ich das Wasser erst ausschütten?" fragte ich so unwissend
es ging.
Nachdem meinem Dad klargeworden
war, dass ich keine Ahnung hatte, was alles meine Sachen waren, packte
er sie zusammen und nahm mich stocksauer mit runter zum Auto.
Um glaubhaft zu wirken fragte ich
ihn während der Fahrt die verschiedensten Dinge, wo ich wohnte oder
ob ich viele Freunde hatte oder was meine Hobbys waren.
Plötzlich fuhr er an den Straßenrand
und schaute mich durchdringend an: „Ich schwöre es dir, wenn ich heraus
finde dass du hier vielleicht nur eine riesige Show abziehst, bist du dran.
Du bist schneller in diesem Heim wie du ‚Amen' sagen kannst!"
Dann fuhr er mit einem zufriedenem
Gesicht weiter.
* * *
TOBIAS:
Ich flog. Ja genau, fliegen. Ich
schwebte über endlose Felder und Wiesen, die aussahen wie lauter Handtücher,
die man nebeneinander ausgebreitet hatte. Die Sonne schien und es war nicht
eine einzige Wolke am Himmel.
Ich war frei. Ich konnte tun und
lassen was ich wollte. Ich würde nie wieder zurück fliegen. Nie
wieder. Ich sah eine Maus zwischen den Grashalmen rennen. Sie sah sich
verängstigt um und versuchte sich vor ihren Feinden zu verstecken.
Aber meinem Blick konnte sie nicht entrinnen. Ich schlug noch zwei mal
kräftig mit den Flügeln und stieß dann atemberaubend schnell
vom Himmel. Ich näherte mich ihr in einem Tempo, mit dem viele andere
Vögel nicht mithalten konnten. Kurz bevor ich auf dem Boden
aufgeprallt wäre spreizte ich meine Schwanzfedern und stellte die
Flügel aufrecht. Zumindest versuchte ich es. Ich merkte etwa eine
Zehntel Sekunde vor dem Aufprall dass irgendetwas nicht in Ordnung war.
Ich hatte keine Kontrolle mehr über mich und meine Flügel.
„UAAAaaaaaaaaah!!!"
Mit dem Kopf voraus rammte ich buchstäblich
den Boden. Was danach geschah kann ich nicht sagen denn plötzlich
verfärbte sich die Welt um mich schwarz.
„Tobias! Um Gottes Willen, was machst
du denn hier draußen?", hörte ich die Stimme meiner Tante, die
sich in meinem schmerzenden Kopf anhörte wie ein Presslufthammer.
Ich schlug die Augen auf und stellte fest, dass ich im freien lag statt,
wie gewöhnlich, in meinem Bett. Ich lag direkt unter meinem seltsamerweise
offenen Fenster. Aus eben diesem schaute gerade meine Tante, die mich schätzungsweise
wecken wollte.
„Was ist los?", fragte ich verwirrt.
Geschockt starrte sie mich an, sagte
dann aber schnell: „Nichts, komm schnell rein. Es ist zu kalt hier draußen.
Du wirst dich noch erkälten."
Ich stand mühevoll auf und
trottete langsam in das Haus. Was war das noch für ein seltsamer Traum
den ich da gehabt hatte? Kam nicht ein Vogel darin vor?
Als ich durch den Flur in Richtung
Küche lief, schaute ich im vorbeilaufen in den großen, runden
Spiegel an der Wand – und bekam fast einen Herzstillstand. Eine riesige,
mindestens drei Zentimeter große Beule trohnte auf meiner Stirn.
Es war schon mehr eine Platzwunde als eine Beule. Jetzt begriff ich auch
weshalb ich solche schlimmen Kopfschmerzen hatte.
„Was ist da mit meinem Kopf passiert?",
fragte ich meine Tante, die darauf aber nur mit einem Schulterzucken antworten
konnte.
„Seltsam", sagte ich zu mir selbst.
Meine Tante, ihr Name war Carol, machte mir einen heißen Kakao und
brachte mir eine Decke. Dann setzte sie sich mir gegenüber und schaute
mich kopfschüttelnd an.
„Tobias. Es passiert immer öfter
dass du nachts schlafwandelst oder andere Dinge tust. So kann das nicht
weitergehen. Ich habe gesehen dass dein Fenster offen war. Scheinbar bist
du mitten in der Nacht aus dem Fenster gesprungen.", sagte sie besorgt.
Dann holte sie nochmals Luft. „Stell
dir vor wir würden im siebten Stock leben. Nicht auszumalen was dir
passiert wäre." Sie seufzte.
Mir war noch gar nicht der Gedanke
gekommen dass ich wieder schlafgewandelt haben könnte. Ich hatte ehrlich
gesagt noch nicht mal darüber nachgedacht. Aber es war wohl wahr:
in letzter Zeit tat ich das wirklich oft. Ich habe mir aber nie großartig
darüber Gedanken gemacht. Immerhin schlafwandeln viele Kids, oder
etwa nicht?
