1 Kapitel 7
„Steuern Sie den Garden zur Airstation", trug Cid Niida auf. Der Junge war noch immer missmutig, was man ihm ja auch wohl kaum verdenken konnte. Immerhin heiratete einer seiner Freunde, und er durfte nicht dabei sein. „Und passen Sie auf, dass wir keine Passanten erschrecken."
„Ich bin kein Anfänger, Direktor", entgegnete Niida und riss das Ruder gekonnt herum. „Ich weiß schon, was ich machen muss."
„Schön, das zu hören."
Sanft steuerte der Garden zwischen den riesigen modernen Hochhäusern auf die Esthar-Airstation zu. Cid runzelte die Stirn, als er bemerkte, dass die Ragnarok gar nicht hier war. Dann fiel ihm wieder ein, dass Irvine und Selphie ja bei der Residenz ausgestiegen waren. Vermutlich waren sie bereits unterwegs. Nun, je schneller sie das hinter sich brachten, desto besser.
Als der Junge neben der Plattform anlegte, auf der sonst das riesige Weltraumgefährt der SEEDs stand, atmete Cid erleichtert aus. Ihm war nie richtig wohl dabei, wenn er sah, wie nahe Niida den Garden an die Hauswände steuerte. Aber bis jetzt hatte es höchstens einige Kratzer gegeben. „Sehr gut, Niida", verkündete er. „Von nun an haben Sie und Crys frei. So lange Sie den Garden nicht verlassen, steht Ihnen alles offen."
„Ja, Herr Direktor." Niidas Miene schwankte zwischen Weltuntergang und Tod eines Verwandten. Dennoch salutierte er gehorsam. „Crys, kommst du?"
„Direktor", rief die in diesem Moment herüber. Auch wenn das Mädchen sehr bedrückt war, hatte sie es sich nicht entgehen lassen, Esthar ausgiebig vom Rand der Steuerungsplattform zu betrachten. Galbadianer kamen schließlich nicht alle Tage nach Esthar. „Ist es normal, dass hier überall Monster herumlaufen?"
„Ja, davon hat Squall erzählt", bestätigte der Direktor. „Normalerweise wagen sich Monster nicht in Gegenden, die so dicht von Menschen besiedelt ist. Sie fürchten die Magie. Aber Esthar ist so groß, dass sich immer wieder ein Monster hereinverirrt."
„Ist es auch normal, dass hier ein gutes Dutzend davon auf einem Fleck herumläuft?"
„Was?", entfuhr es Niida. „Unmöglich!" Rasch trat er zum Rand der Plattform. Cid entnahm seinem bleich werdenden Gesicht, dass er nichts Gutes sah. „Oh, oh", murmelte er. „Sie hat Recht, Direktor. Da unten sind sogar mehr als ein Dutzend Stahlgiganten, Quale, Galchimesäras und Behemoths! Und es kommen immer mehr durch die Schlupflöcher herein!"
„Unfassbar! Wie ist das nur möglich?" Cid war völlig außer sich. „Ist es hier etwa auch schon soweit?"
„Was ist soweit?", wollte Niida wissen. Er wirkte erschrocken.
„Ich befürchte, in Esthar gibt es keinen einzigen Zauber mehr", erklärte Cid. „Squall und die anderen beobachten dieses Phänomen schon eine ganze Weile. Offenbar saugt etwas die magische Energie ganzer Kontinente ab. Galbadia, Dollet, Centra und einige andere Erdteile hat es schon erwischt... und nun auch Esthar. Was sollen wir nur tun?"
„Wir müssen die Behörden verständigen!", entschied Crys energisch. Ihre militärische Ausbildung machte sich nun bezahlt. „Präsident Loire muss das erfahren! Und Sie müssen den Befehl geben, die Monster hier zurückzuschlagen, Direktor, bevor sie unschuldige Menschen erreichen!" Sie wirkte so befehlsgewohnt, dass Niida beinahe einen Schritt zurückwich.
Dann straffte er sich jedoch und sagte: „Sie hat Recht, Direktor. Lassen Sie uns kämpfen. Wir müssen die Stadt verteidigen, wenn wir wollen, dass überhaupt noch eine Hochzeit stattfinden kann, von der wir fernbleiben sollen!"
Cid lächelte kurz, wurde aber sofort wieder ernst. „Kommen Sie", befahl er und trat zum Aufzug. „Wir müssen den Schülern Bescheid geben. Ich rufe sie in der Eingangshalle zusammen und Sie beide erklären Ihnen, was sie zu tun haben." Der Aufzug setzte sich in Bewegung und kam im dritten Stock wieder zum Stehen. Cid ging auf seinen Schreibtisch zu, während Crys und Niida zur Tür rannten. „Jetzt haben Sie es also doch noch geschafft, nach Esthar zu kommen, nicht wahr?", rief er den beiden nach. Bildete er es sich ein, oder hörte er Lachen?
Kopfschüttelnd setzte der Direktor des Balamb Garden sich in seinen Sessel. Wieso musste immer alles so aus dem Gleichgewicht geraten? Er drückte auf die Lautsprecher-Taste und rief angemessen laut: „Hier spricht Direktor Cid. Bitte verlassen Sie den Garden noch nicht! Monster sind in Esthar eingedrungen! Niida und eine Schülerin des Galbadia Garden werden in Kürze in der Eingangshalle eintreffen. Bitte begeben Sie sich ebenfalls dorthin, Ihnen wird gesagt werden, was Sie zu tun haben. Niemand, ich wiederhole, niemand, der nicht krank oder anderweitig kampfunfähig ist, darf fernbleiben! Dies ist ein offizieller Einsatz des Gardens! Sollten Sie im Verlauf des Kampfes auf Truppen aus Esthar treffen, befolgen Sie bitte deren Befehle. Viel Glück Ihnen allen... schützen Sie Esthar, damit Ihr Schulsprecher und Miss Heartilly ihre Hochzeit nicht verlegen müssen."
Einen Moment zog Cid eine Schnute wegen seines melodramatischen Auftritts. Aber jetzt war es gesagt, und immerhin hatte es doch gar nicht so schlecht geklungen. Gut, Niida und Crys würden schon wissen, was sie zu tun hatten. Nun war es wichtig, dass er Laguna erreichte. Er wählte die Geheimnummer der Residenz, in der der Präsident vermutlich sein würde. Als eine Minute lang allerdings niemand abhob, gab er auf. Wo war Squalls Vater nur?
Dann fiel Cid etwas ein. Laguna hatte Squall bei einem seiner Besuche einmal eine Nummer gegeben, mit der er einen Empfänger erreichte, den der Präsident immer bei sich trug. Squall hatte das Ding ihm gegeben, weil er mit der Ragnarok jederzeit nach Esthar konnte, wenn er sich mit seinem Vater unterhalten wollte... was in letzter Zeit ohnehin ziemlich oft der Fall gewesen war. Hastig suchte er in allen Schubladen, um dann am Schluss festzustellen, dass er den Zettel in der Brieftasche trug. Brummelnd wählte er die 20-stellige Nummer und wartete ungeduldig einige Male. Aber als sich schließlich jemand meldete, war es nicht Laguna.
„Wer sind Sie?", fragte eine ungeduldige Stimme. „Der Präsident ist momentan beschäftigt!"
„Kiros?", fragte Cid. „Sind Sie das? Ich bin Direktor Cid vom Balamb Garden!"
„Cid?" Kiros war einen Moment perplex, aber dann fing er sich wieder. „Woher haben Sie... ach was, scheißegal! Hören Sie, wir haben hier gerade mächtig Probleme! Laguna befürchtet, dass in einige Minuten sämtliche Monster des Kontinents hier sein werden, um Esthar zu stürmen! Sie und Ihre SEEDs wären jetzt echt eine große Hilfe!"
„Sind wir bereits", korrigierte der Direktor. „Wir sind bei der Airstation, und die wird bereits von den Monstern überrannt. Wir versuchen, sie aufzuhalten, aber dadurch können wir Ihnen woanders nicht mehr helfen."
„Verflucht! Die Leute haben sich auf der Inneren Straße versammelt. Die Monster dürfen also höchstens bis zum Außenring kommen!"
„Dann bleiben nur die fünf Eingänge zur Straße", mutmaßte Cid. „Die Außenstraße selbst ist doch hoffentlich abgeschirmt?"
„Selbstverständlich." Kiros klang etwas verächtlich. „Die innere Straße ist nur über die Airstation, das Magieinstitut, die Autovermietung und das Einkaufszentrum zu erreichen! Um die Vermietung müssen wir uns keine Sorgen machen, die Tore dort sind ab jetzt nur noch mit einem Code zu öffnen, und ich glaube kaum, dass die Viecher den knacken!"
„Was ist mit dem Palast?", wollte Cid wissen. „Durch den kommt man doch auch in die innere Stadt, oder?"
„In dem verschanzen wir uns", erklärte Kiros. „Der Präsidentenpalast ist schwer gepanzert, aus verständlichen Gründen. Das schaffen Laguna, Ward und ich allein. Also müssen wir unsere Soldaten auf das Magieinstitut und das Einkaufszentrum aufteilen... aber die werden erst in paar Minuten so weit sein loszumarschieren. Halten Sie uns wenigstens die Monster bei der Airstation vom Leib, ja? He, Laguna, was..."
"Cid?" Lagunas Stimme klang gehetzt, wie von jemandem, dem was Wichtiges eingefallen ist. „Sagen Sie nichts, hören Sie mir zu! Ell ist noch in der Stadt, zusammen mit einigen Kindern aus dem Waisenhaus! Edea ist grade auf der Suche nach ihnen, aber jetzt, wo die Monster eindringen... Sie müssen unbedingt ein paar Ihrer Leute losschicken, um sie zu suchen! Bringen Sie sie in den Garden, dort sind sie mal eine Weile sicher."
„Edea?" Cid erschrak. „Sie ist HIER?"
„Ich hab keine Zeit, Ihnen alles zu erklären!", wehrte Laguna ab. „Sie müssen Sie finden, hören Sie? Ich schätze, Ell wird den Kindern das Einkaufszentrum gezeigt haben, schließlich verbringt sie dort fast ihre gesamte Freizeit... Edea wird wahrscheinlich auch dort sein. Ich verlass mich auf Sie, Cid! Finden Sie sie und bringen Sie sie in Sicherheit."
„Natürlich", murmelte Cid etwas benommen. Was machte Edea bloß hier? „Und viel Glück."
„Danke, kann ich brauchen, gleichfalls. Aber dass Sie mir ja keine unerfreulichen Meldungen schicken, ja?"
Als der Kontakt abbrach, fasste sich Cid an den Kopf. Edea tauchte anscheinend überall dort auf, wo etwas außer Kontrolle geriet. Flüchtig verzog er die Lippen, als er daran erinnert wurde, dass auch das ein Grund gewesen war, warum er sie geheiratet hatte. Dann wurde er ernst. Er schaltete auf Außenlautsprecher um.
„An Niida und Crys!", rief er ins Mikrofon. „Es gibt einen Notfall! In der Stadt befinden sich meine Frau Edea, Ellione und einige Waisenkinder, die nichts vom Monstereinfall wissen! Sie beide begeben sich bitte sofort zum Einkaufszentrum und holen sie! Wenn sie dort nicht sind, suchen Sie im Magieinstitut und kommen dann zurück, mit oder ohne ihnen! Sofort!"
Jetzt wusste er, wieso Squall die Verantwortung, Schulsprecher zu sein, überhaupt nicht zusagte. Man musste eine Menge herumschreien, Leute anpflaumen, die man mochte und immer auf unliebsame Überraschungen gefasst sein. Er lehnte sich seufzend zurück. Nun konnte er nur noch warten, ob alle anderen Erfolg hatten...
„Ruhig, Kinder", flüsterte Ellione und versuchte, sich noch weiter in die dunkle Ecke des Geschäfts zu drängen. Sie war gerade mit den Kindern dabei gewesen, einige Dinge online zu bestellen, als plötzlich abscheuliche Wesen im Vergnügungspark für Esthars Erwachsenenwelt aufgetaucht waren. Jetzt schlichen die Bestien durch die verwaiste Straße. Fast alle Passanten waren geflohen, aber Ell konnte noch immer den Schrei eines Bürgers hören, der nicht schnell genug gewesen war.
