The Final Step to the Master 26 Pokémon Matthias Engel Normal Matthias Engel 2 2001-11-03T17:36:00Z 2001-11-03T17:36:00Z 9 9255 52759 Action/Abenteuer/Romantik 439 105 64791 9.2812 21

The Final Step to the Master

Episode 26

 (Erzähler)

„Die letzte Episode brachte uns endlich einige Aufklärungen über bisher ungelöste Mysterien, die sich insbesondere um Misty und Duplica geformt hatten. Schockierend sollte sicher die finale Enthüllung für beide sein. Zwillingsschwestern, beide geboren aus Lugias elementarer Energie aber nach der Geburt getrennt. Wir nehmen die Beobachtung unsere Helden dort wieder auf, wo wir sie verlassen haben. Oder?"

Das Bild schwenkte vom hohen Zinnturm zur Turmruine, die immer noch trotz all der Ereignisse und ihrem zerfallenen Zustand dastand, als wäre nichts gewesen. „Du sollst nicht poetisch werden, sondern deinen Job machen!" wies mich ein ärgerlicher Autor zurecht, der seine kleine Aversion gegen mich scheinbar immer noch nicht überwunden hatte. Ich hätte ihn wohl doch lieber nicht knebeln sollen...

Mich räuspernd, fuhr ich mit meiner Beobachtung fort und erkannte eine einsame Figur am Eingang zur Turmruine, die geduldig den Pfad zum Zinnturm entlang schaute, als ob er auf jemanden warten würde. Der Mann hatte feuerrote, hochstehende Haare und trug einen schwarzblauen Faltenumhang um seine Schultern. Siegfried. Amtierender Pokémon Liga Champion.

Teak City, Turmruine (Siegfried)

Ich sah die Gruppe bereits von weitem aus der Richtung des Zentrums des langsam verblassenden Regenbogens kommen. Sie waren gar nicht zu übersehen. Wahrscheinlich selbst, wenn man sie gar nicht gezielt suchte. Die Kleidung, die leicht funkelnden Auren, wenn auch stark unterdrückt. Ich war nie ein sensibler Mensch für so etwas gewesen, doch das konnte selbst ich fühlen und außerdem war es gar nicht notwendig zu fühlen, man brauchte nur das Leuchten zu sehen.

„Die Zeit meinesgleichen scheint vorbei zu sein", stellte ich seufzend fest. Das, was ich über Jahre hinweg aufgebaut hatte, schien zwischen meinen Fingern wie Staub langsam zu zerrinnen. Das da waren Pokémon Meister, nicht ich. Gut, ich kam dem vielleicht nahe aber diese Stärke und diese Verbindung würde ich nie meistern können. Ich besaß kein elementares Geschenk, zumindest jetzt noch nicht. Und so war dieser Titel nur ein menschlich erfundener Begriff, ein Begriff, der einen starken Trainer beschrieb... aber keinen Meister.

Als mich die Nachricht der Liga schließlich erreicht hatte, war ich bereits auf dem Weg hierher. Um ehrlich zu sein, hatte ich Ash und seine Gruppe bereits für eine Weile beobachtet. Und seit seiner Gefangennahme hatte ich mich mehr oder weniger an die Fersen seiner kleinen, hübschen Freundin gehängt. Nein, das war wohl der falsche Ausdruck und ich sollte ihn das lieber nicht hören lassen bei den Demonstrationen seiner Macht, die ich bereits erlebt hatte.

Es war eine Schande... Die diesjährigen Ligaspiele würden einseitig werden und wohl letztendlich zu einem Dreikampf zwischen Ash, Richie und Misty hinauslaufen, mit ihren aufgepowerten Pokémon... Das hieß natürlich, wenn es je eine Meisterschaft dieses Jahr geben würde. Aber dafür waren wir ja hier. Um dafür und natürlich noch viel mehr zu sorgen.

Die Sechsergruppe erreichte den zerfallenen, zweiten Turm der Stadt endlich. Ich erkannte Erika, Rocko und Prof. Eich augenblicklich. Bei den anderen beiden Frauen war ich mir nicht sicher. Eine von ihnen war glaube ich Ashs Mutter. Die andere hätte ich schwören können sah der verstorbenen Maya Waterflower recht ähnlich, wenn das nicht Unsinn gewesen wäre. Andererseits es gab Gerüchte sie hätte überlebt und sei zurückgekehrt. Nun ich war beschäftig gewesen. Die Letzte konnte ich nicht zuordnen aber von ihrer Körpersprache allein, war mir klar sie führte die kleine Gruppe an, für Zwecke, die nur sie zu kennen schien.

„Hallo, Siegfried. Ich sehe, die Nachrichten haben dich erreicht", stellte Rocko trocken fest, ohne den geringsten Hinweis von Überraschung. Das machte mich ein wenig nervös. Ich war daran gewöhnt selber den berechnenden, kühlen Meister zu spielen. Aber das war irgendwie irreal. Erika, Rocko und das andere Mädchen schienen in einer Welt zu sein, zu der ich keinen Zugang hatte. Es gab wenige Dinge, die einen Pokémon Meister aus der Ruhe brachten, dies gehörte bestimmt ganz oben in die Liste.

Trotzdem hatte ich nicht vor mich davon beeindrucken zu lassen. Mein Umhang flatterte durch die Luft, als ich mich umdrehe und auf den Eingang der Turmruine zuging. „Kommt. Etwas geht hier drin vor und wir haben keine Ahnung was." Die drei Meister und ihre Begleiter folgten ohne ein weiteres Wort. Worte waren unnötig. Zumindest das hatten wir noch gemeinsam.

Vorbereitungen II – Die letzten Enthüllungen

Strudelozean/Route 40 und 41 (Pikachu)

Ein hübsches Fleckchen Erde – oder besser Wasser – hier unten, wirklich. Bisher hatten wir soviel unserer Reise fliegend überquert, daß ich kaum noch an etwas anderes gewöhnt war. Aber gerade jetzt fühlte ich mich ein wenig in alte Zeiten zurückversetzt. In die Zeit, wo ich und Ash zusammen mit Misty und Tracey die Orange Inseln auf dem Rücken eines Babylapras besucht hatten.

Wir hatten beschlossen unseren Flugpokémon und insbesondere Arktos eine kleine Flugpause zu gönnen und den Seeweg anzutreten. Zugegeben das mochte nicht der richtige Zeitpunkt sein, doch Misty hatte darauf bestanden und Duplica hatte sogleich zugestimmt. Es lag wohl daran, daß Misty sich auf dem Wasser mehr zuhause und geborgen fühlte als in der Luft. Sie flog eigentlich gerne hatte ich den Eindruck – zumindest mit Ash.

Lächelnd blickte ich von meiner Position von Ditto/Lapras hinüber zu dem ausgelassen lachenden Geschwisterpärchen, das Mistys Starmie und seegrünes Dragonir, welches wohl ganz froh war endlich mal wieder schwimmen zu dürfen, mit Flügeln, die eher an Schwimmflossen erinnerten und laut Misty auch zu beidem dienten, in einem wilden Surfwettrennen über das Wasser jagten. (Anm. des Autors: Mein Deutschlehrer hat mich vor solchen Verschachtelungssätzen immer gewarnt, ich hoffe ihr habt kapiert, was ich sagen wollte) All das, was Lugia uns offenbart hatte, war schwer zu verdauen gewesen, jedoch waren wir ja nun an schwer zu verdauende Neuigkeiten gewöhnt, oder etwa nicht?

Richie und Sabrina saßen hinter mir, Arm in Arm, und sahen ebenfalls zu den beiden neugefundenen Zwillingen hinaus. Gerade für Misty war ich unendlich glücklich. Ich glaube die letzten Tage hatte sie nur überstanden, weil Duplica für sie dagewesen war. Auch wenn sie es unterschwellig getan hatte und äußerlich ihre kindische Eifersucht zur Schau gestellt hatte, wollte sie glaube ich stark sein für Duplica. Sie hatte es gewußt, beide hatten es gewußt – irgendwie. Sie konnten nur nicht ganz den exakten Begriff dafür finden, was sie füreinander empfanden. Jetzt, wo die Wahrheit endlich ans Licht gekommen war, da hatten sie keine Probleme mehr diesen Begriff auszuleben.

Zugegeben hatte ich beide noch nie so glücklich gesehen. Selbst in der Gegenwart von Ash und Rocko. Da war etwas Besonderes, etwas... Magisches. Ich kannte mich mit menschlichen Familienverhältnissen nicht aus und ich selber war ein Einzelkind. Trotzdem wußte ich, es gab etwas im Leben, das konnte dir weder dein Geliebter, noch deine Eltern oder Freunde geben, das konnten nur deine Geschwister. Und ich nahm an, wenn du dazu auch noch einen Zwilling hattest, war das eine doppelte Segnung.

Und für einmal, das erste Mal seit Ash und Mistys Wiedervereinigung in dieser stürmischen Nacht in der Nähe von Orania, das erste Mal in Wochen, war Misty vollauf befreit. Vergessen alle Sorgen, vergessen alle Pflichten, vergessen Ashs Gefangenschaft. Für diesen kurzen Augenblick war sie unschuldig wie ein kleines Kind, das nie Leid empfunden hatte, und das machte mich unsagbar glücklich...