„Du hast ja recht", sagte ich, weil
ich das Gefühl hatte etwas sagen zu müssen, „aber ich kann auch
nichts dafür. Man kann mich wohl schlecht am Bett fesseln."
„Nein", grinste sie, „ich hatte
auch eher an etwas professionelleres gedacht."
* * *
Wir liefen in ein großes, weißes
Gebäude das aussah wie ein Krankenhaus. In diesem Kasten hatte sich
viele Ärzte niedergelassen. Hier waren auch mein Zahnarzt und sogar
das Altersheim einquartiert.
„Es ist einfach nicht zu fassen dass
du mich hier her schleppst.", maulte ich immer wieder.
Schon von weitem sah ich das Schild
mit der Aufschrift Psychiatrie>.
„Ich mein, ich bin kein Psycho oder
so. Ich bin nur ein Kind das schlafwandelt. Nichts schlimmes also."
Ich kam mir vor wie ein Irrer der
gerade ins Irrenhaus eingeliefert werden sollte. Klar, meine Tante machte
sich Sorgen, aber war es nicht übertrieben mich deswegen gleich zum
Psychiater zu schicken? Ich stellte mir eine große, braune Lederliege
vor, auf die ich mich legen musste und dem Doc meinen Lebenslauf erzählen
sollte.
„Der Arzt wird wissen wie man dir
das Schlafwandeln abgewöhnt. Ich habe früher selbst schlafgewandelt
und es herausgestellt dass ich einfach nur Angst vor dem Dunkeln hatte.
Es muss also irgendwelche Hintergründe geben. Außerdem ist nichts
schlimmes dabei, zum Psychiater zu gehen."
Toll. Angst vorm Dunkeln. Glaubte
sie etwa dass es mir helfen würde wenn ich einfach nur ein kleines
Stecklicht in der Steckdose hatte? Erwachsene...
Wir betraten also die Praxis und
die Assistentin des Arztes sagte uns wir sollten im Wartezimmer warten.
Was wir auch taten.
Aus irgendeinem Grund mochte ich
dieses Wartezimmer nicht. Vielleicht lag es an der etwas zu niederen Decke.
Vielleicht an dem grellen Neonlicht das es beleuchtete. Oder aber vielleicht
auch an der Tatsache, dass es keine Fenster gab.
Ich setzte mich auf einen der Stühle
die an den Wänden entlang standen und verspürte den Drang, mich
andauernd umzusehen und umherzulaufen. Es überkam mich das Gefühl,
als könnte ich einfach nur meine Flügel aufschlagen und davon
fliegen.
Nach etwa eineinhalb Stunden
Wartezeit durfte ich mich aus diesem schrecklichen Zimmer begeben und dem
Onkel Doc die Hand schütteln. Ich musste mich in einen riesigen blauen
Sessel setzen, genau das was ich so in etwa vermutet hatte. Die Praxis
war irgendwie cool. Ich weiß auch nicht genau warum, aber ich hätte
hier vom Fleck weg einziehen können. Eine Wand war wie mit einem riesigen
Poster tapeziert, das einen schönen, kleinen Wald im Frühjahr
zeigte. Die gegenüberliegende Wand hatte ein unglaublich großes
Fenster , so dass man von der Wand eigentlich fast nichts mehr sehen konnte.
Nur der Ausblick war nicht sehr faszinierend. Wer wollte schon jeden Tag
freie Sicht auf eine verdreckte Großstadt haben? Aber immerhin war
der Raum hell, das gefiel mir sehr. Dunkle Räume waren echt nicht
mein Ding.
„Na, gefällt es dir hier?",
fragte die freundliche Männerstimme.
Ich drehte mich um und bemerkte
leicht beschämt dass mich meine Tante und der Psychiater schon einen
Weile beobachtet hatten, während ich die Wände und Fenster betrachtet
hatte.
„Ja, ein sehr schönes Zimmer
ist das hier", meinte ich freundlich.
Vor Erwachsenen hatte ich einfach
immer einen ziemlichen Respekt, aber das hatte nichts mit einschleimen
oder so zu tun.
Ich schüttelte ihm die Hand
und er fragte gleich, was los sei. Von nun an war mein Typ nicht mehr sehr
gefragt. Während meine Carol mit Händen und Füßen
erklärte weshalb wir hier waren, schaltete ich auf den Ausschalt-Knopf.
Zwischendurch fragte mich der Mann einige Fragen, zum Beispiel ob ich Stress
in der Schule hatte. Das war aber nicht der Fall.
Als ich dann wirklich schon beinahe
eingeschlafen war, knallte man mir einen Fragebogen auf den Tisch um herauszufinden...-
gut, ich geb's zu, ich hatte nicht mitgekriegt zu was, aber zu irgendwas
würde er schon gut sein.
