Götterdämmerung
Drei Leben, zwei Geliebte, eine Entscheidung
Teil 9-2: Vereinte Seelen und Dämonenkämpfe
(Pluto)
Als ich vortrat, um den Eid zu bestätigen, den Venus gleich ablegen würde, gingen mir eine ganze Menge Gedanken durch den Kopf. Man denkt viel nach, wenn man die ganze Zeit einsam an einem Tor steht, das ist wohl wahr. Um so wichtiger war jede kostbare Sekunde in dieser Zeit mit den Menschen, die ich lieb gewonnen hatte. Nicht nur meinen treuen Kampfgefährten, sondern auch – und ich war froh, daß so frei denken zu können – meinen Freunden. Und zwei von diesen Freunden würden bald vereint sein in einem Bund, der selbst meine Entscheidungsgewalt überstieg.
Saturn wirkte in ihrem blaßvioletten Kleid wie ein Engel und eine Kriegerin zugleich. Sie hatte etwas an sich, was nur ihr zu eigen war und das machte uns so ähnlich. Ich empfand für Saturn wie für eine Tochter, nicht, daß ich mir anmaßen wollte größere Gefühle für sie zu hegen als Uranus und Neptun aber so etwas wie Familie hatte lange Zeit nicht existiert für mich. Und es war zu einem sehr großen Teil Saturns Verdienst, Einfluß und alleinige Präsenz, die mich dazu gebracht hatte länger als notwendig in dieser Zeit unter diesen Menschen zu leben...
Venus hingegen, in ihrem schimmernden orangegelben Kleid mit goldenen Verzierungen erschien mir wie eine Sonne inmitten der relativen Dunkelheit um uns herum – von der Lichtaura, die wir erzeugten mal abgesehen. Die Kriegerin der Liebe und Schönheit hätte ich, wenn mich jemand fragen würde, wohl eher als eine Art große Schwester für Saturn angesehen. Ein Vorbild, jemand zu dem man aufschauen kann. Ja, manche würden jetzt vielleicht lachen, doch ich respektierte Venus' Selbständigkeit, Verantwortungsbewußtsein und kompromißlose Lebensfreude auf einer sehr hohen Ebene. Vielleicht war es so wie es jetzt gekommen war sogar besser aber das herauszufinden, dafür waren wir ja hier.
Nach einigen tiefen Atemzügen begann Venus ihre Rede und selbst ihr scheinbar unerschöpfliches Selbstbewußtsein hatte schon tiefe Wunden davongetragen. „Ich habe oft geliebt, doch nie war mir eine Liebe so wichtig gewesen wie du. Du hast mir gezeigt wie wunderbar es sein kann für das gemeinsame Glück zu kämpfen. Die Zeit und die Umstände waren sicherlich nicht einfach, trotzdem hast du allein mir die Kraft und den Mut gegeben durchzuhalten." Sie stoppte kurz und ich konnte sowohl bei ihr, als auch bei Saturn einige Tränen erkennen.
Venus faßte sich wieder und fuhr fort, mit einem Ernst und einer Hingabe in ihrer Stimme, die mich plötzlich nicht mehr so zweifeln ließen, ob das nun die bessere Lösung war oder nicht. „Tomoe Hotaru, Senshi des Planten der Stille Sailorsaturn, Prinzessin Rhea von Saturn. Mit allem, was ich bin, war und sein werde, biete ich dir meine Seele dar. Laß unsere Sterne gemeinsam als einer aufsteigen und für alle Ewigkeit am Firmament leuchten."
Mit aller mir gegebenen und erlernten Achtung und Grazie trat ich einen weiteren Schritt vor und überreichte Venus ihren Ring in Orange mit feinstem Goldstaub überzogen, das Zeichen ihres Schutzsterns darauf eingraviert. „Ich bestätige den Schwur der Senshi der Venus. Mit diesem Ring soll er besiegelt werden und ihren Schutzstern für immer an den ihrer Sternschnuppe binden."
Vorsichtig nahm sie den Ring entgegen und führte ihn an Saturns Ringfinger. Ein leichtes Leuchten symbolisierte die Annahme dessen und ich trat wieder zurück, um Saturn selbst ihrem Schwur zu überlassen. Erneut erbebte die Kathedrale unter den Auswirkungen des draußen tobenden Kampfes.
Ob ich wußte, was geschehen würde? Nein, ehrlich gesagt wußte ich es nicht. Meine Vorraussagen und Einsichten in die Zukunft waren jedesmal geblendet, unzugänglich und nutzlos, wenn ich versucht hatte etwas herauszufinden über Venus und Saturns Zukunft, Duncan oder alles, was mit dieser ganzen Situation zusammenhing. Und ich konnte kaum beschreiben wie sehr mich das beunruhigte...
Meine Theorie bestand zwar darin, daß es damit zusammenhing, weil wir gerade massiv in den Verlauf der Zeit und des Schicksals an sich eingriffen, was wiederum ein gutes Zeichen wäre, da das ja für Erfolg sprechen würde. So ganz sicher war ich mir darüber aber nicht. Nach dem, was Anshar und seine Schwester Luna erzählt hatten, kamen eine Menge Gründe für meine temporäre Blindheit in Betracht und einige davon wollte ich nicht einmal wagen aufzuführen.
Eine weitere Explosion drang durch die Wände und ich sah unwillkürlich in Richtung des Eingangs. Es kam selten vor, daß ich unruhig wurde, doch ich war es. Und das, das war eine noch viel schlechteres Zeichen...
(Duncan)
Wer hätte das gedacht? Gerade an einem Ort wie diesem. Inmitten einer Schlacht um das Schicksal einer Vermählung – so oder so – und wahrscheinlich um das Schicksal der ganzen Zukunft. Verdammt seien sie alle. Ich verstand nicht, warum sie sich alle gegen mich verschworen... Nein, verschworen war nicht ganz der Ausdruck. Es war mehr... nun ja, verschworen... Nicht für diese Zeremonie, das taten glaube ich nur wirklich diese Liebesengel und die beiden anderen, die am Rande des Waldes immer noch meine Dämonen abhielten weiter vorzudringen.
Dallas kämpfte hier schlichtweg für sich selbst, für seine Kämpferlust und weil er Dämonen wie eben meinen verhaßten Halbbruder eh bis aufs Blut verabscheute, wobei ich glaubte, er verstand nur halb soviel von uns wie es Celestes Tochter tat... Nicht, daß man Satanias abgekapselten Kult als gefährlich hätte ansehen können aber... Na ja, es kam dem schon nahe, was wir darstellten.
Der andere, Saito, er kämpfte nur für seine Venus oder wie auch immer sie jetzt heißen mochte. Selbst wenn er sie eigentlich schon verloren hatte, kämpfte er noch für ihr Glück. Ich bewunderte diese Hingabe, denn sie versetzte ihn die wohl zielgerichtetste Sichtweise. Doch sein eher erbärmliches Können und sein alleiniger Fokus auf Venus ließen ihn letztendlich scheitern.
Beide hatten ihr Bestes versucht aber waren gescheitert, weil sie nicht hundertfünfzig Prozent bei der Sache waren. Vielleicht würde ich später kommen und mit ihnen abrechnen. Halbschatten fielen nicht gerade unter die Kategorie der von beiden Seiten gemochten Gruppen. Ich hatte eh vor diese ganze, kleine, verschworene Gruppe vor den Mächten zur Sprache zu bringen. Langsam bekam ich das Gefühl diese Senshi nahmen ihren Job etwas zu ernst.
Was den Rest angeht? Von den anderen beiden wußte ich nichts, doch kamen sie mir vage bekannt vor, vielleicht etwas was Koitenshi mal erzählt hatte... Es versetzte mir immer noch einen Stich im Herzen. Von allen Kriegern war sie meine beste gewesen und ihre Ausbildung lag allein in meiner Hand. Sie war bereits reif gewesen nach meiner Vermählung mit Lady Saturn meinen Platz einzunehmen und mein Volk zu führen, da... Da kamen die Liebesengel und drehten sie um oder töteten sie gar – obwohl ich das nicht glaubte. In jedem Fall war sie für mich verloren. Bündnis erfolgreich oder nicht.
Ein stechender Schmerz schoß durch meinen kleinen Fledermauskörper, als ich beinah ohne auf meine Umgebung zu achten erneut in das Schutzschild geflogen wäre. Die positive Ausstrahlung war zu groß, also verwandelte ich mich zurück um mehr Resistenz und die nötige Kraft aufzubringen, um... Moment! Wieso war hier niemand? Wo waren die?
In einer schnellen Bewegung hatte ich mein Schwert – gut, daß ich genug davon gelagert hatte – gezogen und konnte den Hieb gerade noch parieren. Die Wucht der seltsam blauschimmernden Klinge drückte mich aber weit zurück und ich hatte Mühe das Gleichgewicht zu halten. Was oder besser wen ich schließlich sah, als ich endlich aufblickte und meinen Angreifer fixierte, war wohl das Letzte, was ich je erwartet hätte. Es war ein Dämon und nicht nur irgendeiner, ein Winddämon, ein Rafael um genau zu sein. Shit...
(Viento)
Lord Duncan Rafael. Einer der ersten und einer der Begründer unserer Linie aus stolzen Dämonen. Aber letztendlich auch der Außenseiter, der Idealist. Er war der Einzige gewesen, der nicht mitgezogen war, als Vater seinerzeit unseren Clan fortführte, er und ein paar wenige, die auch geblieben waren, wenn auch mehr gezwungen durch ihn, denn durch freien Willen. Es schien, daß dieser Rest loyal geworden war, jetzt.
Mein Schwert fest in einer Hand haltend, bereit alles zu tun, um Duncan daran zu hindern weiter vorzudringen, beobachtete ich ihn aufmerksam. Unsere Blicke trafen sich für einen langen, endlosen Augenblick. Einen sehr langen Augenblick. Ich wußte, er wußte, was ich war. Wessen Blut durch meine Adern floß, so sehr ich mich in der Vergangenheit auch dafür geschämt hatte, ich hatte gelernt es zu akzeptieren.