„Ich hab Angst", wimmerte eines der Mädchen und klammerte sich an Ells Rockzipfel fest. Das ältere Mädchen wusste nicht, wie die Kleine hieß, aber das spielte keine Rolle. Sie nahm es in die Arme und versuchte, es zu beruhigen. Auch die anderen Kinder hockten zitternd in ihrer Nähe. Nur Aniery und Tinill wagten es, hie und da auf die Straße zu spähen, aber beide waren schreckensbleich. Natürlich schwärmten alle Kinder von Heldengeschichten... aber den Monstern daraus selbst gegenüberzustehen, war was Anderes!
„Wenn nur Tante Quistie hier wäre", flüsterte Eclisa Veshore zu. Der kleinere Junge hielt sein Spielzeugschwert so fest umklammert, dass das Hartplastik ächzte. Aber auch Eclisa war übel von den Lauten, die diese Monster von sich gaben. „Sie könnte die Monster allein besiegen."
„Wird sie uns finden?", fragte Aniery Ellione. Aus seinen Augen sprach große Hoffnung. Ell zögerte. Niemand wusste genau, dass sie hier waren. Und es konnte noch dauern, bis bekannt wurde, dass das Einkaufszentrum besetzt war. Aber sie konnte die Kinder nicht enttäuschen. „Vielleicht", schloss sie einen Kompromiss. „Aber wir müssen tapfer sein und uns bis dahin gut verstecken."
„Und wenn eins der Monster uns findet?", fragte Tinill mit schriller Stimme. Vor nackter Panik überschlug sie sich ein paar Mal. Ell gab keine Antwort darauf.
Einige Minuten vergingen quälend langsam, während die Geräusche draußen immer näher kamen. Nun krochen auch Aniery und Tinill zurück zu den anderen. Ell betete zu allem, was ihr einfiel, dass keine der Bestien genug Verstand besaß, um hier herinnen jemanden zu vermuten.
„Keine Angst", wisperte sie noch einmal. „Es wird nicht mehr lange dauern, bis uns jemand hier findet."
Bevor jedoch eins der Kinder antworten konnte, knarrte die Tür. Alle hielten unwillkürlich den Atem an, als sie langsam aufschwang. Dann tappte die kleine Teufelsgestalt eines Galchimesära herein. Ell war gleichzeitig erleichtert wie erschrocken. Onkel Laguna hatte einmal erwähnt, dass diese kleinen Biester zwar lästige Zauber sprechen konnten, aber im Gegensatz zu anderen Monstern sehr schwach waren. Die dämonisch gelben Augen wanderten im Raum umher und zischelnde Laute klangen durch die Dunkelheit. Und ehe Ell es verhindern konnte, stieß eins der Kinder einen erschrockenen Schrei aus.
Die Augen erstarrten. Dann erklangen wieder Schritte in ihre Richtung. Ell setzte das wimmernde Mädchen ab und stand langsam auf. Sie durfte das Monster nicht provozieren. Das Biest sah sie dennoch misstrauisch an und zischte ungehalten. Offenbar betrachtete es einen Haufen Kinder und eine junge Frau nicht als Gegner, sonst hätte es schon einen seiner berüchtigten Zauber angewandt.
„Seid ruhig", flüsterte sie und faltete die Hände. „Bewegt euch nicht." Sie vergewisserte sich nicht, ob die Kinder den Rat befolgten, sondern weckte ihre Hexenkraft. Sie war niemals so stark gewesen wie Rinoa, Adell oder gar Artemisia. Aber immerhin war sie auch ohne GF in der Lage, die Magien anderer Lebewesen zu spüren. Dadurch konnte sie gezielt in die Gedanken anderer eindringen... und mit einiger Hilfe von Rinoa sogar Zauber drawen und einsetzen!
Sie atmete tief durch und schickte ihre geistigen Fühler zum Bewusstsein des Galchimesäras aus. Sie hatte noch nie ein nicht-menschliches Selbst berührt, aber im Grund war das gar nicht so anders als sonst. Aber als sie den Kontakt hergestellt hatte, wusste sie, warum das Vieh keinen Zauber angewandt hatte. Es besaß keinen. Nicht einen einzigen angeborenen Spruch! Ell wurde blass. Dann konnte sie dem Monster auch nichts entgegensetzen.
Der Galchimesära schien zu wissen, was sie versucht hatte. Er ließ ein höllisches Lächeln sehen und tappte wieder einen Schritt vorwärts, seine Krallen weit ausgestreckt, der Schwanz wild umherpeitschend. Die Augen des Monsters leuchteten auf, als einige der Kinder zu weinen anfingen.
Auf einmal zischte etwas Leuchtendes durch die offene Tür, direkt auf das Monster zu. Alle, sogar Ell schrieen auf, als etwas den Galchimesära durchstieß. Ungläubig betrachtete die Bestie den Vogel aus glitzerndem Eis, der ihm durch die Brust gedrungen war. Dann kippte sie lautlos zur Seite und verschwand.
„Edea!", stieß Ell hervor. Sie hatte das Limit der anderen Hexe erkannt. „Wo bist du?"
Eine zierliche Frauengestalt schob sich durch die Tür und schloss sie gleich darauf. Einen Augenblick lauschte sie, ob momentan noch ein Monster herkam, dann drehte Edea sich um. „Ich wusste doch, dass du hierher kommst", meinte sie. „Dein Vater hat mal erwähnt, dass du Esthars Kassen mit deinen Einkaufstouren leerst!" Ell lachte befreit auf.
Im nächsten Moment drängten sich die Kinder wie ein Mann nach vorn und scharten sich um ihre Mutter. Nicht wenige weinten, einige wollten wissen, was Edea gemacht hatte und einige wollten sich nur bei ihr festhalten. Die Hexe streichelte beruhigend über einige Köpfe und riet ihnen dann, wieder zurückzugehen. Mit allen Monstern würde sie auch mit ihrem „Eisigen Zorn" den Kürzeren ziehen.
„Lande auf Balamb, Selphie!", befahl Squall kalt, während er die Forschungsinsel musterte. Wie alle anderen hatte er die Silhouetten von Cifer, Rai-jin und Fu-jin gesehen, die der Ragnarok entgegengesehen hatten. Cifer hatte sogar höhnisch mit der Gunblade gewinkt. Squall ließ sich davon nicht aus der Ruhe bringen. Mit steinerner Miene wartete er ab, bis das Raumschiff am Strand von Balamb gelandet war. Diesmal, dachte er empfindungslos, werde ich es zu Ende bringen! Ein für alle Mal!
„Squall?" Quistis' Stimme klang beinahe schüchtern, gar nicht so befehlsgewohnt wie früher. „Hast du irgendeinen Plan, nach dem wir vorgehen sollten?"
„Oder wollen wir einfach vorstürmen und diese Hunde niedermachen?", fragte Irvine, aber nicht einmal er grinste jetzt noch.
„Hier ist der Plan", erwiderte er, ohne den Blick von der Insel abzuwenden. „Ich werde Cifer offen entgegentreten. Ihr werdet Rai-jin und Fu-jin überrennen und dann die Maschinen im Inneren der Insel abschalten. Dann verschwinden wir."
„Kommt nicht in Frage!", brauste Rinoa auf. Sie packte Squall von hinten an der Schulter. „Du glaubst doch nicht im Ernst, dass du Cifer ohne Magie ganz allein besiegen kannst? Ich komme auf jeden Fall mit dir!"
„Sei still!" Squall hatte nicht geschrieen. Die Worte waren mit eisiger Ruhe über seine Lippen gekommen. „Du wirst auf keinen Fall mit mir kämpfen! Du bleibst bei den anderen, damit sie dich beschützen können."
„Das kannst du mit mir nicht..."
„Irvine, ich vertraue sie dir an", fuhr Squall fort, ohne Rinoa zu beachten. „Gib acht, dass sie auch wirklich bei euch bleibt!"
Irvine zögerte, als er Rinoas wutentbranntes Gesicht sah. „Squall", bat er. „Findest du nicht, dass sie..."
„Nein, finde ich nicht! Ihr werdet viel schneller mit Fu-jin und Rai-jin fertig, wenn sie bei euch ist. Dann ist auch der Kampf zwischen Cifer und mir schneller aus."
„Aber Cheeeef", warf Selphie protestierend ein. Das Mädchen war aus dem Pilotensitz gestiegen und neben Squall getreten. Er blickte noch immer nicht von der Insel weg.
„Squall, du kannst mir nicht befehlen, von dir wegzubleiben, wenn Cifer dich vielleicht umbringt!" Rinoa war fast noch wütender als damals, als sie Squall wegen seiner kaltschnäuzigen Art vor allen Leuten in Timber die Leviten gelesen hatte. „Ich lass doch nicht zu, dass du wegen deines blöden Stolzes getötet wirst! Denk doch auch an mich, du Idiot!"
„Denkst du, das tue ich nicht?" Squalls Stimme war jetzt schon etwas sanfter. Er drehte sich zu seinen Freunden um. „Deshalb will ich dich nicht in Gefahr bringen. Wenn du bei den anderen bist, könnt ihr euch helfen und eure Kämpfe schnell zu Ende bringen. Vergesst nicht, die Magie muss so schnell wie möglich wieder freigesetzt werden! Cifer wird wohl eine Weile mit mir spielen und mit seiner Kraft protzen wollen, das verschafft euch noch zusätzlich Zeit. Und ihr werdet wahrscheinlich jeden Mann gegen Condenos brauchen."
„Ich pfeife auf diesen Condenos!", schrie Rinoa, aber ihre Stimme klang trotzig wie die eines Kindes. „Du DARFST einfach nicht allein gegen Cifer antreten!"
Squall sah zu Boden. „Tut mir Leid", sagte er. „Aber dann habe ich keine Wahl. Selphie, Irvine, ihr beide sorgt dafür, dass Rinoa mit euch kämpft. Zusammen mit Quistis habt ihr bessere Chancen gegen die GF. Quistis, ich kann es dir nicht befehlen, aber ich bitte dich, ebenfalls auf sie zu achten."
Die drei Angesprochenen sahen ihn sprachlos an. Aber wahrscheinlich fühlten sie sich nicht halb so unwohl wie er selbst. Das würde ihm Rinoa noch jahrelang übel nehmen, das wusste er. Doch zurücknehmen durfte er den Befehl nicht mehr, also straffte er die Schultern und ging ohne ein weiteres Wort an den anderen vorbei. Es dauerte eine Weile, bis er die ersten zögernden Schritte hinter sich hörte.
Squall blieb erst wieder stehen, als er am Strand von Balamb und somit am Rand der Forschungsinsel angekommen war. Eine Strickleiter war an den Klippen der Insel befestigt, aber der Junge wartete noch damit, sie zu erklimmen, bis die anderen zu ihm aufgeschlossen hatten. Ohne sich umzudrehen verkündete er: „Ihr wisst, was ihr zu tun habt. Zögert nicht, die GF einzusetzen, denn momentan sind wir sehr verwundbar! ...Viel Glück euch allen."
Er wartete nicht auf eine Reaktion, sondern ergriff die Strickleiter und kletterte an ihr hoch. Als er den Kopf über den Rand streckte, sah er sofort Cifer, der den Anschein gab, schon lange ungeduldig zu warten. Neben ihm standen Fu-jin und Rai-jin, die ihn mit undeutbaren Mienen ansahen.
„Du hast dir ganz schön Zeit gelassen, Squall", verkündete Cifer und ließ seine Gunblade auf die flache Hand klatschen. „Ich hab dich viel früher erwartet."
Squall würdigte ihn nicht eines Wortes. Statt dessen zog er sich vollkommen hoch und streckte gleich darauf Selphie, die ihm nachgeklettert war, seine Hand hin. Das Mädchen ergriff sie und zog sich hoch. Gleich darauf erschien Rinoa, die ihn keines Blickes würdigte, hinter ihr Irvine, der sich von Selphie hoch helfen ließ und als Abschluss Quistis.