Nur leider war dieser Moment allzu schnell vorbei und wir legten an der Küste von Oliviana City an, während die beiden surfenden Mädchen zu einem graziösen Stopp kamen und von ihren Pokémon an Land sprangen, erwartete uns dort bereits eine junge Frau. Die Fremde hatte eine leicht extravagante Frisur. Hüftlange purpurrote Haare, oben zu zwei Zöpfen hochgesteckt, die ohne respektlos erscheinen zu wollen wie kleine Hasenohren aussahen. Dazu trug sie ein schlichtes weißblaßblaues Kleid und Sandalen in der gleichen Farbe wie ihr Haar.

„Ich sehe, wir haben bereits Aufmerksamkeit auf uns gezogen", meinte Richie und warf dabei Misty und Duplica einen durchdringenden Blick zu, der aber mehr aufziehend denn böse gemeint war. Sabrina trat vor und reichte der jungen Frau, die sogar fast noch ein Stück jünger war als sie oder zumindest so wirkte die Hand entgegen. „Es ist schön dich einmal wiederzusehen, Jasmin. Neben den üblichen Treffen meine ich." Die Angesprochene lächelte freundlich. „Aber natürlich. Ich freue mich auch, meine liebste Sabrina."

Danach wandte sie sich dem Rest der Gruppe zu. „Aha. In solcher Gesellschaft treibst du dich also rum. Misty, Duplica, wenn ich mich nicht irre, und... ich fürchte du hast mir deinen kleinen Freund noch nicht vorgestellt." Richie schaute entrüstet über die Bemerkung, Duplica kicherte in sich hinein und Misty konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Richie mochte es nun einmal genausowenig wie Ash als „kleiner Junge" abgetan zu werden.

„Richie Kage, Schattenmeister", führte Sabrina todernst die Vorstellung durch. „Aha! Das freut mich. Ich bin Jasmin, Arenaleiterin von Oliviana. Wenn ihr mir bitte folgen würdet, es sind bereits eine Menge Leute angekommen und wir haben einen geeigneten Ort für eine provisorische Basis nahe Teak gefunden. Ich bin hier um euch abzuholen."

Es wurden Begrüßungen ausgetauscht und Misty holte ihren Pokémon zurück in ihre Pokébälle, während Ditto sich wieder zurückverwandelt – ganz zum Entzücken von Jasmin, die ich bereits jetzt fast für eine Kopie von Mistys Schwestern – Halbschwestern, korrigierte ich mich – hielt. Nur nicht ganz so schlimm und etwas kultivierter.

„Sollten wir nicht lieber fliegen? Soviel Zeit haben wir eh nicht mehr und wir haben genug Pokémon, um auch Jasmin mitzunehmen", meinte Duplica. Misty zuckte mit den Achseln, schüttelte dann aber den Kopf. „Wenn sie hier zu Fuß ist, dann kann es nicht so weit sein und außerdem sollten unsere Pokémon ihre Kräfte sparen, sie bekommen noch genug zu tun."

Turmruine (Lara)

Der Mann, den Rocko Siegfried genannt hatte und den ich dumpf als Ligachampion in Erinnerung hatte – ich hatte mir noch nie allzuviel aus den kämpferischen Aspekt von Pokémon gemacht –, führte uns in das unterirdische Stockwerk der Turmruine, wobei er erklärte, daß das früher einmal das unterste Stockwerk war aber seit der Turm vor einem guten Jahrzehnt aus ungeklärter Ursache in sich zusammengebrochen war, diente es gezwungenermaßen als Untergeschoß...

Siegfried führte uns direkt ins Zentrum zu einer erhobenen Plattform auf der drei Steinstatuen in einer Dreiecksformation angeordnet standen. Sie hatten jeweils eine verschiedene Schattierungen. Die vorderste, gen Süden zeigende Statue war Rot, die westlich weisende Blau und die östlich weisende Gelb. Die Form erinnerte entfernt an Hunde aber waren mehr biestähnliche Wesen, Pokémon definitiv – nicht, daß ich etwas anderes erwartet hatte.

Vor den Statuen warteten weitere Männer und Frauen, die ich an ihrer markanten Kleidung und dem Ligabanner recht schnell den Toptrainern der Pokémon Liga zuordnete. Lorelei, Bruno, Agathe, Willi und Melanie. „Suicune, Entei und Raikou, auch die legendären Hunde genannt. Legenden besagen sie warten hier seit Anbeginn der Zeit, daß sie jemand erweckt." Rocko rieb sich nachdenklich das Kinn. „Davon habe ich gehört. Ich frage mich in welchem Zusammenhang sie mit der Pokémonevolution stehen, die wir nun ja gerade gelernt haben."

„Sie sind Wächter", erklärte ich trocken und trat an die vordere, rote Statue heran. Ich fühlte wie meine elementare Energie geradezu danach schrie sie zu berühren und aufzuwecken. Erst jetzt bemerkte ich den matten roten Glanz um die Statue Enteis, auch die anderen gaben jeweils eine schwache elementare Energie ab. „Das ist so seit wir hergekommen sind. Jens hatte uns drauf aufmerksam gemacht und wir beschlossen der Sache nachzugehen, während wir auf euch warten wollten", erklärte Melanie.

Ich hörte nicht wirklich hin, sondern streckte vorsichtig meinen rechten Arm aus. Es war wie schon bei Ho-oh und ich befand mich erneut in einer Art Halbtrance. Doch diesmal hatte ich mehr Kontrolle über mein Handeln, trotzdem blieb der Drang zu tun, was getan werden mußte. Irgendwas sagte mir, ich solle hierfür auf Misty warten. Gleichzeitig verstärkte das aber meinen Drang noch. Ich konnte nicht länger warten.

Meine Fingerspitzen berührten sanft die versteinerte Stirn des beeindruckenden Geschöpfes vor mir und kleine Flammen zuckten augenblicklich aus ihnen und begannen es einzuhüllen. Langsam trat ich einen Schritt zurück und beobachte genauso wie der Rest der Anwesenden – im Gegensatz zu ihnen aber in ungeduldiger Erwartung –  wie das matte Rot zu einem intensiven Leuchten wurde bis nur noch die äußeren Umrisse des Pokémon zu erkennen waren.

„Seht!" rief jemand, ich glaubte es war der rothaarige Will. Ich zwang mich meine Augen abzuwenden und bemerkte zu meinem Erstaunen, daß auch die anderen Statuen angefangen hatten zu leuchten. Das sollte eigentlich nicht passieren soweit ich wußte. Mir blieb allerdings nicht mehr viel Zeit darüber nachzudenken. Das Leuchten wurde blasser und die ersten physischen Merkmale formten sich bei Entei, nicht länger kalter Stein, sondern ein echter Körper aus Fleisch und Blut.

Nach einiger Zeit war die Verwandlung abgeschlossen und Entei bewegte vorsichtig und ganz, ganz langsam seinen Kopf. Die durchdringenden dunklen Augen streiften meine und die Zeit schien für einige Momente stillzustehen. Mit der Maske über dem Gesicht und der gesamten Haltung wirkte Entei irgendwie weise, der Anblick beruhigte mich auf unbeschreibliche Weise (Anm. des Autors: Was für eine weise Weise J).  „Mein Schützling", sprach er schließlich mit einem Ausdruck, den meine Einschätzung nur bestätigte. „Du bist gekommen."

Der Moment wurde jäh unterbrochen als ein lautes Jaulen von den Wänden widerhallte. Es kam aus der Richtung des gerade erst erwachten Suicune. Es hatte den Kopf in den Nacken geworfen und die kristallklaren Augen blickten hektisch umher. Dann, ohne auch nur ein Wort zu sagen, wandte es sich gen Westen und sprang davon. Noch bevor es überhaupt wieder auf dem Boden aufkam, verschwamm Suicunes Form vollständig und war verschwunden. Verwundert nahm ich zur Kenntnis, daß das anscheinend nur Geschwindigkeit und nicht Teleportation gewesen war.

Ich blickte mich um und merkte, daß Raikou anscheinend ebenfalls die Gelegenheit genutzt hatte und verschwunden war. Mein fragender Blick streifte Entei. „Sie kehren in die Welt zurück und warten darauf, daß ihre Meister erwachen und sie finden." Maya räusperte sich. „Aber Misty... ich meine die Wassermeisterin ist bereits auf dem Weg hierher", stellte sie verwundert fest.

Entei schwieg ein paar Sekunde. „Ich verstehe... Für ein paar Sekunden habe ich Schmerz im Herzen meiner Schwester gespürt... Wir Wächter haben alle eine enge Bindung zu unseren Schützlingen. Dieser plötzliche Aufbruch kann nur bedeuten..." Ich warf Rocko und Erika einen knappen Blick zu und vergewisserte mich, daß sie dasselbe dachten. „Daß Misty in Schwierigkeiten steckt", beendete Erika. Rocko schüttelte nur den Kopf. „Ash muß doch ein schlechter Einfluß für sie sein", meinte er scherzend aber ich hatte mich bereits wortlos auf Enteis Rücken geschwungen.

„Sie sollten direkt auf der Route zwischen..." Mit einer schroffen Geste unterbrach ich Bruno. „Entei weiß, wo sie sind. Oder?" Er nickte nur und wir brachen auf.

