Götterdämmerung

Drei Leben, zwei Geliebte, eine Entscheidung

Teil 2: Zeitdruck und Verwicklungen

(Haruka)

Ich war beunruhigt. Um es deutlicher zu sagen, ich war zutiefst besorgt. Der Wind war in Aufruhr und flüsterte eine unterschwellige Warnung von einer grundlegenden Veränderung in unserem Leben. Nein, eigentlich nicht in unserem Leben, es hatte mehr mit Hotaru zu tun. Sie war sehr abwesend und fast ständig nicht zuhause in letzter Zeit. Und das gefiel mir überhaupt nicht. Was mir auch mißfiel war, daß sie ständig aus irgendeinem unerfindlichen Grund mit Minako rumhing. Nicht daß ich ihr die Gesellschaft nicht gönnte aber da war etwas – und darüber war ich mir mit Michiru einig –, das mich mißtrauisch machte, etwas, was ich sehr gut kannte aber nicht einordnen konnte.

Hotaru müßte mittlerweile wieder zurück sein und ich hatte vor mit ihr über das Thema zu sprechen und endlich klaren Tisch zu schaffen. Wenn sie irgendwelche Visionen oder Vorahnungen hatte würde ich schon gerne mehr darüber wissen. Setsuna hatte sich auch schon länger nicht mehr blicken lassen und Michirus Spiegel schien nichts aufzufangen. Also blieb mir wohl oder übel nur Hotaru.

Ich stoppte auf meinem Weg zu ihrem Zimmer an der Tür, die zum Terrasse führte, und verharrte dort, als die vertraute Stimme von Minako an mein Ohr drang, während ich vorsichtig um die Ecke spähte. Hotaru und sie saßen nebeneinander auf der kleinen Bank, die wir dort aufgestellt hatten, sehr ENG beieinander...

Minako schien sehr aufgeregt über etwas zu sprechen und ich meinte mehrere Male die Worte „Dämon" und „Kampf" aufzufangen, was mich sehr beunruhigte. Hotaru war wesentlich leiser und ich verstand von meiner Position nicht, was sie sagte. Nach einer Weile schien das Gespräch sich einem anderen Thema zuzuwenden und Hotaru wurde sogar relativ nervös. Hotaru und nervös? Ich wünschte ich könnte verstehen, was sie sagten, aber ich wagte nicht mich zu rühren.

Wenn meine Reflexe nicht so gut wären, hätte ich vermutlich das Tablett mit Gebäck und Tee, das ich immer noch mit einer Hand balancierte, fallengelassen, als Minako sich zu Hotaru rüberlehnte und ihr einen langen Kuß auf die Lippen drückte. Was zum Henker? Sie redete jetzt sanft auf Hotaru ein und diese schien sich etwas zu entspannen.

Meine Gedanken überschlugen sich. Aber natürlich! Kein Wunder, daß mir das so vertraut vorkam, ich war doch selber in einer ähnlichen Position mit Michiru. Aber das, das konnte ich einfach nicht so recht glauben, wollte es nicht glauben. Ich dachte Minako war mit diesem Halbschatten... Meine freie Hand ballte sich zur Faust und ich konnte meine aufkeimende Gefühle kaum noch kontrollieren. Hotaru war wie eine Tochter für mich und wenn diese ach so liebreizende Liebesgöttin meinte...

Ich glaubte mein Herz würde stehenbleiben. Die Szene vor meinen Augen hatte eine dramatische Wende genommen, als Hotaru aus dem Nichts einen kleinen Ring hervorzauberte. Meine scharfen Augen nahmen die Eingravierung darauf wahr und ich schnappte lautlos nach Luft. Das war doch... Mir war sehr wohl vertraut, was ich gerade miterlebte. Immerhin hatten Michiru und ich das auch schon zum Teil hinter uns.

Minako sah ungläubig auf den Ring. Es herrschte eine Weile Schweigen und niemand sagte etwas. Mein Atem stockte, ich hatte Angst jeder Atemzug könnte mich verraten. Schließlich begannen Tränen Minakos Gesicht herunterzulaufen und sie sagte schluchzend etwas, was ich wiederum nicht verstand aber mehr oder weniger vermuten konnte. Hotarus Gesicht wurde traurig, obwohl sie sich definitiv um Kontrolle bemühte und erneut leise auf Minako einredete.

Es ging eine Weile so weiter bis Minako den Ring schließlich akzeptierte aber nicht anlegte, sondern in ihrer Tasche verschwinden ließ. Sie gab Hotaru noch einen schnellen Kuß auf die Stirn und schoß dann wie ein Wirbelwind zur Hintertür hinaus, wobei sie eine enttäuschte Hotaru zurückließ.

Ich fühlte mich plötzlich ziemlich schwach auf den Beinen und schaffte es irgendwie zurück ins Wohnzimmer, wo ich das Tablett endlich abstellte. Michiru sah von ihrer Arbeit an einem Bild auf und schenkte mir einen fragenden Blick. „Wir haben ein großes und ich meine ein GROßES Problem", murmelte ich nur und ließ mich stöhnend ins Sofa fallen.

(Rei)

Ich lag mit ausgestrecktem Körper auf der Wiese direkt unter dem Kirschbaum. Sonnenstrahlen und kalte Luft strichen über meine Haut. Ein paar Mal in der Woche legte ich mich auf einen stillen Platz und wühlte in Erinnerungen. Erinnerungen aus der Zeit der Götter, aus dem Silberjahrtausend oder aus meiner ganz normalen Kindheit. Wenn man schon mehr als einmal gelebt hat, gibt es nichts faszinierenderes als Momente der alten Zeiten noch einmal zu durchleben. Ich befand mich in Usagis und Mamorus kleinem Garten. Usagi hatte mir gestern um zwei Uhr nachts, als ich zu müde war zurück bis nach Okinawa zu fahren, angeboten hier zu übernachten.

Doch heute wühlte ich ausnahmsweise nicht in meiner eigenen Vergangenheit, sondern in der von Minako. Dies tat ich aus einem ganz bestimmten Grund. Ich war besorgt, sehr besorgt sogar. Denn Minako war imstande sich zu etwas hinzugeben, dem sie meiner Meinung nach nicht gewachsen war. 