Ich musste schreiben, was ich schon
immer mal machen wollte, was mein größter Wunsch war, mein seltsamster
Traum, als ich schlafgewandelt hatte und lauter solche Sachen. Totaler
Schwachsinn also.
Ich versuchte mich möglichst
kurz zu fassen um so schnell wie möglich wieder nach Hause gehen zu
können.
Danach verschrieb man mir
noch Tabletten für einen ruhigeren Schlaf, und schließlich konnten
wir endlich gehen.
Im Auto setzte ich mich neben Carol,
die großen Wert darauf legte dass ich sie nicht mit „Tante" oder
Ähnlichem ansprach. Sofort öffnete ich das Fenster wie
ich es immer tat. Lässig ließ ich den Arm hinaushängen
und lehnte mich zurück in den Sitz.
Das Wetter meinte es nicht allzu
gut mit uns. Kaum waren wir eine Minute gefahren, fing es an wie aus Eimern
zu schütten. Die Tropfen auf der Windschutzscheibe hatten einen Durchmesser
von ungefähr zehn Zentimetern. Die Leute in der City standen alle
dichtgedrängt unter den Sonnenschirmen der Cafés und die Straße
sah aus wie der reinste See.
„Mach das Fenster zu!", brüllte
Carol während sie sich darauf konzentrierte, den anderen Autofahrern
nicht die hintere Stoßstange wegzufahren. Ihre Stimme übertönte
kaum das Hämmern der Regentropfen. Anstatt der Musik ertönte
aus dem Radio nur noch ein schrilles Pfeifen, sodass man meinen konnte,
das Trommelfell würde platzen. Wahrscheinlich hatte es uns den Sender
rausgehauen. Ich tastete nach dem Knopf um die Fensterscheibe runterzulassen.
Als das Fenster zu war, kam mir das schrille Gepfeife noch unangenehmer
vor. Genervt schaltete ich das Radio aus.
„Carol, darf ich nachher noch ins
Internet? Ich muss noch dringend eine Email schreiben.", bettelte ich,
da mir gerade eingefallen war, dass ich schon lange nicht mehr geschaut
hatte, ob ich eine Nachricht von meiner Email-Freundin Rachel erhalten
hatte.
„Klar. Wenn's soo wichtig ist."
Wir waren in so etwas wie einen Stau
geraten. Nur schlimmer. Die Autofahrer trauten sich nicht mehr, weiterzufahren,
da man wirklich fast überhaupt nichts mehr sehen konnte. Wir kamen
nicht schneller voran als Schritttempo. Jedes zweite Auto hupte wie verrückt,
am Straßenrand standen bereits zwei, die ineinander gefahren waren.
„Wenn ich nur Flügel am Auto
hätte", murmelte Carol.
„Jepp, ein Vogel müsste man
sein.", meinte ich. Ein Vogel.
Und plötzlich überkam mich
ein müdes Gefühl, so wie es die meisten Schüler in der Geschichtsstunde
haben. Meine Augen schlossen sich wie automatisch, und ich träumte
einen seltsamen Traum.
Ein Käfig. Ich war in einem
Käfig gefangen. Ein Käfig mit goldenen Gitterstäben, so
dick dass man sie unmöglich durchbrechen konnte. Ich sah mich um:
lauter Vögel, alle eingesperrt, wie ich. Adler, Bussarde, aber auch
Tauben und Spatzen, einfach alle nur denkbaren Arten saßen in Käfigen,
viel zu klein um sich bewegen zu können.
Helfen! Ja, ich wollte ihnen helfen.
Aber wie? Ich saß selbst in einem Käfig. Ich sah mich weiter
um. Nur gequälte Vögel, überall, ohne Hoffnung. Ich war
gefangen, für immer. Ich drehte mich mühevoll um und sah einen
Spiegel hinter mir. Ich schaute hinein. Aber der Spiegel zeigte nicht mich:
er zeigte einen kleinen, zerzausten Rotschwanzbussard, der genau so hoffnungslos
aussah, wie all die anderen Vögel.
‚Nein, NEIN', versuchte ich zu schreien,
aber es ertönte nur ein leises, klägliches Krächzen...
* * *
Als ich wieder erwachte, lag ich
in meinem Zimmer. Es war schon dunkel, doch ich erkannte Carols Umrisse.
Sie saß neben mir auf einem Stuhl.
„Carol?", fragte ich leise.
Erschrocken zuckte sie zusammen,
dann stand sie auf und knipste das Licht an. Eine tiefe Falte war auf ihrer
Stirn, und ihr sonst so hübsches, junges Gesicht wirkte alt und besorgt.
Sie kniete sich neben mein Bett
und lächelte plötzlich.
„Bist du wieder unter uns?"
„Ich hab Kopfweh.", sagte ich leise,
und im nächsten Moment kam ich mir schon blöd vor. Carol hatte
bestimmt andere Dinge zu tun als sich über mein Kopfweh Gedanken zu
machen.