Route 38/39 (Richie)

Jasmin führte uns zügig die Route nach Teak entlang. Links und rechts waren einige Hügelketten und in der Mittle verlief ein breiter Pfad. Nordwestlich vom Ein-/Ausgang Olivianas lag eine kleine Farm, wo angeblich die beste Milch aus Miltanks gewonnen wurde. Der Pfad führte an eine Biegung, geradeaus wand sich ein Grasfeld hinauf zur Farm und direkt neben dem nach Osten verlaufenden Weg floß ein kleiner Fluß, der nach Süden umschwang und wenn ich mir das korrekt ausrechnete weniger ein Zufluß zum Meer war, denn tatsächlich den Bach um das TR Hauptquartier versorgte. In der Ferne war ein Wasserfall zu hören, was meine Vermutung bestätigte, daß wir an Höhe gewonnen hatten, je weiter wir nach Norden gelaufen waren. Nicht gewaltig aber doch beträchtlich und es war kaum auffallend gewesen.

Gerade als wir uns anschickten die Biegung hinter uns zu lassen, da passiert es. Von den kleinen Hügeln quoll eine regelrechte Flut kleiner und großer Schatten herunter und hatte uns in kürzester Zeit umzingelt. Kurz vor uns kamen zwei Gestalten ins Blickfeld und ich hörte Sabrina lauthals stöhnen. Sie machte anscheinend keinen Hehl aus ihrer Genervtheit. Es waren wie unschwer festzustellen war Dana und Léon.

„Ok, das genügt langsam... Das ist das dritte Mal in nicht mal zwei Tagen", murmelte Sabrina sah sich aber genauso unwillkürlich wie der Rest von uns um. Wir saßen in der Falle, umzingelt von grob geschätzt zwanzig Dämonenpokémon verschiedenster Gattung. Es blieb keine Zeit längere Reden zu schwingen. Meine Aura aufglühen lassend, präparierte ich mich für die unvermeidbare Konfrontation. Sollten es doch Zwanzig sein. Gegen vier Meister im Vollbesitz ihrer Kräfte waren sie machtlos. Wir bräuchten wahrscheinlich nicht mal unsere Pokémon – nun Duplica vielleicht.

„Ok, Leute", rief ich. „Jeder Fünf oder wollen sie auch etwas vom Spaß abhaben Jasmin?" Jasmin, die auf dem stählernen Kopf ihres Stahlos saß, machte eine abwehrende Geste. Wir wandten uns gerade in verschiedene Richtungen, als Dana plötzlich ausrief: „Nicht so eilig!"

Es ging alles viel zu schnell. Noch auf die gegnerischen Pokémon fixiert hatte ich und der Rest wohl auch zu spät gemerkt, daß die beiden designierten Kopfgeldjäger zwei laserartige Geräte hervorgebrachten hatten und in diesem Moment auf uns abfeuerten. Duplica stieß Misty aus dem Weg und landete hart getroffen in einem hohen Bogen im ruhig vorbeiziehenden Fluß. Ich wollte Sabrina auch aus dem Weg stoßen aber war zu weit entfernt. Der schwarzbräunliche Strahl erfaßte sie und zwang sie auf die Knie. Im selben Moment spürte ich das Ersterben ihrer elementaren Aura – nein, nicht ersterben, mehr die Blockade ihres Energiepools. Wie eine paralysierende Donnerwelle, gleiches fühlte ich auch von Duplica.

Dana und Léon wollten gerade erneut zielen und ich reagierte schnell. Mit einer Handbewegung und einem Knistern von vertrauter Schattenenergie jagte ich einen Zwillingsblitz direkt durch beide Waffen und brachte ihre Besitzer dazu die verglühten Metallklumpen fallenzulassen. Mich nicht weiter um Sabrina kümmernd – ich wußte sie war in Ordnung – setzte ich alle meine Pokémon auf einen Schlag frei, kurz darauf hörte ich die vertraute Geräusche öffnender Pokébälle auch von Sabrina und Jasmin. Misty hingegen, stellte ich mit einem Blick über die Schulter fest, hatte sich mit einem entrüsteten Schrei auf das Verbrecherduo gestürzt.

(Misty)

Etwas barst in mir, als Duplica getroffen in den Fluß stürzte. Ich wußte instinktiv sie war in Ordnung, aber allein die Anmaßung einer solchen Tat direkt vor meinen Augen! Der Angriff hatte mir gegolten, trotzdem waren diese beiden Schweine nun wirklich zu weit gegangen. Ich hatte Despotar zu Prof. Eich transportieren lassen. Dieser war zwar nicht dagewesen aber nach nur einem Blick hatte mir einer seiner Assistenten gesagt, daß dieses Pokémon ein hoffnungsloser Fall war und man es besser direkt in psychologische Behandlung geben sollte... Ich hatte abgelehnt.

„Ihr Bande herzloser Bastarde! Das hier ist alles eure Schuld." Meine Aura flackerte bedrohlich Eisblau auf aber das störte mich nicht, als ich in die Luft sprang. Energie durchströmte mich, soviel Energie. Allgemein war das Wasser in mir ruhig und fließend aber mein Zorn war kalt und berechnend. „Es ist eure Schuld, daß ich all das durchmachen mußte und Ash nun meinetwegen gefangen ist. Ihr werdet dafür bezahlen." Dieser (der kalte Zorn) rief in mir die rudimentären Elemente meiner Kraft hervor und wandelte sie in eine scharfe Waffe. „BLIZZARD!"

Beide hatten nicht den Hauch einer Chance zu reagieren, als der wütendende Sturm aus Eispartikeln sich über sie ergoß. Ich hatte nicht vor sie zu töten. Nein, diesen Gefallen würde ich ihnen nicht tun. Aber sie sollten leiden für alles, was sie getan hatten. Leiden und spüren, was für einen Schmerz sie mir, Ash, Duplica und allen anderen zugefügt hatten.

„Morlord, Whirlpool!" schrie Dana über den Lärm des tobenden Eissturms hinweg und ich schaute mich verwirrt um, was dieses merkwürdige Kommando bewirken sollte. Meine Blicke streiften ein einsames, nachtblaues Morlord, das in den Fluß abgetaucht war und nun einen unheimlich starken Strudel erzeugte. Mit Entsetzen stellte ich fest, daß sich meine Schwester immer noch im Wasser befand und gerade dabei war herauszuklettern. Der Fluß verwandelte sich von einem Moment auf den anderen in reißende Stromschnellen und riß Duplica mit sich. Genau auf den in der Ferne zu sehenden Wasserfall zu.

Ich kämpfte die Panik nieder, ließ aber dabei meine Konzentration schwinden und der Blizzard wurde zu einem lauen Lüftchen. Das war wohl so ungefähr ihre Absicht gewesen aber ich kümmerte mich nicht drum. Mit einer schnellen Bewegung hatte ich Starmies Pokéball in der Hand und warf ihn weit über das den Strudel erzeugende Morlord hinweg. Starmie hatte Duplica in kurzer Zeit erreicht und ich wollte gerade durchatmen, da traf ein verirrter oder gezielter Elektroblitz – der definitiv von keinem unserer Pokémon ausging – genau zwischen Starmie und Duplica, schleuderte diese leicht elektrisiert weiter nach hinten und setzte Starmie für einen kurzen Moment außer Gefecht aber dieser kurze Moment war schon genug. Es würde meine Schwester nicht mehr rechtzeitig erreichen können und ohne elementare Kräfte war sie relativ hilflos.

Ich zwang mich zur Ruhe und ging in einem solchen Tempo meine Möglichkeiten durch, daß jedes sogenannte Genie erblaßt wäre. Dragonir – zu langsam, Bisasam zu weit entfernt, alles andere kam schon gar nicht in Frage, außer... Es war ein Risiko aber ich hatte Schiggy schon mehrmals in einem abnormalen, einem Schillok ähnlichem Tempo schwimmen sehen.

Soweit ich konnte schleuderte ich Schiggys Pokéball – und das war beträchtlich weit. Schiggy, anscheinend die Dringlichkeit der Situation spürend, schoß wie eine Rakete heraus, blickte sich kurz um, erspähte Duplica und den nahen Wasserfall und verschmolz mit seinem Element. Schiggy schwamm wie nie zuvor und ich war sicher Ash wäre stolz gewesen aber es reichte nicht. Einkalkuliert die Zeit, die es brauchen würde, um meine Schwester mit dem kleinen Körper abzustoppen...

Genau in diesem Moment begann die kleine Schildkröte in einem beeindruckenden, weißen Licht zu leuchten. „Was... passiert da?" hörte ich Sabrina atemlos fragen. Die meisten Dämonenpokémon waren gefallen wie ich feststellte und Pikachu, Sparky, Mew und Shadow kümmerte sich gerade um den Rest. Richie trat neben sie. „Es entwickelt sich!" stellte er fest und verengte seine Augen dann zu Schlitzen. „Aber nicht in ein Schillok."

In geschockter Faszination verfolgte ich wie sich Schiggys Form erst leicht veränderte, dann nochmals das Leuchten verstärkte und schließlich weiter anwuchs. Als der Vorgang schließlich abgeschlossen war, schoß ein ausgewachsenes Turtok wie eine Rakete über das Wasser, schnappte sich Duplica knapp vor dem Rand des Wasserfalls, vollführte eine scharfe Kurve, feuerte eine doppelte Ladung Hydropumpe aus den mächtigen Kanonen auf das dämonische Morlord und schleuderte es so aus dem Wasser. Starmie, anscheinend aufgestachelte von der elektrischen Ladung, schoß nach oben, verwandelte sich in eine funkensprühende Spirale und durchtrennte die beinahe tödliche Mißgeburt in der Luft. Für einen flüchtigen Moment verspürte ich Trauer darüber aber es war nur eine weitere befreite Seele, die jetzt besser dran war.