Ein abfälliges Grinsen kroch langsam in Duncans Gesicht, als er sich ebenfalls in eine – doch eher lässige – Angriffstellung begab. „So... Es gibt also doch noch welche von euch Verrätern. Ich dachte, ihr wärt alle bei den alten Kämpfen ausgelöscht worden oder täuschen mich da meine Kenntnisse?"
Ich biß mir auf die Lippen und bemühte mich sehr, mich nicht zurückzuerinnern, seit die Kraft des Glöckchens meines Vaters erloschen war, hatte ich hin und wieder Träume von dem Kampf der sich über Jahrtausende Erdenzeit hinzog, dem Kampf im Reich der Engel, wo letztendlich nur noch die stärksten Engel und die Winddämonen der Rafaels um den Sieg kämpften. Es war so sinnlos und blutverschwendend gewesen. Ich war nur froh, daß Momoko das offensichtlich nicht durchmachen mußte.
„Nein, das ist korrekt. Der einzigen Überlebenden waren der Engel Celeste und mein Vater Uragano." Ich ignorierte Duncan geschockten Blick und fuhr fort. Zeit gewinnen. Peach und die anderen brauchten Zeit. „Beide wurden auf die Erde geschleudert und vermählten sich mit normalen Menschen. Ein Mädchen, daß später Celestes Erbe als Wedding Peach annahm und natürlich ich." Natürlich hatte ich auf die Schockwirkung gesetzt. Für Duncan mußte es eine Unvorstellbarkeit sein, daß ein Dämon ein normales Menschenmädchen, dazu noch einen Halbengel, heiraten würde. Doch noch war ich nicht fertig. „Nicht zu vergessen, daß wir beide mittlerweile verlobt sind."
Duncan explodierte förmlich. „FREVLER! WIE KANNST DU ES WAGEN?" Behende parierte ich seine ersten Angriffe und konterte mit meinen eigenen, sog dabei sowohl an Liebe, als auch an dem Haß, der in mir brodelte. „Ich glaube dir kein Wort", zischte Duncan, während er mit seinen wütenden aber auch planlosen Attacken fortfuhr. Ich behielt einen stoisch ruhigen und gelassenen Ausdruck auf meinem Gesicht.
„Wieso nicht? Und außerdem, was kümmert es dich? Du warst doch derjenige, der uns verflucht hat." Das war richtig. Nicht, daß Dämonen genauso einfach wie unkontrollierte Geister jemanden mit Flüchen belegen konnten aber zumindest kam es Duncans Reaktion rein theoretisch ziemlich nah. Letztendlich war unser Stamm dann ja auch untergegangen, wenn auch ehrenhaft – oder was man in diesem Kampf ehrenhaft hätte nennen können
Duncan wurde noch ein wenig unkonzentrierter und ich war in der Lage einen Treffer zu landen, der ihn mit schmerzverzerrtem Gesicht zurücktaumeln ließ. Meine Chance witternd preschte ich vor und schwang meine Klinge, die mittlerweile vor Energie nur so pulsierte. Ein schneller Streich, das Klirren von Metall auf Metall und das Zischen von Energie, dann Stille.
Wir bissen beide die Zähne zusammen, als jeder gegen die Waffe des anderen drückte. Mein Gegner war nun voll konzentriert und ein paar Sekunden später hatte er die Oberhand gewonnen. Der Haß und der unkontrollierte Zorn in ihm gaben ihm eine unvorstellbare Kraft und ich fand mich schnell am einsteckenden Ende wieder, vergeblich versuchend keinen weiteren Boden zu verlieren. Ich wehrte einen Energieblitz ab, duckte mich unter einem Schlag und mußte erneut ausweichen, bevor ich überhaupt angreifen konnte, dabei fiel mir nicht auf, daß ich gefährlich nah am Schild stand und kaum noch Bewegungsfreiheit hatte....
Duncan lächelte böse. „Jetzt stirbt auch der letzte von eu... ARGH!" Ich atmete tief durch, als die enorme Liebeswelle wie eine Springflut über Duncan schwappte und ihn mit sich riß. Mit einem Krachen kollidierte er mit einer Felsformation, die um und über ihm zusammenbrach. Trotzdem bezweifelte ich, daß es das schon gewesen war.
(Peach)
Nach einem solchen Einschlag hätte jeder eigentlich zumindest für ein paar Stunden ohnmächtig werden müssen. Aber nicht so Duncan. Gerade hatten wir uns neu gruppiert und begannen unsere vereinigten Wellen neu auszurichten, da rappelte er sich schon wieder auf und funkelte böse in unsere Richtung, was mich tatsächlich ein klein wenig schaudern ließ. Sein Blick... Sein Blick war etwas, was ich so noch nie gesehen hatte, es war für einen Moment, ob die Tiefen der Hölle selbst dir entgegenstarrten. Aber dann war es wieder weg und der unbeeindruckende, kalkulierende Ausdruck wieder da. Ich drückte Lilys Hand instinktiv etwas fester und spürte wie auch Daisy auf der anderen Seite ihren Griff verstärkte. Viento trat jetzt etwas zurück, wahrscheinlich froh für die Atempause. Kiiro stand etwas abseits und wartete auf eine Möglichkeit einzugreifen, doch vorwiegend sollte er dafür sorgen, daß wir nicht in unserer Konzentration gestört wurden.
Man mußte zugeben, Duncan begriff schnell, als die Liebesenergie zwischen uns erneut von Ring, zu Ohrringen, zu Diadem, zu Anhänger und wieder zurück zu mir und den erhobenen Kristall sprang. Es war ein unbeschreibliches Gefühl. Ein einziges Mal hatte ich die volle Macht der Zauberhaften Vier am eigenen Körper zu spüren bekommen, nämlich während des Endkampfes mit Satania, wo ich sie alle zusammen trug. Das hier war kaum zu vergleichen. Wir hatten eine Intensität kreiert, die wahrscheinlich selbst Satania vom bloßen Hinsehen zur Aufgabe gezwungen hätte. Jedoch nicht Duncan...
Zeitgleich mit dem bestimmt meterbreiten Energiestrahl, der von meinem Kristall sprang, feuerte Duncan ein Äquivalent dessen in Form fast absoluter Schwärze aus seinen Handflächen. Die Energieladungen krachten aufeinander und ließen das ganze Tal bedrohlich stark erbeben. Ich biß die Zähne zusammen und kitzelte das letzte bißchen Reserve heraus, daß ich finden konnten. Beide Wellen standen oder besser schwebten förmlich an Ort und Stelle, genau zwischen, Lily, Daisy, Salvia und mir, sowie Duncan.
Es half nichts. Trotz der schier unerschöpflichen Kraftquelle, die die Zauberhaften Vier boten, begann Duncan unseren Angriff langsam zurückzudrängen. Nein, das durfte nicht sein! Wenn er uns überwand, dann war alles vorbei. Dafür hatten wir nicht soviel aufs Spiel gesetzt. Ich war sicher meine Cousine würde sterben, wenn uns nicht bald etwas einfiel und Hotaru würde sich ihrem grausamen Schicksal ergeben müssen. Das würde ich nicht zulassen.
„Auf mein Kommando, greift ihr gemeinsam an! Er wird geschwächt sein!" Ohne auf eine Bestätigung zu warten, veränderte ich den Energiestrom und ließ langsam alle Liebeswellen in den Kristall fließen. Dann nach schier endlosen Sekunden und den lautstarken Protesten meiner Gefährten, war es soweit. „JETZT!"
Wir waren zu gut aufeinander abgestimmt, als daß sie zögern würden. Mit zusammengekniffenen Augen ließ ich die negative Energie wie ein Tornado auf mich zukommen und machte mich für den Einschlag bereit. Leise, eindringlich, wie eine Beschwörungsformel, wiederholte ich meinen Bannspruch immer und immer wieder durch zusammengebissene Zähne. Aus dem Augenwinkel konnte ich schwach wahrnehmen wie sich Daisy, Lily, Salvia, Kiiro und schließlich auch Viento wieder geschlossen auf den Dämonenlord stürzten... und einer nach dem anderen fielen. Daisy und Lily hatten nicht den Hauch einer Chance, Kiiro wurde mitgerissen, als er versuchte Lily vor einem harten Aufprall zu bewahren. Salvia wurde ohne Mühe zur Seite geschleudert und ihr Schwert flog im hohen Bogen durch die Luft. Viento fing sich einen halbherzigen aber doch effektiven Energieball in die Brust ein.
Dann preschte Duncan vor und sein Körper formte sich, als ob er tatsächlich zu einem kleinen Meteoriten wurde, genauso wie er es vorhin schon versucht hatte. Aber jetzt wußte er über Mutters Schild Bescheid und ganz sicher würde er nicht so dumm sein etwas zu versuchen ohne Erfolgsaussichten.
„Gib mir Kraft, Mama..." Mit einem Aufschrei, der gar nicht zu mir paßte, zwängte ich die letzte böse Energie in den Kristall und kehrte alles um. Die Wirkung schleuderte mich nach hinten aber der Strahl traf sein Ziel, voll. Momente lang konnte man nichts sehen, dann jedoch schoß Duncan unbehelligt weiter auf den Tempel zu. Das konnte doch nicht sein, was sollten wir denn noch tun? War es das? Hatte ich versagt? Nein... Nein, ich weigerte mich aufzugeben, ich hatte nie aufgegeben, ich durfte nicht aufgeben oder weder Minako noch die liebenswerte Hotaru würden jemals glücklich sein. Ich brauchte eine Idee...
Mein Blick fiel auf Salvias Schwert, das genau neben mir im Boden steckte. Mit einer mir fremden Überzeugung und Selbstbewußtsein griff ich danach, stellte aber entsetzt fest, daß, was auch immer ich tun würde, es zu spät war. Duncan hatte das Schutzfeld erreicht und würde jeden Moment damit kollidieren.