„Du hattest einen Albtraum. Der Arzt
war schon da. Im Auto bist du plötzlich umgekippt und hast angefange
zu schreien... ‚Lass mich raus', oder so was ähnliches.", erklärte
sie mir.
Ich erinnerte mich wieder an meinen
Traum. Ziemlich bescheuert. Ich kam mir vor wie ein Kleinkind, das schreiend
aus Albträumen erwacht.
„Was hast du denn schlimmes geträumt?",
fragte mich Carol, ohne sich irgendwie über mich lustig zu machen.
„Ich hab's vergessen", log ich. Es
war wirklich nicht nötig dass sie mich gleich noch mal zum Psychiater
schickte.
„Ist ja auch egal", meinte sie, „der
Arzt hat gesagt, es könne sein dass du Platzangst oder so was hättest.
Aber es war sicherlich nur ein dummer Traum. Du hattest doch noch nie Platzangst,
nicht wahr?"
„Nein. Bestimmt nur ein Traum, du
hast recht." Aber ein seltsamer Traum, wollte ich noch hinzufügen.
* * *
Ein paar Tage später war das
ganze schon wieder vergessen. Ich kam wie gewöhnlich von der Schule
nach Hause, nicht ohne vorher beinahe im Regen zu ersaufen. Es regnete
zur Zeit ständig. Kein sehr schöner Herbst.
In meinem Zimmer schaltete ich erst
mal den Computer ein. Sofort signalisierte mir ein blinkendes Briefchen
im Eck dass ich eine Mail bekommen hatte. Von Rachel, einer Emailfreundin.
Sie ist echt cool.
Hi Tobias!
Ich muss dich leider enttäuschen,
aber ich habe eine wichtige Prüfung und muss deswegen in letzter Zeit
viel lernen. Ich kann mich wirklich nicht mit dir treffen, auch wenn ich
echt Lust dazu hätte. Ich kann heute noch 'ne Weile chatten. Meine
Mom ist dann nämlich nicht da. Sie würde mich umbringen, wenn
sie erfahren würde dass ich so lange ins Internet gehe. Kommst du
so um vier? Also, bye
Rachel
Toll! Wieder mal keine Zeit. Sie
hatte absolut jedes Mal eine neue Ausrede parat. Ich fragte mich allmählich,
warum sie mich nie treffen wollte. Ich hatte eigentlich keine Freunde,
denn ich war vor kurzem erst in die Stadt gezogen. In der Schule wollten
sie nicht so viel mit mir zu tun haben, aber ich hoffte das würde
sich noch ändern. Aber Rachel... ich weiß nicht warum, aber
ich mochte sie sehr, obwohl ich sie noch nie gesehen hatte, und deswegen
traf es mich schon sehr, dass sie wie es aussah auch nichts mit mir zu
tun haben wollte. Oder nicht direkt. Lustlos schrieb ich eine kurze Antwort,
da ich sowieso vorhatte, in den Chat zu gehen.
Mich selbst bemitleidend stellte
ich fest dass es bereits fünf vor vier Uhr war. Also blieb ich gleich
im Internet und wartete darauf dass Rachel sich blicken ließ. Sie
kam, und ich unterhielt mich mit ihr ungefähr eine halbe Stunde, dann
musste ich raus. Doch dann fiel mir ein, dass ich als Hausaufgabe noch
etwas über irgendeinen Politiker herausfinden sollte. Dass war mein
Glück, denn sonst hätte ich die Email von Rachel wohl erst viel
später bekommen. Die Mail schockierte mich fast ein wenig, doch mir
kam eine Idee, und ich schrieb gleich zurück. Ich hoffte, die Mail
würde sie gleich erreichen, ging dann aber endgültig raus. Ich
wollte schließlich nicht für eine zu hohe Telefonrechnung verantwortlich
sein.
Später beschloss ich, noch ein
bisschen was für das Abendessen einzukaufen. Carol war nicht da, und
sie würde auch vor zehn nicht kommen.
Ich zog meine Schuhe an und schlüpfte
in meine lächerliche Regenjacke. Dann griff ich mir einen Schirm und
ging vor die Tür es dämmerte schon ein wenig, und ich wollte
mich gerade auf den Weg machen, als mir einfiel dass ich ja den Hund von
der alten Frau im obersten Stock mitnehmen konnte. Sie führte ihn
fast nie aus und er tat mir wirklich Leid. Also stieg ich in den Aufzug
der ziemlich klein und ungemütlich war. Die Wände waren in einem
seltsamen blau, sodass ich am liebsten die Augen geschlossen hätte,
was ich allerdings lieber sein ließ. Der Aufzug war nur für
drei Personen, hatte vielleicht einen Quadratmeter . Während ich darüber
nachdachte, wie alt dieses Teil schon war, tat es auf einmal einen
lauten RUCK! und der Aufzug blieb stehen.