„Sofort?", hörten sie Fu-jin hinter ihnen fragen. Man musste kein Genie sein, um zu erkennen, dass sie wissen wollte, ob der Kampf jetzt gleich stattfinden sollte.
„Wenn unsere verehrten SEEDs bereit sind, wüsste ich nicht, was dagegen spräche", erwiderte Cifer in aufreizendem Ton. „Oder wollt ihr etwa doch abhauen?"
„Lass die blöden Sprüche, Cifer", entgegnete Squall kalt und zog seine „Löwenherz", die wie immer in bedrohlich blauem Licht leuchtete. Diesmal jedoch wurde es überstrahlt durch das Pulsieren, das aus dem Eingang der Insel kam. Squall deutete mit dem Kopf unmerklich in diese Richtung und hoffte, die anderen verstanden das. „Das war früher mal unter deiner Würde, weißt du noch?"
„Dorthin wirst du mal nicht kommen, Squall", verkündete Rai-jin grimmig. Der Junge sah zwar nicht so selbstsicher wie sonst aus, wenn er in einen Kampf zog, aber sein Blick sagte deutlich genug, dass er niemanden vorbeilassen würde. „Jedenfalls nicht ohne uns."
„Dann sollten wir anfangen, oder?", meinte Irvine und lud wie immer dramatisch seine Waffe durch. „Wieso noch länger zögern?"
„Woooo kämpfen wir?", fragte Selphie. Sie blickte als einzige nervös zu den Gegnern, die anderen zeigten es nicht. „Etwa hier?"
„Wieso nicht?", verkündete Cifer und machte eine weitausholende Geste mit der Gunblade. „Der Platz ist so gut wie jeder andere."
„Ja, für euch", murrte Rinoa und zog mit einem heftigen Ruck ihre „Shooting Star" über das Handgelenk. „Und wo ist Platz für uns?"
„Hinein!", schlug Fu-jin vor. Die grauhaarige junge Frau zeigte auf den Eingang mit dem pulsierenden Licht. „Ungestört."
„Von uns aus", pflichtete Irvine bei und strafte sie mit dem verächtlichsten Blick, den er zur Zeit auf Lager hatte. „Lassen wir unseren Duellanten ihre Privatsphäre."
„Was anderes würden sie auch nicht akzeptieren", flüsterte Quistis so leise, dass nur Selphie und Rinoa sie hören konnten. Die beiden nickten zustimmend, Rinoa allerdings mit zusammengebissenen Zähnen.
„Dann mal los", empfahl Rai-jin und ging auf den Eingang zu, die SEEDs allerdings nicht aus den Augen lassend. Als ob er nicht wüsste, dass sie jemanden, der ihnen den Rücken zuwandte, nicht angreifen würden!
Fu-jin folgte ihm, und sie schien es begriffen zu haben. Sie wandte zwar einige Male den Kopf zu ihnen um, aber nur, um zu kontrollieren, ob sie ihnen auch folgten. Irvine und Selphie sahen Squall noch einmal ernst an, dann folgten sie ihren Gegnern. Auch Rinoa blitzte ihn mit wütenden Augen an, aber Squalls Aufmerksamkeit war voll auf Cifer gerichtet, der anscheinend vollkommen unbekümmert herumlümmelte. Erst, als Quistis sie nicht unsanft, aber bestimmt am Arm packte, gab die Hexe auf und ließ sich wortlos zum Eingang der Höhle führen.
„Na, ist das mal nicht beeindruckend?", verkündete Rai-jin und deutete mit der Spitze seines Kampfstabes auf die Lichtsäule. „Da drin sind mal sämtliche Zauber der Welt gespeichert."
„Ja, sehr beeindruckend", ätzte Quistis. Ihr Blick hätte Ifrit frösteln lassen. „Vor allem, weil wegen diesem verdammten Ding schon ein Haufen Leute gestorben sind!"
„Schluss!", beendete Fu-jin die Diskussion, als sie merkte, dass ihr Partner unsicher wurde. „Anfangen!"
„Von uuuuuns aus!" Selphie presste die Lippen zusammen und ließ „Traum oder Illusion" durch die Luft wirbeln.
„Wir sind bereit", meinte Irvine. Dann flüsterte er: „Selphie, wir greifen Rai-jin an! Quistis, Rinoa, ihr nehmt euch Fu-jin vor!"
„Moment", keuchte die ehemalige Ausbilderin plötzlich erschrocken. „Rinoa ist weg!"
„WAS?"
Doch im selben Moment begann der Kampf.
„Verflucht!" Xell war wütend. Woher kamen diese ganzen Monster auf einmal her? Auf Balamb hatte es noch nie Doppel-Hacker gegeben, ganz zu schweigen von einem Behemoth! Irgendjemand von der Forschungsinsel musste Balamb tierisch hassen. Oder jemand wollte, dass er nicht dorthin kam...
Nachdenklich blickte der Faustkämpfer zu der kleinen Insel hin, die ihnen in den letzten Tagen solche Kopfzerbrechen bereitet hatte. Es würde ihn nicht wundern, wenn derjenige, der die Insel steuerte, versuchte, so viele starke Gegner wie möglich davon fernzuhalten. Rinoa, Squall, Irvine und Selphie waren ein starkes Team, aber fünf waren noch stärker.
Dann schüttelte er jedoch dem Kopf. Nein, selbst wenn er es schaffen würde, durch diese Monsterhorde zu kommen, die auf Balamb zumarschierte, würde er seine Familie und die Leute, mit denen er die zweite Hälfte seiner Kindheit nach dem Waisenhaus verbracht hatte, im Stich lassen. Dann hatten sie nicht mehr die Spur einer Chance gegen die Monster.
Er betrachtete seufzend seine Fäuste. Dieses verdammte Ding hatte ihm schon wieder alle neu zusammengedrawten Zauber geklaut. Jetzt war er zwar noch immer 10 mal stärker und zäher als jeder andere Mensch und konnte auf die Hilfe von Shiva und Pandemona zählen, aber seine wirkliche Kraft war weg. Jetzt konnte er niemanden mehr heilen, keinen Gegner mehr durch Zauber außer Gefecht setzten, nicht einmal mehr Drawen nützte etwas, weil auch die Monster keine Zauber mehr besaßen!
Bei diesem Gedanken riss es ihn plötzlich. Moment! Diese Biester kamen von der Forschungsinsel, das hieß... Vorsichtig versuchte er, das vorderste Monster auszumachen. Es war ein Doppel-Hacker, der es anscheinend ganz besonders eilig hatte, irgendetwas zu zerstören. Wenig verwunderlich. Xell schürzte die Lippen und wandte die Draw-Fähigkeit an.
„Da soll mich doch...", rief er erfreut aus und brach den Satz ab, um vom Haus der Dinchts auf die Straße zu springen und zum Hafen zurückzulaufen. „Endlich macht unser Feind mal einen entscheidenden Fehler!"
Als er eintraf, hielt Yarrek gerade Wache, obwohl es die anderen Leute gleichzeitig mit ihm merken würden, wenn ein Monster durch Balamb tobte. Aber niemand wollte dem Jungen sagen, wie nutzlos sein Tun war. Mit leuchtenden Augen salutierte er und schnarrte: „Sonderkommandeur von Balamb, Yarrek Nedsha, meldet sich zum Dienst, Sir!"
Xell musste sich mit aller Macht das Lachen verkneifen, salutierte jedoch ebenfalls tapfer. Nur ein leises Zittern in seiner Stimme ließ Yarrek kurz misstrauisch werden, als er sagte: „Rühren, Kommandant! Kundschafter Xell Dincht meldet sich zurück! He Leute, kommt raus, es gibt Neuigkeiten!"
„Was für Neuigkeiten?", wollte seine Mutter misstrauisch wissen, als sie aus einem Lagerhaus herausging. „Ich traue deinem fröhlichen Lächeln nicht, wenn es um eine Schlacht geht."
„Keine Sorge", winkte Xell ab. „Ich habe nur gerade etwas bemerkt, das unseren Gegnern die Köpfe kosten könnte."
„Und was?", fragte der Vater von Yarrek. „Du lässt dir immer jedes Wort aus der Nase ziehen, weißt du das?"
Der Faustkämpfer grinste ihn an. „Die Monster, die gerade herkommen, besitzen noch Zauber! Vermutlich war das Ding, welches die Zauber auf der Insel hortet, zu beschäftigt, um sie noch von den eigenen Monstern abzuziehen. Und ich habe noch zwei GF, die wir benutzen können. Das heißt, wir können die eigenen Zauber gegen die Biester einsetzen!"
„Heißt das, dass wir gewinnen, Xell?" Yarreks Augen leuchteten.
„Das weiß ich nicht", gab der junge Kämpfer zu. „Aber zumindest können wir uns wirksamer verteidigen. Kann hier jemand mit GF umgehen? Nein? Das hab ich mir gedacht. Trotzdem brauche ich zwei Leute, die den Monstern so viele Zauber drawen wie möglich."
„Wieso übernimmst du das nicht?", wollte seine Mutter wissen.
„Weil irgendjemand die Monster ablenken muss."
Sie riss fassungslos die Augen auf. „WAS? Ohne GF? Bist du verrückt?"
„Ja", erklärte er unumwunden. „Aber vermutlich würde sich niemand von euch melden, wenn ich ihm diese Arbeit anbiete. Und wenn ich kämpfe, habe ich keine Zeit zum Drawen. Also, wer will Bekanntschaft mit den reizenden Damen Shiva und Pandemona schließen?" Er ignorierte das belustigte Schnauben der beiden GF im Hintergrund seines Kopfes.
Xells Nachbar trat vor, auch wenn ihm sichtlich unwohl war. „Ich bin verantwortlich für Balamb", erklärte er schluckend. „Aber du musst mir sagen, was ich machen soll."
„Ich mach das", warf Yarrek ein und hakte sich bei seinem Vater unter. „Ich weiß ganz genau, wie man Zauber drawt! Xell hat's mir oft genug erklärt."
Xell nickte und zog eine Schnute. „Oft genug" war noch gehörig untertrieben, „jedes Mal, wenn er Balamb besuchte" traf es besser. Er sah sich um, doch niemand weiterer trat vor.
„Ich komme auch mit, Xell", hörte er plötzlich die Stimme seiner Mutter. Erschrocken drehte er sich um, aber seine Worte blieben ihm im Hals stecken, als er ihr entschlossenes Gesicht sah. „Versuch nicht, mich davon abzubringen! Ich bin zwar nicht so kampfbegeistert wie Yarrek, aber ich habe genug bei euren Gesprächen aufgeschnappt. Wenn du deinen GF sagst, dass sie etwas nachsichtig mit mir sein sollen, werde ich's schon packen."
„Aber..."
„Xell!", erklang plötzlich eine Stimme. Einer von Yarreks Freunden, den Xell als Ersatz beim Stadteingang zurückgelassen hatte, kam keuchend angerannt. „Die Monster,... sie haben Balamb erreicht! Sie werden... jeden Augenblick durch das Tor brechen!"
„Verdammt!", fluchte Xell. „Dann hab ich ja wohl keine Wahl. Kommt her, ihr beiden, und nehmt meine Hände, damit ich euch die GF geben kann. Und dann werdet ihr..."
Squall wog das vertraute Gewicht seiner Waffe in seiner Hand. Die „Löwenherz" war die stärkste Gunblade, die es zur Zeit gab, auch wenn Professor Odyne schon nach Alternativen forschte. Die Zutaten für diese Klinge waren selten... und sehr, sehr gefährlich zu beschaffen. Aber ihm und seinen Freunden war es nicht wirklich schwergefallen.
Nicht mit ihren Kopplungen...
„Hast du Angst, Squall?", fragte Cifer interessiert. Der blonde Junge machte keine Anstalten, mit dem Kampf zu beginnen. Er lehnte immer noch auf seiner Klinge, die einige Zentimeter in den Boden gesunken war.
