1 Kapitel 2

„Was um Himmels Willen soll ich denn mit noch einer Schlangenhaut anfangen, Squall?", stöhnte Xell, nachdem er die Überreste der Heckenschlange durchsucht hatte. Die Berge um Dollet wimmelten von diesen Viechern, und Squall hatte sich wieder mal von den Bewohnern breitschlagen lassen, für etwas Ruhe zu sorgen.

„Du könntest ja eine Tasche draus machen lassen", schlug Rinoa vor, während sie ihre Waffe vom Arm nahm. „In den Großstädten gibt's sicher genug Händler, die Lederhandtaschen verkaufen würden. Hast du überhaupt schon ein Geschenk für mich?"

„Das werde ich dir gerade auf die Nase binden", antwortete der Faustkämpfer, während er die Schlangenhaut genauer besah. Offenbar dachte er tatsächlich über Rinoas Vorschlag nach. „Außerdem glaube ich nicht, dass du am 24. Augen für Geschenke haben wirst!"

„Schluss jetzt, Xell!", befahl Squall, der sich langsam etwas überflüssig vorkam. „Brauchst du denn das Geld wirklich so dringend, dass du Items verkaufen musst? Hast du vielleicht doch Geld verloren?"

„Quatsch!", entgegnete dieser, wurde aber ein bisschen rot. „Höchstens ein paar Hundert Gil. Meinst du nicht, wir sollten vielleicht mal nach Irvine und Selphie Ausschau halten? Am Ende werden sie noch von einem Monster getötet, weil sie es vor lauter Küssen nicht bemerkt haben."

Rinoa grinste. „Seit wann sorgst du dich denn so sehr um die beiden?", fragte sie wie beiläufig. „Heute morgen warst du noch froh, als sie weggingen."

„Dass ich sie nicht mehr mit aneinanderklebenden Lippen sehen kann, heißt noch lange nicht, dass ich ihnen den Tod wünsche", meinte Xell und stand auf. „Ich seh' mal nach, ob ich sie finden kann. Geht ihr inzwischen zurück auf die Ragnarok."

Squall runzelte die Stirn, als der blonde Junge sich entfernte. „Er hört sich langsam an wie ein Kommandant", bemerkte er ernst. „Ich glaube, er will mir meine Führungsposition streitig machen, findest du nicht?"

Rinoa hob den Zeigefinger und sah ihn herausfordernd an. „Du musst aber auch zugeben, dass du deine Pflichten als Schulsprecher arg vernachlässigt hast", stellte sie grinsend fest. Sanft nahm sie Squalls Hand und zog ihn Richtung Luftschiff. „In den letzten Wochen hat Xell dich viel öfter vertreten als im ganzen Jahr zuvor!"

„Kunststück", brummte Squall ein bisschen eingeschnappt. „Wer hat mich denn in letzter Zeit dauernd in Beschlag genommen? Du!"

„Jetzt sag bloß nicht, dass ich dir lästig werde?" Rinoa sah ihn mit ihrem Verletztes-Reh-Blick an. Squall stöhnte leise. Das war unfair! „So kurz vor unserem wichtigsten Tag im Leben willst du mich verstoßen? Du herzloses Monster!"

Sie legte dramatisch ihre Hand an die Stirn und tat so, als würde sie davonlaufen. Squall tat ihr aber diesmal nicht den Gefallen, sie an der anderen Hand zu packen. Stattdessen schnappte er sich ihre Beine und warf das Mädchen, welches überrascht aufschrie, zu Boden. Unter halb wütendem, halb belustigtem Gezeter drehte er Rinoa auf den Rücken und hielt sie an beiden Armen fest. Sanft legte er sich auf ihren zierlichen Körper und flüsterte ihr ins Ohr.

„Ich habe ein Herz", wisperte er. „Spürst du, wie es schlägt? Und jeder einzelne Schlag gehört dir, Rinoa. Ich liebe dich."

Das schwarzhaarige Mädchen lächelte und schlang ihre Arme um seinen Hals. „Ich dich auch, Squall, mein Hexenritter", flüsterte sie – und warf den Jungen plötzlich mit einem Ruck zur Seite. Bevor er reagieren konnte, lag sie bereits auf ihm und grinste ihn spitzbübisch an. „Aber ich werde nie ein zahmes Kätzchen sein, das all deine Späße mitmacht!" Sie packte seine Arme und hielt sie am Boden. Natürlich hätte Squall sie abschütteln können, auch ohne Stärke-Kopplung, aber wer hätte das in seiner Situation schon gewollt?

Er bemerkte erst, dass jemand anderer zugegen war, als das Gekicher lauter wurde. Rinoa beendete ihren Kuss und stand auf, nicht, ohne seine Narbe an der Stirn noch einmal liebevoll nachzufahren. Als er sich aufsetzte, saß Selphie bereits auf einem Stein einen Meter neben ihm und starrte Rinoa und ihn wie gebannt an. Irvine hatte seine Arme um sie geschlungen und kniete hinter ihr.

„Wie lange seid ihr schon da?", fragte Squall resignierend. Es wurde langsam zur Gewohnheit, dass er und Rinoa beobachtet wurden.

„Leeeeider grade erst gekommen", behauptete Selphie, ohne ihren Blick von ihm abzuwenden. „Ihr hättet eeeeuch ruhig mehr Zeit lassen können!"

„Wieso? Wolltet ihr Nachhilfe?", erkundigte sich Rinoa, während sie ihrem geliebten Hexenritter eine Hand zum Aufstehen reichte.

„Nein, aber wir spielen Jury", behauptete Irvine feixend, während er aufstand. „Ein paar Schüler haben uns gebeten, eure romantischsten Szenen auf der Garden-Homepage zu beschreiben. Wollt ihr uns nicht noch was zeigen?"

Squalls Schnauben ging in Selphies Gekicher unter. Im selben Moment hörte er Xells schnell näherkommende Schritte. Anscheinend war der Faustkämpfer auf etwas Interessantes gestoßen.

„Xell, Alter!", begrüßte Irvine ihn. „Du hast schon wieder das Beste verpasst!"

„Xell, was hast du?", wollte Rinoa beunruhigt wissen. Ihr war der fassungslose Ausdruck im Gesicht des Jungen aufgefallen. „Ist was passiert?"

„Leute", keuchte Xell, während er stehen blieb, „ihr werdet nicht glauben, was grade in Dollet vor Anker gegangen ist!"

„Waaas denn?", fragte Selphie aufgeregt. „Vielleicht ein galbadianisches Kriiiiegsschiff?"

„Unsinn", meinte Irvine. „Tut mir Leid, Sephie, aber das hätten wir beim Herfliegen bemerkt. War's ein Fahrzeug aus Esthar?"

„Nein", wehrte Xell immer noch schnaufend ab. „Weit daneben. Da unten ist die Forschungsinsel! Sie hält auf den Hafen von Dollet zu!"

„Ist dir zufällig ein Konfus zaubernder Galchimesära über den Weg gelaufen?", fragte Squall stirnrunzelnd, aber er hatte auch bemerkt, dass Xell es ernst meinte. „Na schön. Hast du jemanden gesehen, der sie steuert?"

Xell schüttelte den Kopf. „Nein. Aber die Leute in Dollet sind in Panik! Wir müssen ihnen helfen, Squall!"

„Schon gut, Xell, beruhige dich", wandte Rinoa ein. „Hat ein Monster die Bewohner angegriffen?"

„Nein, bis jetzt noch nicht."

„Aaaaber Chef!", begehrte Selphie auf. „Vielleicht passiert daaaas noch, wenn wir nicht eingreifen! Wir müssen den Leuten helfen!"

„Selphie hat Recht, Squall", bekannte Irvine und legte ernst seine Hand auf ihre Schulter. „Es könnte gefährlich für die Leute werden."

„Schön, ihr habt wahrscheinlich Recht", gab Squall nach. „Selphie, Xell, ihr beide lauft zur Ragnarok und untersucht die Lage aus der Luft! Irvine, Rinoa und ich sind gekoppelt, wir besuchen die Stadt und sehen nach, was wir ausrichten können. Los!"