Es war eigentlich nur ein schwarzer Fleck. Viel mehr konnte man es mit einem Flugzeug auf Überschallgeschwindigkeit vergleichen – nicht so groß freilich. Die Energiekugel raste direkt in das Geschoß, was Duncan darstellte, und fegte ihn wie ein Blatt davon. Die Wucht des Einschlages und Duncan eigene Geschwindigkeit wirkten sich zerstörerisch für ihn aus. Man sollte glauben, nach solch einer Attacke wäre er glücklich am Ende des Tals wieder aufzukommen und noch ein Zehntel seiner Knochen zu besitzen aber dem war nicht so. Statt dessen schaffte er es sich in der Luft zu drehen und, wenn auch ziemlich schwankend, auf dem Steinhaufen aufzukommen, der ihn eben noch begraben hatte.
„Wer wagt es?" zischte er sichtlich genervt und seine Augen begannen sich zu weiten, als der Staub sich verzog und die kleinen Nachbeben langsam abklangen. Beide Flügel gespreizt, in einer lässigen und doch aufmerksamen Pose stand dort niemand anders als der – Ex? – Dämon Koitenshi.
(Jupiter)
Ich sah besorgt Richtung Eingang. Das grollende Beben verriet mir, daß es da draußen alles andere als friedlich vorging. Zu gerne wäre ich jetzt hinausgerannt, um mitzukämpfen, doch dazu war ich ausnahmsweise mal nicht hier. Der ohrbetäubende Krach vor einigen Minuten ließ mich auf die Energieattacken von Dallas schließen und ich wollte nicht wissen, wie es jetzt da draußen aussah. Gewöhnlich war es ihm vollkommen egal, was bei seinen Attacken alles zerstört wurde, wenn er kämpfte, existierte nur noch er und der Gegner.
Ich fragte mich, was Saito wohl gerade machte. Und vor allem auch Artemis und Luna. Ich konnte mir Artemis schlecht mit den Halbschatten zusammen vorstellen, wahrscheinlich hielten sie sich also von denen fern. Vielleicht halfen sie bei den Liebesengel mit. Andererseits konnte ich mir den weißhaarigen Krieger auch nicht mit denen vorstellen, also schlossen sie sich wohl doch Saito und Dallas an. Welche Art Kampf sie wohl führten? Das Ganze hörte sich von hier drinnen ziemlich brutal an. Sollte Duncan sich tatsächlich so nah rangewagt haben?
Ich biß mir ungeduldig auf die Lippen und konnte es kaum erwarten die Zeremonie hinter mich zu bringen, um endlich nach draußen zu gelangen. Hier drinnen zu verharren war die reinste Qual.
Ich konzentrierte meine Aufmerksamkeit wieder auf die Zeremonie, da Serenity sich leise räusperte und mich erwartungsvoll ansah. Puu hatte ihren Teil schon erledigt, jetzt waren Saturn und ich an der Reihe.
Das Glitzern des Ringes, der bald an Minakos Finger sein würde, stach mir ins Auge. Irgendwie löste es eine traurige Emotion in mir aus. Jetzt war es also entschieden und nicht mehr rückgängig zu machen. Venus hatte sich endgültig für immer an jemanden gebunden. Wahrscheinlich sollte ich mich nun für sie freuen aber ich konnte es nicht richtig und tat es daher auch nicht. Ich mißbilligte ihre Entscheidung nicht, auf gar keinen Fall. Sonst hätte ich die Rolle des Sternpaten bestimmt nicht angenommen. Für mich war nur klar, daß uns etwas verlorengehen würde. Vielleicht sahen die meisten das nicht so aber Minako würde nicht mehr die sein, die sie für uns immer war. Wahrscheinlich existierte sie jetzt größtenteils für Sailorsaturn, ähnlich wie die Beziehung Uranus und Neptun. Natürlich muß es nicht so kommen aber falls doch würde ich mich fernhalten.
Es ging erneut los. Das blasse Mädchen in ihrem dunklen Gewand hob den Kopf und in ihren kalten Augen leuchtete nun ein Funken, den ich nicht recht einordnen konnte. Sie war schon ein merkwürdiges Wesen. Ich betrachtete sie unbeweglich von oben bis unten. Ich kannte Sailorsaturn nicht und hatte sie bis jetzt auch nicht sehr näher kennenlernen wollen. Nicht, daß die bleiche, junge Dame mit den hypnotisierenden Augen mir nicht sympathisch wäre. Sie war einfach die Art Mensch, mit der ich mich unmöglich anfreunden könnte. Mit ihrer unnatürlich ruhigen und emotionslosen Art könnte ich kaum etwas anfangen. Sie war sehr still, geheimnisvoll und ihre Kräfte erinnerten mich merkwürdigerweise zu sehr an Thanatos.
Obwohl wir in diesem Leben nun sehr die Formen von gewöhnlichen Mädchen besaßen, steckten in uns noch die Seelen unseres Urich. Die Wächterin des Todes und die Göttin der Kraft könnten kaum miteinander harmonieren. Andererseits, die Göttin der Liebe und Schönheit paßte auch nicht unbedingt zu ihr. Aber ich dachte jetzt an die Epoche der Shiekah. Es waren ja auch Aishar und Rhea, die sich liebten, nicht die Göttin Venus und Saturn.
Bevor ich mich allzusehr in meinen komplizierten Gedankengängen verfing, widmete ich Saturn wieder meine Aufmerksamkeit, die jetzt ihren Text aufsagte. Sie sah Venus mit einem tiefen Blick in die Augen, erfüllt von Ernst und vollkommener Hingabe. In den violetten Augen leuchtete wieder ein Funken auf, ein Funken der Hoffnung, wie ich jetzt zu wissen glaubte. Mir fiel ein, daß Saturn gerade dabei war ihr Leben zu retten.
Sie sprach ziemlich leise, so daß jeder mucksmäuschenstill war, um nichts zu verpassen. „Verzeih mir, daß ich dir soviel Kummer und Schmerz bereitet habe, ich wollte dich nicht zu etwas zwingen oder unter Druck setzen. Selbst jetzt noch kommt es mir vor wie ein Traum, daß du dich trotz allem für mich entschieden hast. Vielleicht ist dem ja wirklich so, aber wenn, dann hoffe ich nie aufwachen zu müssen.
Aino Minako, Senshi des Planten der Liebe Sailorvenus, Prinzessin Aishar von Venus, ich schwöre, daß ich das große Opfer und Geschenk, das du mir gegeben hast, immer ehren werde, und so biete auch ich mit allem, was ich bin, war und sein werde, meine Seele dar. Auf das unsere Sterne gemeinsam aufsteigen möchten in das weite Firmament, um dort für alle Ewigkeit gemeinsam zu leuchten."
Ich seufzte. Hoffentlich fing Minako jetzt nicht vollends an zu heulen, angesichts dieser, für meinen Geschmack zu schnulzigen aber trotz allem rührenden Worte. Ich versuchte mir vorzustellen sie hätte mit Saito so etwas aufgeführt und gab mir Mühe bei dem Gedanken nicht laut zu lachen. Plötzlich war es totenstill im Raum und ich begriff, daß mein Einsatz jetzt gefragt war. Ich starrte auf den wunderschönen Ring in meiner Hand, mit der Eingravierung des Saturnzeichens. Jetzt würde es besiegelt werden. Ich wollte einen Schritt nach vorne machen, als von draußen plötzlich ohrbetäubendes Krachen erscholl und der Boden dermaßen bebte, daß Merkur hinten fast zu Boden ging. Venus warf mir einen flehenden Blick zu und ich beschloß mich zu beeilen.
Ich ging rasch auf Saturn zu und versuchte mir den Text in Erinnerung zu rufen, den Neptun mir vorhin nochmal eingedroschen hatte. „Ich bestätige den Schwur der Senshi des Saturns, und mit diesem Ring soll er besiegelt werden…" Der letzte Teil des Satzes war mir abhanden gekommen, also improvisierte ich spontan. „… daß das Glühwürmchen der Zerstörung und das Kind der Liebe für immer aneinandergebunden sind", dichtete ich etwas verzweifelt zusammen, mich auf die Bedeutung ihrer Namen beziehend. Venus und Saturn lächelten. Ich reichte Saturn den hübschen Ring, bedauernd, daß ich meinen Einsatz um einiges weniger graziös und ehrwürdiger als Pluto rübergebracht, doch immerhin ein Lächeln auf die Lippen der aufgeregten Liebenden gezaubert hatte.
Saturn griff nach der Hand von Venus und führte den Ring an den Finger. Ich starrte nochmal ungeduldig zum Ausgang.
(Saito)
Ich wachte auf. Das wäre jetzt eigentlich nichts Außergewöhnliches oder Großartiges, käme es nicht von einem kräftigen Schlag in den Magen. Hustend und würgend hielt ich mir den Bauch und starrte in die eisblauen Augen meines rothaarigen Kollegen.
„Na endlich!" knurrte er. „Zehn Minuten habe ich gewartet bis du zu dir kommen würdest aber es dauerte mir leider etwas zu lange!"
„Na, danke fürs Aufwecken", keuchte ich sauer. „Hast du dir Mühe gemacht nachzusehen, wo Duncan hin ist?"
Statt einer Antwort krallte sich Dallas meinen Kragen und riß mich mit einem unsanften Griff hoch. Langsam begann sich die alte Angst vor ihm in mir wieder zu rühren. Manchmal vergaß ich, wer er eigentlich war. Und er war alles andere als der liebenswürdige Typ. Wie hatte ich es eigentlich geschafft mich so lange gut mit ihm zu halten? Normalerweise war es lebensgefährlich sich zu lange mit dem ehemaligen Boß der Shiekahkrieger aufzuhalten.
„Eure Kindereien werden mir langsam zu dumm, Freundchen", zischte er. „Wenn der Feigling flieht, kann ich auch nichts machen! Ich sehe nicht ein, wieso ich Meistros psychisch gestörtem Bruder hinterherrennen soll."
„Du bist mit hierhergekommen, um zu helfen!" argumentierte ich etwas schwach, da der Begriff Helfen Dallas so gut wie unbekannt war. „Etwas mehr Einsatz wäre vielleicht gefragt gewesen!"