Manchmal frage ich mich ernsthaft für wie blöd Minako mich wohl hielt. Ich war nicht mehr die Göttin der Feuergeister, doch ein Teil von Mars war noch in mir. Mir entging nichts, und die Freundschaft oder besser gesagt Liebe zwischen Minako und Hotaru Tomoe natürlich auch nicht. Genausowenig wie sie mir damals im Silberjahrtausend entgangen war. Minako hat das nie gewußt. Ich habe auch weder bei ihr, noch bei Königin Serenity, noch bei sonst irgend jemandem je ein Wort darüber verloren. Anderer Probleme, solange sie mit Liebe und nichts mit Tod und Krieg zu tun haben, interessierten mich nicht. Doch ich hatte den Dämon vorhin gespürt und eigentlich wußte unsere werte Minako, daß ich einen Draht zu Dämonen habe. Es ist nicht dieser Dämon, der mich aufgeregt hat, sondern diese beunruhigende Macht die ihn geleitet hat.

Ja, Minako war in Gefahr, und sie ist zu dumm, um es zu begreifen. Saturn oder meinetwegen Hotaru zog sie da in etwas hinein, dem sie meiner Meinung nach nicht wirklich gewachsen war. Doch Saturn konnte ich keine Vorwürfe machen. Sie war das Opfer in diesem Spiel und ich verstand ihr Handeln. Sie war diejenige, die wirklich Hilfe brauchte. Doch ich wußte nicht, ob es klug war sie sich von Minako zu holen. Denn gerade Minako ist eine Person, die sich Hals über Kopf in solche Sachen stürzt, ohne sofort an die Folgen zu denken.

Ich dachte über eine ganz normale Minako-Hotaru Beziehung nach. Eigentlich mochte ich Hotaru, sie war still, intelligent und nett. Daher finde ich allerdings, daß sie bei Minako, der Monogamie ein Fremdwort war, nicht gerade an der richtigen Adresse war. Daß Minako auch gleichgeschlechtlich veranlagt war, wunderte mich eigentlich nicht besonders.

Davon abgesehen war sie ja noch mit diesem arroganten Halbschatten zusammen. Okay, Saito ist vielleicht nett und er hat sehr viel für Minako getan, doch ich schaffte es nicht seine Taten aus den früheren Zeiten zu vergessen. Und arrogant war der Kerl wirklich. Männer seiner Art kamen bei mir nicht an. Allerdings konnte ich ihn immer noch besser leiden als Dallas, der vielleicht gut aussah, doch skrupellos und prügelwütig höchsten Grades war. Da Meistro tot ist, lasse ich ihn lieber aus dem Spiel.

Vielleicht würde mir diese Beziehung zwischen Hotaru und Minako gefallen -- unter normalen Umständen. Aishar und Rhea...Es ist die merkwürdigste Liebesbeziehung, die man sich vorstellen konnte. Die Göttin der Liebe und Schönheit und die Kriegerin der Zerstörung. War Minako sich wirklich darüber im Klaren gewesen, was sie tat?

Plötzlich spürte ich, daß jemand sich zu mir gesellte. Ich öffnete die Augen. Es war Minako, ich hatte sie nämlich zu mir bestellt. Sie beugte sich über mich und die Spitzen ihrer goldenen Haare berührten meine Wangen. Sie lächelte schwach und ich sah ihren blauen Augen sofort an, daß sie verzweifelt war. Allerdings war ich von meinen Erinnerungen an das Silberjahrtausend noch etwas durcheinander.

„Aishar... " murmelte ich und blickte sie an. Minako fuhr zurück und starrte mich verwirrt an. „Wieso nennst du mich Aishar", fragte sie verstört.

Ich kam wieder zu mir und stand auf. „Ich habe an die alten Zeiten zurück gedacht", sagte ich mit dem Rücken zu ihr und ging ins Haus hinein. Minako folgte mir irritiert.   Drinnen nahm ich Cola aus dem Kühlschrank und schüttete sie in zwei Gläser. Usagi und Mamoru waren nicht hier, teilte ich Minako mit als sie fragte. Sie schien etwas enttäuscht.

„Hier", sagte ich und stellte Minako den Saft hin. „Nach der Prügelei mit dem Dämonen tut das sicher gut."

Minako nickte geistesabwesend, stutzte aber dann und starrte mich an. „Woher weißt du davon?" fragte sie prompt.

„Du weißt genau daß ich Dämonenauren spüre", antwortete ich kurz. Minako sah mich prüfend an. Wahrscheinlich fragte sie sich ob ich noch mehr wußte. „Ja." sagte ich.

„Was ja?" Sie blickte verständnislos.

„Ja, ich weiß auch vom Rest Bescheid."

Minako machte ein merkwürdiges Gesicht, seufzte dann und nippte nervös an dem Glas. „Rei, hör bitte auf mich zu terrorisieren, also rede gefälligst Klartext!" sagte sie.

Ich setzte mich neben sie und sah zum Fenster hinaus. „Es gibt da so eine Geschichte. Sie ist sehr alt und stammt aus dem Silberjahrtausend. Es existiert ein Dämon der anderen Seite, der ein Bündnis mit unserer Seite eingehen will. Daher muß er sich mit einer von uns vermählen."

Minako starrte in ihr Glas, während ich sprach und gab keine Reaktion von sich.

„Es gibt noch eine Geschichte. Die Geschichte von Aishar und Rhea", fuhr ich fort, doch Minako unterbrach mich.

„Genug!" rief sie und preßte sich die Hände auf die Ohren. Es war nicht meine Absicht sie zu verletzen, aber bei Minako mußte man auch manchmal andere Mittel benutzen. Ich nahm ihr sanft die Hände von den Ohren.

„Minako, ich will dir helfen. Doch du mußt vorsichtig sein. Du bist gerade dabei in eine ernste Sache verwickelt zu werden."

„Glaubst du ich weiß das nicht?" fauchte Minako. Doch dann warf sie sich mir in die Arme und drückte ihr Gesicht an meinen Hals. „Ich weiß nicht, was ich machen soll..."