„Tante Quistie! Fang!

Quistis konnte gerade noch dem Ball ausweichen, der sonst in ihrem Gesicht gelandet wäre. Das Mädchen, das ihn geworfen hatte, Tinill, sah enttäuscht drein.

„Jetzt musst du ihn aber wieder holen! Du hast ihn nicht gefangen!"

„Moment, ich bin schon unterwegs", beruhigte Quistis. „Los, Eclisa, geh noch ein bisschen spielen. Wir müssen ohnehin bald wieder rauf zum Essen."

Das Mädchen sah sie missmutig an, ging aber langsam auf die anderen spielenden Kinder zu. Quistis hoffte, dass Eclisa trotz allem etwas Spaß am Spielen finden würde. Was sollte denn aus ihr werden, wenn sie die ganze Zeit nur drinnen hockte und malte?

Suchend blickte sie sich um. Der Ball war von den Felsen abgesprungen und im hinteren Teil des Strandes gelandet, der nur schwer zugänglich war. Viel hätte nicht gefehlt und er wäre im Meer gelandet. Quistis sah unbehaglich zu den Kindern hin. Um da schnell hinunter- und wieder heraufzukommen, müsste sie ihre wirklichen Kräfte einsetzen, die sie bisher immer vor den Kindern verborgen hatte. Sie besaß noch immer Tombery, die kleine GF, die Squall Edea mitgegeben hatte, als er erfuhr, dass Quistis bei ihrer Ziehmutter wohnen wollte. Und Zauber hatte sie mehr als genug. Aber wenn die Kinder sie sahen...

Egal. Sie entschied, darauf zu vertrauen, dass die Kinder zu beschäftigt waren. Schnell koppelte sie Tombery, dessen Geist anscheinend ziemlich überrascht war, dass er wieder mal gebraucht wurde. Meteor, Seuche, Vigra, Tornado, Eisga, Holy... eine Minute später war Quistis wieder für jeden Kampf bereit. Kraft, die sie schon lange nicht mehr verspürt hatte, durchströmte sie. Aber sie benötigte sie nur für kurze Zeit. Sie sah sich noch einmal um und sprang dann mit einem großen Satz hinunter an den verlassenen Strand. Sie hob den hellblau-roten Ball auf, mit dem schon sie und Xell miteinander gespielt hatten und hüpfte von Stein zu Stein, bis sie wieder oben war.

Gut, anscheinend hatte niemand etwas gemerkt. Erst jetzt bemerkte sie, dass ihr Bein wehtat. Sie zog ihren schwarzen Stiefel aus und besah es genauer. Offenbar hatte sie sich gestoßen, ohne dass sie es bemerkt hatte. Es blutete nicht stark, eigentlich nur ein Kratzer, aber sie verspürte das Verlangen, einen Zauber einzusetzen. Sie hatte so lange keine Magie mehr gewirkt. Verstohlen warf sie einen Blick zu den Kindern hin. Offenbar waren alle, selbst Eclisa, damit beschäftigt, eine Sandburg zu bauen.

„Vita!", murmelte sie.

Weiße Funken umtanzten sie kurz, dann trat die Wirkung des Heilzaubers ein und ihre Haut schloss sich wieder. Zufrieden zog sie ihren Stiefel wieder an. Dann nahm sie den Ball in die Hand und ging zu den Kindern hinunter.

„Hier, Tinill", rief sie fröhlich. „Dein Ball!"

Tinill quietschte erfreut, sprang auf und zertrampelte dabei die halbe Burg. Einige der Kinder sahen sie deswegen sauer an, aber als sie den Ball wieder in Händen hielt und damit zu werfen begann, gesellten sie sich wieder zu ihr. Nur Eclisa blieb sitzen und sah Quistis seltsam an. Diese begann sich unwohl zu fühlen. Hatte die Kleine sie etwa gesehen?

„Was ist denn, Eclisa? Willst du nicht mit den anderen spielen?"

„Du warst sehr schnell wieder da, Tante Quistie", bemerkte Eclisa. „Mama Edea sagt immer, dass es sehr gefährlich ist, auf die Felsen zu klettern."

Quistis nickte und setzte sich. „Stimmt. Man muss sehr vorsichtig dabei sein."

„Aber wie hast du den Ball dann so schnell zurückgeholt?", wollte das Mädchen wissen. „Er ist doch runtergefallen, oder?"

Quistis wurde siedendheiß. Blitzschnell überlegte sie sich einige Antworten, verwarf sie aber wieder. Was würde ich selbst glauben, fragte sie sich, wenn ich hier die Frage gestellt hätte?

„Weißt du, der Ball hatte sich nur in ein paar Felsen hier heroben verklemmt", log sie. „Ich musste nicht weit klettern, um ihn zu erreichen. Zum Glück. Was hast du denn vorhin mit den anderen gespielt?"

Die Augen des Mädchens begannen zu leuchten. „Wir haben eine ganz große Burg gebaut!", erklärte sie triumphierend. „Die war sicher so groß wie der Balamb Garden! Aber dann hat Tinill sie kaputtgetreten." Sie blickte traurig auf die Überreste des Bauwerks hinab.

„Komm schon, Eclisa", tadelte Quistis sie. „Es war nur eine Sandburg. Man kann sie wieder aufbauen. Soll ich nach dem Essen noch einmal mit dir herunterkommen und eine noch größere Burg bauen?"

„Ja!"

„Gut. Dann sollten wir aber schnellstens Essen gehen, sonst können wir heute nicht mehr herunterkommen, nicht wahr?" Sie stand auf und klatschte in die Hände. „Kinder!", rief sie laut. „Mama ist fertig mit dem Essen! Wer als letzter oben ist, kriegt heute keinen Nachtisch mehr, hat sie gesagt!"

„Mama würde uns nie unseren Nachtisch wegnehmen!", behauptete ein Junge aus Esthar und sah sie herausfordernd an.

„Stimmt", bekannte sie lächelnd. „Aber sie hat gesagt, ICH darf demjenigen den Nachtisch wegessen. Und glaub mir, ich hab heute großen Hunger!"

Kaum eine Minute später saßen alle Kinder oben. Als letzte ging grinsend Quistis durch die Eingangstür. Die Drohung wirkte doch immer wieder... genau wie im Garden.

„Mann, ist das ein Gedränge hier!", staunte Galdiki, das andere Mädchen, welches mit Crys in die Mensa gekommen war. „Wie können die hier nur so viele Schüler zur gleichen Zeit versorgen?"

„Jahrelange Übung, vermute ich", schätzte der Junge neben Crys, aber er war ebenso beeindruckt wie Galdiki, das merkte man seinem abwesenden Ton an.

Crys hatte zwar aus einigen Telefonaten mit Irvine von dem Durcheinander hier gehört, aber darauf war auch sie nicht vorbereitet gewesen. Dutzende Schüler standen Schlange, um nur drei Bedienstete gleichzeitig um einen Hot Dog anzuflehen. Der Lärm hier drin konnte es mit der Trainingshalle, an der sie vorbeigekommen waren, locker aufnehmen. Die Bestellungen, die Gespräche zwischen den Schülern und die Kellner, die sich verzweifelt bemühten, aus den Wortfetzen Bestellungen herauszuhören... das alles bildete eine Atmosphäre, die sie im Galbadia-Garden nie erlebt hatte.

„Wie um alles in der Welt hält man es hier nur aus?", schrie sie und hielt sich die Ohren zu. „Man möchte meinen, es ginge in einer Kampfschule gesitteter zu!"

„Falsch geraten!", vernahm sie eine Stimme hinter sich. Sie brauchte eine Sekunde, um herauszufinden, dass sie keinem aus ihrer Gruppe gehörte. Verwundert drehte sie sich um und nahm die Hände herunter. Und riss die Augen auf, als sie Niida sah, den jungen Mann, den sie im Zimmer des Direktors gesehen hatte. Er grinste sie und ihre Freunde an. „So schnell sieht man sich wieder."

„Ist es hier immer so voll oder wollen sich die Leute vor dem Start noch mit Essen eindecken?", fragte Galdiki und hielt sich demonstrativ die Ohren zu.