„Verflucht!" rief ich.
So was musste auch immer mir passieren.
Erschüttert stand ich im viel
zu kleinen Aufzug und hoffte, die Türe würde sich gleich öffnen.
Es verging ungefähr eine Minute, bis mir klar wurde, dass die Türe
sich nicht öffnen würde. Die Angst beschlich mich, als ich voller
Entsetzen an den Thriller zurückdachte, den ich vor kurzem im Fernsehen
gesehen hatte. Dort war nämlich ebenfalls ein Aufzug stecken geblieben,
die Drahtseile waren gerissen und sämtliche Leute starben einen schrecklichen
Tod.
„Denk doch nicht so einen Unsinn!"
ermahnte ich mich selbst. „Wer zum Teufel hätte denn die Seile kaputtmachen
sollen?" Der Klang meiner Stimme beruhigte mich wieder ein bisschen.
Ich suchte an der Wand einen Schalter,
mit dem man Alarm auslösen konnte, falls man stecken geblieben war.
Nur leider hatte anscheinend in der Epoche, in der der Aufzug gebaut worden
war, noch keiner an so etwas gedacht. Sofort fielen mir auch die Drahtseile
wieder ein. Ob die seit damals schon mal gewechselt worden waren? Wohl
eher nicht. Und wer weiß wie dünn die solche Seile früher
gemacht hatten, um Material zu sparen?
„Jetzt reicht's!" schrie ich verzweifelt.
„Jemand wird kommen und bemerken, dass da was nicht stimmt." redete ich
mir ein. Dann setzte ich mich in die Ecke und wartete. Ich wartete sicherlich
noch nicht allzu lang, als ich plötzlich fürchterliche Kopfschmerzen
bekam.
„Nein, nicht schon wieder." flüsterte
ich zu mir. Der Schweiß rann mir bereits die Stirn herunter, und
mein Herz pochte fast hörbar laut.
„Was ist nur los mit mir?" fragte
ich mich. Die blauen Wände erschienen mir mal grün, mal schwarz,
und mit der Zeit begannen sie, sich langsam zu drehen.
„NEIN!" schrie ich verzweifelt.
„Werde ich verrückt??" Bei den letzten Worten verließ mich meine
Stimme. Es war als wäre plötzlich zu allem Überschuss auch
noch der Strom ausgefallen, denn es verfärbte sich alles schwarz.
Ich kreischte hilflos, wälzte mich über den Boden, bis ich nach
circa zehn Zentimetern die nächste Wand erreichte. Ich versuchte,
mit den Beinen gegen die Tür zu schlagen, doch meine Orientierungssinn
hatte mich scheinbar ebenso verlasse. Letztendlich fielen mir die Augen
zu, und was immer danach geschah, ich kann mich nicht mehr erinnern...
* * *
RACHEL:
„So, Kinder. Ich möchte, dass
jeder von euch bis Ende des Schuljahres noch ein Referat hält. Eure
mündlichen Noten stehen fast alle noch sehr auf der Kippe. Wer kein
Thema findet, dem werde ich nächste Stunde noch ein paar zur Verfügung
stellen. Aufstuhlen nicht vergessen!"
RIIIIIINNNNG!
Murmelnd und stöhnend erhob
sich meine Klasse. Die einzige, die sitzen blieb, war ich. Ein Referat!
Ich hasse Referate! Als ich daran dachte, zitterten mir schon Hände.
Das konnte doch wohl nicht wahr sein! Ich würde mich total blamieren,
was ja nicht allzu selten vorkam. Ich war ja sowieso zu nichts fähig.
Ich hatte wie so oft das unbändige Verlangen, zu meinem Lehrer vorzulaufen
und ihm mal so richtig gründlich in die Fresse zu schlagen. Ein weiterer
Traum der sich wohl nie einem Schüler erfüllen wird. Ich hätte
mich ja nicht mal getraut, meinen Lehrer böse anzuschauen. Nicht mal
wenn er weggeschaut hätte. Ich traue mich überhaupt nichts. Als
ich letztes Schuljahr vor der Klasse vorsingen sollte, fiel ich vor lauter
Lampenfieber in Ohnmacht. In mündlich habe ich wohl in jedem Fach
eine glatte Sechs, weil ich mich nie traue, zu strecken. Die meisten Lehrer
wissen wahrscheinlich noch nicht mal wie ich heiße. Aber das wäre
mir alles egal, wenn es da nicht solche Sachen wie Referate oder mündliche
Abfragungen gäbe.
Ich zweifle daran, dass ihr mein
Problem versteht. Das verlange ich auch gar nicht, denn keiner versteht
mich. Ich bin schlicht und einfach das ängstlichste Etwas der Geschichte.