Eine Weile saßen wir so. Dann stand Minako auf und erklärte sie müsse sich frisch machen, das bißchen Make up, was sie heute morgen aufgetragen hätte sei schon weggeheult. Sie griff nach ihrer Handtasche und nahm das Schminketui hervor, die Tasche selbst ließ sie aber hier. Ich zögerte. Eigentlich war es nicht meine Art in anderer Sachen herumzuwühlen, doch dieses Mal fand ich es berechtigt. Als ich Minako die Badezimmertür schließen hörte, stand ich auf und suchte in ihrer Tasche nach etwas Bestimmten. Ich wurde schnell fündig. Staunend hielt ich den blitzenden Ring hoch. Also doch...

Ich hörte Minako wiederzurückkehren. Schnell ließ ich den Ring wieder verschwinden und setzte mich hin. Minako hatte nichts bemerkt.

(Usagi)

Heiter mit Mamoru plaudernd betrat ich unsere Wohnung und war gelinde überrascht Minako zusammen mit Rei vorzufinden und Erstere sah ziemlich bedrückt aus. Ich hatte die Wellen von Panik und extremer Verwirrung schon beim Eintreten spüren können. Rei sagte, daß hinge wohl mit den Resten von Serenity in mir zusammen aber eigentlich glaubte ich eher war es das Nahen von Kristall Tokyo. Auf jeden Fall wurde ich immer empfindsamer für solche Sachen.

„Mina-chan?" machte ich mich leise bemerkbar und Minako sah auf. Es waren keine Spuren von Tränen mehr zu sehen aber ich wußte... spürte sie waren vor kurzem noch dagewesen. Rei hingegen sah sehr ernst und besorgt aus. Ich tauschte einen kurzen Blick mit meiner Freundin aus und sie erhob sich. Langsamen Schrittes verließ sie die Küche und zog Mamoru, der etwas protestierte, hinter ihr her. Ich hörte die Tür leise ins Schloß fallen und setzte mich dann wortlos zu Minako.

Es herrschten sicher einige Minuten Schweigen. Ich wollte nicht pressen aber etwas war ganz und gar nicht richtig, dafür brauchte man keine Gefühle lesen zu können. Sicher mußte ich ziemlich verblüfft dreingeschaut haben, als sich Minako mir schließlich in die Arme warf. Kami-sama, sie war vollkommen verstört.

Abwesend strich ich beruhigend durch ihr Haar und ließ die paar Schluchzer still über mich ergehen. Selten, eigentlich noch nie hatte ich Minako so fertig gesehen. Das paßte einfach nicht und machte sie irgendwie... unnatürlich.

„Ich weiß nicht, was ich tun soll", brachte sie schließlich hervor und setzte sich wieder auf, anscheinend etwas beschämt über ihren Ausbruch, jedoch hielt ich keine schlechten Gefühle deshalb gegen sie. Ruhig und geduldig wartete ich bis sie fortfuhr.

„Serenity-hime?" Ich zuckte zusammen. Sie nannte mich nie so. Prinzessin vielleicht manchmal aber äußerst selten. Zaghaft nickte ich. „Bin ich hier die Einzige, die denkt, daß Rheas und meine Beziehung ein Geheimnis war?" Uh hu? Ich glaube, ich wäre beinah vom Stuhl gefallen aufgrund der Direktheit der Frage. Ein paar Erinnerungen flossen in mein Gedächtnis, von einem Gespräch mit meiner Mutter kurz vor dem Ende des Silberjahrtausends. Ich stellte schnell die Verknüpfung zu Rei her.

„Nein, ich glaube Mars ist die Einzige... Mutter wußte etwas, sie hat es nur mal kurz erwähnt..." Schließlich begann ich zu registrieren, was das bedeutete. „Moment! Soll das heißen du erinnerst dich daran?" Sie nickte schwach. „Ich bin verwirrt, Usagi-chan, und weiß wirklich nicht, was ich tun soll. Saito ist auch wieder zurück und alles wird immer komplizierter mit dem Dämon von heute und..."

„Dämon?" unterbrach ich sie, jetzt auch ziemlich besorgt. Minako schüttelte den Kopf und wehrte meine Frage ab, bevor sie überhaupt meine Lippen verlassen konnte. „Ich bin in Ordnung, Momoko und die anderen haben mir geholfen." Ah ja, ihre Cousine, sie hatte mir von Celestes Tochter erzählt. „Aber... Jemand hat es auf Hotaru abgesehen und ich weiß nicht warum. Sie hat nur sehr wenig darüber gesagt. Ich habe Angst, Usagi..."

Für einen Augenblick war sie nicht in der Lage weiterzureden, sondern schluchzte nur ein paar Mal. Ich wollte irgend etwas sagen aber im Moment versuchte ich das Ganze zu verarbeiten. „Da ist noch etwas", fuhr Minako schließlich fort. Was auch immer jetzt kam, mußte groß sein. Sie griff nach ihrer Tasche und wühlte kurz darum herum. Als sie ihre Hand schließlich wieder herauszog, hielt sie einen kleinen silbergoldenen Ring zwischen den Fingern, die vereinten Symbole von Venus und Saturn waren darauf eingraviert.

„Shimatte!" fluchte ich ganz entgegen jeder Manier. Ich meinte es eigentlich nicht böse aber Minako schien es als Abwertung zu nehmen und senkte den Blick, während sie den Ring wieder zurücktat. Behutsam legte ich ihr eine Hand auf die Schulter. „Was willst du denn, daß ich dir jetzt sage, hm? Ich kann keine Entscheidung für dich treffen, das weißt du. Versuch einfach ehrlich mit deinen Gefühlen zu sein und nimm dir Zeit. Ich bin sicher Hotaru wird es verstehen und..."

„Aber das ist es ja gerade", fuhr Minako auf. „Ich habe keine Zeit mehr, verstehst du? Ich weiß nicht warum aber ich weiß, wenn ich mich nicht schnell entscheide, werde ich alles nur noch schlimmer machen!" Das Mädchen tat mir Leid. Natürlich hatte sie Recht mit dem, was sie sagte, doch ich wagte auch nicht ihr das direkt ins Gesicht zu schmettern, es würde sie nur noch mehr unter Druck setzen. Eigentlich dachte ich Rei hätte das schon getan aber dem war wohl nicht der Fall.