„Nein, ihr habt leider einen schlechten Zeitpunkt erwischt!", rief Niida zurück. „Der Unterricht ist gerade zu Ende, und da stürmen meistens alle Leute gleichzeitig die Imbissbude hier. Ich hab Glück gehabt und war als erster hier." Triumphierend wies er einen Hot Dog vor, der noch verführerisch warm dampfte. Crys spürte, wie ihr Magen zu knurren begann und wurde tiefrot.

„Gibt's keine andere Möglichkeit, an etwas zu essen zu kommen?", wollte der Galbadianer wissen und sah sehnsüchtig auf Niidas Hand. „Wir haben nichts mehr gegessen, seit wir aus Galbadia abgefahren sind."

„Sagt das doch gleich", entrüstete sich Niida. „Wir können euch doch nicht verhungern lassen, der Direktor würde uns wahrscheinlich den Schulsprecher auf den Hals hetzen! Wartet, ich besorge euch was."

„Glaubst du nicht, dass das zu lange dauert?", fragte Crys zögernd. „Wir können ja auch später wiederkommen, wenn es hier ruhiger ist."

„Quatsch!", entgegnete der Junge und lächelte sie an. „Gäste haben den Vortritt. Wartet kurz hier." Mit diesen Worten drängte er sich an seinen Kameraden vorbei, die, kaum zu glauben, noch lauter riefen und drohend ihre Fäuste nach ihm reckten. Er unterhielt sich mit einer Kellnerin, deutete in Crys' Richtung und unterstützte seine Worte durch antreibende Gesten. Eine Minute kam er mit drei weiteren Hot Dogs beladen wieder aus der Menge hervor und überreichte sie ihnen.

„Danke", murmelte Crys verlegen. „Das wäre doch nicht nötig gewesen."

„Schon gut", winkte er ab. „Ich muss doch für den Ruf des Gardens gerade stehen, wenn der Schulsprecher nicht da ist."

„Hier ist aber nirgends mehr Platz", jammerte Galdiki und sah sich um. „Können wir uns nicht kurz wo hinsetzen?"

Niida kratzte sich kurz am Kopf und nickte dann. „Gehen wir am besten in die Bücherei", bestimmte er. „Dort darf man zwar normalerweise nicht essen, aber die Bibliothekarin, die heute Dienst hat, ist momentan... nun, sagen wir, etwas abgelenkt. Wenn wir die Hot Dogs etwas verstecken, wird sie nichts merken."

„Abgelenkt?" Der Junge neben Crys sah auf. „Weswegen denn?"

Niida grinste unverhohlen. „Ihr geliebter Xell ist heute mit seinen Freunden ausgeflogen und hat sich seitdem noch nicht bei ihr gemeldet. Jetzt befürchtet sie das Schlimmste, obwohl sie weiß, dass er sich in seiner Haut wehren kann."

„Xell Dincht? Xell Dincht hat eine Freundin?" Galdikis Ton klang so enttäuscht, dass Crys schmunzeln musste.

„Kennst du Xell Dincht persönlich?", fragte sie neugierig, während sie in den Hot Dog biss. Sie verzog das Gesicht. Heiß!

„Sicher", bestätigte Niida nickend. „Aber gehen wir jetzt erst mal los, hier versteht man ja sein eigenes Wort nicht. Xell hat mit mir und Squall Leonhart die SEED-Prüfung bestanden. Seitdem kennen wir uns... nun, zumindest ich und Xell. Squall ist nie sonderlich gesprächig gewesen, und seit er mit Rinoa zusammen ist, kann man fast kein Wort mehr mit ihm wechseln. Er hat nur noch Augen für sie, auch wenn er versucht, seine Schulsprecherpflichten ernst zu nehmen."

„Du bist ein SEED?", fragte Crys interessiert. „Tut mir Leid, dass ich frage, aber du bist noch ziemlich jung."

„Keine Sorge", meinte er. „Ich bin schon öfter deswegen angeredet worden. Ich war auch noch nicht so oft im Einsatz, weil ich... ah, wir sind schon in der Bücherei. Tag, Reeval!"

Das braunhaarige Mädchen, das hinter der Büchereitheke stand, wirkte etwas mürrisch. „Hallo, Niida!", grüßte sie, ohne aufzublicken. „Noch nichts Neues?"

„Nein", sagte der Junge kopfschüttelnd. „Du solltest dir nicht so viel Sorgen machen, Xell kommt schon zurecht. Ich führ mal meine galbadianischen Freunde etwas rum, ja?"

„Schon recht", brummte sie und vertiefte sich in ein Buch. „Aber nehmt nichts unangemeldet mit, klar?"

„Nehmt es ihr nicht übel", flüsterte Niida, als sie bei den Stühlen im hinteren Büchereiraum Platz nahmen. „Aber sie hat einfach ständig Angst um Xell, obwohl er neben Squall und Irvine der stärkste Kerl der Schule ist."

„Ist es eigentlich wahr, dass Kinneas sich hier eine Freundin gesucht hat?", meldete sich der Galbadianer zu Wort, nachdem er seinen Hot Dog aufgegessen hatte. „Ist er noch immer mit ihr zusammen?"

Niida blickte auf. „Mit Selphie? Sicher, schon seit einem guten halben Jahr. Die beiden sind fast so schlimm wie Squall und Rinoa, ständig beisammen."

„Tatsächlich?" Crys spürte, wie Interesse in ihr entfachte. „Irvine hat zwar davon gesprochen... aber ich hätte ehrlich gesagt nie gedacht, dass er wirklich so lange bei einem Mädchen bleiben könnte. Ist diese Selphie wirklich so... gutgelaunt?"

„Gutgelaunt?" Niida sah sie an, als hätte sie ihn gefragt, ob die Erde rund war. „Selphie? Für sie müsste man ein eigenes Wort erfinden! Du kannst sicher sein, wenn der Garden angegriffen würde, würde sie das als Chance sehen, einige der Angreifer zu überreden, beim Schulfestkomitee mitzumachen! Ich hab sie noch nie vollkommen ernst gesehen."

„Hört sich eigentlich nicht nach dem Typ Mädchen an, den Kinneas bevorzugt, oder, Crys?", fragte Galdiki und stupste sie von hinten an. Crys spürte, dass sie rot anlief.

„Ach, du warst auch mal mit ihm zusammen?", fragte Niida. Irgendwie klang sein Ton seltsam, fast... schmerzlich. „Blöde Frage, oder? Ist ja egal. Was habt ihr heute noch vor?"

„Ich und Galdiki werden jetzt jedenfalls hier abhauen, nicht?", meinte der galbadianische Kadett bedeutungsvoll und stand auf. „Nicht wahr, Galdiki?"

„Oh, sicher." Das Mädchen stand ebenfalls auf. „Wir sehen uns hier noch etwas um. Du musst nicht auf uns warten, Crys. Bis später."

„Aber..."

Schon waren die beiden weg. Crys fluchte.

„Was ist denn?", fragte Niida etwas perplex.

„Die beiden wollen uns doch nur verkuppeln", stieß Crys hervor und schoss den beiden, die jetzt am Ausgang standen und ihr frech zuwinkten, vernichtende Blicke nach. „Sie glauben, nur weil Irvine jetzt eine neue Freundin hat, müssen sie mir auch einen besorgen."

„Vermisst du ihn?"

Crys sah erschrocken in seine Augen. Sie sahen sie sehr ernst an.

„Ja..., manchmal schon", gab sie zu und sah wieder weg. „Aber ich habe mich schon lange damit abgefunden, dass er nie wirkliche Gefühle für mich hatte. Ich glaube nicht, dass er für irgendein Mädchen in Galbadia wirklich etwas übrig hatte. Ist das bei Selphie echt anders?"

„Ja, zumindest scheint es mir so", bestätigte Niida nickend. „Ich glaube, aus den beiden könnte etwas Größeres werden. Wer weiß,... vielleicht gibt's ja bald noch eine Heirat. Obwohl ich mir Selphie nicht als Braut vorstellen kann." Er grinste schief. „Sie würde wahrscheinlich sofort loskichern, wenn der Priester zu reden beginnt."