Turtok kam neben uns zum Halt und ich half einer durchnäßten Duplica von seinem Rücken und umarmte sie stürmisch. „Zum Glück, dir ist nichts passiert!" Duplica lächelte gezwungen und ich stellte fest, daß ich wohl im Begriff war sie zu erdrücken und ließ los. Dann warf ich einen Blick auf das gerade erst entwickelte Turtok und meinte mißmutig: „Ich schätze, Ash wird eine gute Erklärung dafür haben wollen."

Niemand hatte in der Zwischenzeit auf die scheinbar machtlosen Dana und Léon geachtet und wie schon so oft bei unserer letzten Aufeinandertreffen erwies sich das als fataler Fehler. Leider traf mich diese Erkenntnis zu spät.

„Ihr habt uns jetzt genug gedemütigt", sagte Léon laut und klar, was uns alle zu ihnen herumfahren ließ. Ich hatte einen Eisstrahl bereits in meinen Fingerspitzen kribbeln aber erstarrte wie paralysiert. Léon hielt ein kleines Gerät vor sich und ich brauchte nur einen Blick und wußte, was es war. Ein Sprengsatz.

„Das würde ich lieber lassen", wandte sich Dana in meine Richtung. „Auch wir haben uns lange genug von euch herumstoßen lassen. Ihr habt unsere Ehre beschmutzt und uns seit dem ersten Zusammentreffen nur Schwierigkeiten bereitet. Es scheint ihr seid mit normalen Mitteln nicht zu besiegen also..." Léon betätigte einen Schalter, einige Lichter an dem Gerät flackerten Rot auf und signalisierten, daß die Ladung scharf war. „Also werden wir mit einem letzten, großen Knall abtreten und damit unseren Auftrag erledigen."

Die kalte Emotionslosigkeit, die scheinbar keine Angst kannte, fraß sich tief in meine Seele. Ich hatte nicht erwartet, daß sie soweit gehen würden. Diese brutale Selbstaufgabe war etwas, was mir wahrlich Angst machte. Vielleicht mochte ich sie hassen aber ihnen den Tod wünschen... Nein, das wollte ich auch nicht. Reiß dich zusammen, Mädchen. Es geht hier auch um deine Freunde.

Dana lachte über unsere  geschockten Gesichtausdrücke. Es war ein bitteres und ironisches Lachen. „Giovanni ist ein Idiot, wenn er glaubt deinen Freund umdrehen zu können aber bei einem hat er vollkommen recht." Sie zeigte nun direkt auf mich. „Er wird automatisch nachgeben, wenn du tot bist!" Léon ließ die Sprengladung fallen...

(Sabrina)

Ich suchte verzweifelt nach einem kleinen Fitzelchen telekinetischer Energie, um den Fall des Sprengsatzes zu stoppen aber ich fand nichts. Richie und Misty schnellten vor aber es war zu spät. Der Aufprall war unvermeidlich und die Zeit schien in Zeitlupe abzulaufen. Gebannt und unfähig uns zu rühren verfolgten wir den kurzen Fall des todbringenden Gerätes und...

Es war, als ob ein Orkan durch die Luft fegte nur auf eine einzige Stelle konzentriert. Ein hellblaue Kugel aus Energie jagte mit solcher Geschwindigkeit knapp über den Boden, daß selbst Richie Schwierigkeiten haben mußte ihr zu folgen. Das Geschoß kollidierte mit der Granate, schickte einige Entladungen durch das Gehäuse. Dann traf der Sprengsatz auf, flackerte noch einmal kurz und erstarb.

Ein deutlich erleichterter, kollektiver Seufzer ging durch die Gruppe – Pokémon eingeschlossen. Misty sah auf und verharrte in der Bewegung, ihre Augen eindeutig fixiert und leicht abwesend wie bei Lugia zuvor. Verwundert folgte ich ihrem Blick und war augenblicklich erstaunt und gefesselt von dem Anblick des anmutigen, blauen Tieres auf dem nahen Hügel.

Ein zwei Meter langes Geschöpf, schmal und stromlinienförmig sah es aus wie eine Manifestierungen des eisigen Nordwinds, die lange blauviolette Mähne lief über dem ganzen Rücken. Nur einmal hatte ich ein Bild dieses legendären Pokémon gesehen. Suicune, die – so vermuteten Experten – Inkarnation des Nordwindes.

„Hey! Ich schätze wir sind gerade noch rechtzeitig!" Neben Suicune tauchte ein weiteres mystisches Pokémon auf – Entei. Auf seinem Rücken saß ein junges Mädchen mit zu einen knappen Zopf zusammengebundenen, blauen Haaren. Lara Laramie nahm ich an, denn die feurige Meisterrobe war durchaus signifikant. Neben ihr tauchten Erika auf einem Gallopa – sichtlich unkomfortabel wie es schien – und Rocko auf seinem Onix auf.

Mich an etwas erinnernd, drehte ich mich zu unseren zwei fast Märtyrern um. Meine Blicke fanden nur Leere vor an der Stelle, wo sie eben noch gestanden hatte. Ich ballte meine rechte Hand wütend zur Faust. Sie waren verschwunden. Schon wieder.

Teak Basis (Duplica)

Ja, es stimmte ein heißes Bad konnte Wunder vollbringen. Besonders nachdem man in einen reißenden Fluß gefallen und fast einen Wasserfall runtergefallen war. Ditto neben mir machte sich immer noch Vorwürfe und redete kein Wort. Sollte es doch schmollen. Das dauert nie lange, genauso wie bei mir.

Ich schlenderte, meine getrocknete Meisterrobe tragend, durch die Gänge der ehemaligen Militärbasis von Teak, die etwas außerhalb der Stadt stand. Sobald Sabrinas und meine Kräfte eine gute Viertelstunde nach dem Kampf zurückgekehrt waren, war diese Angelegenheit wohl das geringste Problem gewesen.

Dafür, daß diese Basis nahezu ungenutzt war und bereits vor mehreren Jahren aufgegeben wurde, schien sie immer noch in gutem Zustand. Ich konnte die Toptrainer für ihre Wahl nur loben, denn auch die Einrichtung und sämtliche wichtigen Geräte schienen noch einwandfrei zu arbeiten. Die Basis war groß genug, um eine Menge Trainer aufzunehmen und es würden eine Menge kommen, wenn ich allein an die Berichte von Rocko und Sabrina dachte, unsere eigenen Fortschritte nicht zu vergessen. Es würde hier bald ganz schön voll werden. Und dann würden wir Team Rocket endlich Feuer unterm Hintern machen und ich konnte mich gebührend für die Erkältung bedanken, die ich mir heute fast weggeholt hätte.

Zum jetzigen Zeitpunkt waren die Gänge noch einsam und nahezu verlassen. Die Quartiere derer, die schon hier waren, waren recht dicht beieinander aber momentan schienen alle anderweitig beschäftigt oder in ihren Räumen zu sein.

Ich fand Misty in einem der Aufenthaltsräume. Sie stand vor den breiten Panzerglasfenster und sah hinaus auf die Landschaft, doch ohne ihre Augen zu sehen, konnte ich erkennen, daß sie irgendwo ganz anders war und ich konnte mir vorstellen wo. Meine... Schwester – ich war nicht wirklich überrascht – war sehr stark in diesen vergangenen Tagen gewesen. Aber jetzt, jetzt, wo es darum ging zu warten und nicht aktiv etwas beizusteuern, da konnte sie sich nicht mehr vor diesen einsamen Momenten verstecken. Der Schmerz und die Einsamkeit der Trennung spiegelte sich nun in ihrer ganzen Haltung wieder.

Ohne ein einziges Geräusch zu machen trat ich hinter sie und schlang meine Arme um ihre Schultern. Wir standen eine ganze Weile einfach nur so da. Für harmlose Beobachter mochte es aussehen, als ob wir tatsächlich nur die Aussicht genossen aber in Wirklichkeit befand sich Misty in einer Welt, zu der selbst ich keinen Zugang hatte, und ich, ich war damit beschäftigt sie aufmerksam zu beobachten und mit meiner Präsenz daran zu erinnern, daß sie nicht ganz alleine war.

„Es tut mir Leid." Ihr Kommentar kam so abrupt, daß ich beinah einen Sprung in die Höhe gemacht hätte, mich dann aber an unsere Position erinnerte und letztendlich Misty nur fragend anblickte. „Ich... Ich hätte besser reagieren müssen. Erstens hätte es für mich ein leichtes sein müssen diesen Strudel aufzuheben aber ich war krank aus Sorge um dich und habe nicht nachgedacht. Und zweitens hätte ich nie so die Kontrolle verlieren dürfen, sondern erst mal dafür sorgen müssen, daß du in Sicherheit bist." Sie atmete schwer durch. Als hätten sie Stunden nicht mehr geredet. Um ehrlich zu sein, war sie auch sehr still auf dem Rückweg gewesen, selbst gegenüber ihrem neuen Wächter Suicune.