Meine Worte gingen im Lärm einer geballten Energiewelle unter, die vom Tempel herkam. Anscheinend hatten die Engel drüben schon alle Hände voll zu tun. Ich spürte wie ich ungeduldig wurde, merkte aber auch, daß der Zorn über den unentschiedenen Kampf mich halb wahnsinnig machte. Scheiße, gerade im falschen Moment hatte ich nicht aufgepaßt! Wir hätten ihn besiegen können, es fehlte nicht viel. Zwei Halbschatten waren nicht zu überwinden. Außer natürlich man verwandelte sich in eine Fledermaus und verpißte sich…
Ich wollte erneut zu Argumenten ansetzen, die meinen schwierigen Kampfgefährten umstimmen könnten, als plötzlich ein schriller Schrei mich fast zu Boden gehen ließ. Genauer gesagt waren es mehrere Schreie und ich kam nicht umhin mir die Hände an die Ohren zu halten. Dallas verzog kurz das Gesicht und wir wandten uns im selben Moment um. Vor uns oder besser gesagt über uns schwebten so ungefähr ein Dutzend schwarzer Flugdämonen. Hol's der Teufel! Meine Laune konnte kaum schlechter werden. Ich hatte noch was mit Mister Knallarm hier auszudiskutieren und darauf, daß irgendwelche debilen Duncan-Kreaturen mich dabei störten, hatte ich wenig Lust.
Nach einem weiteren, perfiden Schrei stürzten diese Flattermonster ungefähr alle miteinander auf uns zu. Ich überlegte kurz. Dann hob ich den Arm und warf einen schwarzen Energiestrahl in die Menge. Ein schöner Anblick war es nicht als einige von ihnen in tausend Stücke zerrissen wurden aber ich war ja nicht Sailormoon.
„Wieso bist du ihm nicht gefolgt", fragte ich Dallas nun zum zweiten Mal. Ich wußte, daß ich mich dranhielt aber ich begriff es wirklich nicht.
„Davon mal abgesehen, daß du hier am Boden lagst und drohtest zu verrecken, haben sich die Teenies bereit erklärt das andere Gebiet zu verteidigen", bekam ich die Antwort. „Wir haben uns um unsere Area gekümmert und damit fertig. Außerdem hatte ich das Gefühl dir was zu schulden. Ich sehe nicht ein, wieso ich dir nicht helfen sollte, wenn du es auch für mich getan hättest. Glaubst du ich weiß nicht, daß Meistro dich damals abgeknallt hatte, auf den Befehl von Cortez hin? Es ist nicht meine Art meine Mitkämpfer sterben zu lassen." Während er sprach erschuf er ein Schutzschild um uns herum an dem die Kreaturen wie Eis zerbarsten. Obwohl die grausigen Schreie nicht zu überhören waren, verstand ich seine Worte sehr gut.
Mir blieb im wahrsten Sinne des Wortes die Spucke weg. Solche positiven Worte hätte ich wahrlich nicht erwartet. Ich war nah dran gerührt zu sein. Es war schon sehr angenehm sowas aus dem Mund eines Kerls zu hören, den ich schon mein Leben lang kannte aber vor dem ich die Hälfte dieses Lebens Schiß hatte. Allerdings erschienen seine Wörter mir auch etwas suspekt. Eigentlich konnte ich mich nicht daran erinnern, daß er sich je um Mitkämpfer geschert hatte sofern er welche hatte. Und wie hatte er mir denn geholfen? Durch den Schlag in die Magengrube vielleicht?
Plötzlich ging mir ein Licht auf. Ich hob mein Hemd hoch und starrte auf den unteren, linken Teil meines trainierten Bauches, wo eigentlich eine klaffende Wunde sein sollte. Die Wunde war so gut wie zugewachsen! Ein wenig schmerzte es noch und eine Narbe war vorhanden aber innerhalb von einer Viertelstunde war so etwas unmöglich, denn die Verletzung war tödlich.
Ich starrte Dallas perturbiert an. „Ich…wußte nicht, daß du Heilkräfte besitzt!" stotterte ich. Ich bekam nur ein unwilliges Brummen als Antwort aber es reichte mir. Der böse Schläger wußte also tatsächlich weiße Magie zu handhaben! Jupiter würde sich schieflachen, wenn ich ihr das erzählte! Allerdings war ich beeindruckt, das mußte ich zugeben. Eigentlich dachte ich bisher, daß ich der Einzige der Shiekah war, der weiße Magie anwenden konnte. Davon abgesehen hatte ich noch nie mitbekommen wie Dallas sie benutzt hat und ich kannte ihn schon lange.
Demnach müßte es also mehr als ein Gefallen sein, den er mir getan hat. Ich war schon nah dran ihn zu umarmen aber dann würde er mir wahrscheinlich eine reinhauen.
Plötzlich erbebte die Erde, und eine Explosion genau aus der Richtung des Tempels lenkte uns ab. Irgendwie spürte ich das genau in diesem Moment wohl die Entscheidung gefallen war. Ich sah Dallas an und er nickte.
„Gehen wir nachsehen." Mit einer raschen Bewegung warf er noch einen Energiestrahl in die Menge der inzwischen immer weniger gewordenen Dämonen. Dann teleportierten wir uns weg.
(Venus)
Soweit so gut. Bis hierhin hatte alles hervorragend geklappt. Die Schwüre waren gesprochen und bestätigt. Jetzt kam es eigentlich nur noch auf uns an. Ich sah nicht, was noch schiefgehen sollte – ausgenommen Duncan, fügte ich mit einem kurzen Blick Richtung Eingang an –, denn schließlich hatten wir doch wohl mittlerweile mehr als einmal bewiesen, daß wir einander würdig waren. Es war eigentlich nur noch eine simple Zeremonie, um zu bestätigen, was bereits zwischen uns beiden existierte. Oder?
Als mein Blick zurück auf meine Sternschnuppe fiel, mußte ich mich erneut zusammenreißen nicht fasziniert zu starren. Sie sah aus wie eine überweltliche, unnatürliche Gottheit, die es eigentlich gar nicht geben dürfte – und ich wußte, wovon ich sprach. Eine Gottheit, die zu einem großen und entscheidenden Teil nur für mich existierte und existieren würde... Das war so ungefähr wie sie auf mich wirkte.
Immer noch Hand in Hand drehten wir uns zu unserer Prinzessin um. Es war Zeit für den letzten Teil, der, wenn ich recht behalten sollte, gar nicht mehr so schwierig sein sollte. Serenity trug ein gütiges Lächeln auf ihrem Gesicht und ich konnte sehen wie sehr es ihr Freude bereitete diese Zeremonie durchzuführen. Nicht, weil sie Saito nicht mochte – nein, dem war nicht der Fall. Diese Zeremonie war das Ergebnis ihrer Anstrengungen der letzten Wochen und irgendwie hätte es mich nicht gewundert, wenn sie, falls ich Saito geheiratet hätte, genauso am Altar stehen würde...
„Um eure Reife und die Reinheit eurer Liebe zu beweisen, müßt ihr nun aus dem Kelch der Seelen trinken. Nur, wenn das reine Licht des Grals euren Bund akzeptiert, seid ihr würdig meines Segens." Also, jetzt galt es. Das war der letzte und der wichtigste Teil der Zeremonie. Entweder oder, Bündnis oder Ablehnung bis hin zu, im schlimmsten Falle, dem Tod. Es gab jetzt nicht anderes mehr. Nicht die tobende Schlacht um uns herum, nicht unsere treuen Kampfgefährten und Freunde. Nur noch uns, den Gral und diesen letzten Test unserer Vereinigung.
Serenity berührte den Gral vor ihr auf dem Altar – es war eigentlich nur ein sanftes Antippen – und das geweihte Gefäß öffnete sich. Das helle goldene Licht wirkte für einen Moment, als ob es wie gewohnt hinausströmen und seinen Bennutzer Kraft geben würde. Aber dann verfestigte es sich am Rand und man mochte glauben, man hätte wirklich eine Art exotisches Getränk in einem großen Gefäß vor sich. Wenn man zulange direkt hinausschaute, blendete das Licht ein wenig, hatte aber ansonsten einen sanften Glanz.
Saturn trat an den Altar und nahm den Gral in beide Hände. Damit drehte sie sich zu mir um und streckte mir den Heiligen Kelch entgegen, der nun zum Symbol unserer Vereinigung werden würde. „Ich präsentiere den Kelch der Seelen, er soll die unseren auf ewig vereinen." Entgegen meiner Erwartungen zitterte ich nicht, als ich den Gral entgegennahm und vorsichtig an die Lippen setzte, um daran zu nippen. Warum sollte ich auch? Hatte ich nicht gerade sämtliche Zweifel ausgeräumt? Was hatte ich – hatten wir – schon zu befürchten?
Beinah wäre der Kelch meinem Griff entglitten. Ich war nicht vorbereitet auf das, was geschah, als ich einen tiefen, ausreichenden Schluck nahm, ohne ihn herunterzuschlucken, wie mir vorher gesagt wurde. Alles um mich herum veränderte sich. Plötzlich fand ich mich in einer vollkommen schwarzen Leere wieder. Doch diese hielt nur für ein paar Augenblicke. Erst waren es nur kleine Seifenblasen mit Bildern, die einzeln zu wenig Sinn ergaben, um überhaupt irgend etwas zu bedeuten. Doch dann wurden die Bilder und die Zusammenhänge klarer, deutlicher und die Bilder wurden zu Personen. Vier um genau zu sein. Allen... Kunzite... Saito... Rhea... Doch es waren nur die ersten Drei, die redeten. Hotaru... nein, es war Rhea, soviel konnte ich sagen, war still. Die Frage, die sie stellten, war simpel und bei jedem dieselbe: Warum? Warum sie?
Das Stimmengewirr stieg langsam aber stetig zu einem wahren Crescendo an und die Personen begannen sich so schnell um mich zu drehen, daß man ihre Formen nur noch fleckenartig wahrnehmen konnte. Sie verschmolzen regelrecht ineinander und immer wieder dieselbe Frage. Immer wieder , dasselbe Muster, jedesmal noch ein bißchen lauter, eindringlicher und klagender.