„Das ist schön", flüsterte Crys. „Irvine hat mir zwar das Herz gebrochen, aber ich gönne ihm trotzdem, dass er endlich die Richtige gefunden hat."

Niida runzelte die Stirn. „Du hast ihn wirklich geliebt, was?"

„Ja", hauchte sie. Dann straffte sie sich wieder. „Aber das ist lange vorbei. Wenn er wieder da ist, würde ich Selphie gerne kennen lernen. So, wie du sie beschreibst, scheint sie ein seltsamer Charakter zu sein."

„Seltsam trifft die Sachlage, ja", bekräftigte er schief grinsend. Er dachte eine Weile nach. „Was hältst du davon, mal Ausschau nach unseren großen Helden zu halten?"

„Wie denn?"

Er erhob sich und reichte ihr die Hand. „Nun, ich bin der Steuermann des Gardens und darf jederzeit auf das Steuerdeck hinauf. Wenn du willst, können wir bei Gelegenheit mal nachsehen, ob Squall und seine Bande bereits wieder im Anflug sind. Wie wär's?"

Crys schwankte einen Moment, ob sie dieses Angebot annehmen sollte. Über Irvine zu reden hatte sie mehr getroffen, als sie zugegeben hätte, aber Niida schien keine Hintergedanken zu haben. Sein Lächeln wirkte ehrlich. Und wenn ihr ihre Kameraden schon unbedingt einen Freund anhängen wollten, wieso sollte sie dann nicht so tun?

„In Ordnung", sagte sie und lächelte ihn freundlich an, während sie sich hochziehen ließ. „Aber wehe, wenn du irgendwas anstellen willst. Ich habe eine gute Kampfausbildung genossen, weißt du?"

Er grinste spöttisch. „Und ich habe die selbe Grundausbildung genossen wie der große Squall Leonhart persönlich", deklamierte er. „Ein Teil seiner Größe und seines Edelmutes findet sich auch in mir. Fürchtet nichts, Milady, ich fürchte seine Rache viel zu sehr, als dass ich mich an der Freundin seines Freundes vergreifen würde."

„Hör auf mit dem Quatsch", befahl sie, grinste aber dabei. „Gehen wir lieber. Bevor noch einer bemerkt, dass wir hier Mittag gemacht haben."

„Keine Monster, was, Xell?", fragte Squall grimmig, als sie die Innenstadt von Dollet erreichten. Auf dem Marktplatz, direkt dort, wo noch vor ein paar Minuten der Brunnen gestanden hatte, erhob sich die Masse einer Drachen-Isolde, eines Chimära-Hirns und eines Stahlgiganten. Die drei gewaltigen Monster machten zwar seltsamerweise keine Anstalt, jemanden zu verletzen oder die Häuser anzugreifen, aber es war unzweifelhaft, dass sie niemanden zur künstlichen Forschungsinsel vorlassen wollten.

„Komm schon, Squall", kommentierte Irvine, während er die Exetor, seine Schusswaffe, durchlud. „Das war doch zu erwarten."

Schon hatte der Stahlgigant sie entdeckt und stapfte auf sie zu. Das Chimära-Hirn wechselte seinen Kopf und kam ebenfalls und die Drachen-Isolde stieß ein markerschütterndes Knurren aus und folgte den beiden.

„Der Stahlgigant gehört mir, ihr beiden", rief Irvine, „mischt euch bloß nicht ein. Ich hab ein Hühnchen mit diesen Biestern zu rupfen!"

Squall verzichtete auf eine Antwort und zog lieber die Löwenherz, die stärkste Gunblade der Gegenwart. Seit Irvine bei der letzten Schlacht gegen den Monsterbeschwörer, Quistis' Vater, von einem Stahlgiganten niedergestochen worden war, weil er Selphie hatte beschützen wollen, hegte er einen unversöhnlichen Hass gegen die schwergepanzerten Monster. Er hatte auch nicht vor, Irvine abzuhalten. Schließlich waren die anderen Gegner auch nicht einfach.

„Meteor!"

Der Kometenzauber von Rinoa ließ die drei Monster aufbrüllen. Irvine hob grimmig seine Waffe und schoss dem Stahlgiganten direkt in den Sehschlitz. Das Monster zuckte nicht einmal mit der Wimper, solange es nicht am Ende seiner Lebenspunkte war, würde dieses genmanipulierte Scheusal nichts von seiner Kraft verlieren. Aber die „Verlangsamen"-Wirkung setzte ein und machte seine Bewegungen zähflüssig wie Honig. Irvine grüßte das Monster spöttisch mit zwei Fingern am Cowboyhut.

Squall hielt sich nicht mit ihm auf, sondern fing an, Kaktor zu beschwören. Da die seltsame GF etwas Zeit brauchte, griff zwischendurch die Drachen- Isolde an und versetzte Rinoa einen schmerzhaften Hieb, den diese aber kommentarlos hinnahm. Auch das Chimära-Hirn wandte sich Rinoa zu und belegte sie mit „Schweigen". Squall schürzte ärgerlich die Lippen. Wenn er nicht wüsste, dass diese Viecher nur wenig intelligenter waren als die Steine der Häuser hier, dann hätte er gewettet, sie wollten verhindern, dass Rinoa ihre starken Zauber einsetzte. Seit sie die Hexenkräfte von Edea geerbt hatte, war ihre Zauberkopplung auch ohne starke Zauber ungewöhnlich durchschlagend, selbst wenn sie die Hexenkraft noch nicht willentlich freigesetzt hatte. Aber dazu waren diese Biester zu dumm, beruhigte er sich.

Grüne Wolken stiegen aus dem Boden und Squall tauschte seinen Platz mit Kaktor, der seinen Stachelangriff über die drei Monster ergehen ließ. Rinoa stopfte sich rasch etwas Echo-Kraut in den Mund und blickte die drei Gegner an. Jetzt war sie wütend. Irvine zauberte etwas verspätet Melton auf den Stahlgiganten, der sich kurz krümmte, als sein Schutz weggerissen wurde. Das Monster war nun jedoch auch bereit zum Kampf, richtete sich auf – und griff wiederum Rinoa an!

Langsam wurde das Verhalten der Gegner Squall unheimlich, aber er ließ sich nichts anmerken. Statt dessen wandte er Vigra an und heilte seine Gefährtin. Rinoa warf ihm einen hilfesuchenden Blick zu, aber er konnte ihr nicht sagen, was das bedeutete. Vielleicht ja doch nur ein Zufall, redete er sich ein. Die Drachen-Isolde kam wieder nach vorn und schlug abermals nach Rinoa, die sich jedoch rechtzeitig ducken konnte. Irvine sah sie auch mit großen Augen an, konzentrierte sich jedoch dann wieder und schoss dem Stahlgiganten in den Bauch. Der eiserne Riese zischte, zeigte aber keinen Schmerz.

Das Chimära-Hirn wechselte seinen Kopf und ließ Aqua diesmal über Squall hereinbrechen. Fast war er froh darüber. Trotzdem zog er bei nächster Gelegenheit das Beben des Stahlgiganten und schickte ihn damit ins Jenseits. Auch die anderen beiden Monster waren davon benommen und bemerkten daher den Ultima-Stein von Rinoa zu spät. Auch das Chimära-Hirn gab seinen Geist auf. Bevor die Drachen-Lady noch einmal zum Zuge kam, rannte Squall auf sie zu, riss seine Gunblade hoch und versenkte sie tief im Körper des Untiers. Dieses brüllte noch einmal schmerzlich auf, wankte kurz und stürzte zu Boden. Nach den traditionellen Kampfgesten der drei waren die Monster schon verschwunden.

„Was war das eben, Rinoa?", fragte Squall sofort, während er sich noch misstrauisch umsah. „Wieso hatten es diese Biester so massiv auf dich abgesehen?"

Auch Rinoa sah unsicher aus. „Ich habe keine Ahnung, Squall", beteuerte sie. „Vielleicht war es ja doch nur ein Zufall. Immerhin haben wir den dreien ja auch nicht sehr viel Zeit für Angriffe gelassen."