„Geh nach Hause, Minako", riet ich letztendlich schlicht. Das mochte zwar idiotisch und irgendwie mütterlich klingen aber ich ließ ein bißchen Prinzessinnenton mitschwingen und half ihr dann auf. „Geh nach Hause und ruh dich aus. Das ist das Beste für den Moment." Minako sagte nichts, sondern ließ sich von mir stumm zur Haustür begleiten. Kurz bevor sie verschwand ergriff ich noch mal ihre Hand und schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln. „Ich weiß wie du dich fühlen mußt. Für was auch du dich entscheidest, glaube mir ich bin da für dich..." Mit einem schiefen Grinsen fügte ich an: „Schließlich müßte ich mich in dem einem Falle ja vorbereiten."

„Arigato, Usagi-san..." Mit diesen Worten war sie verschwunden. „Usagi-san?" wiederholte ich langsam. Erst Serenity-hime und dann Usagi-san, die Arme war wirklich ganz schön verstört. Ich wünschte, ich könnte ihr helfen.

„Glaubst du es war gut sie auch noch zu ermutigen", war Reis Stimme leise hinter meinem Rücken zu hören. Ich drehte mich nicht um. „Ich habe sie zu gar nichts ermutigt. Sie soll nur ehrlich mit sich selbst sein." Rei seufzte. „Usagi-chan, wir beide wissen, daß Minako nicht gerade die Treuste ist und..."

Ich wirbelte herum und schrie sie regelrecht an: „Halt den Mund! Was weißt du schon? Du weißt selber, daß sie nicht viel für ihre Flirts kann, wenn man sie überhaupt so nennen kann. Das mit Rhea... Hotaru meine ich ist..."

„Gefährlich." Eigentlich hatte ich „ernst" sagen wollen aber Rei schien nicht mal beeindruckt von meinem Ausbruch, höchstens ein wenig nachdenklich, also verkniff ich mir einen bissigen Kommentar. „Du weißt doch genau, worum es hier geht, oder?" Natürlich wußte ich, worum es hier ging. „Und Minako auch. Trotzdem scheint sie sich ohne darüber nachzudenken in Gefahr zu begeben und..." Diesmal unterbrach ich sie mit sorgenvoller Miene. „Mir scheint nicht so, daß sie weiß, was vor sich geht."

„Aber ich hab ihr doch..." Ich warf einen besorgten Blick zur Tür hinaus durch die Minako gerade verschwunden war. „Dann muß sie es gar nicht registriert haben. In ihrem Zustand... kein Wunder."

(Michiru)

Ein heftiger Sommerregen setzte draußen ein und trommelte gegen das Fenster. Haruka und ich saßen schweigend nebeneinander und blickten hinaus. Die Geschichte, die Haruka mir eben berichtet hatte war ganz schön beunruhigend. Ich mußte gestehen, daß ich verärgert war, daß mir bis jetzt überhaupt nichts davon aufgefallen war, da ich momentan derart in mein eigenes Privatleben vertieft gewesen war. Nichts als Geldscheffeln hätte ich momentan im Sinn, hatte Haruka in der letzten Zeit öfters bemerkt. Nur Vorstellungen und Symphonieorchester durch die ganze Welt, wären für mich noch von Bedeutung. Jetzt ging mir auf, daß Haruka gar nicht so übertrieben hatte, denn als die Feinfühligste unter den äußeren Kriegerinnen durchschaute ich normalerweise immer alles. Doch selbst die unsensiblere Haruka hatte früher als ich bemerkt, was passierte.

Ich sah traurig in meinen Spiegel. Es war voraussehbar gewesen. Uranus, Pluto und ich hatten schon vor Tausenden von Jahren zum ersten Mal erfahren wer dieser Dämon war. Wir hatten immer gewußt, daß man ihn nicht ewig in der verbotenen Welt bannen könnte. Doch im Laufe der Zeit ist diese uralte Geschichte immer mehr in Vergessenheit geraten. Jetzt ist sie wieder aufgewühlt und Sailor Saturn war in größerer Gefahr denn je. 

Die Lösung für das Problem? Dieses Mal blieb tatsächlich nur eine Einzige. Sailor Saturn mußte ein Sternenbündnis eingehen. Und es sollte bitte niemand behaupten, ich wüßte nicht, worum es dabei ging.

Hotaru hatte das wohl gleich erkannt. Ich mußte ehrlich sagen, daß ich wirklich nie im Leben an Minako gedacht hätte. Denn, daß die beiden zusammen waren, ist auch völlig an mir vorbeigegangen. Ich dachte immer ich kannte das Glühwürmchen am allerbesten. Doch, daß sie eine Beziehung mit der so gegensätzlichen Minako eingehen würde, hätte ich nie gedacht.

„Ausgerechnet Minako...!" murmelte Haruka gerade. „Hotaru kann ihr doch nicht einfach diesen Ring so mir nichts dir nichts zustecken. Sie hätte wenigstens vorher mit uns reden können!"

„Wahrscheinlich hat sie vorausgesehen, daß du so reagieren würdest und es daher gelassen", bemerkte ich trocken. Haruka sah mich ärgerlich an, stand auf und setzte sich aufs Sofa. Wortlos schaltete sie den Fernseher ein und schaute sich eine Motorsportsendung an.

Genervt stand ich ebenfalls auf, ging zum Fernseher und zog den Stecker raus. „Motorsport kannst du immer haben, meine Beste", sagte ich vorwurfsvoll. „Du behauptest doch immer Hotaru sei für dich wie eine Tochter, also sei jetzt vernünftig und rede mit mir drüber."

„Ich habe dir alles erzählt. Und meine Meinung kennst du auch."

„Deine Meinung ist in diesem Fall wenig ausschlaggebend! Wir sind da, um ihr zu helfen und nicht um sie noch zusätzlich in der Not zu kritisieren!"

„Jetzt mach mal halblang." Haruka setzte sich auf und sah mich kopfschüttelnd an. „Ich habe sie nicht kritisiert, sondern nur meine Meinung gesagt. So kurzfristig ein Sternenbündnis einzugehen ist kein Kinderspiel. Du weißt sehr gut, daß es dabei auch Risiken gibt. Und dann gerade Venus! Ich mag Minako aber es ist Tatsache, daß sie die Letzte ist, die sich an jemanden für immer binden würde. Sie liebt doch diesen eingebildeten Halbschatten, behauptet sie immer."