„Als ob ich dir das sagen würde!", entgegnete Squall kalt und prüfte mit dem Daumen die Schärfe der Waffe. Das Blut, welches kurz darauf an der blau schimmernden Klinge klebte, sagte genug darüber aus. „Hast du welche?"
„Ein bisschen", gab Cifer zu. „Obwohl ich nicht weiß, wieso. Da du keine Kopplungen mehr hast, bist du viel schwächer als ich. Aber vielleicht habe ich auch nur Angst, dass ich den letzten Sinn in meinem Leben verliere, wenn ich dich töte." Diesmal sah er sehr ernst aus.
„Warum lässt du es dann nicht?", wollte Squall wissen. Die Frage war platonisch. Er wusste, dass Cifers Entschluss feststand. „Wenn du mit uns gegen Condenos kämpfst, werde ich mich für dich einsetzen."
Cifer zog die Augenbraue hoch. „Ihr wisst von Condenos? Auch egal. Nein, Squall, ich will diesen Kampf! Ich wollte ihn immer. Und noch nie gab es so gute Voraussetzungen dafür wie jetzt! Diesen Moment werde ich nicht vorüberziehen lassen!"
Squall hob die „Löwenherz" in seine Richtung. Sein Gesicht war noch immer ausdruckslos. „Worauf warten wir dann noch?"
„Auf deinen Partner."
Überrascht wollte Squall den Kopf umwenden, als plötzlich jemand neben ihm abbremste. Er war so auf Cifer konzentriert gewesen, dass er den Kämpfer nicht hatte kommen hören. Besser gesagt, die Kämpferin...
„Halt jetzt keine Volksreden, Squall!", schnitt ihm Rinoa das Wort im Mund ab. Ihr „Shooting Star" war auf Cifer gerichtet. „Ich lasse dich nicht alleine kämpfen! Nicht, bevor wir verheiratet sind!"
Einen Moment lang wollte Squall widersprechen, aber dann sah er resignierend in den Himmel und richtete den Blick dann wieder auf Cifer. „Mit dir hole ich mir was ins Haus", murmelte er. „Vielleicht sollte ich mir unsere Heirat doch noch einmal überlegen."
„Wag es ja nicht!"
„Man spricht von Hochzeit?", meldete sich Cifer wieder zu Wort. Er streckte seine Gunblade nach vorne. „Etwas verfrüht, finde ich." Dann verschwand das überhebliche Lächeln wieder. „Solltet ihr mich besiegen, Squall... möchte ich, dass du meine herzlichsten Glückwünsche annimmst. Und du auch, Rinoa. Ihr seid füreinander geschaffen, ich wusste das schon, als ich Artemisias Hexenritter war. Aber erst einmal wird unser letzter Kampf stattfinden! Und ich habe nicht vor, ihn zu verlieren!"
„Ich hasse Belagerungen", meckerte Kiros, während er ein Laser-Geschütz bediente. „Habe ich das heute schon gesagt, Laguna?"
„Mindestens zehn Mal", entgegnete dieser, während er mit seiner MG vom Dach der Residenz auf die Monster schoss, die in das Gebäude eindringen wollten. Wenn sie das schafften, mussten sie nur noch das vorderste Tor durchbrechen, um in die Innere Straße zu gelangen... und welches Gemetzel dann stattfinden würde, wollte er sich nicht ausmalen. Er griff an seinen Gürtel, entfernte den Sicherungsstift einer Granate und warf sie mitten in einen Schwarm Quale. „Nicht wahr, Ward?"
Der gezwungenermaßen schweigsame Soldat, der wie Kiros und Laguna ihre bequeme Kluft angezogen hatte, in der sie in Esthar angekommen waren, war gerade dabei, sein eigenes Geschütz auf einen Behemoth auszurichten. Er nickte mit starrem Gesicht und feuerte. Der Todesschrei des Tieres war aber nicht so laut wie die explodierende Granate, die mehrere Quale in dichtem Rauch verschwinden ließ.
„Machst du dir eigentlich keine Sorgen wegen Ell?", fragte der dunkelhäutige Klingenkämpfer. Er traf mit seinem langsam überhitzenden Geschütz einen Stahlkoloss genau in die Brust. Das Wesen sackte zusammen und wurde sofort niedergetrampelt, als drei andere Monster seinen Platz gleichzeitig einnahmen.
„Doch", erwiderte Laguna leise. Wieder warf er eine Granate. „Aber ich vertraue auf Edea und Cids Leute. Wenn sie es nicht schaffen, Ell zu retten, dann kann es niemand." Er griff wieder nach der MG. Ward sah ihn zweifelnd an und der Präsident Esthars seufzte. „Stimmt, ich würde natürlich lieber bei ihr sein. Aber wir können es uns nun mal nicht leisten, noch mehr Leute nach ihnen auszuschicken."
„Du hast das Richtige getan, Laguna." Kiros nahm eine Automatik zur Hand, die er einem der Soldaten abgenommen hatte und legte an. „Cid kann die Airstation mit Sicherheit halten, die Truppen sind mit dem Einkaufszentrum und dem Magieinstitut auch nicht überfordert und die Residenz können wir Jahre halten!"
Laguna sah ihn grinsend an. „Ich dachte, du hasst Belagerungen?"
„Tu ich auch", sagte Kiros, ohne ihn anzusehen. Er schoss auf ein Rudel Doppel-Hacker, welches in alle Himmelsrichtungen floh. „Ich wollte dich nur etwas aufheitern." Er nickte Ward zu, der soeben drei Monster mit einem Laserstrahl erwischt hatte. „Guter Schuss."
„Halt hier keine Volksreden!", trug ihm Laguna auf. „Da versuchen ein paar von den Biestern, an den Wänden zu uns hochzuklettern!"
Tatsächlich. Einige Galchimesäras hatten schon die Hälfte der Mauer zurückgelegt, aber Lagunas und Kiros' vereintes Feuer warf sie wieder zurück zu Boden. Eine nachgeworfene Granate verjagte auch die letzten abenteuerlustigen Kletterer. Aber dennoch waren es viele Monster, die versuchten, an ihnen vorbeizukommen und unendlich Munition hatten sie nicht.
„Ich bin zwar eigentlich nicht der Typ für so was", erklärte Laguna. „Aber momentan gäbe ich wirklich mein Königreich für einen vernünftigen Zauber!"
„Du bist Präsident, kein König."
„Glaubst du, diese Viecher würden auch einen unordentlichen Schreibtisch annehmen?"
„Ehrlich gesagt bezweifle ich das."
„Das ist Wahnsinn, ihr beiden!", rief Irvine mit vollem Stimmaufwand, um das Donnern seiner „Exetor" zu übertönen. Er sprang zurück. „Während wir uns hier schlagen, gehen Hunderte Menschen drauf!"
Verbissenes Schweigen antwortete ihm, gefolgt von einem von Fu-jin geworfenen Wurfstern. Er zuckte zusammen und nahm dankbar zur Kenntnis, dass Quistis ihn mit einem Hi-Potion heilte. Inzwischen ließ Selphie Bahamut los. Die Drachen-GF fügte Fu-jin und Rai-jin schweren Schaden zu. Für normale Menschen. Aber die beiden waren nicht normal.
Rai-jins Hieb richtete sich das nächste Mal gegen Selphie. Wütend biss der Scharfschütze auf seine Lippe, bezwang aber seinen Zorn und heilte das Mädchen nun seinerseits. Sie schenkte ihm ein kurzes Lächeln, nahm dann aber sofort wieder Kampfpose ein.
„Waaaaas wollt ihr überhaupt machen, wenn ihr hier gewinnt?", rief sie den beiden Kämpfern zu. „Durch eure Mitteilung weeeeeiß jedes Land dieser Welt, dass ihr für das Verschwinden der Zauber verantwortlich seid! Was glaubt ihr, werden die Leute wohl machen, weeeeenn sie euch mal in die Finger bekommen?"
Rai-jin und Fu-jin schwiegen noch immer, aber ihre Gegner sahen, wie sich ein betroffener Ausdruck auf ihren Gesichtern Platz machte. Gut, langsam wurden sie unsicher. Quistis nahm Kontakt mit Diabolos auf. Ein weiser Entschluss, wie sich zeigte, denn diesmal hatte Fu-jin sie aufs Korn genommen. Der Wurfstern der grauhaarigen Frau wurde von Diabolos' magischem Schutz abgewehrt.
Selphie wartete ab, bis Rai-jin an der Reihe gewesen war. Der Junge schlug nach Irvine, verfehlte ihn jedoch knapp. Sie kramte in ihren Taschen und warf einen Meteor-Stein. Glücklicherweise war die tiefverwurzelte Magie in diesen Steinen nicht flötengegangen. Ein gutes Dutzend Kometen schlug auf den beiden Kämpfern ein. Dennoch standen sie noch immer da wie ein Fels in der Brandung.
„Na, fühlt ihr euch gut, wenn ihr ein Wesen verteidigt, das den Tod aller Menschen will?", fragte Quistis ätzend. „Ich bin sicher, es wird euch danach die Gnade gewähren, als seine Diener weiterleben zu dürfen."
„Sei still!", schrie Rai-jin mit überschnappender Stimme. Das Gesicht des Jungen war wutverzerrt. „Wir machen das mal nur für Cifer!"
„Ruhig!", befahl Fu-jin knapp und der Junge brach ab. „Konzentration!"
„Laaaaass ihn doch reden", empfahl Selphie, während Diabolos Quistis' Platz einnahm. Die schwarz-rote GF warf einen Blick zur Lichtsäule hin, erhob sich dann aber gehorsam in die Luft und erschuf ihre Schwerkraftkugel. Diese ließ sie dann ungewohnt heftig auf Fu-jin und Rai-jin niederfahren. Selphie fuhr fort: „Cifer haaaat mehr als einmal bewiesen, dass er sich irren kann!"
„Cifer ist mal kein Mörder!", rief Rai-jin nun doch, während er Quistis hart attackierte. Gleich darauf sprang jedoch Irvine vor und schoss ihm eine Kugel nach, die den kräftigen Jungen schmerzhaft zusammenzucken ließ. Er knurrte wütend, richtete sich aber gleich wieder auf, als Fu-jin ein Mega-Potion warf.
„Und wie nennst du es, wenn wegen seiner Eitelkeit Menschen sterben?", wollte Quistis wissen. In ihrer Stimme lagen nur Enttäuschung und Verachtung. „Ihr drei seid eine Schande für unseren Garden... nein, für die Menschheit!"
„Ruhe!", brüllte nun auch Fu-jin. Es war das erste Mal, dass die junge Frau so offen die Beherrschung verlor. Selphie nutzte den Moment und warf einen Ultima-Stein, der die beiden Kämpfer unvorbereitet traf. Dennoch waren sie noch lange nicht tot. Im Gegenteil, sie waren wütender als je zuvor.
Quistis, der dieser Ausdruck in den Augen nicht entgangen war, warf ein Final-Elixier. Wenn die beiden jetzt richtig wütend waren, dann brauchten sie alles Leben, was sie bekommen konnten. Diese Tat war richtig gewesen, wie sich herausstellte, da Fu-jin sofort darauf auf sie losging. Quistis zuckte zusammen. Dieser Schaden war unnatürlich hoch. Sie betrachtete Fu- jin und Rai-jin genauer, und jetzt erst fiel ihr das rote Funkeln auf. Sie schluckte. Die beiden waren schon normal sehr stark... aber jetzt waren sie von „Tobsucht" befallen.
Auch Irvine hatte das bemerkt. Er rief eine GF auf. Selphie, die kurz nach ihm an die Reihe kam, schlug mit ihrer Waffe nach Rai-jin, aber dieser zuckte nicht einmal mit der Wimper. Ein gefährliches Knurren erklang aus seiner Kehle. Im nächsten Moment ging er auf Selphie los und fegte sie mit einem unglaublich harten Schlag fast von den Beinen. Das Mädchen biss schmerzerfüllt die Zähne zusammen und hielt sich die Seite, wo Rai-jin getroffen hatte. Quistis beschwor Tombery, wohlwissend, dass das nicht viel nutzen würde, aber sie musste durchhalten.