„Ja, ja, und ich hab einen Grendel als Haustier", unkte Irvine, der ebenfalls seine Exetor noch nach vorn streckte. „Das war doch kein Zufall. Viermal hintereinander auf dich! Das ist doch nicht normal! Ich geh jede Wette ein, dass der nächste Angriff wieder gegen Rinoa gerichtet gewesen wäre!"

„Du hast ja wahrscheinlich Recht", räumte Squall ein. „Aber momentan können wir nichts tun. Sehen wir lieber zu, dass wir die Stadt monsterfrei bekommen. Wir können das ja später noch genauer untersuchen."

Sie gingen langsam die Straßen ab, immer auf einen Hinterhalt gefasst, aber kein anderes Monster zeigte sich. Squall fragte sich langsam, ob das tatsächlich die einzigen gewesen waren, aber im selben Moment flog vor ihnen eine Tür auf und ein Qual sprang heraus. Das Tigermonster mit den Säbelzähnen fauchte sie einen Moment lang an, suchte dann aber zu ihrer Überraschung das Weite. Mit ziemlichem Tempo nahm es Kurs auf die Küste.

„Was sollte das denn eben?", fragte Irvine ziemlich verdattert. Wäre er nicht selbst perplex gewesen, hätte Squall das Gesicht seines Freundes eines seiner seltenen Grinsen entlockt. „Wieso ist dieses Vieh einfach abgehauen?"

„Wir sollten uns lieber fragen, was es in diesem Haus gemacht hat, Jungs", mischte sich Rinoa ein. „Vielleicht ist ja jemand verletzt."

Schuldbewusst straffte sich Squall und betrat das Haus. Es war das des alten Malers, fiel ihm jetzt auf. Im Inneren herrschte ein ziemliches Chaos, aber das war auch das letzte Mal so gewesen, als sie hier Halt gemacht hatten. Man merkte nur, dass ein Monster hier herinnen gewesen war, weil die Staffelei umgestoßen und das Bild darauf mit Krallen zerstört worden war. Der Junge, der früher immer die Bilder des Malers mit seinen eigenen „Kunstwerken" verschönert hatte, saß mit bleichem Gesicht da.

„Was ist hier passiert, Junge?", fragte Squall ernst. „Hat dir dieses Monster etwas angetan?"

„N-nein", stammelte er, hielt jedoch seinen Blick noch immer auf die Staffelei gerichtet. „A-aber was wird er sagen, wenn er das sieht?"

„Der Maler wahrscheinlich", flüsterte Irvine Squall zu. „Rinoa, sprich lieber du mit ihm. Ich glaub nicht, dass er momentan auf uns hört."

Die Hexe nickte und hockte sich vor den Jungen hin. Als sie seine Hand nahm und er aufblickte, lächelte sie ihn an. „Was hat der Qual hier drinnen gewollt, Kleiner?", fragte sie. „Sag uns, was du weißt, dann können wir dir wahrscheinlich helfen."

Squall wollte noch weiter zuhören, aber auf einmal hörte er, wie hinter ihm jemand das Haus betrat. Er drehte sich um und sah den alten Maler, der sie beide misstrauisch musterte.

„Was machen Sie in meinem Haus, häh?", wollte er wissen. „Wer hat Sie hier reingelassen?"

„Die Tür war nicht abgeschlossen, Meister!", verkündete Irvine. „Hätte allerdings auch keinen Unterschied gemacht, wenn!" Er grinste, als er unmerklich seine Waffe hob.

„Lass das, Irvine", ging Squall dazwischen. „Du erschreckst den Mann doch zu Tode. Es tut mir Leid, aber bei Ihnen hat ein Qual eingebrochen", wandte er sich an den alten Mann. „Als wir kamen, sprang er gerade heraus und suchte das Weite, in Richtung der Forschungsinsel."

„Mein Gott", rief der alte Mann, „ist dem Jungen etwas passiert?" Er versuchte sich an den beiden vorbeizudrängen, aber Squall hielt ihn zurück.

„Er hat nur einen Schreck abbekommen, keine Sorge", beruhigte er. „Meine Freundin kümmert sich grade um ihn. Lassen Sie ihr bitte noch etwas Zeit."

„Vertrauen Sie ihm ruhig", riet Irvine mit seinem bekannten schiefen Grinsen. „Er ist der große Squall Leonhart und lügt nicht. Und ihr Kleiner ist bei seiner Freundin Rinoa in den besten Händen."

„Squall Leonhart?" Der alte Mann schluckte, wirkte aber trotzdem erleichtert. „Und Rinoa Heartilly? Die letzte Hexe? Und Sie sind vermutlich Irvine Kinneas, der Galbadianer?"

„Yupp", bestätigte Irvine und lüftete kurz den Hut. „Ich geh mal und seh' in den anderen Häusern nach, Squall. Kann ja sein, dass noch mehr solche Viecher rumlaufen." Mit diesen Worten verschwand er durch die Tür, lud noch einmal dramatisch seine Waffe durch und ging die Straße entlang, immerfort „Putt-putt-putt" murmelnd. Fast hätte Squall gelächelt, aber er beließ es bei einem Augenrollen.

„Sagen Sie, haben Sie irgendetwas Wertvolles im Haus?", fragte er den alten Mann. „Etwas Wertvolles für ein solches Monster, meine ich."

„Nein, nicht, dass ich wüsste", verneinte der Mann, während er seinen Blick über die Einrichtung schweifen ließ. Das einzig Wertvolle hier drin waren meine Bilder, aber dafür hatte dieses Biest ja keinen Sinn, wie man sieht."

„Ein ziemlich scharfer Kritiker, stimmt", bemerkte Squall, ohne eine Miene zu verziehen. „Sonst war hier drin nichts?"

„Nein, eigentlich nicht... außer, warten Sie mal, einen Draw-Punkt gab es doch auch. Ich hab ihn zwar nie benutzt, aber er war da. Vita, glaube ich. Aber wieso sollte so ein Monster einen Draw-Punkt brauchen?"

„Ich weiß es nicht", gestand Squall. „Aber wir werden..."

„Junge!", rief der alte Mann auf einmal aus. „Ist dir auch nichts passiert?" Tatsächlich war der kleine Nachwuchs-Maler plötzlich an Squall vorbeigerannt und hatte sich an die Füße des Alten gehängt. Er hatte nun wieder etwas mehr Farbe als vorhin.

„Es geht ihm wieder gut", teilte ihm Rinoa mit, die sich hinter ihn gestellt hatte. Auch ihr Gesicht war ungewohnt ernst. „Aber stell dir vor, was er mir für eine Geschichte erzählt hat: Als der Qual hier hereinkam, hat er keinen Blick für den Jungen verwendet, sondern hat das Bild zur Seite gefegt und den Draw-Punkt freigelegt. Und dann hat es die Zauber gezogen!"

„Ja, der Maler hat mir auch schon so etwas erzählt", flüsterte er zurück. „Aber wie sollte ein Qual einen Draw-Punkt leeren können? Dafür ist diese Monstergattung doch nie und nimmer intelligent genug."

Rinoa zuckte hilflos mit den Schultern. „Ich weiß auch nicht, was das soll", gab sie zu. „Aber ich finde, wir sollten so schnell wie möglich die Forschungsinsel aufsuchen. Wenn wir irgendwo Antworten finden, dann dort."

„Du hast Recht."

Die beiden gingen an dem alten Maler und seinem kleinen Schüler vorbei, die sich nicht stören ließen (der Kleine erzählte dem anderen gerade, wie er todesmutig gegen drei, nein vier Quale angetreten war) und schlossen die Tür.

„Irvine!", rief Squall laut. „Hast du was gefunden?"

Aus einem der Häuser weiter unten tauchte Irvines Kopf auf. „Ein paar nette Mädchen, wenn du schon fragst", gab er zurück. „Aber sag's Sephie nicht."

„Lass das, Irvine", ärgerte sich Rinoa. „Waren noch weitere Monster in der Nähe?"