„Tatsache ist", unterbrach ich den Redefluß meiner Freundin, „daß Hotaru Minako anscheinend liebt und das schon längere Zeit. Wenn sie nichts gegen ihren Untergang unternehmen will, kann sie es natürlich auch lassen. Doch sie liebt jemanden, mit dem es möglich ist ein Sternenbündnis einzugehen, und solche Zufälle gibt es auch nur alle tausend Jahre!"

„Natürlich, du hast ja recht." Haruka seufzte. „Gott, solche Geschichten sind mir zuwider. Aber es stimmt, sie hat tatsächlich einen Ausweg, obwohl ich mich immer noch nicht damit anfreunden kann. Aber da gibt es ja mindestens ein Problem und zwar dieser Saito. Obwohl, der Kerl ist ja auch nur ein Shiekah."

„Hör auf!" sagte ich scharf. „Ich finde Saito sehr witzig und nett. Werte nicht immer gutaussehende Männer so ab. Außerdem ist das schlußendlich nur Minakos Problem."

Haruka seufzte. „Mal was ganz anderes", wechselte sie das Thema. „Minako ist heute Nachmittag von einem Dämonen angegriffen worden. Ich denke wir können ihr erstmal helfen, indem wir sie und Hotaru beschützen. Denn, wenn eine von ihnen tot ist, ist es sowieso gelaufen."

„Wie sensibel du dich immer ausdrückst", seufzte ich. „Aber du hast recht, wir sollten auch die drei anderen Inners kontaktieren." Ich ging ans Fenster und blickte gedankenverloren hinaus. Dann stutzte ich. „Apropos Inners...," murmelte ich. „Da kommt gerade Makoto durch unseren Vorgarten."

Haruka sah erstaunt auf. „Makoto? Seit wann kommt die denn zu uns? Warne sie gleich vor, daß sie mich heute nicht nerven soll!"

„Gib ihr eine Chance", meinte ich und ging zur Haustür, um ihr zu öffnen.

„Hallo Makoto", begrüßte ich die Brünette, als ich ihr geöffnet hatte. Diese sah merkwürdigerweise ziemlich sauer aus, die grünen Augen blitzten mich wütend an.

„Hi", entgegnete sie kurz. „Ist Minako hier?"

„Nein, aber komm doch erst mal rein. Wir hätten da noch etwas mit dir und den anderen zu besprechen."

„Na toll", murmelte Makoto und trat ins Wohnzimmer. Sie nickte Haruka kurz zu. „Wieso suchst du Minako denn so dringend?" fragte ich.

„Weil anscheinend jeder durchgedreht ist und sie wohl der Auslöser ist", antwortete Makoto. „Erstens sitzt mir Saito zu Hause auf der Pelle, da Minako sich nicht bei ihm blicken läßt. Gegen Saito habe ich ja nichts, ich mag ihn, aber wenn er mir dann Dallas ins Haus läßt ist bei mir Schluß. Dann treffe ich auf Rei, die gerade von Usagi kommt, und als ich sie nach Minako frage kommt sie mit merkwürdigen Andeutungen über Minako und Hotaru und daß beide in Schwierigkeiten sind. Kann mich hier mal jemand aufklären?"

Ich sah zu Haruka rüber. Haruka stand auf und ging um Makoto herum. „Gut, ich werde dir dann versuchen die Sache zu erklären."

Nach zwanzig Minuten hatte Haruka Makoto die Geschichte von dem Dämonen, dem Brauch des Sternenbündnisses und der geheimen Beziehung zwischen Hotaru und Minako erzählt. Selbst die Überreichung des Ringes verschwieg sie nicht. Makoto hörte anfangs schweigend zu und sagte nichts. Erst bei der Beziehung zwischen den beiden schnappte sie nach Luft und als Haruka erklärte Hotaru würde gern einen Sternenbündnis mit Minako eingehen hielt es sie nicht mehr auf dem Stuhl.

„Ist das euer Ernst", fragte sie verstört. „Minako wird das nie hinkriegen. Erstens kommt sie nicht von Saito los, ich kenne sie gut genug, um das zu sagen, zweitens wußte ich nicht mal, daß sie weiß, was so ein Sternenbündnis ist!"

„Nun, es ist aber ihre einzige Möglichkeit um Hotaru zu retten." sagte ich.  Makoto schüttelte den Kopf und zündete sich eine Zigarette an. Ich mochte es nicht, wenn man in meiner Wohnung rauchte, sagte aber diesmal nichts.

„Das ist doch Unsinn, es gibt immer eine Möglichkeit." sagte sie. „Wir sind alle mächtig genug. Diesen Dämonen wird man doch wohl auch so ruhigstellen können."

Haruka schüttelte verächtlich den Kopf. „Jetzt hör mal, Kleine, es ist kein normaler Gegner, den du mit Fäusten und Blitzen niederdreschen kannst. Es ist ein Repräsentant der anderen Seite den es ewig und immer geben wird. Man kann ihn unter normalen Umständen nicht besiegen. Man kann weder das Gute noch das Böse ausschalten."

„Was du nicht sagst", entgegnete Makoto bissig. „Nach der Shiekahgeschichte kann ich dir über dieses Thema ein Liedchen singen. Davon abgesehen, wieso muß das Glühwürmchen Minako in solche Sachen hineinziehen. Minako ist die Letzte, die derartigen Beziehungsproblemen gewachsen ist."

„Hotaru zieht Minako nirgends hinein, sie versucht nur einen Ausweg zu finden!" Haruka wurde laut. „Minako riskiert doch kaum was dabei!"

„Findest du? Was ist mit Saito? Denkst du den liebt sie nicht?"

„Jetzt hört mal auf damit!" rief ich ungeduldig. Makoto und Haruka waren zusammen wirklich nicht auszuhalten. „Wenn alle so stur sind wie ihr, helfen wir Hotaru und Minako nicht im Geringsten!"

Makoto stand auf. Sie drückte ihre Zigarette im Aschenbecher aus, den ich ihr hingestellt hatte, und griff nach ihrer Tasche.  „Ich muß das erst mal verdauen. Saito tut mir wirklich Leid." sagte sie. „Wir sehen uns." Sie nickte uns noch mal zu und verließ dann den Raum.

Als die Wohnungstür ins Schloß fiel sagte Haruka: „Ich wußte, daß sie mich noch auf die Palme bringen würde."