Dann trat Irvine vor. „Doomtrain!", rief er und verschwand. Der teuflische Zug brauste über Fu-jin und Rai-jin hinweg und wenigstens er schien den beiden etwas anhaben zu können, auch wenn sie nicht schliefen, wie Irvine gehofft hatte. Er fluchte kurz. Blende war zwar hervorragend, aber Gift und Versteinerungs-Countdown halfen bei diesen Gegnern wenig. „Seht es endlich ein", rief er mit wenig Hoffnung. „Ihr könnt nirgends mehr hin, wenn ihr uns umbringt. Die Menschen werden euch hassen und verfolgen. Gebt auf!"
„Niemals!" Das Wort kam mit einem fast schlangenartigen Zischen aus Fu-jins Mund. Ihr Blick huschte wie der eines gehetzten Tiers umher. Dann blieb er an Irvine haften und ein breites Grinsen erschien auf ihrem Gesicht. Irvine riss entsetzt die Augen auf, als gelbe Lichtblitze aus dem Boden um das grauhaarige Mädchen schossen, aber er konnte sich nicht rühren. Fu-jin stieß sich kraftvoll vom Boden ab, schrie mit schriller Stimme das Wort „Sai!" und ließ die tödliche Schneide ihres Wurfsterns durch seinen Körper gleiten.
„Irvine!", schrie Selphie erschrocken auf. Der Junge wollte ihr bedeuten, dass er gerade noch lebte, aber Rai-jins laute Stimme kam dazwischen. Auch er hatte anscheinend völlig die Beherrschung über sich verloren.
„Wir werden Cifer nicht verraten! Er hat ein Recht auf diesen Kampf!", brüllte der Junge und ein irres Flackern glitzerte in seinen Augen. Dann schossen auch neben ihm die Limit-Feuer aus dem Boden und sein Blick fand den von Selphie. Im nächsten Augenblick stieß er sich ab, wirbelte seinen Kampfstab mühelos durch die Luft und vollführte den „Drachentöter". Das Mädchen gab ein würgendes Geräusch von sich und ging in die Knie. Sie fühlte, dass sie nicht mehr sehr viel Leben übrig hatte.
„Seid ihr total verrückt?", hörte sie Quistis schreien. Die Stimme ihrer Freundin schien aus einer anderen Welt zu kommen. Mühsam zwang Selphie sich, die Augen offen zu halten. „Irvie", flüsterte sie schwach. „Bist du noch..."
„Keine Sorge", kam Irvines gepresste Stimme zurück. Der Junge hielt sich gerade noch auf den Beinen, aber er kannte die fürchterliche Kraft von Fu- jins Limit, alles Leben bis auf 1 abzuziehen. „Aber... du siehst auch nicht... gut aus."
Selphie rang sich ein gequältes Lächeln ab und sah ihn an. Er erwiderte ihren Blick schmerzerfüllt, aber auch er versuchte ein Grinsen. „Die beiden sind... wirklich stur, nicht?"
„Fast so stur... wie du manchmal, Sephie", erwiderte der Junge. „Aber nur fast."
Sie ging nicht darauf ein, sondern streckte ihre Hand nach ihm aus. „Gib mir deine Hand, Irvine", flüsterte sie. Sie hörte, wie Quistis neben ihr einen Todes-Stein nach einem der beiden Gegner warf. Ihrem Fluchen nach zu urteilen, hatte es nicht funktioniert. „Ich möchte sie... noch einmal fühlen... falls wir..."
Irvine widersprach nicht. Auch er wusste, dass ihre Chancen sehr schlecht standen, jetzt, da Fu-jin und Rai-jin ihr Limit erreicht hatten. Wortlos legte er seine Hand in die von Selphie und drückte sie. Und plötzlich explodierte die Welt um ihn herum.
Cifer war der erste, der an die Reihe kam. Er sprang vor, riss seine Gunblade zurück und ließ sie auf Squall niederfahren. Rinoa war sofort zur Stelle und heilte ihren Geliebten, der sich daraufhin wieder aufrichtete.
„Danke", murmelte Squall. „Langsam glaube ich, es ist doch besser, dass du hier bist."
Rinoa schnaubte und sprang auf ihren Platz zurück. „Wie schön, dass du das Offensichtliche schon jetzt bemerkst!"
Squall enthielt sich einer Antwort, rannte auf Cifer zu und schlug mit der „Löwenherz" zu. Das war aber bei der schier unendlichen Anzahl von Lebenspunkten des Jungen nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Squall sah seinen Rivalen noch kurz verachtend an, dann sprang er zurück zu Rinoa.
Die nächste Attacke von Cifer richtete sich gegen Rinoa. Das Mädchen schrie auf und funkelte ihren Ex-Freund finster an. „Hast du noch nie etwas von Galanterie gehört?", rief sie Cifer zu. Squall erlaubte sich ein kurzes Lächeln. Rinoa musste einfach immer einen lockeren Spruch parat haben!
Cifer jedoch blieb völlig ruhig. „Es wäre gesünder für dich, wenn du dich aus unserem Kampf herausgehalten hättest, Süße", verkündete er tonlos. „Mach nicht mich für deine Dummheiten verantwortlich."
„Rinoa, heil uns beide", flüsterte Squall. „Ich greife weiterhin an."
„Wieso setzt du keine Steine oder GF ein?", erregte sich das Mädchen. „Damit hätten wir zumindest eine etwas bessere Chance." Statt einer Antwort griff der Junge an. Sein ungestümes Vorstürmen brachte Cifer nicht unbedingt viel Schaden bei, und er wusste das auch. Rinoa fluchte und wartete.
Cifer wusste anscheinend, was sie plante. Nun, es war auch nicht wirklich schwierig zu erraten. Also griff er noch einmal sie an. Der Schlag war furchtbar, aber immerhin überlebte sie, was gar nicht so selbstverständlich war. Sofort fischte sie ein Elixier aus ihrer Tasche und leerte es. Nun hatte Squall wieder einen Schlag frei. Was auch immer ihm das bringen sollte.
„Es muss sein, Rinoa", drang der Junge in ihre Gedanken, als hätte er sie gelesen. „Nicht nur er will diesen Kampf."
Das Mädchen drehte erschrocken den Kopf zu Squall hin. Er sah Cifer immer noch mit eisenharten Augen an,... aber seine Mundwinkel waren zu einem Lächeln verzogen. Er genoss diesen Kampf!
„Ich zeige es nie", fuhr der Junge fort, sah sie aber nicht an. Er war voll auf seinen Gegner konzentriert. „Aber ich wollte Cifer immer schon für sein letztes Geschenk danken." Er nahm eine Hand vom Schwert und fuhr sich über die Narbe auf seiner Stirn. „Und für die Demütigung. Heute wird endgültig entschieden, wer der beste Gunblade-Kämpfer des Balamb Garden ist. Nicht wahr, Cifer?"
„Sehr richtig, Kleiner. Freut mich, dass du so denkst." Cifer grinste gewohnt arrogant. „Es würde keinen Spaß machen, wenn du nicht die richtige Einstellung hättest."
„Squall, verdammt noch mal, was soll das?" In Rinoas Augen standen Tränen der Wut. „Wieso willst du dich unbedingt von ihm umbringen lassen?"
In diesem Augenblick machte Squall etwas sehr Unvorsichtiges: Mitten im Kampf sah er sie an und senkte die Waffe. Er hob seine Hand und fuhr seiner Freundin sanft über das Gesicht. „Das will ich nicht, Rinoa", antwortete er in zärtlichem Tonfall. „Ich wünsche mir nichts mehr, als mein Leben mit dir zu verbringen. Aber dazu muss ich meine Vergangenheit hinter mir lassen, verstehst du? Und dieser Kampf gehört dazu." Er lächelte sie an und wischte ihr die Tränen weg, aber nun rannen weitere die Wangen herunter.
„Aber er wird uns töten, wenn wir keine GF einsetzen, Squall!", schluchzte sie. „Du hast doch keine Chance, ihn zu besiegen, wenn ihr beide nur mit den Gunblades angreift."
„Vielleicht", gab Squall zu. Er legte seine Hand wieder auf die Waffe und hob die Gunblade. „Aber das ist nicht sicher. Rinoa, ich glaube fest daran, dass wir gemeinsam siegen können. Vertraust du mir?"
„Was ist das für eine blöde Frage?", schnappte sie und wusste nicht, ob sie heulen oder lachen sollte. Welchen Typen hatte sie sich da nur angelacht? „Natürlich vertraue ich dir, Squall."
„Dann glaub mir, dass dies die richtige Art des Kampfes ist. Du kannst angreifen, Cifer."
Rinoa sog erschrocken Luft ein. „Er kann schon wieder angreifen?"
„Natürlich. Schon eine ganze Weile lang. Nicht wahr, Cifer?"
„Richtig", bestätigte der blonde Junge. „Und bevor du fragst: Ich hätte Squall ohne Mühe töten können, als er seine Waffe gesenkt hat. Aber dieser Kampf ist mir viel zu wichtig, als dass ich ihn so gewinnen möchte." Er grinste. „Aber von jetzt ab gibt's keine Pausen mehr."
Squall nickte. „Ist mir nur recht." Er hob die „Löwenherz" noch etwas höher und sein Blick wurde wieder hart.
Auch Rinoa hob zögernd den „Shooting Star." „Auf was hab' ich mich da nur eingelassen?"
Xell verpasste einer Stichraupe einen Uppercut, der das Monster mit seinen normalen Kopplungen zu Boden geschickt hätte. Aber die Bedingungen waren nicht normal, und hätte er keine Hilfe gehabt, hätte es böse für ihn ausgesehen. Das Stadttor von Balamb war schon etwas lädiert, da schon ein Archeodinos in die Stadt gekommen war, aber trotzdem bot es nur Platz für wenige Monster auf einmal und war deshalb gut zu verteidigen.
Allerdings wäre Xell viel wohler gewesen, wenn Squall und die anderen hier gewesen wären. Er nahm den Angriff eines Beißkäfers in Kauf und drosch ein Guheys Eye, welches gerade an ihm vorbeischlüpfen wollte, zu Boden. Weiter hinten erschütterte ein Beben-Zauber den Grund und einige Stichraupen und Archeodinos wurden gehörig durchgeschüttelt. Xell warf einen dankbaren Blick zu seiner Mutter hoch, die auf dem Dach eines Hauses stand und den Monstern Zauber drawte. Sie lächelte zurück und sprach „Vitra" auf ihn.
Sie und Xells Nachbar waren beide in der Stadt und damit für die Monster unerreichbar, andererseits konnten sie von oben herab Zauber auf sie sprechen. Der Mann sprach gerade „Eisga" auf eine Stichraupe. Xell hingegen stand direkt vor dem Eingang von Balamb und hinderte die Monster daran, in Scharen einzufallen. Hinter ihm in der Stadt waren die restlichen Bewohner stationiert, welche den wenigen Monstern, die doch durchkamen, den Rest gaben.
In der Theorie war Xells Plan ganz einfach, dachte er sich, während er einen Archeodinos angriff, der wütend versuchte, in die Stadt zu gelangen. Aber wieso hab ich dann hier so ein schlechtes Gefühl?
„He", rief er Yarrek zu, der bei seinem Vater stand und ihm Ratschläge gab. „Haltet mir diesen Archeodinos vom Leib! Ich hab genug zu tun!" Er zuckte schmerzhaft zusammen, als eine Stichraupe und ein Beißkäfer gleichzeitig auf ihn losgingen, aber mit einigen wütenden Hieben trieb er sie zurück. Gleich darauf schüttelte sich der Archeodinos, als ein weiterer Eisga- Zauber ihn traf. Der Blitzga-Zauber seiner Mutter gab ihm den Rest. Aber schon wieder waren die nächsten Purpurmäuse, Buels, Beißkäfer und Stichraupen heran.