Wenn man jemanden fragen würde: „Hey, wie findest du Rachel?", würde
man als Antwort bekommen: „Rachel? Die eine da, die nie was sagt? Die ist
mir zu schüchtern."
Mit dem Kopf voller Gedanken lief
ich nach Hause. Ich war wieder mal allein, worüber ich nicht wirklich
traurig war. Meine Mom hatte mir etwas zu Essen gemacht. Nachdem ich es
aufgewärmt und gegessen hatte stieg ich die Treppen rauf in mein Zimmer.
Ich schloss Türen und Fenster zu.
Ich legte eine alte CD von mir ein
und sang den Text in voller Lautstärke mit:
„Remember times when you were young,
you had to fight for your win to get up. Remember times when you were young
and nobody knew who you are..."
Ich wusste schon irgendwie, dass
ich Talent hatte im Singen, aber ich wusste auch, dass das nie in meinem
Leben irgendwer bemerken würde. Ich drückte auf den On-Knopf
meines Computers und ging ins Internet. Noch immer singend las ich meine
eingegangenen Emails. Die Leute, die ich in Chats kennen gelernt hatte
und denen ich Emails schrieb, konnten ja nicht wissen was für eine
absolute Null ich war.
Die Mail, die ich bekommen hatte
war von einem Jungen Namens Tobias. Er war echt total in Ordnung. Er wollte
mich schon immer mal kennen lernen, aber ich habe vor lauter Angst immer
Ausreden erfunden, um ihm nicht begegnen zu müssen. Wäre ich
nur nicht so schüchtern...
Die Mail war relativ kurz:
Hi Rachel!
Ich glaube, wir werden uns nie
kennen lernen, weil du ja nie Zeit hast. Ich würde dich trotzdem mal
gerne sehen. Du kannst mir ja mal ein Foto von dir schicken. Musst es halt
einscannen.
Gib mir doch bitte deine Adresse,
damit ich dich mal besuchen kann. Wir sind doch jetzt schon soo lange befreundet
und ich weiß nicht mal wo du ungefähr wohnst und wie du aussiehst.
Bitte...
Tobias
Wenn er wüsste wie gerne ich
ihn kennen lernen würde. Aber...
Ich schaute auf meine Armbanduhr.
Schnell loggte ich mich in den Chat ein. Mein Nickname war ‚Scarlett',
ja, blöd, ich weiß.
Kaum war ich eine Minute im Chat,
bekam ich auch schon eine Nachricht von Tobias:
Eagle_eyeHi Rachel. Wird auch
Zeit>
Ich weiß. Was geht?>
Im Chat gab ich mich immer ruhig
und gelassen. Tobias musste eine völlig falsche Vorstellung von mir
haben.
Eagle_eyeWas is jetzt mit
dem Foto von dir?>
Ich hab keinen Scanner>
Tatsache war, dass ich sehr wohl
einen Scanner hatte. Aber was wäre gewesen, wenn ich ihm nicht gefallen
hätte...?
Eagle_eyeMist! Deine Adresse?>
Darauf wusste ich nicht, was ich
schreiben sollte. Nach kurzem überlegen schrieb ich:
Gib du mir deine, ich besuch
dich dann mal, ok?>
Eagle_eyeok.>
Er gab mir seine Adresse. Ich schrieb
sie ab und warf sie in meine Schublade. Ich wusste genau, dass ich ihn
nie besuchen würde. Er war in gewisser Weise mein Freund, sogar der
einzige, den ich hatte, aber ich hatte einfach nicht den Mumm dazu...-
wie immer.
Ich muss bald ein Referat halten.
Hab Schiss wie die Sau>
Eagle_eyeWas ist denn so schlimm
dabei?>
Soll ich mich denn vor meiner
Klasse lächerlich machen? Ich bin schon beim vorsingen in Ohnmacht
gefallen!>
Eagle_eye*fg* Ich find
das gar nicht so schlimm. Musst einfach nicht an die blöden Gesichter
denken. So ein Referat vergisst man eh nach zwei Tagen wieder.>
Nicht wenn man Rachel heißt>
Eagle_eye ??? >
Ach nichts. Muss weg. Bye!>
-AUS-
Noch Stunden später fragte ich
mich, warum ich ihm von meiner Schüchternheit erzählt hatte.
Oder so was in der Art. Er hielt mich jetzt sicher für dumm...
Aber er hatte ja selbst Probleme.
Er hatte mir schon oft geschrieben, dass wieder etwas seltsames passiert
sei und das seine Tante bei der er wohnt ihn schon zum Psychiater geschickt
hatte. Was genau passierte schrieb er zwar nie, aber vielleicht schämte
er sich. Aber sicherlich war er nicht so down wie ich.
Aber er vertraute mir. Und ich belog
ihn. Ich sagte ihm nicht die Wahrheit, dass ich feige war, und gar nicht
so cool wie ich mich immer gab. Dass ich zwar immer Zeit gehabt hätte,
aber nie den Mut um zu kommen.