Ich glaubte mein Kopf würde in tausend Richtungen auf einmal zerspringen. Ich versuchte mir die Ohren zuzuhalten aber die Stimmen wurden nur noch lauter. Ich versuchte die Augen zuzukneifen, doch es half nichts. Ich versuchte sogar in eine tiefe Meditation zu fallen, wie sie mir sowohl Rei, als auch Hotaru einmal gezeigt hatten, doch ich fand keinen Ruhepunkt... „Warum? Warum?" echote es immer wieder und es schien, als ob die nur noch undeutlichen Gestalten ihren Kreis immer enger zogen. Ich wußte nicht, was ich machen sollte, wie ich reagieren sollte, was genau sie erwarteten, daß ich sagen würde...
„Venus..." Und genauso abrupt wie es begonnen hatte, endete es. Alles gefror mitten in der Bewegung, als die sanfte, liebevolle, deutlich weibliche Stimme durch die Schwärze klang. „Meine Venus." Mutter? Konnte das...? War das möglich? „Warum hast du von all diesen Hotaru Tomoe gewählt?" Es war nicht anklagend. Nein, der Ausdruck war mehr... interessiert, simpel fragend. Kein Drängen, kein Zwang zu einer Antwort. Es war diese Art von Betonung, die bedeutet, frag es dich selbst. Warum hast du selber dich so entschieden und nicht anders?
Die Abbildungen der Personen, die mir einmal sehr lieb waren und immer noch sind, begannen sich wieder zu drehen, doch diesmal verlor der Effekt seine Wirkung. Ich schloß die Augen und konzentrierte mich vollends auf mich selbst und meine Beweggründe. Auf die Frage, warum ich Hotaru über andere gewählt hatte.
Warum z. B. nicht Allen? Das war einfach. „So sehr ich Allen auch gedacht habe zu lieben, es war wohl nur kindliches Denken. Er und Kathrin gehören zusammen, das weiß ich nun. In diesem Leben mochte er meine erste Liebe gewesen sein, doch damit auch eine Erfahrung, die jeder einmal machen muß, nämlich, daß nicht alles immer Eitelsonnenschein ist. Selbst, wenn das Schicksal uns gnädig gewesen wäre, hätte ich nie das mit ihm teilen können, was ich mit Hotaru teile." Allens Bild – ich konnte die Personen mit meinem geistigen Auge jetzt klar unterscheiden – schien sich etwas zurückzuziehen und langsam aufzulösen.
Als Nächstes wandte ich mich Kunzite zu. Das war etwas schwierig aber ich hatte meine Worte schon zurechtgelegt. „Kunzite wähle ich nicht, weil es anscheinend einfach nicht in unserem Schicksal lag. Davon abgesehen, daß er jetzt tot ist und mit ziemlicher Sicherheit auch nicht wiedergeboren wird, hätte Aishar sich wohl auch damals schon für Rhea entschieden, wenn es darauf angekommen wäre. Kunzite war Alltag, so hart es klingen mag. Aber Venus, in welcher Inkarnation auch immer, brauchte immer etwas Besonderes, etwas Geheimnisvolles, Unerwartetes und Unberechenbares. Das konnte Kunzite für Aishar nie darstellen." Auch Kunzite begann sich zu lösen und so blieben letztendlich nur noch Saito und Rhea übrig.
Und das war die schwerste Entscheidung von allen. Saito war ein primer Kerl. Witzig, lebensfreudig, vieles, was ich selber war. Uns verband ein tragisch-schicksalhaftes Band, ähnlich dem von Serenity und Endymion, und doch war es nie wirklich dasselbe gewesen. Es gab Zeiten, da hatte ich mich verflucht wie ich mich nur in einen Feind verlieben konnte. Und dann konnte ich einfach nie anders, als eben diesen Gefühlen zu vertrauen und nachzugeben. Es ging einfach nie. Die Gefühle waren zu stark gewesen. Saito hatte einfach eine Anziehung auf mich ausgeübt, der ich nicht in der Lage war zu widerstehen. Er war meine erste und vielleicht auch meine größte – männliche – Liebe gewesen.
Hotaru hingegen war ganz anders. Sie war ruhig, gefaßt, verantwortungsbewußt, opferbereit. Vieles, was ich nicht war oder was nur zutage trat, wenn es um meine Position als Anführerin der Senshi ging. Von Anfang an hatte unsere Beziehung dieses mystische, undefinierte und unbekannte Element. Einen Hauch von Geheimnis und Ungewißheit, was kommen würde. Das Schwanken zwischen kompromißloser Liebe und einer zeitweise ängstigenden Faszination. So war es bei Rhea zumindest gewesen. Ich hatte nie die Zeit für eine normale Entwicklung einer Beziehung mit Hotaru gehabt, wußte aber insgeheim wie es ausgegangen wäre, ein Teil von mir forderte regelrecht mich ihr zu nähern, wegen Rhea, sowie wegen Hotaru...
Also wie stellte ich am Besten fest, warum ich diese Entscheidung getroffen hatte und vor allen Dingen, ob es die richtige gewesen ist? Es blieb mir nichts anderes übrig als zu vergleichen. Das hatte ich oft getan in den letzten Wochen und ich hatte es eigentlich satt. Doch konnte ich weder meine Beziehung zu Saito noch zu Hotaru sachlich und getrennt analysieren.
„Warum habe ich also nicht Saito gewählt, als es darauf ankam. Warum nicht meine aller erste. lebenlange Liebe? Warum nicht ihn, den ich schon so lange kenne und der mir doch hin und wieder genauso fremd ist. Um ganz ehrlich zu sein. Ich weiß es nicht. Es gibt keine logische Erklärung für das, was du mit dem Herzen entscheidest. Saito repräsentiert so vieles, was ich selber darstelle, was zu einem großen Teil meine eigenen Lebensprinzipien sind. Man sagt, so etwas funktioniert nicht aber das finde ich unangebracht. Hotaru hingegen ist das genaue Gegenteil von mir und ich finde es genauso falsch zu sagen Gegensätze ziehen sich an und ergänzen sich. Es mag bei uns stimmen, doch ist das eigentlich kein Grund.
Was ich anführen kann ist nur das eine. Früher, als ich noch jung war, noch vor meiner Zeit als Sailor V hatte ich immer davon geträumt jemanden zu haben wie Hotaru – damals meinte ich sicherlich nicht ein anderes Mädchen aber die Bedeutung ist die Gleiche. Ich glaube – und es nicht mehr als das –, daß Saito und ich niemals vollends miteinander glücklich werden könnten, und diesen Kindheitstraum trage ich immer noch mit mir. Er ist nicht verschwunden, nur ganz tief vertragen worden. Vielleicht ist es das, was mich mich letztendlich für Hotaru entscheiden hat lassen, doch letztlich ist es alleine eine Entscheidung meines Herzens."
Ich nahm einen tiefen Atemzug und öffnete die Augen. Die Abbilder der Personen schienen nun regelrecht an einem Ort ineinandergemischt. „Und darum... Darum wähle ich weder Allen, der bereits sein Glück gefunden hat, noch Kunzite, mit dem das Schicksal mich scheinbar nicht sehen wollte, noch Saito, so sehr ich ihn auch immer lieben werde. Ich wähle Rhea, die soviel für mich und insbesondere für uns riskiert hat, jedoch und vor allen Dingen wähle ich Hotaru Tomoe, mein Glühwürmchen und meine Sternschnuppe, die, für die mein Herz sich letztendlich entschieden hat."
Die Abbilder schien wie eine Sturmböe an mir vorbeizuziehen, als ich sie langsam aussortierte, bis schließlich auch Rheas Bild an mir vorbeizog und ich mich schlagartig im Tempel wiederfand, vor mir eine besorgt dreinblickende Hotaru. Ich brachte ein breites Lächeln zustande, um ihr zu signalisieren, daß alles in Ordnung war. Für einen Moment schaute sie skeptisch, dann erhellte sich der Ausdruck in ihren Augen und sie erwiderte das Lächeln.
Mit jetzt wieder und noch festerem Griff als zuvor reichte ich Hotaru den Gral. Das Licht, daß sich immer noch in meinen Mund befand, hinderte mich nicht am Sprechen, wo es vor einigen – wahrscheinlich – Sekunden noch ein erstickendes Gefühl hervorgerufen hatte. „Ich präsentiere den Kelch der Seelen, er soll die unseren auf ewig vereinen."
(Koitenshi)
Das Starren dauerte sicher einige Sekunden, wertvolle Sekunden. Nun war ich doch hier, obwohl ich dem ganzen eigentlich nur fernbleiben und mich in mein neues Leben eingewöhnen wollte, so wie es die Lady Saturn mir geraten hatte. Warum ich eigentlich hier war? Das konnte ich auch nicht so genau beantworten. Sicher, es gab genug Gründe, die ich aufzählen konnte, aber nur einige davon wogen wirklich etwas und die meisten davon eher dagegen.
„Ich sehe", meinte ich lässig, wobei ich mich sehr anstrengen mußte neutral zu klingen, „daß Ihr ein paar Probleme hier hattet. Mal wieder schlecht geplant, hm?" Duncan funkelte mich an und eine Spur von Verärgerung sprang in sein Gesicht. „Es lief alles perfekt, bis du mich gestört hast. Was soll das, Koitenshi?" forderte er zu wissen.
Langsam ging ich einige Schritte auf ihn zu. Er war wachsam, machte aber auch keine Anstalten anzugreifen, beobachtete mich eher sorgfältig. „Eigentlich weiß ich das selber nicht genau. Vielleicht bin ich hier, weil meine menschliche Seite es von mir fordert. Vielleicht bin ich hier, eben weil meine dämonische Seite sich dagegen sträubt. Vielleicht ist es aber auch so, weil ich mich jemanden eines Gefallens schuldig fühle. Vielleicht will ich mir aber auch nicht gleich Feinde schaffen, wo später einmal Freunde seien könnten? Aber letztendlich bin ich wahrscheinlich einfach nur hier, um Euch zu helfen."
Duncan stutzte, ich stoppte. „Helfen? Mir? Das sah aber gerade nicht so aus..." Er überlegte kurz. „Na, schön. Vielleicht war das Ganze nur ein Mißverständnis, wenn du mir wirklich helfen willst, dann schaff mir diese Störenfriede vom Hals." Die Liebesengel und die beiden männlichen Verteidiger versteiften sich augenblicklich. Mein geschulter Blick sagte mir, daß ihre Energiereserven verbraucht waren. Ich lächelte höhnisch... und schüttelte dann den Kopf. Die Verteidiger entspannten sich.