Ein wenig wütend brauste ich leicht auf: „Jetzt hör mal zu! Du hast dir gar nichts vorzuwerfen! Du hast getan, was du konntest!" Ich drehte sie zu mir herum. Etwas sanfter fuhr ich fort: „Wir haben beide gerade erst unsere vollen Kräften erhalten. Außerdem weiß ich ehrlich nicht, ob ich in deiner Situation anders reagiert hätte." Für einen Moment schien Misty gewillt das Argument fortzusetzen aber ihre Augen wurden augenblicklich wieder etwas traurig und sie sah zu Boden. „Vielleicht hast du ja recht... Ich fühle mich nur immer so verantwortlich für alles seit..." Sie stockte und schwieg dann. Aber ich wußte, was sie sagen wollte.

„Seit New Island, oder?" Keine Antwort. Ich unterdrückte die aufkommende Frustration und legte Misty erneut eine Hand auf die Schulter und wartete bis sie aufsah und ich ihr direkt in die Augen schauen konnte. Erneut standen wir für ein paar Momente, vielleicht gar Minuten nur so da, stumm mit unseren Augen kommunizierend. „Misty, auch wenn wir das noch nicht lange wissen, ich bin deine Schwester und..." begann ich sanft. „Du hast ein Recht alles zu erfahren. Ja, ich weiß das", beendete Misty resignierend seufzend und ich konnte mir nicht helfen, als erleichtert zu sein.

Aus dem Augenwinkel nahm ich wahr wie die restlichen fünf Meister eintraten. Rocko sprach leise mit Mistys... unserer Mutter, wir hatten noch nicht viel oder besser gar nicht geredet seit wir angekommen waren, und bedeutete ihr draußen zu warten. Dann schloß er leise die Tür.

Misty hatte sich wieder zum Fenster umgedreht und sah hinaus und diesmal wußte ich genau, wo ihre Gedanken waren. „Du... Ihr alle habt ein Recht zu erfahren wie diese ganze Geschichte zwischen uns angefangen hat. Wir sind jetzt eine Familie und bevor wir in diese Schlacht ziehen, sollten wir alles hinter uns lassen, was deren Ende beeinflussen könnte." Es klang so weise und doch so traurig. Ich griff nach ihrer Hand und sie drückte die meinige fest.

„Misty, wenn du willst, kann ich..." setzte Rocko an aber Misty schüttelte hart den Kopf. „Nein, es ist besser wir machen das alle zusammen." Mew schwieg, nickte aber. Pikachu trottete an Mistys Seite und sah zu ihr auf.

„Was einige von euch über die Ereignisse von New Island wissen, entspricht nicht ganz der Wahrheit. Es war nicht so ein einfaches und leichtes Ende wie wir es dargestellt haben..."

---Echtzeitrückblick---

{Anm. des Autors: Das heißt Misty, Rocko, Pikachu und Mew erzählen zwar aber wir als Leser/Zuschauer erleben es wie es wirklich war. Es wird hier also auch Ash POVs geben, nur damit ihr euch nicht wundert.}

New Island (Ash)

Kämpfe. Brutale Kämpfe, verweigerte Kämpfe, humoristische Kämpfe, Kämpfe, die bestimmt waren keinen Sieger zu haben, sinnlose Kämpfe.

Es war schrecklich und ich konnte es einfach nicht mehr mit ansehen. Jedesmal, wenn eines der erbarmungslos kämpfenden Pokémon schmerzgepeinigt zu Boden ging und sich kurz darauf unter großer Mühe wieder aufrichtete, versetzte es mir einen solchen Stich im Herzen, daß ich am liebsten laut schreien würde. Schreien um die Gnade für diese arme Kreaturen, schreien, um die Schonung meiner Freunde, Pikachus und insbesondere – und dieser Gedanke schockte mich – Mistys. Es war längst egal, ob Klone oder Originale. Alle hier hatten das verstanden. Alle außer Mewtwo.

An der Seite des riesigen Stadions herunterrutschend, kam ich etwas ins Schleudern und fiel das letzte Stück nahezu herunter. Misty und Rocko waren gleich bei mir aber ich merkte kaum wie sie mir aufhalfen und sich nach meinem Befinden erkundeten. „Wir müssen das beenden", meinte ich grimmig. „Aber wie? Mewtwo will zeigen, daß er mit seinen Superklonen alles platt machen kann", stellte Rocko frustriert fest und ich teilte seine Frustration – zehnfach.

Schwester Joy sah hinüber zu den kämpfenden Pokémon. „Ich setzte lieber mein Leben in Mewtwos Sturm aufs Spiel, als mit anzusehen wie diese Pokémon einander zerstören."

„Ich bin dabei", pflichtete Misty ihr bei und ich gab meine wortlose Zustimmung. Wir teilten alle den gleichen Schmerz hier. Niemand von uns, schon gar nicht Misty, konnte mit ansehen wie sich Pokémon so grundlos gegenseitig zerstörten. „Es muß doch einen Weg geben sie aufzuhalten. Ich weiß nicht, was ich machen soll", fuhr Joy traurig und verzweifelt fort.

Mit ansteigender Wut sah ich zu wie mein Glurak und sein Klon sich gegenseitig erschöpft hatten und nun zusammenbrachen... aber sie würden bald wieder aufstehen, nicht gewillt aufzugeben und dem anderen den Sieg zu überlassen.

„Ich glaubte", stellte Rocko ebenso traurig wie der Rest fest, „die hält keiner auf. So wie es aussieht, kämpfen diese Pokémon bis zum letzten."

„Das ist ein Kampf, den einfach keiner gewinnen kann", ergänzte Misty und schaute betrübt zu Boden. Immer mehr Wut stieg in mir auf. Das konnte nicht geschehen, das durfte nicht geschehen, dafür waren Pokémon nicht geschaffen. Konnte Mewtwo denn nicht verstehen, was Mew zu erreichen versucht hatte, als es sich wiedersetzt hatte und nicht kämpfen wollte?

„Jemand muß sich trauen aufzuhören. Jemand muß den Mut haben Nein zu sagen und sich weigern zu kämpfen. Pikachu schafft es doch auch!" Wie um meine Worte zu unterstreichen brach das geklonte Pikachu erschöpft in Pikachus Arme zusammen, erschöpft von den Versuchen sein Double zum Kämpfen zu bringen.

Eine gewaltige Energiewelle ließ das ganze Stadion erzittern, als Mew und Mewtwo mit voller Geschwindigkeit auf dem Boden aufkamen. Staub flog zu allen Seiten und die Flutlichtanlagen flackerten bedrohlich, dann setzten sie vollkommen aus. Mit Entsetzen stellte ich fest wie alle Pokémom, ob nun Klone oder Originale von der Wucht des Aufpralls umgeschleudert worden waren und kaum noch Anstalten machten sich wieder hochzustemmen. Mewtwos blaue Aura leuchtete wieder um ihn herum auf. Ich warf einen erneuten Blick auf die kraftlosen Pokémon. Mews rote Aura reagierte wie ein Antwortsignal.

Ich wandte mich Misty zu und sah sie mich ebenfalls anstarren. Diese sonst so lebendigen Augen so voller Angst, Schmerz und Trauer. Das genügte mir. Letztendlich war das der springende Punkt. Im Hintergrund holten die beiden Psychopokémon zu einem alles entscheidenden Angriff aus. Vorsichtig strich ich über Mistys Wange. All die verwirrenden Gefühle der letzten Wochen waren auf einmal so klar, so einfach zu verstehen. „Ich liebe dich."

Dann drehte ich mich um und lief, lief direkt auf das Zentrum der Arena zu. Ich hörte Rocko hinter mir rufen, ich solle warten aber ich konnte nicht. Das mußte ein Ende haben. Energiestrahlen schossen von Mewtwos Handflächen und aus Mews Kugel, um in der Mitte aufeinanderzutreffen. „Ihr müßt damit aufhören!" schrie ich über den Lärm hinweg. Ich kümmerte mich nicht, in die Gefahr in die ich mich willentlich begab. „SCHLUß!!!" Dann trafen die Energiestrahlen aufeinander mit mir als Puffer und alles um mich herum wurde Schwarz...

(Misty)

Mein Herz drohte zu Stein zu erstarren, als Ash mitten zwischen die Angriffe lief. Nein, korrigierte ich mich. Mein Herz erstarrte zu Stein. „ASH!" rief ich hilflos. „Oh nein!" brachte Rocko nur hervor. Pikachu entließ noch ein letztes „Pikapi" bevor Energie in einem gewaltigen Ausbruch wie ein Tornado zu allen Seiten ausbrach.

Als sich der Wind und der Staub wieder gelegt hatten, sah man Ash wieder in einem seltsamen, unheimlichen Purpur schimmernd, wie er langsam zusammensackte. Mein erstarrtes Herz barst beinahe. Mewtwo zuckte verwirrt zurück. „Du Narr! Du wolltest unseren Kampf beenden", hörte man seine telepatische Stimme mit einem ungläubigen Unterton. Mew mewte nur beipflichtend mit ernstgemeinter Traurigkeit.

Doch das alles interessierte mich nicht. Pikachu rannte bereits auf die schlaffe Form Ashs zu und mich hielt auch nichts mehr. Rocko wollte mich zurückhalten aber ich schüttelte seine Hand mit solcher Härte ab, daß er zurückschreckte. Ashs Worte rangen immer noch in meinem Kopf, als ich mich der immer noch matt leuchtenden Form meines besten Freundes und Reisekumpanen näherte. Nein, eigentlich viel mehr als das...