(Hotaru)

Mit leerem Blick starrte ich zur Zimmerdecke hinauf. Sie wußten es. Aber natürlich wußten sie es. Wie hatte ich auch nur denken können etwas vor ihnen geheimzuhalten? Wir lebten im gleichen Haus, kämpften im selben Team... Michiru war vor einer halben Stunde zu mir gekommen und hatte mit mir gesprochen. Ich war froh, daß es Michiru war und nicht Haruka, denn deren bohrende Fragen hätte ich glaube ich kaum ertragen können.

Alles schien um uns - Minako und mich - zusammenzubrechen. Die Wahrheit kam schneller ans Licht als geplant und irgendwie hatte ich die Vorahnung, daß, wenn ich morgen aufwachte, die halbe Welt von unserer Beziehung wußte, bevor wir selber eine Chance hatten gewisse Dinge zu klären. Es war nicht fair, wir hatten nicht einmal genügend Zeit. Minako hatte nicht einmal genügend Zeit.

Innerlich fühlte ich mich leer und schrecklich gepeinigt. Warum jetzt? Warum mußte mich diese gottverdammte Abmachung, die schon längst vergessen schien und auf die ich keinen Einfluß hatte, mich jetzt wieder einholen? Gerade jetzt! Vielleicht noch ein paar Wochen und es wären so oder so klare Tatsachen geschaffen worden, jedoch jetzt... Ich wollte Minako nicht drängen, ich wußte wie zerrissen sie war. Doch mir blieb keine andere Wahl.

Die Energie des Dämons hatte ich schon vorher gespürt, konnte sie bis jetzt aber noch nicht richtig zuordnen. Erst gestern Nacht, da hatte ich eine Vision und ich wußte, was auf mich zukommen würde. Es war definitiv nicht fair. Niemand hatte mich je gefragt, ob ich diese Vermählung wollte. Niemand. Frieden, pah! So ein Unsinn! Als ob es zwischen Ordnung und Chaos je Frieden geben könnte. Was ändert diese primitive Abmachung da schon? Es würde immer wieder einen neuen Zyklus geben, dieser Streit war ewig und konnte nicht so einfach beendet werden.

„Es ist nicht fair", wiederholte ich laut und warf ein Kissen achtlos und wütend von mir weg. Es traf meine Lieblingslampe und ließ sie zu Bruch gehen, doch ich kümmerte mich kaum drum. „Wo ist die Gerechtigkeit für die wir immer kämpfen, hä? Wo?" wandte ich mich verbittert an wer auch immer mir zuhörte. Unwillkürlich mußte ich mich wieder an die Nacht vor ein paar Wochen erinnern...

---Rückblick---

Vorsichtig darauf achtend niemanden im Haus zu wecken, schlüpfte ich aus dem Fenster unserer Villa – verwandelt. Ich hatte keine Ahnung warum aber gemessen daran, daß ich so beweglicher war und Minakos mysteriöse Bitte ziemlich dringend geklungen hatte, hielt ich das für angemessen. Was in aller Welt wollte sie von mir? Ich meine, Kontakt zwischen uns Outers und den Inners war selten, wenn auch etwas häufiger zuletzt. Jedoch mitten in der Nacht, höchstwahrscheinlich nicht mal aufgrund eines Konflikts und dann wollte sie auch nur mich sprechen... Alles sehr merkwürdig.

Ich erreichte den kleinen See in Windeseile. Wir hatten uns hier vor ein paar Tagen mal rein zufällig getroffen und ein wenig geplaudert. Er lag nicht weit von unserer Villa entfernt und ebenfalls auf halben Wege von Minako und Makotos Wohnung. Der Mond schien unnatürlich hell heute. Es war Vollmond und der Vollmond brachte stets Visionen der Zukunft... Ich hatte eine dunkle Vorahnung.

Es war still hier, als ich am See stand und wartete. Minako würde ein wenig länger brauchen. Normalerweise war die Stille beruhigend für mich aber heute fühlte ich mich unwohl und bedrückt. Eine Veränderung in meinem Leben stand an und ich wußte es. Nur war mir nicht klar wie diese ausfallen würde.

Eine Bewegung erntete meine Aufmerksamkeit und als ich mich umdrehte stand Sailorvenus direkt vor mir mit einem Ausdruck in den Augen, den ich nicht zu deuten vermochte. Nein, es war eigentlich mehr ein ausdruckloser Blick und das bei Venus rief ein mulmiges Gefühl in mir hervor.

Bevor ich wußte wie mir geschah, taumelte ich unter der Wirkung einer schallenden Ohrfeige zurück. Verstört führte ich eine Hand an meine Wange und registrierte, daß Tränen Venus' Gesicht herunterflossen. „Warum?" war das Einzigste, was sie sagte – nein, eher flüsterte. „Warum, Rhea?" Auf einen Schlag begriff ich und die so gut verstauten Erinnerungen kehrten wieder zurück. Besonders die eine, die letzte Erinnerung...

Silberjahrtausend (Erinnerungen Sailorsaturns)

Die Zeit war gekommen. Ich fühlte es, fühlte wie die Energie der drei Talismane mich rief in eine Welt, die ich schon längst kannte, und eine Welt, die am Abgrund stand. Sie starben, die Planeten starben und gaben ihren letzten Ruf von sich, ihren letzten Ruf nach mir, um die Dinge in Ordnung zu bringen. Das erste Mal seit Beginn des neuen Zyklus durfte ich die Nebel um mich herum verlassen. Ich wünschte nur es wäre ein freudigerer Anlaß...

Da war es. Das Licht. Das Licht der drei Talismane, das mich hinausgeleiten sollte und ich folgte ihm, denn so war es mir einst befohlen worden. Meine Macht hatte ihren Höhepunkt erreicht und nun, nun mußte ich vollenden, was vollendet werden mußte. Wie ich Aishar schon gesagt hatte, der neue Zyklus mußte kommen.

Das Erste, was ich sah, waren die traurigen und verbitterten Gesichter von Uranus, Neptun und Pluto, den treuen Wächtern meines Kreises. Sie hatten ihre Aufgabe gut erfüllt, wenn sie auch noch soviel Schuld in diesem Moment plagte, sie hätten es nicht verhindern können. Nein, das nicht. Diese Katastrophe war Schicksal.