KLICK!
Ich schaltete den Computer noch mal
ein. Ohne lange zu überlegen, schrieb ich folgende Mail:
Hi Tobias!
Ich werde dir jetzt mal erzählen,
wie ich in Wirklichkeit bin.
Ich bin der größte
Feigling der Welt. Ich hatte an allen Terminen, an denen du dich mit mir
treffen wolltest Zeit. Ich hab mich aber nicht getraut zu kommen. Ich kann
mich nicht wie ein normaler Mensch mit jemanden unterhalten, ohne gleich
vor Aufregung zu stottern. Ich chatte gerne mit Leuten, nur weil ich mir
da zwei mal überlegen kann, was ich sagen will. Abgesehen davon stottert
man da nicht... es tut mir Leid dass ich so blöd bin. Ich traue mich
vielleicht nicht einmal diese Mail wegzuschicken. Um ehrlich zu sein bist
du der einzige Mensch, der mich bisher noch nicht für vollkommen verblödet
hielt. Was jetzt wohl auch nicht mehr er Fall ist...
Ich kann verstehen, wenn du mir
jetzt nicht mehr schreibst.
HDL Rachel
Ich klickte auf Nachricht senden>,
bevor ich mir es nochmal überlegen konnte. Kurz danach bereute ich
es auch schon und hätte die Mail am liebsten zurückgeholt.
Ich ging wieder in den Chat. Habt
ihr schon mal versucht in einen Arsenal-Fan-Chat unter ‚Beckham_forever'
zu gehen. Das gibt echt mal wahnsinnig Stress. Aber nicht einmal das konnte
mich im Moment aufheitern.
„DUT! DUT! Sie – haben – eine – Nachricht
- erhalten!", sagte plötzlich eine elektronische Stimme.
Aufgeregt las ich die Mail:
Hi Dummchen!
Glaubst du im Ernst, dass ich
dir wegen so etwas nicht mehr schreibe?
Du hättest mir echt schreiben
können wenn du keinen Bock gehabt hast mich zu treffen. Vielleicht
bin ich bald nicht mehr der einzige Psychiatergänger. Du könntest
ja mal mit deiner Mom reden dass sie dich so eine Therapie machen lässt.
Ich möchte dich wirklich
kennen lernen. Du bist bestimmt ein echt liebes Mädchen. Wäre
doch schade wenn das nie jemand mitkriegt.
Bye Tobias
P.S. Und ich wette du hast einen
Scanner!!!
Als ob so eine Therapie mir helfen
würde. Er weiß wahrscheinlich nicht, wie es ist, ein echter
Außenseiter zu sein, wie sollte er auch. Es war derart lächerlich,
zu glauben eine solche, schwachsinnige Therapie würde mir helfen.
Er schien mir so lieb. Es war schade,
dass ich ihn nie richtig kennen lernen würde.
Plötzlich kam eine zweite Mail.
Es war eine Bilddatei, von Tobias, und ich konnte mir schon halb denken
was es war.
Es war ein Foto von ihm. Er hatte
schöne, braune Haare und sehr dunkle, tiefe Augen. Um ehrlich zu sein
waren es die schönsten Augen, die ich jemals gesehen hatte. Sein Gesicht
war unglaublich süß. Er hatte das niedlichste Lächeln der
Welt. Und mit einem Mal hasste ich es noch viel mehr, so feige zu sein...
* * *
CASSIE:
PIIIIIIIEEEP! PIIIIIIIEEEEEEEP! PIIIIE...-
KLATSCH!
„Dummer Wecker! Wenn Mom aufwacht
bin ich dran!" Schnell stieg ich aus dem Bett und schlüpfte
aus meinem Pyjama. Das Licht ließ ich vorsichtshalber aus. Denn wenn
meine Eltern mitgekriegt hätten, dass ich mich mitten in der Nacht
auf irgendwelche Demonstrationen schleiche, hätte ich wohl lebenslänglich
Hausarrest gekriegt.
Eltern haben nun mal keine Ahnung,
wie man gegen diese Umweltverschmutzer und Tierquäler vorgehen muss.
Früher dachte ich genau das selbe wie sie, ich dachte, man könne
alles ohne Gewalt lösen. Wie dumm von mir. Zu meinem Glück habe
ich Steve kennenge-...
„Cassie!! Bist du fertig? Wir gehen
jetzt los!", flüsterte eine Stimme unter meinem Fenster.
„Moment!", rief ich leise. Ich stieg
in meine Jeans und zog mir einen Pulli über. Die Sachen, die ich mitnehmen
wollte, hatte ich schon am vorigen Tag gepackt und unter meinem Bett versteckt.