Schlagartig wurde der Scharfschütze wieder ernst und rannte zu ihnen hinauf. „Nicht hier herunten, nein", antwortete er. „Aber ein paar Leute haben mir gesagt, dass sie einen Galchimesära zum Sendeturm raufhoppeln haben sehen. Und die drei am Marktplatz habt ihr ja gesehen."

„Im Haus des Malers, am Marktplatz und am Sendeturm", murmelte Squall. „Überall in Dollet, wo sich ein Draw-Punkt befindet."

„Willst du damit etwa sagen, diese Viecher hatten es nur auf die Zauber abgesehen?" Irvine sah ihn zweifelnd an. „Ich würde mich wundern, wenn sie überhaupt wissen, was ein Draw-Punkt ist, aber dass sie ihn benutzen können, bezweifle ich stärkstens."

„Aber der Junge da drin hat behauptet, dass der Qual von vorhin den Vita- Draw-Punkt geleert hat", gab Rinoa zu bedenken. „Und ich glaube nicht, dass er phantasiert hat."

Irvine sah sie skeptisch an, sagte aber nichts. „Ist der Galchi schon wieder heruntergekommen? Dann können wir ja sehen, ob er Zauber im Inventar hat, die dort nicht hingehören."

„Ich schätze, das Ding ist an uns vorbeigeschlüpft, als wir gerade mit seinen drei Freunden beschäftigt waren", vermutete Squall. „Es dauert nicht lange zum Sendeturm und zurück, und da auch der Qual vor uns davongerannt ist, könnte uns der Galchimesära sehr wohl auch umgangen haben."

„Möglich", stimmte Rinoa zu. „Aber was machen wir jetzt?"

„Auf jeden Fall sollten wir uns mal auf der Forschungsinsel umsehen. Wir sind gekoppelt, also kann uns fast nichts passieren", schlug Irvine vor und legte einige neue Patronen in sein Monstergewehr ein.

„Mit dieser Idee sind wir nicht allein", sagte Squall leise. „Schaut mal zur Insel."

Die beiden drehten sich verwundert um. Dann fluchte Rinoa höchst undamenhaft.

„Xell! Was zur Hölle denkt sich dieser Kerl dabei, einfach bei der Forschungsinsel auszusteigen? Er hat keine Kopplungen!"

„Egal, was er sich gedacht hat, jetzt müssen wir ihm erst mal helfen. Laufschritt!", befahl Squall. „Ich hoffe, er hat gute Gründe, um mir das zu erklären!"

Xell fühlte sich absolut nicht wohl in seiner Haut, so ganz ungekoppelt allein auf einer Insel voll von Monstern, aber er hoffte, Squall würde ihn verstehen, wenn er erfuhr, was Selphie und er gesehen hatten. Sie hatten mit der Ragnarok, ihrem Raumschiff estharischer Abstammung, Dollet überflogen und dem Kampf ihrer Freunde zugesehen, bis sie sicher waren, dass nichts mehr passieren konnte.

Dann hatte er Selphie angewiesen, näher zur Forschungsinsel heranzufliegen, um vielleicht Genaueres herausfinden zu können. Niemand wusste, wer die Forschungsinsel gebaut hatte, die sie vor ihrem Kampf mit der Esthar-Hexe Adell weit draußen im Meer entdeckt hatten, aber Xell wusste aus den Erzählungen seines Großvaters von einer Art riesigem Draw-Punkt im Meer, wo geheime Experimente mit GF und unnatürlichen Zaubern stattgefunden hatten. Aus unerfindlichem Grund war das Projekt schließlich eingestellt worden, vermutlich waren die Monster auf der Insel zu stark für weitere Versuche geworden. Xell erinnerte sich noch gut daran, wie er, Squall und damals noch Quistis in die Kammern eingedrungen und schließlich auf Bahamut gestoßen waren, den König der GF.

Es war ein harter Kampf gewesen, aber sie hatten Bahamut so sehr beeindruckt, dass er sich ihnen anschloss und sogar andeutete, dass es noch viel größere Geheimnisse auf der Insel gab. Und tatsächlich, als sie durch eine Felsspalte noch tiefer eindrangen, entdeckten sie neben zahlreichen Monstern auch eine Art Tresortüre, die durch die richtige Anzahl von Dampfeinheiten geöffnet wurde. Es hatte lange gebraucht, bis sie dieses Rätsel gelöst hatten, aber die Belohnung war es wert gewesen: Ultima Weapon, eins der stärksten Monster, und bei ihm die unsagbar starke GF Eden!

Jetzt allerdings fragte sich Xell, ob diese Insel noch weitere Geheimnisse verbarg. Damals waren sie wieder abgehauen, weil sie nicht hatten glauben können, dass noch etwas stärker sein konnte als Ultima Weapon, aber sie hatten seither nicht wenige Gegner besiegt, die stärker gewesen waren...

Jedenfalls hatte Selphie registriert, dass die seltsame Säule, in der Bahamut gefangen gewesen war, wieder pulsierte, und diesmal so stark, dass man den Widerschein sogar hier bei Tageslicht sehen konnte! Da sie beide nicht wussten, was das bedeutete, hatte er entschieden, auszusteigen und das Geheimnis zu ergründen, ohne sich in Gefahr zu begeben. Ihm war mulmig zumute, auch wenn er das nicht zugegeben hätte, und er hielt das Funkgerät, mit dem er mit Selphie in Verbindung stand, fester, als es nötig war.

„Xeeeeell!", klang auf einmal die laute Stimme des Mädchens aus dem Lautsprecher. „Ich hab grade Squall und die aaaanderen bemerkt! Sie..."

„Selphie, sei um Himmels Willen ein bisschen leiser", wisperte er erschrocken ins Funkgerät. „Dir geht's da oben ja ganz gut, aber ich befinde mich auf einer monsterverseuchten Insel, die wir nie völlig erforscht haben!"

„Tschuldigung." Er registrierte beruhigt, dass die Stimme des Mädchens tatsächlich leiser war – was hieß, dass sie ungefähr die normale Lautstärke jedes anderen Menschen erreicht hatte. „Iiiich wollte dir nur mitteilen, dass Squall und die anderen auf die Insel zulaufen. Hoffentlich hast du ein paar gute Ausreden für den Chef, warum du ausgestiegen bist. Ooooover!"

„Ja, danke. Aber hör mir zuliebe mit diesem Over-und-out-Quatsch auf. Wir sind doch nicht beim Militär!"

„Okay", gab das Mädchen nach. Er wollte das Funkgerät gerade ausschalten, als sie ein kicherndes „Ende" von sich gab. Fluchend drückte er die „Aus"- Taste. Einmal wollte er einen Tag erleben, an dem diese kleine Göre ernst blieb, nur einmal! Aber das würde wohl ein frommer Wunsch bleiben.

Leise bewegte er sich auf den Eingang zur großen Halle zu. Jetzt sah man das pulsierende blaue Licht, das von der seltsamen Säule im Inneren abgegeben wurde, ganz deutlich. Es war tatsächlich noch intensiver als damals, außerdem blinkte es schneller. Er wusste nicht, was das hieß, aber es bedeutete sicher nichts Gutes. Leise stellte er sich vor den Felseneingang und lugte hinein. Beinahe hätte er den Kopf wieder zurückgerissen.

Im Inneren befanden sich zwei Quale, ein Galchimesära, ein Wild Hook, vier Heckenschlangen und ein alle anderen überragender Rubrum-Drache. Die furchtbaren Monster standen alle um die Säule herum und schienen auf irgendetwas zu warten. Xell wagte kaum zu atmen. Schließlich hörte das Pulsieren auf, das Licht blieb. Der Junge kniff die Augen zusammen. War das hell, verdammt! Dann wuchs auf einmal ein Schatten im Inneren der Säule heran. Ein Schatten, der schnell größer wurde. Und der Xell Furcht einflößte. Er konnte zwar keinen „Analyse"-Zauber aussprechen, aber er fühlte, dass dieses Etwas sehr stark war.