„Duncan, Duncan... Ihr habt es immer noch nicht verstanden, oder? Ich will Euch helfen, ja. Aber ich will Euch vor Euch selbst bewahren." Ein wenig Zorn flackerte in Duncans Augen auf und man konnte sehen, daß er ungeduldig wurde. Doch ich ließ mich nicht einschüchtern. „Ich habe in den letzten Stunden viel Zeit zum Nachdenken gehabt und ich werde wohl noch lange damit zubringen, bevor ich es verstehe. Aber eines verstehe ich bereits jetzt schon. Was Ihr versucht zu erreichen, ist sinnlos und unmöglich."
Erneut ignorierte ich Duncans scharfen Blick. „Ihr seid blind geworden. Blind mit der Aussicht auf eine falsche Liebe. Ihr seid im Begriff den Fehler so vieler anderer vor euch zu begehen. Glaubt Ihr wirklich, daß die Lady Saturn Euch jemals lieben wird? Ihr könnt Ihr glauben machen, sie würde Euch lieben. Ihr könnt Ihr vorgaukeln, sie wäre glücklich. Aber tief da drin, wird sie immer jemanden anders lieben und niemals Euch. Ihr gönnt ihre Geliebte töten und doch wird ihr Schatten Euch immer jagen. Was Ihr wirklich erwartet zu bekommen, daß werdet Ihr von Rhea nicht erhalten. Diesen Platz hat schon längst jemand anders, selbst wenn Ihr diese Person wegnehmen würdet."
Ein leises Grollen aus Duncans Richtung unterbrach mich und ich beobachtete wie dunkle Flammen begannen um seinen Körper zu tanzen. Ich bemühte mich meine Besorgnis nicht zu zeigen. „Bist du fertig, Verräter? Wenn ja, dann geh mir jetzt aus dem Weg, ich habe noch etwas zu erledigen." Ich trat ein paar weitere Schritte vor zwischen den Fingerspitzen und aus der Handfläche meiner linken Hand begann Energie zu pulsieren und sich knisternd aufzubauen.
„Versteht mich nicht falsch, Mylord. Ich respektiere Euch immer noch und ein Teil von mir wird es immer tun, doch kann ich Euch nicht passieren lassen. Dies ist Eure letzte Chance. Geht und behindert diese Zeremonie nicht länger. Das ist es nicht wert sich dafür so nahe an den Abgrund zu wagen."
Ich war nicht sicher, was ich von seiner Reaktion halten sollte, denn diese Reaktion bestand darin, gar keine zu zeigen. Statt dessen erschienen zwei Hilfsdämonen an seiner Seite, offensichtlich mit der Aufgabe mich abzulenken und zu beschäftigen. Ich lächelte nur, hob eine Hand, schloß kurz die Augen und schnipste theatralisch mit den Fingern. Überall um uns herum, waren kleine Explosionen und Schmerzensschreie zu hören, als sämtliche von Duncans Anhänger ihren letzten Lebenshauch verspürten...
Gelangweilt und enttäuscht schüttelte ich den Kopf. „Also wirklich. Habt Ihr schon ganz vergessen, wem ihr Eure Kreaturen zu verdanken habt?" Es stimmte. Als sich der Großteil unseres Stammes damals von uns getrennt hatten, waren eigentlich nur noch ich und Duncan übrig gewesen, die fähig waren etwas zu erreichen. Mit meiner herausragenden Magie war es mir möglich gewesen neue Krieger zu erschaffen. Aber selbst wenn sie Duncan gehorchten, sie waren immer noch meine Geschöpfe... gewesen. „Ich sage es noch ein letztes Mal: Kehrt jetzt um und begebt Euch nicht in das, was Ihr nicht verstehen könnt."
Duncan verharrte – für einen Moment. Ein fast schon verrücktes, weder menschlich, noch dämonisches Lächeln verunstaltete seine Gesichtszüge. Ich schluckte und ließ die Energie sprungartig in einer Energiekugel zum Leben erwachen, die ich ein wenig von seinen Blicken abschirmte. „Ich weiß nicht, wovon du sprichst. Wenn du nicht freiwillig gehst, hast du dein Todesurteil unterzeichnet."
Mit einem schauderhaften Schrei stürzte er vorwärts. Das war das, was ich befürchtet hatte. Er steckte bereits zu tief drin. Er hatte den Kampf schon vor langer Zeit verloren. Ich hatte also keine Wahl mehr. Als Dämon und als wissender Mensch. „Dann laßt Ihr mir keine andere Wahl." Und ich ließ die Kugel frei. Noch in der Bewegung schwang ich mich in die Luft und begegnete Duncan, der erwartungsgemäß über den Angriff gesprungen war, dort mit einem Sprungkick, gefolgt von einem Trommelwirbel aus Schlägen und Tritten, die Duncan trotz meiner Geschwindigkeit und seiner angeschlagenen Verfassung jedoch parieren konnte. Sein Schwert bildete sich in seiner Hand und er vollführte damit einen Streich nach meinem linken Flügel. Doch die Heilung war vollständig abgeschlossen und so war es mir möglich mich in einem schier unmöglichen Winkel zu verbiegen und der Attacke zu entgehen. Begleitet von starker Elektrizität vollführte ich einen Aufwärtshaken und brachte ihn dazu das Schwert zu Boden fallenzulassen.
Wir sprangen beide auseinander, Energie knisterte bereits. Doch das war mehr mein Spiel. Duncan mochte vielleicht höhere Reserven haben aber ich war magisch weit stärker veranlagt. Was mich erstaunte, war, daß der entstehende Energiediskus nicht vollkommen aus schwarzer Energie bestand, sondern auch Elemente von Lebensenergie enthielt. Es war schwer zu halten und zu balancieren. Für einen Moment hätte ich die Kontrolle fast verloren aber schließlich konnte ich den Angriff loswerden zur gleichen Zeit, als auch Duncan seinen mehr brachial, denn kunstvoll ausbalancierten Energieball losschleuderte. Beide Angriffe trafen sich in der Mitte. Es gab eine kleine Explosion, als die Energieladungen aufprallten. Dann, langsam aber sicher, begann mein Diskus durch Duncans Energieball – der sicherlich so groß wie ein kleiner Meteorit war – zu schneiden. Zu überrascht konnte Duncan nicht mehr ausweichen und wurde hart erwischt. Doch der Energieball zerplatzte in viele kleine Teilchen und ich mußte mich bemühen nicht selber erwischt zu werden, was mir nur teilweise gelang.
Die ganze Aktion hatte bestimmt nur ein paar Sekunden gedauert, von Beginn des Kampfes bis Ende, und mit Ausnahme von Viento vielleicht, glaubte ich nicht, daß einer der Anwesenden hatte verfolgen können, was sich abgespielt hatte. Ich konzentrierte mich augenblicklich wieder, als Duncan aus dem Partikelschauer auftauchte und mich voll mit der Schulter in den Bauch rammte. Rotierend, versuchte ich Halt zu finden, was mir schließlich auch gelang, wobei ich mich jedoch sofort unter einem Schlag und einem Spinkick wegducken mußte. Ich kreierte eine feine Energiesichel, nicht größer als meine Hand, und stach zu. Mein Gegner hatte den Angriff jedoch irgendwie kommen gesehen und riß schützend die Arme hoch. Die Wucht und Geschwindigkeit hinter dem Schlag, schleuderten ihn direkt in das Energieschild um den Tempel und ließen ihn zurückprallen.
Ich zögerte nicht lange. Jetzt oder nie. Wenn ich Duncan jetzt nicht aufhielt, ihn jetzt nicht... erlöste, dann würde ich es später einmal bereuen. Meine Flügel spreizend schloß ich die Augen und konzentrierte mich. Ich fühlte wie der Wind in orkanartiger Stärke zunahm, spürte die Energie, die Elemente, die um mich herumtanzten. Das war eine sehr alte Technik, eine Technik, die ich perfektionierte hatte aber nicht wagte sehr oft einzusetzen. Sie zehrte an den eigenen Kräften, wie ein Insekt, daß dir deine Lebenskraft aufsaugt. Doch im gleichen Maße fühlte ich mich seltsam beruhigt. Eins mit allem um mir herum. Ich fühlte Dinge, die ich vorher nie gefühlt hatte. Ich fühlte den Wind flüstern, der genau wußte, was hier vorging.
Schließlich sprangen meine Augen auf und ein wahrer Kokon aus Energie kreiste um mich herum. Ich spreizte die Finger und vollführte eine Geste. In diesem Moment sah Duncan auf und ich stellte mit überraschen fest, daß er gar nicht so schwer getroffen worden war, sondern die Zeit nur für seine eigene Paradeattacke genutzt hatte. Es schien, als ob die Fläche um ihn herum vollkommen Schwarz wurde. Nein, nicht Schwarz, daß würde bei der Dunkelheit eh nicht auffallen. Es war mehr wie Nichts, dunkelgräuliches Nichts.
Ich zögerte nicht lange. „CRETANA AKES!" Der, wie er in der menschliche wohl am besten übersetzt werden würde, „Wind des Verderbens" schoß wie eine Furie gen Boden, während Duncan selbst etwas rief, was unter dem Crescendo meiner eigenen Attacke unterging. Das letzte, was ich sah, war die Säule aus negativer Energie, die sich in drei Teile teilte, dann...
Die Druckwelle war so gewaltig, daß sie mich wie ein Blatt im Wind fortfegte. Irgendwie war ich glücklich genug schon relativ früh irgendwo gegen zu prallen, denn später hätte mich sicher umgebracht, so war ich mir nur sicher, daß diesmal beide Flügel und sicher auch ein paar Knochen gebrochen waren. Ein riesiger Energiepilz hing noch jetzt in der Luft und beregnete die Gegend mit Partikelschauern. Die restlichen Verteidiger hatten irgendwie Unterschlupf gefunden.