Ich musterte jede von ihnen, denn ich wußte, auch sie würden nicht mehr lange durchhalten. Uranus, sonst so stark und selbstsicher, jetzt nur grimmig und bitter, bereit auch ihre letzte Pflicht zu erfüllen, wenn sie auch noch so grausam erscheinen mochte. Neptun hatte Tränen in den Augen und man konnte deutlich sehen wieviel unnötige Schuld sie selbst auf sich nahm. Pluto hingegen würde ein normaler Mensch nicht lesen können. Ihre kalte Miene glich der meinen, man mußte schon tief in ihre Seele schauen, um zu erkennen wie unheimlich schwer ihr das fiel. Ja, sicher. Sie erfüllte nur ihren Platz im Zeitstrom, trotzdem gerade dieses Wissen machte es um so schmerzhafter.

Eine Vision strich innerhalb einer Sekunde an mir vorbei. Leid, Zerstörung, hervorgerufen durch einen Feind von außerhalb. Vereinigung, harte Kämpfe, Konflikte... Ich hob eine Hand und die Körper der drei Senshi lösten sich vor meinen Augen in die reine Form ihrer Sternenkristalle auf. Für einen Moment ließ ich sie über meiner Handfläche schweben, während ich meinen Körper in Richtung des Mondes dirigierte.

Eine starke Lichtwelle breitete sich reinigend über die Ruinen des Mondreiches aus und nahm alles Böse mit sich. Kurz darauf sah man einen kleinen Lichtpunkt aufsteigen, der Silberkristall. Mehrere kleine Blasen flogen wie ein kleiner Meteoritenschauer gen Erde. Serenity, Endymion, Merkur, Mars, Jupiter... Venus.

Ohne ein Wort zu sagen formte sich der Gral ebenfalls über meiner Handfläche und die drei Kristalle umkreisten ihn. Er gab ein pulsierendes Leuchten von sich und verwandelte sich dann in die drei Talismane, diese ließ ich auf die Kristalle zudriften und sie verschmolzen mit ihnen.

Danach warf ich die drei Kristalle in den Strudel aus Blasen und setzte schließlich auf dem Mond auf. Eine lange, sehr lange Zeit stand ich nur da und verfolgte ihrem Flug, mein Blick hing nur an einer einzigen Person. Ich würde es nie halten können, mein Versprechen. Es wäre immer stets dasselbe. Wenn das hier beendet wäre, würde ich zurückkehren und warten. Wenn ich gewartet hatte, würde ich noch ein wenig warten. Und dann, wenn das Warten zuende war, dann würde sie nicht mehr wissen, was einmal gewesen war. Nur Bruchstücke. Vielleicht, vielleicht war es auch besser so. Ich würde Aishar nie das Glück schenken können, das sie verdiente.

„Geh mit ihnen." Ich fuhr herum und erstarrte. Königin Serenity lag blaß und leblos an einer zerstörten Säule. Sie war eigentlich schon tot, das spürte ich. Aber es war, als ob sie nur auf mich gewartet hätte, um noch ein letztes Mal ihre Augen zu öffnen. Abwesend verfolgte ich wie die Zeitkapseln von Luna und Artemis gen Erde flogen, als ich mich schließlich vor Serenity niederkniete und respektvoll den Kopf senkte.

„Eure Hoheit." Sie lächelte gütig. Ein Lächeln, daß selbst von einem eigentlich schon toten Körper seine Wirkung nicht verlor. „Geh mit ihnen", wiederholte sie. Ich schüttelte den Kopf. „Nein, es ist besser so." Serenity sah hinauf zu den Blasen, die der Silberkristall hinter sich herzog, es waren nun nicht mehr als kleine Sterne. „Die Welt braucht dich und du weißt das. Sie brauchen dich und auch Aishar... braucht dich." Ich blinzelte erstaunt, obwohl ich mir bereits fast gedacht sie wüßte etwas von uns.

„Mein Kind." Sie berührte zitternd mit ihrer Hand meine Wange und die Berührung war so sanft und beruhigend... Ich verdiente das nicht, ich verdiente ihre Güte nicht, nicht nachdem, was ich gleich tun müßte. „Dein Schicksal ist ein grausames. Ich habe es nie gemocht. Gönne dir ein wenig Freude und eigenes Glück. Selbst wenn es nur für eine oder zwei Lebenspannen ist." Ich wollte widersprechen aber das Angebot war zu verlockend.

„Wenn... Wenn ich jetzt gehe, dann wird alles nur noch komplizierter..." versuchte ich es aber Serenity ließ mich gar nicht erst. „Es... Es ist mein Wunsch, daß du... darauf achtest, das alles seinen... Lauf nimmt. Die Erde wird der heilige Boden sein, auf dem endlich alles zusammenfließt... Geh und... beschütze sie. Erlaube dir zumindest einmal... die Freuden des Lebens..." Ihre Hand erschlaffte und ich fing sie auf. Für ein Weile saß ich da über dem leblosen Körper der Mondkönigin, die ihr Leben für ein grausames Schicksal gegeben hatte, ein grausames Schicksal, von dem ich nie hatte ein Teil sein wollen. Und sie bot mir einen Ausweg. Nein, sie befahl mir einen Ausweg.

Eine einzelne Träne tropfte auf die fahle Hand Serenitys, die ich immer noch hielt. Behutsam neigte ich meinen Kopf und küßte diese. Dann legte ich sie sanft an ihre Seite. „Ich werde euren letzten Wunsch erfüllen, Serenity." Mich auf meine Sense stützend erhob ich mich und machte ein paar Schritte von ihr weg. Soviel Respekt mußte schließlich sein.

Noch einmal schaute ich über die Ruinen. Wie gerne wäre ich einmal wirklich hier gewesen, hätte mich unbefreit mit Aishar amüsiert, einen Spaziergang durch die Gärten, ein reiches Essen mit allen Senshi oder nur mit Venus alleine... Das alles hatte es hier nie gegeben, jedoch konnte es das in der Zukunft geben. Vielleicht gab es endlich eine Möglichkeit, vielleicht war die Erde tatsächlich der heilige Grund, der mir prophezeit wurde. Aishar...