Ein Qual und der Galchimesära traten beziehungsweise hoppelten vor und verharrten vor der Säule. Dann zuckten die beiden plötzlich zusammen und mehrere Lichtkugeln lösten sich von ihren Körpern und schossen auf die Lichtsäule zu. Zauber, dachte Xell erschrocken. Irgendetwas da drinnen entzieht den Monstern Zauber! Als die beiden Monster sich wieder beruhigt hatten, hatte das Pulsieren wieder eingesetzt und der Schatten war verschwunden. Und im selben Moment hörte Xell Schritte hinter sich. Erschrocken sah er sich um.

„Ich glaube, ich muss dir eine runterhauen!", verkündete ein ziemlich wütend aussehender Squall. „Was fällt dir ein, einfach hier abzusteigen, obwohl du vollkommen wehrlos warst?"

„Natürlich nur in Bezug auf die Monster hier", fügte Rinoa hinzu, als sie Xells empörtes Gesicht wahrnahm.

„Das war wirklich äußerst leichtsinnig", schloss sich Irvine den beiden an. „Und ich dürfte da eigentlich nicht reden. Aber das hier übertrifft alles."

Xell hob beruhigend die Hände. „Ruhig, Leute, ruhig", flüsterte er. „Da drinnen sind ein Haufen Monster, also seid leise. Ich weiß selbst, dass das unverantwortlich war, aber es hat sich gelohnt. Ich hab war Seltsames gesehen."

Squall legte die Stirn in Falten (darin war er Meister) und fragte misstrauisch: „Und was?"

„Habt ihr schon bemerkt, wie stark das Licht hier pulsiert?", fragte Xell aufgeregt. „Selphie hat es bemerkt, und ich wollte es mir aus der Nähe ansehen. Die Säule, in der Bahamut eingeschlossen war, ist immer noch aktiv! Ein komischer Schatten war darin und hat einem Qual und einem Galchi- ach, ich merk mir diesen blöden Namen ja doch nie, so ein zauberndes Rattenvieh halt, jedenfalls hat er den beiden Zauber entzogen! Und dann ist er wieder verschwunden und ihr seid aufgetaucht!"

„Ein Qual und ein Galchimesära? Bist du sicher?", fragte Irvine überrascht.

„Ja", antwortete Xell. „Wieso fragst du?"

„Weil solche Monster in Dollet alle Draw-Punkte geleert haben", erwiderte Rinoa angespannt. Sie schien sehr nervös zu sein. „Frag uns nicht wieso, aber diese Monster sind fähig, Zauber zu ziehen."

„Aber kein Monster auf der Welt kann so was!", protestierte Xell und vergaß völlig, leise zu sein. „Auch hier konnten sie es vor einem Jahr noch nicht! Was machen wir jetzt, Squall?"

Der Anführer dachte einen Moment lang nach und hob dann den Kopf. „Ich denke, wir sollten erst einmal zum Garden zurückkehren", entschied er mit einem Seitenblick auf Rinoa. „Es ist besser, wenn wir uns jetzt noch nicht in Gefahr begeben. Wir können die Insel mit der Ragnarok später schnell wiederfinden, wenn es nötig sein sollte."

„Squall, ich hab dir schon mehrmals gesagt, dass du auf mich keine Rücksicht nehmen sollst!", brauste Rinoa auf. „Nur weil ich..."

Squall packte sie so schnell am Arm, dass sie viel zu perplex war, um sich zu wehren. Mit sehr ernstem Gesicht sah er sie an. „Rinoa", sagte er sanft, „ich KANN dich nicht so behandeln wie die anderen, versteh das doch! Seit ich mit dir zusammen bin, lebe ich in ständiger Angst, dass du in einem Kampf verletzt werden könntest. Ich habe das unterdrückt, weil mir klar ist, dass du so behandelt werden willst wie jeder andere Kämpfer auch. Aber verzeih mir, ich kann dich nicht gegen einen Feind schicken, von dem wir nichts wissen! Ich kann es nicht!"

Rinoa war völlig fassungslos, und auch den anderen standen die Münder offen. So einen Gefühlsausbruch hatte sich Squall in der Öffentlichkeit noch nie geleistet! Wenn sie allein waren, zeigte er seine Unsicherheit und Liebe zu ihr offen, aber vor ihren Freunden wollte er der starke Anführer bleiben, auf den sich alle verlassen konnten. Seine Ängste hatte er außer ihr niemandem anvertraut. Als sie sein gequältes Gesicht sah, wurden ihre Augen feucht.

„Squall...", flüsterte sie, aber sie wurde unterbrochen.

„Squall hat völlig Recht, Rinoa", bemerkte Irvine. „Wenn er sich nicht diesen zugegebenermaßen ziemlich beeindruckenden Auftritt geleistet hätte, dann hätte ich euch geraten zu gehen. Ihr wollt bald heiraten, und verdammt noch mal, ich will, dass ihr dann noch bei bester Gesundheit seid! Und deshalb werden wir zurückfliegen und ihr werdet euch aus diesem Kampf raushalten! Es gibt noch andere SEEDs, die ihn übernehmen können!"

Sein Gesicht war so entschlossen wie selten. Rinoa wusste, dass er nicht mit sich handeln lassen würde. Auch Xell schlug seine Handschuhe zusammen.

„Genau", stimmte er zu. „Was glaubst du, was für eine Standpauke Mama uns halten würde, wenn sie erführe, dass wir euch so kurz vor eurer Hochzeit kämpfen lassen? Ihr werdet das schön uns überlassen. Außerdem könntet ihr so unser Hochzeitsgesch- aua!"

„Quasselstrippe!", zischte Irvine und funkelte den auf einem Fuß hüpfenden Xell an. „Warum erzählst du ihnen nicht auch gleich deine persönlichsten Geheimnisse?"

„Ist schon gut, Irvine", warf Rinoa ein. Ihre Augen waren voller Tränen, aber sie lächelte glücklich. „Ich... lass mich bitte los, Squall... ich bin einverstanden. Fliegen wir zurück. Squall und ich werden uns aus diesem Kampf heraushalten. Squall", flüsterte sie, „das war... so lieb von dir. Danke." Sie umarmte ihn und der Junge mit der Narbe auf der Stirn erwiderte die Umarmung impulsiv.

„Ähem", bemerkte Irvine und bemühte sich, nicht in die Richtung der beiden zu sehen. „Xell, wir wär's, wenn du Sephie anfunkst? Wir sollten abhauen, oder?"

„Oh! Sicher." Xell hielt das Funkgerät ans Ohr. „Selphie, kannst du mich hören? Du kannst jetzt landen und uns an Bord nehmen."

„Das glaube ich nicht", entgegnete das Mädchen ungewohnt finster. „Sieh mal hinter dich."

Im selben Moment schrie Irvine warnend auf. „Squall! Rinoa! Die Monster haben uns entdeckt! Passt auf!"

Squall zog mit beeindruckend schneller Reaktion seine Löwenherz und drehte sich zum Eingang der Forschungsstation um. Tatsächlich! Die beiden Quale, der Galchimesära und der Wild Hook waren herausgekommen und beäugten die Eindringlinge mordlüstern. Die Heckenschlangen und der Rubrum-Drache waren nicht zu sehen, wahrscheinlich bewachten sie die Lichtsäule, aber er hatte nicht vor, auf sie zu warten.

„Xell!", rief er. „Bleib hinter uns! Du bist am verwundbarsten von uns!"

„Alles klar!" Der blonde Junge hüpfte an ihnen vorbei und duckte sich hinter einen Felsen. Bei diesen Monstern war das zwar auch kein großartiger Schutz, aber besser als nichts. Die anderen drei gingen in Kampfstellung, bereit, es den Gegnern zu zeigen.

Squall war dank „Erstschlag" der erste, der an die Reihe kam. Sein Schwerthieb fügte dem Galchimesära schweren Schaden zu. Diese lästigen kleinen Biester konnten äußerst ungemütliche Zauber sprechen, und dazu wollte er ihm keine Gelegenheit geben. Irvines „Auto-Hast"-Ability ließ ihn als nächsten an die Reihe kommen. Er entschied sich für eine GF. Rinoa ließ ihre „Shooting Star" fliegen und fügte einem der Quale eine schmerzhafte Wunde zu.