Meine Taschenlampe unter dem einen und den zwei Schlagstöcken unter
dem anderen Arm schlich ich mich die Treppe hinunter. Die Schlagstöcke
musste ich seit ich dabei war immer mitnehmen. Vielleicht konnten die anderen
die Sachen nicht so gut verstecken wie ich. Draußen vor der
Tür stand Steve mit seinen Kumpels. Sie waren alle mit Lederklamotten
bekleidet. Gelangweilt standen sie an Bäume gelehnt und schauten in
der Gegend rum. Ich bewunderte diese Typen. So cool. Vor allem Steve...
„Mit was seid ihr denn hier?", fragte
ich, noch immer flüsternd.
„Drüben im Wald stehen unsere
Motorräder. Du kannst bei mir hinten mitfahren.", sagte Steve lässig,
zeigte in Richtung Wald und lief los. Seine schwarzen Haare, die immer
zu einem Pferdeschwanz gebunden waren, wehten im Wind. Seine stattliche
Figu...-
„Du sollst hier nicht rumträumen.
Komm jetzt endlich!", schnauzte einer der Typen.
Hastig schlurfte ich ihnen durch
die Blätter und Zweige hinterher. Als ich Steve erreicht hatte, fragte
ich ihn neugierig: „Wann kommt denn der Kastortransport?"
„Circa in einer Stunde." Ich stieg
zu ihm aufs Motorrad, ohne seine genervte Stimme zu bemerken.
Es war ziemlich kalt, so wie es im
Herbst eben meistens ist, und ich wünschte mir, ich hätte mich
wärmer angezogen.
Während der Fahrt achtete ich
nur auf Steve und ich klammerte mich bei jeder Kurve fester um ihn. Er
war einfach der Held meiner Schlaflosen Nächte.
Als wir am Treffpunkt angekommen
waren, hatte sich der Nebel bereits wie ein weißer Seidenschal über
uns ausgebreitet.
„Um so besser," meinte Steve, „dann
können uns die Bullen schon nicht so leicht erwischen."
Es war erst das zweite mal, dass
ich auf einer solchen Demo war. Deshalb fühlte ich mich auch immer
noch etwas fremd. Das erste mal verlief recht friedlich, also war ich noch
nicht richtig auf die Probe gestellt worden.
Wir stellten unsere Zelte in einem
kleinen Wäldchen auf, das nahe bei den Schienen war. Viele bewaffneten
sich schon mit Steinen und Knüppeln. Ich saß wie das letzte
mal nervös und auch ein bisschen ängstlich in unserem Zelt und
schaute auf die Uhr. Ich hatte schreckliche Angst dass man mich erwischen
und mich zu meinen Eltern bringen würde.
Wir hatten noch etwa eine halbe Stunde
Zeit, bis der Zug kam. Ich hörte Schritte näher kommen, und als
der Reißverschluss des Zeltes hinunter gezogen wurde, konnte ich
Steves Gesicht erkennen.
„Bist du schon aufgeregt, Kleine?",
fragte er sanft. Er legte seinen Arm um mich und sah mir tief in die Augen.
„Ich möchte, dass du mir einen Gefallen tust."
„Steve, für dich würde
ich alles tun." Flüsterte ich ihm ins Ohr. Ich konnte seine Hand unter
meinem Pulli spüren. Ich war mir nicht sicher, was ich dazu sagen
sollte. Deshalb war ich ganz froh darüber, als er sich plötzlich
aufsetzte.
„Ich hole uns was zu trinken, ja?"
Ich nickte glücklich und er verschwand aus dem Zelt.
Kurze Zeit später kam er zurück,
mit zwei Flaschen Bier in der Hand. Normalerweise trinke ich nicht oft,
aber ich wollte Steve etwas beeindrucken und trank die Flasche in einem
Zug leer. Ich holte Luft. Ich musste ihm einfach meine Gefühle für
ihn mitteilen, aber ehe ich auch nur ein Wort aussprechen konnte, wurde
ich unglaublich müde. Meine Glieder fühlten sich plötzlich
ungeheuer schwer an, wie aus Blei. Ich sträubte mich dagegen, aber
ich konnte nichts tun, bis mir schließlich die Augenlider zufielen.
Das nächste, an was ich mich
erinnern kann, war die unglaubliche Kälte, die mir von den Zehenspitzen
bis unter die Haarwurzeln ging. Ich konnte mich selbst nicht mehr spüren.
Ich konnte nichts hören. Ich wusste auch nicht, wo ich war. Um mich
herum war totale Dunkelheit. Und ganz allmählich beschlich mich die
Angst....
Ende des ersten Kapitels!
Und, was denkt ihr? Es gibt bestimmt
nicht viele Deutsche auf fanfiction.net, aber vielleicht ein paar??? Bitte
reviewt! Oder schreibt mir: latrisha-chan@hotmail.com
PS: Habt ihr Ideen für einen
anderen Titel? Denn, wie der Engländer sagen würde: 'This title
sucks!' Bitte...mir ist um's verrecken nichts besseres eingefallen*seufz*