Xell biss die Zähne zusammen und schlug einen Buel nieder, bevor er einen seiner gefürchteten Zauber sprechen konnte. Zwar war dieses Monster nicht sehr hoch bei den Leveln, aber für die Leute in Balamb konnte es gefährlich werden. Eine Stichraupe versuchte, ihn mit „Stop" zu belegen, scheiterte aber zum Glück, denn „Medica" beherrschte leider kein einziges dieser Viecher hier.
„Mama, setz mal Shiva ein!", rief er seiner Mutter zu. „Wir müssen die Archeodinos schwächen! Yarrek, unternehmt was gegen diese Bomber dort!"
Seine Mutter nickte und konzentrierte sich. Yarrek deutete auf ein Monster und flüsterte seinem Vater zu, welchen Zauber er ziehen sollte. Xell musste indessen einige weitere schmerzhafte Stöße, Bisse und Hiebe einstecken, hielt sich aber noch, indem er ein Elixier trank. Er atmete erleichtert auf, als Shiva auftauchte und einen großen Teil der Monster auf der Seite seiner Mutter einfror. Viele davon verschwanden gleich darauf.
Xell grinste und verpasste einem Bomber ein paar kräftige Hiebe, die ihn zu Boden stürzen ließen. Bei den Viechern musste man aufpassen, dass sie einen nicht in den Tod nahmen. Plötzlich war ein weiterer Archeodinos heran und führte seine Schwanzattacke aus. Xell fluchte, als ihm ein großer Teil seiner ohnehin geringen Lebenspunkte abgezogen wurde.
„Yarrek!", brüllte er. „Setzt Pandemona ein! Meine Mutter drawt inzwischen für euch!"
„Xell", hörte er den Jungen plötzlich leise wimmern „das geht nicht..."
Xell versetzte einem Buel einen Kick, der ihn gegen seine Hintermänner schleuderte und sah rasch zu dem Jungen hoch. Beinahe wären ihm die Augen aus dem Kopf gesprungen. Pandemona hatte sich von Yarreks Vater gelöst und schwebte über ihm. Er blickte kurz zu seiner Mutter. Ja, auch Shiva war entkoppelt. Aber wieso?
„Was soll das?", rief er den beiden GF zu. „Wir brauchen euch hier! Bleibt gefälligst!"
„Das ist nicht möglich, Mensch", entgegnete Shiva mit emotionsloser Stimme. Sie schwebte etwas höher. „Wir wurden gerufen und müssen euch verlassen."
Xell zuckte zusammen und schlug wütend einen Beißkäfer nieder, der ihn angegriffen hatte. Die Monster weiter hinten hatten aufgehört vorwärts zu stürmen, als die GF erschienen, anscheinend fühlten sie doch etwas wie Furcht. Aber das war nicht verwunderlich bei der Aura, welche die beiden Geschöpfe, das violetthäutige Wesen mit zischendem Atem und die blaue, grausige Kälte verströmende Frau, abstrahlten. Doch die Monster hier vorn am Tor hatten davon nichts bemerkt und einige davon waren nach hinten in die Stadt gekommen. Er fluchte.
„Xell! Hier!"
Der Aura-Stein, den seine Mutter geworfen hatte, ließ goldenes Licht um den Jungen herum erstrahlen. Dankbar nickte er ihr zu und konzentrierte sich auf sein Limit. Er vollführte einen Kopfstoß, einen Sonic-Kick und einen Delphin-Schlag gegen einen Archeodinos, welcher daraufhin zurückwankte. Anschließend, als schon wieder einige kleinere Monster an ihm vorbeischlüpfen wollten, leuchtete die gelbe Aura noch einmal grell auf und er schlug die Fäuste auf den Boden. Der „Burning Rave" tötete 10 Monster in seiner unmittelbaren Umgebung. Als er wieder aufstand, war die Monsterherde ruhig. Xell sah wieder zu den GF hinauf, die wohl der Grund waren, warum die Monster ihn nicht mehr angriffen.
„Es tut uns Leid, Mensch", erklärte Shiva und sah ihn mit ihren blauen Augen an. Obwohl man keine Emotionen in ihrer Stimme hörte, glaubte Xell, dass sie es ernst meinte. „Auch wir brechen nicht gerne die Regeln, die unsere Herrin aufstellte. Aber wir wurden gerufen." Damit schwebte sie noch weiter von seiner Mutter weg und drehte sich in Richtung Forschungsinsel. „Aber du wirst die Monster dennoch besiegen."
„Wie denn?", schrie Xell verzweifelt, als die GF davonflog. „Ohne euch hab ich gegen diese Übermacht doch keine Chance!"
„Sssssei unbesorgt", erklang nun zum ersten Mal die Stimme von Pandemona. Sie klang wie das Seufzen des Windes in den Bäumen, nur kräftiger. „Du wirsssst Hilfe bekommen. Es issst dir vielleicht ein Trost, wenn ich dir ssssage, dasssss die GF von nun an in eurer Schuld sssstehen." Damit erhob auch sie sich und folgte ihrer Schwester.
„Wartet!", rief Xell noch einmal, aber es hatte keinen Zweck. Die beiden waren weg. „Scheiße!", fluchte er ungehemmt und schluckte, um die Tränen der Wut fernzuhalten. Ging heute denn alles schief? Er mauerte einen Bomber, der sich an ihm hatte vorbeischleichen wollen, an die Wand und stellte sich wieder in Kampfposition, denn nun kamen die Monster wieder heran. „Mama! Yarrek! Verschwindet von hier! Ihr könnt mir jetzt nicht mehr helfen!", schrie er und vollführte eine Kombination von Attacken, die mehrere Monster traf und zurückwarf. Aber das war nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. „Helft den anderen dabei, die Stadt von den Monstern freizuhalten!"
„Glaubst du etwa, ich lass dich hier im Stich?", empörte sich seine Mutter. „Ich kann hier oben bleiben und die Steine werfen, die du mir gegeben hast..."
„Mama! Keine Diskussion!", rief er und schlug einer Stichraupe so sehr ins Gesicht, dass sie gegen mehrere andere Monster prallte. Gehetzt sah er sie an. „Wenn auch nur ein Monster aus Versehen die Mauer trifft, wirst du begraben! Zieh dich zurück! Das ist ein Befehl!"
Sie öffnete noch den Mund, um etwas zu erwidern, aber als sie sein Gesicht sah, ließ sie es und nickte nur. Er drehte den Kopf zurück, nur um gleich darauf von einem Bomber gerammt zu werden. Als er sich den Bauch hielt, drangen zwei Beißkäfer, der Bomber und eine Stichraupe gleichzeitig auf ihn ein, aber dann vollführte er einen weiteren „Burning Rave", der das Stadttor wieder von den Monstern befreite. Aber es waren noch zu viele vor ihm.
„Xell", kam plötzlich Yarreks ängstliche Stimme. „Wir können nicht zurück! Da ist ein Monster in der Stadt erschienen, das wie ein Reiter aussieht! Die anderen können es nicht aufhalten!"
„Das sollten sie auch nicht", erklang eine weitere, tiefe und ehrfurchtgebietende Stimme. „Es kann mir nichts anhaben und ist sehr lästig. Sag diesen schwächlichen Menschen bitte, dass ich keine Gefahr für sie bin, kleiner Krieger!"
„Odin?", fragte Xell völlig verwundert und drehte sich um. „Was machst du denn hier?"
Odin nahm ohne Regung zur Kenntnis, dass zwei Männer versuchten, ihn aus dem Sattel zu zerren und antwortete: „Ich war es, der Shiva und Pandemona anwies, zur Forschungsinsel zu fliegen. Aber ich durfte dich nicht schutzlos hier zurücklassen, das verbot mir die Herrin Hyne. Also bin ich hier... aber unerwünscht, wie mir scheint."
„Lasst ihn los!", befahl Xell, dem die Männer jetzt erst auffielen. „Er ist kein Monster, sondern eine GF!" Die beiden zogen sich langsam zurück und Xell warf einen Blick auf die Monster draußen. Sie waren wieder erstarrt, aber für einen Rückzug fehlte ihnen einfach die Intelligenz. Und wenn sich auch nur eines in Bewegung setzte, dann würden die anderen wieder folgen, egal, ob Odin hier war oder nicht. „Du willst uns helfen?"
„Das ist meine Absicht."
„Aber wirst du nicht auf der Forschungsinsel gebraucht? Ich meine, es geht um euren Bruder. Vielleicht hört er auf dich."
„Das bezweifle ich", gestand die große GF. „Condenos war immer von seiner Idee überzeugt. Er wird sich auch von mir nicht abbringen lassen. Außerdem habe ich einen würdigen Kämpfer gefunden, der mich vertreten wird."
„Ein Kämpfer?" Xell zog die Augenbrauen hoch. „Wer?"
„Das ist jetzt nicht wichtig. Duck dich, kleiner Mensch!"
Xell reagierte rasch, als Odin seinen „Eisenschneider" zog und seinen vernichtenden Angriff an einem Bomber vollführte, der sich Xell genähert hatte. Die Monster erstarrten wieder. Mit dieser Situation waren sie überfordert. Als Xell aufstand fielen die Hälften des Monsters neben ihm zu Boden.
„Xell, kann uns dieser... Mann wirklich helfen?", fragte seine Mutter mit zitternder Stimme. Für jemanden, der Odin zum ersten Mal sah, hielt sie sich nicht so schlecht. Die anderen brachten kein Wort heraus, ob nun aus Furcht oder ehrfürchtigem Staunen wie Yarrek.
„Ich glaube, wenn uns überhaupt jemand helfen kann", entgegnete der Faustkämpfer langsam, „dann Odin."
„Wohl gesprochen, kleiner Mensch. Und nun komm. Ich habe lange schon keine Jagd mehr veranstaltet. Ich glaube, ich werde es genießen." Odin drehte sich zur Monsterhorde hin. Wären sie dazu fähig, wären sie jetzt geflohen, dessen war sich Xell sicher.
„Du... du willst diese Viecher JAGEN?", fragte er ungläubig.
„Natürlich." Odin sah ihn an. „Und glaube mir: Wenn wir beide vor dieses Tor treten, dann wird eine Jagd beginnen, wie es sie in der Geschichte eures Volkes lange nicht mehr gegeben hat."
Xell sah ihn ein paar Sekunden lang stumm an, nickte dann und griff in die Tasche. Nachdem er einen weiteren Aura-Stein geworfen hatte, schlug er die Fäuste zusammen und meinte: „Dann los."
„Steuern Sie den Garden zur Airstation", trug Cid Niida auf. Der Junge war noch immer missmutig, was man ihm ja auch wohl kaum verdenken konnte. Immerhin heiratete einer seiner Freunde, und er durfte nicht dabei sein. „Und passen Sie auf, dass wir keine Passanten erschrecken."
„Ich bin kein Anfänger, Direktor", entgegnete Niida und riss das Ruder gekonnt herum. „Ich weiß schon, was ich machen muss."
„Schön, das zu hören."
Sanft steuerte der Garden zwischen den riesigen modernen Hochhäusern auf die Esthar-Airstation zu. Cid runzelte die Stirn, als er bemerkte, dass die Ragnarok gar nicht hier war. Dann fiel ihm wieder ein, dass Irvine und Selphie ja bei der Residenz ausgestiegen waren. Vermutlich waren sie bereits unterwegs. Nun, je schneller sie das hinter sich brachten, desto besser.
Als der Junge neben der Plattform anlegte, auf der sonst das riesige Weltraumgefährt der SEEDs stand, atmete Cid erleichtert aus. Ihm war nie richtig wohl dabei, wenn er sah, wie nahe Niida den Garden an die Hauswände steuerte. Aber bis jetzt hatte es höchstens einige Kratzer gegeben. „Sehr gut, Niida", verkündete er. „Von nun an haben Sie und Crys frei. So lange Sie den Garden nicht verlassen, steht Ihnen alles offen."
„Ja, Herr Direktor." Niidas Miene schwankte zwischen Weltuntergang und Tod eines Verwandten. Dennoch salutierte er gehorsam. „Crys, kommst du?"