Der Galchimesära hatte sich inzwischen schon wieder erholt und sprach Blenden auf Rinoa, was jedoch nicht wirkte. Sie grinste abfällig. Dagegen war sie gekoppelt. Der erste Qual war schlauer: Er wandte seine natürliche „Tod"-Fähigkeit an. Das Mädchen fühlte erschrocken, wie das Leben aus ihr wich, als der Sensenmann nach ihr griff. Inzwischen war Irvines GF einsatzbereit. Der geisterhafte Doomtrain raste heran und belegte die Monster mit allen Zuständen. Irvine grinste zufrieden, als er wieder auftauchte.

Da alle Monster bis auf den Galchimesära schliefen, zog Squall Engel von einem der Quale und belebte Rinoa wieder. Sie warf ihm einen dankbaren Blick zu und stand wieder auf. Irvine schoss indes auf den Galchimesära, welcher tot umfiel. Dennoch war Squall beunruhigt. Wieder gingen alle Angriffe der Monster auf Rinoa. Warum nur?

Rinoa entschied sich ebenfalls für eine GF, um die Biester nicht aufzuwecken. Squall warf einen Holy-Stein auf einen der Quale, der „qual"- voll zuckte, aber nicht aufwachte. Irvine drawte Gravit von dem anderen Qual und setzte es gegen den Wild Hook ein. Auch der Schwerkraftzauber weckte das Monster nicht auf. Eine Sekunde später verschwand Rinoa und ein riesiger Eiskristall wuchs aus der Erde hervor. Shiva erwachte augenblicklich, sprengte ihr Gefängnis und fügte den Bestien mit ihrem „Diamantenstaub" starke Wunden zu. Als Rinoa wieder auftauchte, grinste sie ihn an. War doch gar nicht so schwer, schien sie zu sagen.

Squall fühlte es einen Augenblick, bevor es geschah. Plötzlich leuchteten um die Monster weiße und farbige Strahlen und einen Moment später waren sie wieder geheilt. Medica!, dachte er erschrocken. Aber das können sie nicht sprechen! Gleich im Anschluss daran fühlte er ein starkes Ziehen und unzählige Lichtkugeln lösten sich aus seinem Körper und schossen durch den Eingang der Station auf die Lichtsäule zu. Einen Moment lang fühlte er sich, als ob er sich übergeben müsste, dann stellte er sich breitbeinig hin und hob drohend die Gunblade. Er überprüfte erschrocken seine Kopplungen, fand aber keinen einzigen Zauber mehr!

„Squall! Ich hab meine gesamte Magie verloren!", rief ihm Irvine in heller Panik zu. Der Junge war käseweiß im Gesicht und auch er hielt sich nur mit Mühe auf den Beinen. Der Wild Hook sprang vor und versetzte ihm einen schweren Schlag, der den Schützen beinahe ins Jenseits beförderte.

„GF einsetzen!", schrie Squall. Was zum Teufel war hier nur los? Der zweite Qual sprach Gravit auf ihn und zog ihm weitere Lebenspunkte ab, aber die waren nun ohnehin im Keller, da er seine HP-Kopplung verloren hatte. „Rinoa! Wir brauchen die Spezialtechniken!"

Das Mädchen nickte und konzentrierte sich. Squall sprang vor und versetzte einem Qual einen Hieb, aber der hatte nun nicht mehr viel Durchschlagskraft. Er hatte Angst. Ohne ihre Zauber waren sie höchst verwundbar. Irvine machte den Brothers Platz, die ihre Schau abzogen und einen Qual am Ende tot zusammenbrechen ließen. Aber ewig konnten sie das nicht durchhalten!

Plötzlich riss Rinoa die Augen auf und um sie erstrahlte himmlisches Licht, als sie ihr Limit einsetzte. Flügel wuchsen aus ihrem Rücken und sie hob vom Boden ab, als „Vari" seine Wirkung tat. Und gleichzeitig geschah etwas sehr Seltsames: Aus Rinoas Hand löste sich ein gleißend heller Lichtfaden und hüllte Squalls Löwenherz ein! Die Waffe erstrahlte in ebenso hellem Licht wie die Säule im Forschungsraum und Squall spürte, wie seine Spezialtechnik ebenfalls verfügbar wurde.

Triumphierend schrie er auf, als gelbe Flammenzungen um ihn herum aufstoben und sprang vor. Aber seine Waffe schien ein seltsames Eigenleben bekommen zu haben. Er hieb auf den Qual ein und im selben Moment erschütterte ein Ultima-Zauber die Erde. Der nächste Streich war gegen den Wild Hook gerichtet, und ihm folgten mehrere Meteore, die auf den beiden Monstern einschlugen. Der dritte Hieb traf wiederum den Wild Hook und beschwor einen Tornado, der vierte zog dem Qual die letzten Lebenspunkte ab und löste ein Erdbeben aus.

Squall keuchte, diese Technik kannte er nicht! Aber sie war unglaublich anstrengend, mehr noch als der Herzensbrecher! Er riss die Löwenherz, die dem Qual schon wieder einen Hieb versetzen wollte, mit enormer Kraftanstrengung zurück und sprang wieder auf seinen Platz. Er blieb keuchend hocken, während der Wild Hook und der Qual ihr Leben aushauchten. Er hörte, wie Rinoa neben ihm zusammenbrach und bemerkte, dass das Leuchten nun von seiner Waffe wich, aber er war nicht mehr imstande, den Kopf zu drehen und den Lichtfaden zu verfolgen, der wieder zu Rinoa zurückkehrte. Er hatte gar nicht bemerkt, dass der Faden während seines ganzen Limits mit der Löwenherz verbunden gewesen war.

„Was bei Hyne...?"

Irvine war vollkommen bestürzt und Xell war jede Farbe aus dem Gesicht gewichen, sodass seine schwarze Tätowierung sich wie eine Rune auf Papier abhob. Aber die beiden waren nicht halb so überrascht wie Squall und Rinoa selbst. Als der Junge der Hexe in die Augen blickte, sah er große Angst.

„Squall", krächzte sie mühsam, „was... war das?"

„Ich weiß es nicht", gab er zu, und stand, auf sein Schwert gestützt, auf. „Unsere Kräfte ... scheinen sich irgendwie vermischt zu haben. Ich habe keine Ahnung wie."

„Heyyyyy, Leute", drang auf einmal Selphies begeisterte Stimme zu ihnen herüber. Das Mädchen hatte die Ragnarok gelandet und war anscheinend völlig aus dem Häuschen. „Das habt ihr absolut suuuuper hingekriegt! Wie habt ihr das gemacht? Kann ich das auch lernen? Mann, den Viechern habt ihr's aber ordentlich gezeigt! Wenn ich daaaaas erzähle, dann..."

„Selphie", unterbrach Irvine und benutzte zum ersten Mal seit langem ihren vollen Namen. „Wir sollten das auf später verschieben. Wir müssen schnellstens von hier weg. Wirf die Motoren an."

Das Mädchen sah ihn verwirrt an, aber als sie den bestürzten Ausdruck in seinem Gesicht bemerkte, schluckte sie ihre Fragen hinunter und lief zurück ins Schiff. „Okay", verkündete sie über den Bordlautsprecher. „Alle an Booooord!"

„Squall, soll ich dir helfen?", erkundigte sich Xell etwas verspätet. „Oder dir, Rinoa?"

Squall winkte ab, aber Rinoa hatte Xells Frage offenbar gar nicht gehört. Sie starrte ihre Hände an, als wären sie etwas Böses. Xell ergriff sie behutsam an der Schulter und hielt ihr die Hand zum Aufstehen hin. Sie sah ihn verwirrt an, stand aber dann auf und ging mit ihm auf das Schiff zu. Squall war nicht einmal ein bisschen eifersüchtig, so aufgewühlt war er. Was bei allen GF war das nur gewesen? Eine Minute später hob die Ragnarok ab und nahm Kurs auf den Balamb Garden.