Meine Augen suchten Duncan und fanden ihn, als er sich gerade müh- und doch unbeugsam auf die Beine quälte. Seine Haut hatte Brandspuren, sein rechter Arm sah ziemlich schlimm aus und er hatte sicher mehr gebrochene Knochen als ich und trotzdem... Trotzdem kam er wieder hoch und begann auf den Tempel zuzuwanken. Mit Entsetzen stellte ich fest, daß der Schild nicht mehr existent war, anscheinend unter der Energiekollision zusammengebrochen. Doch da, genau in dem Moment, als ich mich selbst hochquälen wollte, spürte ich etwas. Am Rande meines Bewußtseins, dem neuen Teil meines Bewußtseins, dem es möglich war diese starke Welle aufzunehmen, bevor sie ein normaler Dämon bemerken konnte, da erkannte ich es.
„Zu spät, Duncan..." murmelte ich, als der ganze Tempel in hellem Licht explodierte.
(Saturn)
Für einen langen, viel zu langen Augenblick hatte ich wirklich Angst gehabt. Es war nur eine oder zwei Sekunden in Echtzeit gewesen aber dieser verwirrte und heimgesuchte Blick war dagewesen und er hatte mich geängstigt, soviel konnte ich sagen. Für einen Moment nur zweifelte ich, ob ich Minako vielleicht etwas zumutete, wofür sie noch nicht bereit war, doch dann, dann hörte ich sie. Es war nicht so, daß sie laut und für jeden hörbar sprechen würde. Nein, eher, als ob ihre Worte nur für mich und welchem Peiniger auch immer, der sich in ihrer Seele eingenistet hatte, bestimmt waren. Und diese Worte waren vielleicht das Schönste, was ich von ihr gehört hatte. Es war kein bedingungslose Liebeserklärung, es war rein, ehrlich und die Wahrheit. Das war das Wichtigste.
Ich nahm den Kelch von ihr wieder entgegen und bereitete mich psychisch darauf vor, was wohl jetzt kommen würde. Wenn Minako eine solche Konfrontation durchlaufen mußte, war es bei mir sicher nicht anders. Irgend etwas würde geschehen, doch genausosehr würde ich bereit sein... dachte ich zumindest. Denn auf das, was kam, darauf war ich beim besten Willen nicht vorbereitet.
Meine – geistige – Umgebung veränderte sich schlagartig, als ich an dem hellen Licht nippte. Das war nicht mehr der Tempel, es war nicht mal mehr die Erde. Die dichten Nebel und die öde Steinwüste ließen eher vermuten, daß das Hier irgendwo im Nirgendwo war. Aber nein, ich kannte diesen Ort. Ich kannte ihn viel zu gut, denn es war der Ort, den ich mit nie allzu großer Freude lange Zeit Heimat genannt hat. Saturn, der Planet der Stille, die Verbotene Welt, der Hort des Schweigens... mein Königreich, wenn man es so wollte.
„Ist es das wirklich? Ist das wirklich noch ihr Königreich, ihr Planet, ihre Heimat?" Die Stimme war kalt, emotionslos und äußerst vertraut. Ich wollte herumfahren, doch mein Körper gehorchte mir nicht. Es schien, daß ich keine physische Kontrolle in dieser Subrealität besaß. Doch wie ich feststellte, war es nicht notwendig etwas zu tun, denn ohne mein Zutun änderte sich mein Blickwinkel und ich konnte den Besitzer der Stimme erkennen, gerade als sich eine zweite hinzugesellte. Ruhiger, einfühlsamer aber doch immer noch von jener unnahbaren Kälte geprägt wie die erste. „Sei nicht so hart mit ihr. Schließlich hatte sie es auch nicht leicht."
Vor mir standen zwei Mädchen, fast identisch und doch schienen sie auf den ersten Blick wie das krasse Gegenteil – oder war es umgekehrt? Die Erste trug einen dunkelvioletten Sailorfuku mit einem achtzackigen, weißen Kristallstern in der Mitte, sowie langen, schwarzen Bändern. Ihre Haare waren länger als gewohnt, sie ähnelt fast schon Mistress 9 aber nur fast. Sailorsaturn, meine Kämpferidentität, die Kriegerin des Schweigens. Die Sense der Stille ruhte in einem festen Griff an ihrer Seite. Die zweite Person war ebenso deutlich, wenn auch wesentlich weniger in dieser Form bekannt. Prinzessin Rhea von Saturn sah eigentlich genauso aus wie ich bei der Zeremonie. Wo Saturn älter, weiser und härter wirkte, erschien sie fast ein wenig jugendlich und sanfter.
Saturn verzog keine Miene über Rheas Kommentar. „Sie hat ihr Schicksal selber gewählt und du weißt genau, daß sie das nie hätte tun sollen." Ich wollte etwas sagen, doch konnte meine Lippen nicht bewegen und war so gezwungen dem Zwiegespräch meiner beiden Ichs zuzusehen. „Aber sagst du nicht selber immer der Zweck heiligt die Mittel? Hat sich ihre Entscheidung nicht letztendlich als richtig herausgestellt?" argumentierte Rhea, ohne ihren Blick auch nur einen Moment von ihrem Gegenpart zu lassen.
„Das ist irrelevant. Sie ist genauso schwach wie du. Ihr habt unsere heilige Pflicht verletzt und entehrt." Die Sailorsenshi verlieh ihren Worten mit kaltaufblitzenden Augen Nachdruck. Rhea jedoch schien das überhaupt nichts auszumachen. „Komm mir nicht wieder mit der alten Geschichte. Was hätte ich denn tun sollen? Es war ein Befehl, dem ich folgte..."
„Den du selber heraufbeschworen hast. Ihr seid beide zu sehr von euren Gefühlen abhängig und Gefühle sind nicht notwendig für unsere Aufgabe." Mein Kopf begann bereits zu schmerzen von dem wilden Wortgefecht aber ich konnte immer noch nicht sprechen, geschweige denn mich bewegen. Ich würde das wohl oder übel noch eine Weile ertragen müssen. Doch wußte ich leider nicht wie lange ich noch konnte. Das ging mir sehr nah, da ich hier ja schließlich zwei Teilen von mir selbst gegenüberstand und diese auch noch miteinander stritten! Es erinnerte mich zu sehr wie ich mich selber oft fühlte.
Rhea war noch lange nicht fertig. „Es gab durchaus noch andere Gründe, warum wir dem Wunsch der Königin gefolgt sind, nicht nur Aishar. Und hat die Situation dem letztendlich nicht rechtgegeben?" Saturn fixierte sie für einen Moment. „Du wiederholst dich, anderes Ich von mir. Aber warum fragen wir sie nicht selber. Ich bin sicher unser Gast, der uns ja nun beide beherbergt, kann uns unsere Fragen beantworten."
„Genau, eines Ich von mir. Warum hast du unseren Planeten verraten und all das aufgegeben für das uns doch eigentlich unwichtige Gefühl der Liebe?" Ich war noch so benebelt von dem Zwiegespräch meiner beiden Ichs, daß ich erst gar nicht bemerkte, daß Rheas Frage mir galt. Bis zu diesem Zeitpunkt war ich nicht eines direkten Wortes, geschweige denn eines Blickes gewürdigt worden. Erst als Rhea ihre Frage wiederholte, registrierte ich, daß sie an mich gerichtet war und erstaunlicherweise konnte ich mich plötzlich bewegen.
Doch reden konnte ich immer noch nicht. Nicht aus der vorherigen Immobilität meines Körpers, sondern, weil ich einfach nicht wußte, was ich antworten sollte. Eigentlich hatte ich soviel zu meiner Verteidigung sagen wollen, doch brachte ich irgendwie keinen Laut hervor. Und so fuhren Prinzessin und Kriegerin im stetigen Wechsel fort, ohne mir auch nur eine Chance zu geben, daß ich mir eine Antwort zurechtlegte.
„Eine Schande wirklich. Wenn du einen Ausweg gewollt hättest, warum dann nicht Duncan. So übel ist er gar nicht. Außerdem hättest du gleichzeitig Frieden geschafft und unsere Aufgabe wäre damit nichtig gewesen. Aber das wolltest du nicht, richtig?" fuhr Saturn fort, ohne den geringsten Ausdruck von Emotion. „War dir Aishar so wichtig, daß du alles dafür aufgeben wolltest? Warum hast du dann erst gezögert und brauchtest einen königlichen Befehl als Rechtfertigung? Waren dir deine Gefühle es nicht wert alleine zu entscheiden?"
„Hast du schon vergessen, was deine Pflicht ist, Hotaru Tomoe." Ich sah an mir herunter und stellte fest, daß ich tatsächlich nur noch Hotaru war. Das Prinzessinnenkleid von Rhea war verschwunden, die Aura aus Kraft, die Saturn mir gab nichtexistent. Es war nur noch die alte, kleine, schwache Hotaru da. Das Glühwürmchen, das ohne ihre anderen Identitäten wohl jämmerlich verkommen wäre... War das der Sinn dieses Szenarios? Mich zu entblößen? Mir aufzuzeigen, daß ich undankbar und egoistisch war, feige und ängstlich? Daß sich alles Negative von Rhea und Saturn auf mich übertragen hätte? „Hast du nicht verstanden, daß ein Sternenbündnis mit Aishar genau denselben Effekt hätte wie eine Vermählung mit Duncan? Würdest du noch ohne Zögern deiner Pflicht nachgehen? Würdest du noch den Weltuntergang herbeiführen oder dein eigenes Leben opfern können? Würdest du, wenn es darauf ankäme... Aishar töten können?"
Würde ich? Mußte ich das denn? Was erwarteten sie eigentlich? War mir ein wenig Glück nicht vergönnt? Hatte ich nicht wenigsten einen kleinen Hauch eines normalen Lebens verdient? Selbst die Prinzessin durfte das, warum ich dann nicht? Oder sollte ich es tun? Sollte ich all das aufgeben und wegwerfen? Nicht zögern mein Glück anzunehmen und den Schmerz und die Verantwortung hinter mir zu lassen? Was davon sollte ich tun?