Mit diesen letzten Gedanken erhob ich die Silence Glaive. Ein mächtiger Wind kam auf und blies mir die Haare aus dem Gesicht, ich fühlte das Symbol meines Schutzsterns mit Energie leuchten. Violettschwarze Energie formte sich kugelförmig um die Spitze der Sense. Fäden aus alles verschlingender Energie strömten zu allen Seiten hinaus. Ich hörte die Stimmen flüstern, sie sangen, sangen leise die Melodie des Todes.

„DEATH REBORN REVOLUTION!" Und alles um mich herum wurde schwarz. Ich komme... Aishar.

(Ende Erinnerungen)

„Aishar..." Ich weinte. Seit langer, langer Zeit weinte ich Tränen echten Leids und echten Schmerzes. Ich konnte, ich wollte sie nicht stoppen. Zwei starke Arme legten sich um mich und ich gab dem Tränenfluß vollkommen nach. Sie hielt mich nur und strich mir durch das Haar. „Warum hast du nie etwas gesagt? Hast du nicht versprochen mich wiederzufinden?" murmelte sie in die Unordnung aus schwarzvioletten Strähnen.

Mein Herz zersprang beinah bei der Enttäuschung und dem Gefühl des Verrats, der in ihrer Stimme mitschwang. Ich konnte es ihr nicht verdenken. „Ich hatte Angst", hauchte ich und das war die reine Wahrheit. „Gott, Aishar, ich hatte Angst. Am Liebsten hätte ich mich irgendwo ganz tief eingegraben, als ich mich erinnert habe, aber das war ein bißchen schwer, denn ich war gerade im Begriff Pharao 90 in kleine Stück zu sprengen..." Normalerweise griff ich ja nicht auf Sarkasmus zurück aber ich konnte gerade nicht anders. „Dann kamen die Kämpfe, Galaxia und andere Dinge. Ich wollte es dir sagen aber es kam immer wieder was dazwischen und nachdem alles vorbei war, hatte ich schlichtweg Angst wie du reagierst, wenn ich die Erinnerungen forciere. Und dann, als ich mich schließlich dazu durchgerungen hatte, kamen die Shiekah und..." Ich beendete den Satz nicht aber sie wußte auch so, was oder besser wen ich meinte.

„Saito", vollendete sie. Ich schloß die Augen. Was hatte ich bloß getan? Ich war ein Feigling, nichts anderes. Jetzt würde ich alles nur noch schlimmer machen. Hatte ich Serenity nicht versprochen mich zu bemühen glücklich zu werden? Warum hatte ich dann gezögert? Es wäre genug Zeit gewesen, als ich die Anwesenheit der Shiekah gespürt hatte und realisierte, wohin das führen würde. Aber nein, ich war zu feige gewesen und sicherlich war es nicht nur aus dem Grund, weil ich wußte, daß die Göttinnen gebraucht wurden und ich mich vor Venus' Reaktion auf mich fürchtete. Ich war ganz einfach feige gewesen und ich fühlte mich innerlich schlecht, unwürdig und.... Gut?

Venus küßte mich. Und all meine Sorgen, Ängste und Selbstvorwürfe waren plötzlich nur noch eine Seifenblase, eine Seifenblase, die gerade mit einem lauten Plopp zerplatzt war. Die Berührung rief Erinnerungen wach, die längst vergessen und begraben schienen. Gefühle so alt und doch so klar. Ich erlebte es alles noch einmal. Alles vom Anfang bis zum bitteren Ende.

„Ich weiß", hauchte Venus und ihre Stimme war eine Mischung aus Aishar und Minako. „Ist schon gut, ich versteh dich ja, ich wünschte nur..." Eine einzelne Träne tropfte zu Boden. „Ich wünschte nur, wir hätten uns früher wiedergefunden..."

---Ende Rückblick---

Ja, das wünschte ich auch. Jetzt war alles so kompliziert und unsicher. Nein, ich zweifelte nicht an Minakos Aufrichtigkeit, egal was Haruka oder die anderen sagen mochten. Ich wußte der Einzige, der da noch war, das war Saito und sonst niemand. Treue war für sie kein Fremdwort. Für Venus – die Göttin – vielleicht aber nicht für Aishar und dementsprechend auch nicht für Minako.

Und gerade deswegen kam ich mir wir ein Eindringling vor, ein Eindringling, der kam und Saito seine Venus wegnahm. Aber das war ja der Punkt, er sah in ihr nur Venus. Ich sah in ihr alles. Venus, Aishar, die Sailorkriegerin und vor allen Dingen Minako. Ich sah den Stern in ihr, den leuchtenden Kristall, der ihren Charakter in sämtliche Inkarnationen neu formte, ich glaubte nicht, daß Saito je in der Lage sein würde so tief zu blicken.

„Was habe ich mir nur gedacht? Natürlich würde sie mehr Zeit wollen." Es gab einen Weg die Vermählung aufzuhalten und für immer abzuschmettern, einen einzigen. Nämlich nur den selber einen weitaus heiligeren Bund einzugehen als einen von den höchsten Mächten geforderten, eine Verbindung, die selbst die ewigen Mächte von Chaos und Ordnung nicht sprengen konnten. Einen Bund, der nur unter uns Sailorsenshi möglich war, nur unter denen, die von den Sternen selbst auserwählt wurden...

Aber natürlich war es zu früh dafür. Doch was blieb mir anderes, ich hatte keine Wahl. Ich wollte Minako nicht drängen und wenn ich sie jetzt vollkommen verjagt hatte, geschah es mir nur recht. Sie bräuchte noch Zeit, um sich selber darüber klarzuwerden, wen von uns sie eigentlich wollte, hatte sie gesagt und war verschwunden bevor ich noch etwas sagen konnte.

„Meine arme Aishar... Ich hab dir soviel Kummer bereitet, bitte verzeih." Traurig und melancholisch stand ich mittlerweile am Fenster. Es war wieder einmal Vollmond, genau wie in jener Nacht. Abwesend sah ich hinunter auf die zerbrochenen Teile der Lampe, zerbrochen wie meine Gefühlswelt im Moment. Die Lampe war ein Geschenk von Chibiusa gewesen bevor sie zurück in die Zukunft gereist war. Ach, Chibiusa... Ich wünschte, du wärst jetzt hier. Aber sie war es nicht und sie würde auch nicht mehr, ich mußte wohl oder übel alleine mit dem Schlamassel klarkommen.