„Pikachu?" Ich kniete neben Pikachu nieder und als ob Ash mein Herz symbolisieren würde, ebbte das Licht ab und sein ganzer Körper wurde zu purem Stein. Wie ein umgestoßene Statue lag er da. Leblos und ohne jede Bewegung... „Pika?" In einem Versuch seinen (Anm. des Autors: Es wurde noch nicht erwähnt, daß sie weiblich ist) Trainer aufzuwecken, sprühten Funken von Pikachus roten Elektrobacken. „Pi... ka... CHU!" Für einen Moment, einen flüchtigen Moment hoffte ich es würde einen Effekt zeigen. Aber Ashs versteinerter Körper zeigte nicht die geringste Reaktion. Pikachu versuchte es noch einmal und noch einmal aber es hatte keinen Sinn. Ich wußte es war vorbei. Ash war tot. Verloren. Und mit ihm gestorben war die Hoffnung auf mein persönliches Glück, mit ihm gegangen war die Gewißheit, daß er Gefühle für mich hatte, die Aussicht auf eine Zukunft und ein schöneres Leben, sein Traum, mein Traum, unsere Träume... Mit seinem Tod hatte ich nicht nur mein Herz verloren, sondern auch meine Seele...

Ich weinte. Bitter, wütend und hart. Dabei hatte ich mir geschworen nie wieder zu weinen über eine Person, die mir nahestand. Nicht über meine verstorbene Mutter, nicht über meine nervigen Schwestern, über niemanden... Aber Ash, Ash hatte alles verändert. Alles durcheinandergebracht und ich konnte ihm Verdammt noch einmal nicht mal dafür böse sein!

„Du Idiot!" brachte ich schluchzend hervor. „Du verdammter, heldenhafter Idiot!" schrie ich jetzt und störte mich nicht an der ungeteilten Aufmerksamkeit. Langsam, ganz langsam zog ich das alte Familienmesser unter meiner Kleidung hervor. Ich hatte es dort gehabt seit ich von Zuhause abgehauen war, doch hatte es nie jemanden gezeigt. Mutter hatte mir gesagt es sei ein Erbstück von Vater gewesen, irgendwie glaubte ich ihr das nicht ganz aber das war jetzt unwichtig.

Pikachu sah verwirrt zu mir auf und dann zwischen mir und Ash hin und her. Traurig sah ich auf die steinernen Überreste hinunter, die einmal dieser lebensfreudige, selbstbewußte, leicht arrogante, egoistische und doch einfühlsame, selbstlose und ansteckend freudige Junge gewesen waren. Die letzten Dämme, die sich gegen mein Vorhaben aufgebaut hatten, brachen bei diesem Anblick und ich bereute nur eines, daß ich nicht schon früher meine Gefühle realisiert und geäußert hatte. Vielleicht, nur vielleicht, wäre das alles nie passiert.

Rocko mußte ahnen, was ich vorhatte und ich hörte ihn vorschnellen. „Misty, nicht!" Mit der freien linken Hand strich ich sanft über Ashs steinerne Gesichtszüge, während die rechte das Messer festumklammert hielt. „Ich... Ich liebe dich auch, Ash", flüsterte ich. Dann stach ich zu und das letzte, was ich hörte, waren Rockos und Pikachus entsetzte Schreie. Jetzt würde ich bei Ash sein...

(Rocko)

Ich glaubte nicht, was ich sah. Ich weigerte mich zu glauben, was ich da sah! Das konnte nicht, das durfte nicht... WARUM WAR DIESE VERDAMMTE WELT SO GRAUSAM!

Im letzten Moment fing ich Mistys fallenden Körper auf, doch es war natürlich bereits zu spät. „Gott, nein. Bitte nicht..." Tränen schossen mir in die Augen und ich machte keine Anstalten sie zu unterdrücken. Behutsam strich ich ein paar Strähnen aus Mistys Haar, dann legte ich sie auf den Boden. Ein seltsam, friedvolles und erleichtertes Lächeln zierte das unschuldige, junge Gesicht Mistys. Sie war immer wie eine kleine Schwester für mich gewesen und um so mehr zerriß mir dieses grausame Drama zwischen meinen besten Freunden das Herz. Ash war tot und Misty war es auch. Das war die Wahrheit. „DIE BITTERE WAHRHEIT!"

Ich schlug wütend mit beiden Fäusten auf den Boden und hatte den Kopf gesenkt. Ich konnte es nicht glauben, wollte es nicht glauben, aber es stimmte. Sie waren beide voneinander genommen worden. Und das im Moment, in dem sich ihre gegenseitigen Gefühle offenbart hatten. Ging es denn noch grausamer? Ging es noch tragischer? Wer jemals sagte, solche Geschichten hätten immer ein Happy End, der war ein träumerischer Idiot, fernab jeder realistischen Sicht. Es war grausam. Brutal grausam.

(Pikachu)

Was geschehen war? Ich hatte es selber noch nicht ganz verstanden und bezweifelte, daß ich je das ganze Ausmaß der Situation begreifen würde. Ash lag versteinert und reglos auf dem Boden und zeigte sich unempfindlich gegenüber meinen Donnerschocks – Gott, ich hatte ihm ja bereits gar eine volle Donnerladung verpaßt. Misty hatte sich zu unserer aller Entsetzen gerade selbst getötet, erstochen mit einem kleinen, unscheinbaren Messer. Togepi hockte am Kopf seiner Mutter und sagte gar nichts, es weinte nur lautlos. Ich konnte auch nicht weinen, jedenfalls nicht so wie man es vielleicht erwartete. Ich wollte, bei Zapdos, wie wollte ich den Schmerz und den Verlust herausschreien. Wie gerne... Aber ich konnte nicht. ICH KONNTE NICHT!

Mein Blick fiel erneut auf Ash. Mein Trainer, mein Freund, der erste Mensch, dem ich vertraut hatte, der erste Mensch, der mich gelehrt hatte, daß nicht alle Menschen gleich waren, daß es herzliche, sorgsame Personen gab. Ash, mein bester Kumpel in der Welt, ohne ihn würde kein Tag je wieder sein wie er mal war.

Dann sah ich zu Misty. So wie sie dalag sah sie aus, als würde sie tief und seelenruhig schlafen. Misty, der zweite Mensch nach Ash, dem ich vollkommen vertraute. Vielleicht nicht bis zu einem Extrem wie bei Ash. Aber ich wußte, was sie Ash bedeutete, und das machte es für mich einfacher. Misty, die so freundlich gegenüber allen war, insbesondere uns Pokémon – Krabbeltiere mal ausgeschlossen. Ohne sie würde kein Tag je wieder so sein wie er einmal war.

„Pikapi... Pikachupi..." Ohne Ash und Misty würde nie wieder etwas so sein wie es einmal war. In diesem Augenblick wünschte ich mir nichts weiter, als ihnen folgen zu können, diesen Mut aufzubringen... Aber ich konnte nicht. Und dann, dann weinte ich. Frei und mit allen Emotionen, allem Schmerz. Ich hörte die anderen Pokémon, um uns herum aufjaulen und ebenfalls weinen. Abnormal betört sah ich zu wie meine Tränen durch die Luft gen Boden schwebten. Meine Tränen für meinen Trainer und Freund, für meine beste Freundin, für deren Liebe... Ich sah zu wie die Tränen in der Luft zu hängen schienen und wie ein Magnet weitere Tränen anzogen und sich mit ihnen vermischten...

Moment! Andere Tränen? Vermischten? Verwirrt sah ich mich um. Ein Kreis aus Tränen hatte sich um Ash gebildet und immer mehr Tränen flogen von den weinenden Pokémon – Echte sowie Klone – hinüber und begannen in Ashs versteinerten Körper zu fließen. Es gab ein Aufleuchten und er nahm ein blaues Leuchten an. Die Worte der Hafenmeisterin kamen mir plötzlich wieder ins Gedächtnis.

Die alten Schriften berichten, der Sturm habe alle Pokémon ausgelöscht, bis auf ein paar. Die Tränen, die sie in ihrer Trauer vergossen haben, haben die verlorenen Leben zurückgebracht. Aber heute gibt es keine Pokémontränen mehr...

Verwundert blinzelte ich kurz. „Pikapi?" Eine einzelne, letzte Träne tropfte aus meinem Augen auf ihn hernieder, das Leuchten verschwand und dort lag Ash, in Fleisch und Blut und öffnete langsam die Augen.

(Ash)

Langsam und schwerfällig öffnete ich die Augen und versuchte mich zu erinnern, wer, wo und wieso ich hier war. Also gut, Ash Ketchum... New Island... Der Kampf...

„Pikapi!" Wenn jemand mal gesagt hatte ein Pikachu hätte keine Kraft, der hatte definitiv nie ein überglückliches gesehen. Pikachu sprang mich mit solcher Wucht an, daß ich in dem Versuch es aufzufangen, beinah aus meiner auf dem Bauch aufgestützten Position auf den Rücken geschleudert wurde. Freudentränen ergossen sich aus den Augen des kleinen Elektronagers.