„Direktor", rief die in diesem Moment herüber. Auch wenn das Mädchen sehr bedrückt war, hatte sie es sich nicht entgehen lassen, Esthar ausgiebig vom Rand der Steuerungsplattform zu betrachten. Galbadianer kamen schließlich nicht alle Tage nach Esthar. „Ist es normal, dass hier überall Monster herumlaufen?"
„Ja, davon hat Squall erzählt", bestätigte der Direktor. „Normalerweise wagen sich Monster nicht in Gegenden, die so dicht von Menschen besiedelt ist. Sie fürchten die Magie. Aber Esthar ist so groß, dass sich immer wieder ein Monster hereinverirrt."
„Ist es auch normal, dass hier ein gutes Dutzend davon auf einem Fleck herumläuft?"
„Was?", entfuhr es Niida. „Unmöglich!" Rasch trat er zum Rand der Plattform. Cid entnahm seinem bleich werdenden Gesicht, dass er nichts Gutes sah. „Oh, oh", murmelte er. „Sie hat Recht, Direktor. Da unten sind sogar mehr als ein Dutzend Stahlgiganten, Quale, Galchimesäras und Behemoths! Und es kommen immer mehr durch die Schlupflöcher herein!"
„Unfassbar! Wie ist das nur möglich?" Cid war völlig außer sich. „Ist es hier etwa auch schon soweit?"
„Was ist soweit?", wollte Niida wissen. Er wirkte erschrocken.
„Ich befürchte, in Esthar gibt es keinen einzigen Zauber mehr", erklärte Cid. „Squall und die anderen beobachten dieses Phänomen schon eine ganze Weile. Offenbar saugt etwas die magische Energie ganzer Kontinente ab. Galbadia, Dollet, Centra und einige andere Erdteile hat es schon erwischt... und nun auch Esthar. Was sollen wir nur tun?"
„Wir müssen die Behörden verständigen!", entschied Crys energisch. Ihre militärische Ausbildung machte sich nun bezahlt. „Präsident Loire muss das erfahren! Und Sie müssen den Befehl geben, die Monster hier zurückzuschlagen, Direktor, bevor sie unschuldige Menschen erreichen!" Sie wirkte so befehlsgewohnt, dass Niida beinahe einen Schritt zurückwich.
Dann straffte er sich jedoch und sagte: „Sie hat Recht, Direktor. Lassen Sie uns kämpfen. Wir müssen die Stadt verteidigen, wenn wir wollen, dass überhaupt noch eine Hochzeit stattfinden kann, von der wir fernbleiben sollen!"
Cid lächelte kurz, wurde aber sofort wieder ernst. „Kommen Sie", befahl er und trat zum Aufzug. „Wir müssen den Schülern Bescheid geben. Ich rufe sie in der Eingangshalle zusammen und Sie beide erklären Ihnen, was sie zu tun haben." Der Aufzug setzte sich in Bewegung und kam im dritten Stock wieder zum Stehen. Cid ging auf seinen Schreibtisch zu, während Crys und Niida zur Tür rannten. „Jetzt haben Sie es also doch noch geschafft, nach Esthar zu kommen, nicht wahr?", rief er den beiden nach. Bildete er es sich ein, oder hörte er Lachen?
Kopfschüttelnd setzte der Direktor des Balamb Garden sich in seinen Sessel. Wieso musste immer alles so aus dem Gleichgewicht geraten? Er drückte auf die Lautsprecher-Taste und rief angemessen laut: „Hier spricht Direktor Cid. Bitte verlassen Sie den Garden noch nicht! Monster sind in Esthar eingedrungen! Niida und eine Schülerin des Galbadia Garden werden in Kürze in der Eingangshalle eintreffen. Bitte begeben Sie sich ebenfalls dorthin, Ihnen wird gesagt werden, was Sie zu tun haben. Niemand, ich wiederhole, niemand, der nicht krank oder anderweitig kampfunfähig ist, darf fernbleiben! Dies ist ein offizieller Einsatz des Gardens! Sollten Sie im Verlauf des Kampfes auf Truppen aus Esthar treffen, befolgen Sie bitte deren Befehle. Viel Glück Ihnen allen... schützen Sie Esthar, damit Ihr Schulsprecher und Miss Heartilly ihre Hochzeit nicht verlegen müssen."
Einen Moment zog Cid eine Schnute wegen seines melodramatischen Auftritts. Aber jetzt war es gesagt, und immerhin hatte es doch gar nicht so schlecht geklungen. Gut, Niida und Crys würden schon wissen, was sie zu tun hatten. Nun war es wichtig, dass er Laguna erreichte. Er wählte die Geheimnummer der Residenz, in der der Präsident vermutlich sein würde. Als eine Minute lang allerdings niemand abhob, gab er auf. Wo war Squalls Vater nur?
Dann fiel Cid etwas ein. Laguna hatte Squall bei einem seiner Besuche einmal eine Nummer gegeben, mit der er einen Empfänger erreichte, den der Präsident immer bei sich trug. Squall hatte das Ding ihm gegeben, weil er mit der Ragnarok jederzeit nach Esthar konnte, wenn er sich mit seinem Vater unterhalten wollte... was in letzter Zeit ohnehin ziemlich oft der Fall gewesen war. Hastig suchte er in allen Schubladen, um dann am Schluss festzustellen, dass er den Zettel in der Brieftasche trug. Brummelnd wählte er die 20-stellige Nummer und wartete ungeduldig einige Male. Aber als sich schließlich jemand meldete, war es nicht Laguna.
„Wer sind Sie?", fragte eine ungeduldige Stimme. „Der Präsident ist momentan beschäftigt!"
„Kiros?", fragte Cid. „Sind Sie das? Ich bin Direktor Cid vom Balamb Garden!"
„Cid?" Kiros war einen Moment perplex, aber dann fing er sich wieder. „Woher haben Sie... ach was, scheißegal! Hören Sie, wir haben hier gerade mächtig Probleme! Laguna befürchtet, dass in einige Minuten sämtliche Monster des Kontinents hier sein werden, um Esthar zu stürmen! Sie und Ihre SEEDs wären jetzt echt eine große Hilfe!"
„Sind wir bereits", korrigierte der Direktor. „Wir sind bei der Airstation, und die wird bereits von den Monstern überrannt. Wir versuchen, sie aufzuhalten, aber dadurch können wir Ihnen woanders nicht mehr helfen."
„Verflucht! Die Leute haben sich auf der Inneren Straße versammelt. Die Monster dürfen also höchstens bis zum Außenring kommen!"
„Dann bleiben nur die fünf Eingänge zur Straße", mutmaßte Cid. „Die Außenstraße selbst ist doch hoffentlich abgeschirmt?"
„Selbstverständlich." Kiros klang etwas verächtlich. „Die innere Straße ist nur über die Airstation, das Magieinstitut, die Autovermietung und das Einkaufszentrum zu erreichen! Um die Vermietung müssen wir uns keine Sorgen machen, die Tore dort sind ab jetzt nur noch mit einem Code zu öffnen, und ich glaube kaum, dass die Viecher den knacken!"
„Was ist mit dem Palast?", wollte Cid wissen. „Durch den kommt man doch auch in die innere Stadt, oder?"
„In dem verschanzen wir uns", erklärte Kiros. „Der Präsidentenpalast ist schwer gepanzert, aus verständlichen Gründen. Das schaffen Laguna, Ward und ich allein. Also müssen wir unsere Soldaten auf das Magieinstitut und das Einkaufszentrum aufteilen... aber die werden erst in paar Minuten so weit sein loszumarschieren. Halten Sie uns wenigstens die Monster bei der Airstation vom Leib, ja? He, Laguna, was..."
"Cid?" Lagunas Stimme klang gehetzt, wie von jemandem, dem was Wichtiges eingefallen ist. „Sagen Sie nichts, hören Sie mir zu! Ell ist noch in der Stadt, zusammen mit einigen Kindern aus dem Waisenhaus! Edea ist grade auf der Suche nach ihnen, aber jetzt, wo die Monster eindringen... Sie müssen unbedingt ein paar Ihrer Leute losschicken, um sie zu suchen! Bringen Sie sie in den Garden, dort sind sie mal eine Weile sicher."
„Edea?" Cid erschrak. „Sie ist HIER?"
„Ich hab keine Zeit, Ihnen alles zu erklären!", wehrte Laguna ab. „Sie müssen Sie finden, hören Sie? Ich schätze, Ell wird den Kindern das Einkaufszentrum gezeigt haben, schließlich verbringt sie dort fast ihre gesamte Freizeit... Edea wird wahrscheinlich auch dort sein. Ich verlass mich auf Sie, Cid! Finden Sie sie und bringen Sie sie in Sicherheit."
„Natürlich", murmelte Cid etwas benommen. Was machte Edea bloß hier? „Und viel Glück."
„Danke, kann ich brauchen, gleichfalls. Aber dass Sie mir ja keine unerfreulichen Meldungen schicken, ja?"
Als der Kontakt abbrach, fasste sich Cid an den Kopf. Edea tauchte anscheinend überall dort auf, wo etwas außer Kontrolle geriet. Flüchtig verzog er die Lippen, als er daran erinnert wurde, dass auch das ein Grund gewesen war, warum er sie geheiratet hatte. Dann wurde er ernst. Er schaltete auf Außenlautsprecher um.
„An Niida und Crys!", rief er ins Mikrofon. „Es gibt einen Notfall! In der Stadt befinden sich meine Frau Edea, Ellione und einige Waisenkinder, die nichts vom Monstereinfall wissen! Sie beide begeben sich bitte sofort zum Einkaufszentrum und holen sie! Wenn sie dort nicht sind, suchen Sie im Magieinstitut und kommen dann zurück, mit oder ohne ihnen! Sofort!"
Jetzt wusste er, wieso Squall die Verantwortung, Schulsprecher zu sein, überhaupt nicht zusagte. Man musste eine Menge herumschreien, Leute anpflaumen, die man mochte und immer auf unliebsame Überraschungen gefasst sein. Er lehnte sich seufzend zurück. Nun konnte er nur noch warten, ob alle anderen Erfolg hatten...
„Ruhig, Kinder", flüsterte Ellione und versuchte, sich noch weiter in die dunkle Ecke des Geschäfts zu drängen. Sie war gerade mit den Kindern dabei gewesen, einige Dinge online zu bestellen, als plötzlich abscheuliche Wesen im Vergnügungspark für Esthars Erwachsenenwelt aufgetaucht waren. Jetzt schlichen die Bestien durch die verwaiste Straße. Fast alle Passanten waren geflohen, aber Ell konnte noch immer den Schrei eines Bürgers hören, der nicht schnell genug gewesen war.
„Ich hab Angst", wimmerte eines der Mädchen und klammerte sich an Ells Rockzipfel fest. Das ältere Mädchen wusste nicht, wie die Kleine hieß, aber das spielte keine Rolle. Sie nahm es in die Arme und versuchte, es zu beruhigen. Auch die anderen Kinder hockten zitternd in ihrer Nähe. Nur Aniery und Tinill wagten es, hie und da auf die Straße zu spähen, aber beide waren schreckensbleich. Natürlich schwärmten alle Kinder von Heldengeschichten... aber den Monstern daraus selbst gegenüberzustehen, war was Anderes!
„Wenn nur Tante Quistie hier wäre", flüsterte Eclisa Veshore zu. Der kleinere Junge hielt sein Spielzeugschwert so fest umklammert, dass das Hartplastik ächzte. Aber auch Eclisa war übel von den Lauten, die diese Monster von sich gaben. „Sie könnte die Monster allein besiegen."
„Wird sie uns finden?", fragte Aniery Ellione. Aus seinen Augen sprach große Hoffnung. Ell zögerte. Niemand wusste genau, dass sie hier waren. Und es konnte noch dauern, bis bekannt wurde, dass das Einkaufszentrum besetzt war. Aber sie konnte die Kinder nicht enttäuschen. „Vielleicht", schloss sie einen Kompromiss. „Aber wir müssen tapfer sein und uns bis dahin gut verstecken."
„Und wenn eins der Monster uns findet?", fragte Tinill mit schriller Stimme. Vor nackter Panik überschlug sie sich ein paar Mal. Ell gab keine Antwort darauf.