„Zweifle nicht." Die neue Stimme war ausgeglichener, mit einer Einfühlsamkeit, die die von Rhea noch bei weitem übertraf und gleichzeitig einer Ernsthaftigkeit, die der von Saturn gleichkam. Eine dritte Person erschien, genau zwischen den beiden rivalisierenden Ichs, die mich jetzt auffordernd anstarrten. Eigentlich waren es zwei Mädchen, die hinzugekommen waren. Ein älteres, etwas kleineres und schmächtigeres Mädchen im Vergleich zu den beiden anderen und ein kleines Kind, nicht älter als Vier oder Fünf. Ich selber, als Kind nach meiner Wiedergeburt und fast erwachsene Frau.
Sie sagten nichts mehr bis auf diese Worte. Nur da standen die beiden, die ältere Hotaru die jüngere sanft an den Schultern festhaltend. Zweifle nicht... Zweifelte ich? Ja, das tat ich. Warum? Weil ich es schon immer getan hatte? Nein, ich wollte nicht mehr davonlaufen. Diese Konfrontation hatte ich schon so lange ausfechten müssen und immer wieder war sie anders ausgefallen, doch immer wieder gab es auch keine entgültige Entscheidung. Aber mußte es das? Mußte es eine Entscheidung geben?
„Ich habe mich entschieden." Meine Stimme war fest und selbstsicher und sowohl Rhea, als auch Saturn schienen regelrecht an Ort und Stelle zu gefrieren. Ich begann eine Stärke in mir zu fühlen, die vorher noch nicht da wahr, und ich schöpfte sie aus dem Gedanken an Minako, die stets selbstbewußt wirkte. „Ich entscheide mich für Aishar, weil ich sie mehr als alles liebe und weil es falsch ist seine Gefühle zu unterdrücken, wenn sie einen doch stärken machen. Ich habe mich noch nie so stark und sicher gefühlt wie jetzt und das ist allein ihr Verdienst." Rhea schaute zufrieden, während Saturn den Kopf abwandte, doch ich war noch nicht fertig. „Und ich entscheide mich auch für meine Pflicht, denn ich weiß, daß das Leben einen Beschützer braucht, so grausam dieser auch aussehen und wirken und so hart sein Schicksal erscheinen mag." Saturn sah mich jetzt nachdenklich an und auch Rhea schien über meine Worte zu grübeln.
Als Letztes fixierte ich die beiden Hotarus und während ich sprach, bemerkte ich wie sich zuerst mein Fuku um mich formte und darüber sich die wallenden Kleider der Prinzessin legten. „Doch und vor allen Dingen wähle ich mich selbst. Nicht, weil ich egoistisch bin, sondern, weil Hotaru Tomoe all das vereint und bewältigen muß, was wir gemeinsam an Freude und Leid ertragen mußten. Sie ist unsere Balance und unsere Zukunft. Sie verdient es unser Erbe zu tragen. Wir werden weiterhin tun, was wir tun müssen, aber sie ist es, die letztendlich entscheidet, was wirklich getan werden muß. Hotaru Tomoe hat sich entschieden Aishar zu ihrer Sternschnuppe zu nehmen und nur unser Egoismus hat sie davon abgehalten dieses eher zu tun. Und sie hat dies jetzt getan, weil sie nicht nur Aishar, sondern auch Minako Aino von ganzem Herzen liebt, nämlich, weil sie uns komplettiert. Laßt uns alle gemeinsam ihr helfen diesen schmalen aber wohl ausgeglichensten Pfad zu beschreiten. Den Pfad, den wir nie den Mut aufbringen konnten, zu folgen" Beide Hotarus lächelten und dann... war alles vorbei.
Vorsichtig setzte ich den Kelch wieder auf dem Altar ab und begegnete Minakos Blick, der eine Ansammlung von Stolz und bedingungsloser Liebe ausdrückte. Alles um uns herum war unwichtig. Die anderen Senshi, der draußen tobende Kampf, die knapp werdende Zeit... Es zählten nur wir. Ein so starkes Gefühl der Verbundenheit hatte ich noch nie empfunden. Ich fühlte mich ausgeglichener als je zuvor.
Sanft nahm ich die Hand meiner Sternschnuppe und neigte mich vor. Minako tat dasselbe und als unsere Lippen sich berührten, war es, als ob die Energie des Universums selbst durch uns hindurchfließen würde. Ich konnte Minakos Seele förmlich berühren, so deutlich und klar war sie für mich, und gleichzeitig spürte ich ihre warme und beruhigende Berührung. Da wußte ich, daß für uns jetzt eine neue, eine bessere Zukunft anbrechen würde.
„Zwei Sternschnuppen fallen, ein neuer Stern hat sich erhoben. Euer Bund wurde bestätigt. So sollt ihr für immer strahlen am Firmament der Sterne und eure Liebe solle selbst jene erleuchten, die in tiefer Dunkelheit verborgen leben. Nehmt meinen Segen, ich ernenne euch hiermit Sternenpartner im Angesicht des Lichtes", waren Serenitys letzte Worte.
(Luna)
Es war ein monotones Spielchen. Dämonen kommen lassen, necken, ein wenig reizen, kaltmachen. Immer so weiter. Am Anfang hatte Artemis zwar noch mit offenem Mund über meine Beweglichkeit und meine verbesserten Kampfkünste gestaunt. Aber wer sagte hier, daß wir nur dazu da waren, die Senshi zu trainieren und uns dann auf die faule Haut zu legen? Davon abgesehen, daß wir ihnen eh nichts mehr beibringen konnten, hatte ich es schon vor langem satt gehabt immer nur im Hintergrund zu hängen. Nicht umsonst war ich in meinen vorherigen Leben nicht nur eine Beraterin, sondern auch eine kampferprobte Kriegerin gewesen. Hin und wieder schien Artemis das zu vergessen.
Jetzt standen wir Rücken an Rücken und warteten auf die nächste Welle, die nicht lange auf sich warten ließ. Ich hatte selten so ein Feuer verspürt meine Aufgabe zu erfüllen wie jetzt. Es war fast wie damals, als ich, wenn ich nur gekonnt hätte, losgerannt wäre, um Serenity davon abzuhalten den Silberkristall gegen Metallia einzusetzen. Doch nun war ich nicht machtlos, diesmal würde ich etwas tun können, um Minako und Hotaru zu helfen. Ich hatte in gewisser Weise einen Narren an den beiden gefressen. Hotaru war mir sehr wichtig geworden und neben Usagi, Chibiusa und Mamoru kannte ich sie wohl schon am längsten. Artemis und ich waren zu der Übereinstimmung gekommen, daß sich bei allen Verteidigern viel zu wenig für Hotaru einsetzten, die wahrhaft genug durchgemacht hatte. Und noch weniger gab es welche, die sich für die Sache selbst, nämlich Minako und Hotaru einsetzten. Ich sah darin eine Schwäche.
Eine weitere Schockwelle raste vom Tempel aus über das Tal und ich fragte mich unwillkürlich, was in aller Welt die da unten trieben. Und wo waren Dallas und Saito? Die Schockwelle erreichte uns und wir sprangen gemeinsam hoch. Noch in der Luft tauchte ich ab, ließ meinen Körper schrumpfen und sprang als Katze unter meinen Gegnern durch. Auf der anderen Seite angekommen wechselte ich erneut die Form, drehte mich und fegte den Pulk verwirrter Youmas mit einem blendenhellen Energieblitz davon, der aus meinem Halbmond auf der Stirn gekommen war. Und wie auf Kommando, als ob ich irgendeine Art zentrales Nervensystem getroffen hatte, begannen alle Dämonen um uns herum und über all anders zu verbrennen, zu explodieren, sich aufzulösen usw.
Es herrschte eine lange Stille, in der Artemis und ich uns lange ansahen. „Langsam", meinte er, „machst du mir Angst." Ich zuckte mit den Schultern. „Ich glaube nicht, daß ich das gewesen bin." Es war genau zu dem Zeitpunkt als weitere, wesentlich heftigere Kampfgeräusche das Gelände erbeben ließen. Verstohlen verengte ich die Augen zu Schlitzen und griff hinaus. „Da ist noch ein Dämon. Und ich meine nicht Viento." Artemis nickte.
Es war eine stumme Zustimmung sich auf den Weg zu machen, da unsere Aufgabe hier ja scheinbar erfüllt war. Auf halben Wege erschütterte eine solch gewaltige Explosion das Tal, daß ich sicher war, es würde noch bei uns in der Stadt, kilometerweit entfernt als Erdebeben hoher Stärke gemessen werden. Es sah aus, als ob eine Atombombe mitten vorm Tempel eingeschlagen wäre. Instinktiv warf ich mich flach auf den Boden und ließ den Energiesturm über mich rüberfegen. Es dauerte sicher nur Sekunden, fühlte sich aber an wie eine volle Minute.
Als wir endlich wieder auf den Beinen waren, erwartete uns ein doch recht aberwitziges Bild. Wenn ich vor einen paar Tagen einem der Halbschatten erzählt hätte, ein Dämon würde uns gegen einen Dämon helfen, ich hätte mir wahrscheinlich nur einen belustigten Seitenblick eingefangen. Einen sehr belustigten. Aber es war die Wahrheit. Koitenshi, deren Vertrauen von Hotarus Seite ich lange Zeit für gefährlich hielt, versuchte gerade wieder sich aufzurappeln und Duncan daran zu hindern, auf den völlig entblößten Tempel zuzugehen. Da passierte es dann.
Wohl für alle Anwesenden, selbst Viento und Koitenshi mußte das heilige Licht befreiend und erfrischend sein. Die magische Nacht war schlagartig vorbei und die Sonne schien wieder wie eh und je, ging aber eher unter in dem strahlenden Licht, das aus dem Tempel strömte. Inmitten diesem tauchten zwei Figuren, gegen das Licht nur als Schatten sichtbar, auf. Es war nicht schwer zu erraten, wer sie waren, gerade, weil eine von ihnen eine lange Sense trug. Aber war da keine Spur einer Teleportation gewesen, die ich hätte wahrnehmen können. Nichts, gar nichts.
Auch die anderen Senshi strömten jetzt aus dem Eingang und der eben noch so verbissen, zuversichtliche Duncan sah gar nicht mehr so selbstbewußt aus.