Was tat ich eigentlich hier, warum weinte Pikachu, warum... Die Energiestrahlen, der Aufprall, die Dunkelheit, ich hätte tot sein sollen, oder? Aber warum war ich es nicht? Das verstand ich nicht. Und etwas fehlte, es fühlte sich an, als ob ein Teil von mir fehlte, ein wichtiger Teil...

How will I start tomorrow without you here?

Who's thoughts will guide me, when all the answers disappear?

Misty. In Alarm flog mein Kopf herum und ich erstarrte, hätte Pikachu beinah fallengelassen, als ich mich kerzengerade aufsetzte und erstarrte. Das... das konnte nicht sein. Direkt vor mir, nur eine Armlänge entfernt, lag Misty. Sie sah aus, als ob sie friedlich schlafen würde. Aber ihr erschlaffter Körper und die klaffende Wunde mit dem Messer im Bereich ihres Herzens, aus dem immer noch Blut strömte, sprach eine deutliche Sprache.

Is it too late, are you to far gone to stay?

Best friends forever, should never have to go away

„MISTY!" Ich rappelte mich auf und kniete mich vor sie. „Warum?" Tausend Gedanken schossen durch meinen Gedanken aber kein einziger von ihnen ergab einen Sinn. „Warum?" Behutsam strich ich über ihr Gesicht mit diesen seelenruhig, befreiten Lächeln auf den Lippen. „Warum?" Aber es paßte nicht. Ein Mädchen wie Misty – nein, eigentlich niemand – sollte nicht solch einen friedlichen Gesichtsausdruck in einer solchen... Verfassung haben. „Warum?" Das war das Lächeln eines lebendigen Engels, wandelnd auf Erden. Das Lächeln einer jungen Trainerin, die nichts mehr liebte als Wasserpokémon. Das Lächeln einer wunderhübschen und begabten Meerjungfrau, meiner Meerjungfrau. „Warum?" Das Lächeln MEINES Engels! Und nicht das Lächeln eines Mädchens, das ein Messer durch ihr Herz gestochen hatte, schon gar nicht das eines elf-, fast zwölfjährigen Mädchens, das ein Messer durch ihr Herz gestochen hatte. Ich glaube ich wurde verrückt, doch das störte ich mich einen verdammten Scheißdreck!

What will I do, you know I'm only half without you

How will I make it through?

„Warum? Warum...? Warum...? ... Warum...? ... ..." Ich hielt mich an dem einen Wort fest, denn ich kannte kein anderes, kannte keine andere Frage und schon gar keine Antwort.

If only tears could bring you back to me

If only love could find a way

Ich spürte eine Hand auf meiner Schulter und sah teilnahmslos auf und blickte direkt in Rockos schmerzerfülltes und zutiefst trauriges Gesicht. „Warum?" wiederholte ich, meine Stimme mittlerweile nicht mehr als ein Wispern. „Wir hatten gedacht du wärst tot... SIE hat gedacht du wärst tot. Ich wollte sie aufhalten aber..." Er brach ab und verschluckte die weiteren Worte.

What I would do, what I would give if you

Returned to me, someday, somehow, someway

Erneut starrte ich auf den leblosen Körper Mistys hinunter und nahm ihre kalte Hand. „Warum?" Dann warf ich den Kopf in den Nacken und schrie meine Pein heraus, daß die Wände zitterten.

If my tears could bring you back... to me

„NEEEEEIIIIIIIIIIIIIIINNNNNNNNNNN!!!!!!!!!!" Ein einzelnen Blitz zuckte, Donner krachte, dann Stille. Tödliche, drückende Stille. Ich wollte wieder sterben, ich wollte nicht leben, nicht ohne Misty. Nicht, wenn sie nicht leben durfte. Ich wollte nicht und ich konnte nicht...

I've cried you an ocean, if you sailed on home again

Waves of emotion, will carry you and all they can

Ein Leuchten. Was zum...? Ich hielt immer noch Mistys Hand und ein multikoloriertes Leuchten hüllte unsere vereinten Hände ein. Ich hätte beinah vor Angst losgelassen aber ich konnte nicht... Ich DURFTE nicht! Warum ich das wußte? Das wußte ich nicht.

Just let love guide you and your heart will chart the course

Soon you'll be drifting into the arms of your true north

„Mew!" Ich sah auf. Mew schwebte über uns und sah mit einem merkwürdigen Gesichtsausdruck auf uns hinunter. Als ob es die Antwort auf etwas suchte. Dann wie von Zauberhand löste sich das Messer aus der Wunde und fiel klirrend zu Boden. Mew hatte die Augen geschlossen und berührte nun mit ihrem – wieso ihrem? – Schwanz die Wunde. Die Haut schien sich augenblicklich darüber zusammenzuziehen und neu zu formen. Mit einer Mischung aus kindlichem Entsetzen und Erstaunen beobachtete ich wie das regenbogenfarbenen Leuchten von unseren Händen Mistys Körper einhüllte und sich dabei mit Mews Energie vermischte. Es gab einen hellen Energieblitz und es war vorbei.

Mein eigenes Herz mußte bestimmt einmal bis zum Mond hochgesprungen sein, als ich bemerkte, daß die Wärme in Mistys Hand zurückgekehrt war. Sie war warm! Warm! WARM!

Look in my eyes, you see a million tears have gone by

But still they're not dry

Ihre Augen öffnete sich langsam, verwirrt, blinzelten, einmal, zweimal, dreimal... und schauten dann ungläubig zu mir auf. Es ging nicht mehr, ich konnte mich nicht mehr beherrschen. „MISTY!" Von einer Sekunde auf die andere hatte ich sie in eine enge Umarmung genommen und murmelte immer wieder ihren Namen in das orangerote Haar. „Misty... Misty... Misty... Misty", wiederholte ich, als ob der Name mein Lebensinhalt war. Nein, nicht als ob. Er war mein Lebensinhalt.

If only tears could bring you back to me

If only love could find a way

 „Ash?" brachte sie schließlich mit unsicherer Stimme hervor. Vorsichtig löste ich mich und hielt sie so, daß ich ihr in die Augen sehen konnte. Diese klaren, glänzenden, LEBENDIGEN Augen. „Sind wir tot?" Ich antwortete nicht. Statt dessen, lehnte ich mich näher und küßte sie.

What I would do, what I would give if you

Returned to me, someday, somehow, someway

(Misty)

Der plötzliche Kuß schockte und entzückte mich zugleich. Im ersten Moment war ich stocksteif, genauso wie Ash noch vor ein paar Sekunden soweit ich mich erinnern konnte. Es mußte also ein Traum sein oder ich war tatsächlich tot oder besser wir waren beide tot. Aber das konnte nicht sein. Es fühlte sich so echt an, so... lebendig.

Ich fühlte wie ich langsam nachgab und den Kuß vertiefte. Es war atemberaubend. Im wahrsten Sinne des Wortes. Noch nie zuvor hatte ich mich so geborgen gefühlt, so absolut geliebt, so sicher beschützt, so... richtig? Wo kam der Gedanke her? Richtig... Woher sollte ich jetzt schon wissen, ob Ash richtig für mich war? Ich war ja noch nicht mal ganz aus dem Kindesalter raus. Wieso fühlte es sich an, als ob ich meine andere Hälfte gefunden hatte? Ich verstand das nicht...

Doch ich verstand, realisierte ich plötzlich. Als ich Ash daliegen gesehen hatte, leblos, da hatte ich mich gefühlt, als ob meine Seele selbst gestorben wäre. Aber es war nicht meine Seele gewesen, es war nur ein unersetzlicher Teil dieser verschwunden. Hinweggenommen durch Ashs Tod. Es war, als wäre meine Seele und mein Herz in zwei gerissen worden und die andere Hälfte hatte ohne die verlorene keinerlei Lebenswillen mehr.

Ash war mein Seelenpartner, stellte ich fest, als der Kuß schließlich endete. Ich sah auf und sah meine Gedanken in seinen Augen widergespiegelt. Er dachte dasselbe, wußte wie wahr es war. Wie... richtig.

„Nein, Misty. Wir sind nicht tot." Und ich wußte, daß auch das wahr war.

If my tears could bring you back... to me

(Mew)

Ich lächelte. Freude, Frieden, Liebe... Das Licht dieser zwei war stark. War er das? War das der Auserwählte? War er mein Schicksal? Wenn ja, dann noch nicht jetzt. Aber da war noch etwas Vertrautes, etwas Familiäres...

I've hold you close and shout the words I've only whispered before

„Das Menschenwesen hat sich geopfert zu retten. Und dann, dann hat sich das andere Menschenwesen geopfert aus Schmerz um den Verlust. Ich habe sie aufeinander gehetzt. Ich habe soviel Leid zwischen diesen beiden gesät. Erst als sie ihren Streit überwanden und die Menschen ihre gegenseitigen Gefühle zeigten, erst da habe ich verstanden und erkannt, welche Kraft alle Lebewesen in ihrem Inneren teilen."

For one more chance, for one last dance

Ich äußerte mein Zustimmung zu Mewtwos Worten und empfand ein wenig Leid für diese arme Kreatur. Geboren von Wissenschaftlern, ein Experiment, mißbraucht von den falschen Leuten... Ein Wunder, daß wir noch nicht alle tot waren. Nein, kein Wunder, sondern das Licht und die Liebe der zwei Menschen, zusammen mit den Tränen der Pokémon waren es gewesen, die das verhindert hatten.

„Ich weiß jetzt, daß es unerheblich ist wie jemand geboren wird. Wie man mit dem Geschenk des Lebens umgeht, macht einem zu dem, was man ist." Eine weise Erkenntnis, wenn auch etwas spät. Doch es war niemals zu spät aus seinen Fehlern zu lernen.

There's something, that I would not endure

Mit einem einzigen vereinten Gedanken wurden alle Klone in blaues Licht getaucht und stiegen unter den erstaunten Blicken ihrer Originale empor, als ob sie sich im Wasser befänden und langsam zur Oberfläche schwammen. Auch Mewtwo gesellte sich zu seinen Klonen und ich faßte einen fixen Entschluß. Wenn der Junge wirklich mein Schicksal war, war die Zeit noch nicht reif. Seine Kräfte waren noch zu rudimentär, sein Wissen noch zu gering. Ich gesellte mich zu Mewtwo und seinen Klonen und wir stiegen gemeinsam in den Himmel auf, während sich unten alle Trainer und Schwester Joy versammelten.

If only tears could bring you back to me

If only love could find a way

What I would do, what I would give if you

Returned to me, someday, somehow, someway

„Mewtwo", rief Ash, einen Arm um Mistys Schultern. „wo willst du jetzt hin?"

„Wo mein Herz das lernen kann, was eure Herzen schon so genau wissen. Was hier geschehen ist, wird mir für immer in Erinnerung bleiben." Noch bevor ich wußte, was mein Klon tat, war es bereits zu spät und der Prozeß war nicht mehr umzukehren. „Für euch aber ist es besser, wenn ihr die Ereignisse vergeßt."

Mit traurigen Augen beobachtete ich wie Ash und Misty sich entsetzt anschauten. „Nein, warte!" rief Ash noch. „Das kannst du nicht machen!" ergänzte Misty. Mewtwo schüttelte ebenfalls mit einem Anflug von Traurigkeit den Kopf. „Es muß sein..."

Trotz der Entfernung hörte ich beide noch deutlich, als das weiße Licht der Erinnerungslöschung die ganze Insel einhüllte. „Versprich mir, daß wir uns wiederfinden", flüsterte Misty. „Ich verspreche es", antwortete dieser und beide murmelten noch ein letztes „Ich liebe dich", teilten einen letzten Kuß, dann waren sie verschwunden.

If my tears could bring you back... to me

„Glaubst du, das war weise?" wandte ich mich an Mewtwo. „Vielleicht nicht weise aber notwendig. Ihr junges Bewußtsein ist noch nicht in der Lage solchen Schmerz richtig zu verarbeiten. Wenn die Zeit gekommen ist, werden sie sich wieder erinnern und zusammenfinden."

Ich nickte nur und während wir weiter durch die Wolken zogen, entdeckte ich beide zusammen mit ihrem älteren Freund an einem Bootsteg stehend und in unsere Richtung schauen. Ich glaubte für einen Moment Ash hätte mich gesehen... Beide hielten unbewußt Hände. Vielleicht hatte Mewtwo recht. Vielleicht war es besser so.

---Ende Echtzeitrückblick---

(Misty)

Mehrere Minuten herrschte Schweigen in dem Raum. Es gab niemanden, der nicht geweint hatte. Niemand, der nicht einmal eine Träne vergossen hatte – selbst Sabrina nicht. Ich akzeptierte dankbar Duplicas Umarmung, die meinen Schmerz bestimmt fühlen mußte. Und so sahen wir alle eine Weile der untergehenden Sonne zu.

„Deswegen", ergriff ich nach einer Weile wieder das Wort, meine Stimme war heiser und von Schluchzern untermalt. „Deswegen haben Ash und ich solche Angst davor getrennt zu werden. Deswegen haben wir seit die Erinnerungen zurückgekehrt waren uns benommen, als gäbe es keinen Morgen mehr für uns. Das Band, was damals entstanden ist, war ein solch starkes aber gleichzeitig so unheimlich zerbrechliches, daß wir schlichtweg Angst um den jeweils anderen hatten und es immer noch tun. Die Ereignisse damals waren traumatisch und sie hatten uns geprägt und haben es nun wieder."

Ich schwieg für eine kurze Weile und sah dann zu Mew hinüber, die meinen Blick leicht gesenkt erwiderte. „Mittlerweile glaube ich fast, daß es besser war für einige Jahre nicht daran erinnert zu werden und zumindest ein halbwegs vernünftige Kindheit zu leben. Denn zu der hätten wir nie wieder zurückkehren können." Ich erhielt einen dankbaren Blick von Mew.

Danach drehte ich mich wieder um und schaute hinaus auf den Sonnenuntergang. In diesem Moment fühlte ich wie unsere Herzen nahezu im Einklang waren. Der eine teilten den Schmerz des anderen, Glück, Trauer, Liebe, Leid. Es gab keine Geheimnisse mehr. Jedenfalls nicht, was mich betraf. Und das erleichterte mich. Ich spürte Rockos Fürsorge, Richies Ruhe, Sabrinas Ausgeglichenheit, Erikas erfrischende Aufrichtigkeit, Laras Mut und Leidenschaft, Duplicas Liebe als Schwester und auch... ja, auch Ashs Licht und Liebe für mich.

Neue Zuversicht und Kraft keimte in mir, als ich langsam meinen Kopf zu den versammelten Meistern, meiner Familie wandte. „Jetzt ist es soweit. Jetzt werden wir Ash befreien, Team Rocket auflösen und den Dämon zur Hölle schicken. Dorthin, wo er hingehört. Jetzt wird endlich alles bald vorbei sein."

(Erzähler)

Ich schniefe leise. „Was für eine tragisch-romantische Enthüllung..." Langsam beginne ich mich wieder zusammenzureißen. „Nun, da dieses letzte große Geheimnis gelüftet ist, steht eigentlich nichts mehr zwischen der endgültigen Konfrontation. Wie wird diese ausgehen? Wird es gelingen Team Rocket im wahrsten Sinne des Wortes zu sprengen und den Dämon zu verbannen? Ihr erfahrt es... in der nächsten Episode."

Anmerkungen des Autors

Ok, ich übertreibe nicht, wenn ich sage, daß ich gerade einen eigenen persönlichen Rekord aufgestellt habe. Angefangen habe ich die Episode Donnerstag Abend, rudimentär beendet war sie ungefähr eine Viertelstunde nach Mitternacht in der Nacht von Freitag auf Samstag. Gute 11 1/2 Seiten davon habe ich allein am Freitag geschrieben... Ja, haltet mich für verrückt aber es ging so wahnsinnig gut, daß ich einfach nicht aufhören konnte und immer weiterschreiben mußte.

Ich habe versucht die drei Hunde/Bestien (?) so originalgetreu wie möglich ans Spiel anzupassen und gleichzeitig auf TFSTTM zuzuschneiden. Größere Beschreibungen habe ich nicht gegeben, da mit dem dritten Film, der ja zur Zeit in unseren Kinos anläuft, gerade Entei bekannt sein sollte, ich miserabel im beschreiben von Aussehen bin und eine ausführliche Beschreibung den Rahmen des Kapitels wahrscheinlich vollends gesprengt hätte.

Schiggys Entwicklungssprung war schon länger angedacht, ich hatte es aber immer wieder versäumt das einzubinden. Und so mußte ich es jetzt in diese Szene quetschen. Aber ich denke, das ist mir ganz gut gelungen.

Zu den New Island Szenen. Bis zu Ashs Opfer und die Abschlußworte von Mewtwo sind genauso wie im Film. Ich hatte mir das Skript schon einmal notiert im Hinblick auf die Szene und wie es der Zufall wollte, war gerade als ich vor diesem Kapitel stand der Film auch (endlich) in Premiere angelaufen. Doppelte Absicherung also.

Warum der Song? Also das ist Midnight Sons mit „If Only Tears Could Bring You Back" aus dem Originalsoundtrack zum Film. Warum gerade dieser? Also wirklich nichts gegen die gute Christina aber sie hat schon mal besseres, als „We're A Miracle" gesungen. Der Text ist zwar gut aber der Gesang ist stellenweise etwas... ausdruckslos. Auf jedem Fall bringen Midnight Sons ihr Stück so beeindruckend rüber, das man sich wirklich direkt wieder in die Szene mit den Tränen hineinversetzt sieht. Ich persönlich habe nie verstanden, warum nicht mehr vom Soundtrack an solchen Stellen im Film gespielt wurde. Ich meine, wozu heißt er denn Soundtrack? Das Einzige, was angespielt wurde war „Brother, my brother" und das war's dann auch. Aber wir wollen hier ja nicht über Musik diskutieren, nicht wahr?

Mehr habe ich glaube ich nicht zu sagen. Nur, daß bei meiner Schreiblaune Episode 27 wahrscheinlich auch nicht lange auf sich warten lassen wird. Schließlich habe ich zuletzt etwas rumgetrödelt und werde es so wohl nicht mehr ganz schaffen meinen Termin bis Anfang Juli mit dem Abschluß des Abschnitts einzuhalten. Aber, wenn ich das Tempo halte, sollte die letzten zwei/drei Episoden schneller fertig sein, als ich wahrscheinlich selber gerade denke.

Bis zum nächsten Mal.

Ja ne, euer

Matthias

The Final Step to the Master©2000-2002 by Matthias Engel

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