Einige Minuten vergingen quälend langsam, während die Geräusche draußen immer näher kamen. Nun krochen auch Aniery und Tinill zurück zu den anderen. Ell betete zu allem, was ihr einfiel, dass keine der Bestien genug Verstand besaß, um hier herinnen jemanden zu vermuten.
„Keine Angst", wisperte sie noch einmal. „Es wird nicht mehr lange dauern, bis uns jemand hier findet."
Bevor jedoch eins der Kinder antworten konnte, knarrte die Tür. Alle hielten unwillkürlich den Atem an, als sie langsam aufschwang. Dann tappte die kleine Teufelsgestalt eines Galchimesära herein. Ell war gleichzeitig erleichtert wie erschrocken. Onkel Laguna hatte einmal erwähnt, dass diese kleinen Biester zwar lästige Zauber sprechen konnten, aber im Gegensatz zu anderen Monstern sehr schwach waren. Die dämonisch gelben Augen wanderten im Raum umher und zischelnde Laute klangen durch die Dunkelheit. Und ehe Ell es verhindern konnte, stieß eins der Kinder einen erschrockenen Schrei aus.
Die Augen erstarrten. Dann erklangen wieder Schritte in ihre Richtung. Ell setzte das wimmernde Mädchen ab und stand langsam auf. Sie durfte das Monster nicht provozieren. Das Biest sah sie dennoch misstrauisch an und zischte ungehalten. Offenbar betrachtete es einen Haufen Kinder und eine junge Frau nicht als Gegner, sonst hätte es schon einen seiner berüchtigten Zauber angewandt.
„Seid ruhig", flüsterte sie und faltete die Hände. „Bewegt euch nicht." Sie vergewisserte sich nicht, ob die Kinder den Rat befolgten, sondern weckte ihre Hexenkraft. Sie war niemals so stark gewesen wie Rinoa, Adell oder gar Artemisia. Aber immerhin war sie auch ohne GF in der Lage, die Magien anderer Lebewesen zu spüren. Dadurch konnte sie gezielt in die Gedanken anderer eindringen... und mit einiger Hilfe von Rinoa sogar Zauber drawen und einsetzen!
Sie atmete tief durch und schickte ihre geistigen Fühler zum Bewusstsein des Galchimesäras aus. Sie hatte noch nie ein nicht-menschliches Selbst berührt, aber im Grund war das gar nicht so anders als sonst. Aber als sie den Kontakt hergestellt hatte, wusste sie, warum das Vieh keinen Zauber angewandt hatte. Es besaß keinen. Nicht einen einzigen angeborenen Spruch! Ell wurde blass. Dann konnte sie dem Monster auch nichts entgegensetzen.
Der Galchimesära schien zu wissen, was sie versucht hatte. Er ließ ein höllisches Lächeln sehen und tappte wieder einen Schritt vorwärts, seine Krallen weit ausgestreckt, der Schwanz wild umherpeitschend. Die Augen des Monsters leuchteten auf, als einige der Kinder zu weinen anfingen.
Auf einmal zischte etwas Leuchtendes durch die offene Tür, direkt auf das Monster zu. Alle, sogar Ell schrieen auf, als etwas den Galchimesära durchstieß. Ungläubig betrachtete die Bestie den Vogel aus glitzerndem Eis, der ihm durch die Brust gedrungen war. Dann kippte sie lautlos zur Seite und verschwand.
„Edea!", stieß Ell hervor. Sie hatte das Limit der anderen Hexe erkannt. „Wo bist du?"
Eine zierliche Frauengestalt schob sich durch die Tür und schloss sie gleich darauf. Einen Augenblick lauschte sie, ob momentan noch ein Monster herkam, dann drehte Edea sich um. „Ich wusste doch, dass du hierher kommst", meinte sie. „Dein Vater hat mal erwähnt, dass du Esthars Kassen mit deinen Einkaufstouren leerst!" Ell lachte befreit auf.
Im nächsten Moment drängten sich die Kinder wie ein Mann nach vorn und scharten sich um ihre Mutter. Nicht wenige weinten, einige wollten wissen, was Edea gemacht hatte und einige wollten sich nur bei ihr festhalten. Die Hexe streichelte beruhigend über einige Köpfe und riet ihnen dann, wieder zurückzugehen. Mit allen Monstern würde sie auch mit ihrem „Eisigen Zorn" den Kürzeren ziehen.
„Lande auf Balamb, Selphie!", befahl Squall kalt, während er die Forschungsinsel musterte. Wie alle anderen hatte er die Silhouetten von Cifer, Rai-jin und Fu-jin gesehen, die der Ragnarok entgegengesehen hatten. Cifer hatte sogar höhnisch mit der Gunblade gewinkt. Squall ließ sich davon nicht aus der Ruhe bringen. Mit steinerner Miene wartete er ab, bis das Raumschiff am Strand von Balamb gelandet war. Diesmal, dachte er empfindungslos, werde ich es zu Ende bringen! Ein für alle Mal!
„Squall?" Quistis' Stimme klang beinahe schüchtern, gar nicht so befehlsgewohnt wie früher. „Hast du irgendeinen Plan, nach dem wir vorgehen sollten?"
„Oder wollen wir einfach vorstürmen und diese Hunde niedermachen?", fragte Irvine, aber nicht einmal er grinste jetzt noch.
„Hier ist der Plan", erwiderte er, ohne den Blick von der Insel abzuwenden. „Ich werde Cifer offen entgegentreten. Ihr werdet Rai-jin und Fu-jin überrennen und dann die Maschinen im Inneren der Insel abschalten. Dann verschwinden wir."
„Kommt nicht in Frage!", brauste Rinoa auf. Sie packte Squall von hinten an der Schulter. „Du glaubst doch nicht im Ernst, dass du Cifer ohne Magie ganz allein besiegen kannst? Ich komme auf jeden Fall mit dir!"
„Sei still!" Squall hatte nicht geschrieen. Die Worte waren mit eisiger Ruhe über seine Lippen gekommen. „Du wirst auf keinen Fall mit mir kämpfen! Du bleibst bei den anderen, damit sie dich beschützen können."
„Das kannst du mit mir nicht..."
„Irvine, ich vertraue sie dir an", fuhr Squall fort, ohne Rinoa zu beachten. „Gib acht, dass sie auch wirklich bei euch bleibt!"
Irvine zögerte, als er Rinoas wutentbranntes Gesicht sah. „Squall", bat er. „Findest du nicht, dass sie..."
„Nein, finde ich nicht! Ihr werdet viel schneller mit Fu-jin und Rai-jin fertig, wenn sie bei euch ist. Dann ist auch der Kampf zwischen Cifer und mir schneller aus."
„Aber Cheeeef", warf Selphie protestierend ein. Das Mädchen war aus dem Pilotensitz gestiegen und neben Squall getreten. Er blickte noch immer nicht von der Insel weg.
„Squall, du kannst mir nicht befehlen, von dir wegzubleiben, wenn Cifer dich vielleicht umbringt!" Rinoa war fast noch wütender als damals, als sie Squall wegen seiner kaltschnäuzigen Art vor allen Leuten in Timber die Leviten gelesen hatte. „Ich lass doch nicht zu, dass du wegen deines blöden Stolzes getötet wirst! Denk doch auch an mich, du Idiot!"
„Denkst du, das tue ich nicht?" Squalls Stimme war jetzt schon etwas sanfter. Er drehte sich zu seinen Freunden um. „Deshalb will ich dich nicht in Gefahr bringen. Wenn du bei den anderen bist, könnt ihr euch helfen und eure Kämpfe schnell zu Ende bringen. Vergesst nicht, die Magie muss so schnell wie möglich wieder freigesetzt werden! Cifer wird wohl eine Weile mit mir spielen und mit seiner Kraft protzen wollen, das verschafft euch noch zusätzlich Zeit. Und ihr werdet wahrscheinlich jeden Mann gegen Condenos brauchen."
„Ich pfeife auf diesen Condenos!", schrie Rinoa, aber ihre Stimme klang trotzig wie die eines Kindes. „Du DARFST einfach nicht allein gegen Cifer antreten!"
Squall sah zu Boden. „Tut mir Leid", sagte er. „Aber dann habe ich keine Wahl. Selphie, Irvine, ihr beide sorgt dafür, dass Rinoa mit euch kämpft. Zusammen mit Quistis habt ihr bessere Chancen gegen die GF. Quistis, ich kann es dir nicht befehlen, aber ich bitte dich, ebenfalls auf sie zu achten."
Die drei Angesprochenen sahen ihn sprachlos an. Aber wahrscheinlich fühlten sie sich nicht halb so unwohl wie er selbst. Das würde ihm Rinoa noch jahrelang übel nehmen, das wusste er. Doch zurücknehmen durfte er den Befehl nicht mehr, also straffte er die Schultern und ging ohne ein weiteres Wort an den anderen vorbei. Es dauerte eine Weile, bis er die ersten zögernden Schritte hinter sich hörte.
Squall blieb erst wieder stehen, als er am Strand von Balamb und somit am Rand der Forschungsinsel angekommen war. Eine Strickleiter war an den Klippen der Insel befestigt, aber der Junge wartete noch damit, sie zu erklimmen, bis die anderen zu ihm aufgeschlossen hatten. Ohne sich umzudrehen verkündete er: „Ihr wisst, was ihr zu tun habt. Zögert nicht, die GF einzusetzen, denn momentan sind wir sehr verwundbar! ...Viel Glück euch allen."
Er wartete nicht auf eine Reaktion, sondern ergriff die Strickleiter und kletterte an ihr hoch. Als er den Kopf über den Rand streckte, sah er sofort Cifer, der den Anschein gab, schon lange ungeduldig zu warten. Neben ihm standen Fu-jin und Rai-jin, die ihn mit undeutbaren Mienen ansahen.
„Du hast dir ganz schön Zeit gelassen, Squall", verkündete Cifer und ließ seine Gunblade auf die flache Hand klatschen. „Ich hab dich viel früher erwartet."
Squall würdigte ihn nicht eines Wortes. Statt dessen zog er sich vollkommen hoch und streckte gleich darauf Selphie, die ihm nachgeklettert war, seine Hand hin. Das Mädchen ergriff sie und zog sich hoch. Gleich darauf erschien Rinoa, die ihn keines Blickes würdigte, hinter ihr Irvine, der sich von Selphie hoch helfen ließ und als Abschluss Quistis.
„Sofort?", hörten sie Fu-jin hinter ihnen fragen. Man musste kein Genie sein, um zu erkennen, dass sie wissen wollte, ob der Kampf jetzt gleich stattfinden sollte.
„Wenn unsere verehrten SEEDs bereit sind, wüsste ich nicht, was dagegen spräche", erwiderte Cifer in aufreizendem Ton. „Oder wollt ihr etwa doch abhauen?"
„Lass die blöden Sprüche, Cifer", entgegnete Squall kalt und zog seine „Löwenherz", die wie immer in bedrohlich blauem Licht leuchtete. Diesmal jedoch wurde es überstrahlt durch das Pulsieren, das aus dem Eingang der Insel kam. Squall deutete mit dem Kopf unmerklich in diese Richtung und hoffte, die anderen verstanden das. „Das war früher mal unter deiner Würde, weißt du noch?"
„Dorthin wirst du mal nicht kommen, Squall", verkündete Rai-jin grimmig. Der Junge sah zwar nicht so selbstsicher wie sonst aus, wenn er in einen Kampf zog, aber sein Blick sagte deutlich genug, dass er niemanden vorbeilassen würde. „Jedenfalls nicht ohne uns."
„Dann sollten wir anfangen, oder?", meinte Irvine und lud wie immer dramatisch seine Waffe durch. „Wieso noch länger zögern?"
„Woooo kämpfen wir?", fragte Selphie. Sie blickte als einzige nervös zu den Gegnern, die anderen zeigten es nicht. „Etwa hier?"
„Wieso nicht?", verkündete Cifer und machte eine weitausholende Geste mit der Gunblade. „Der Platz ist so gut wie jeder andere."
„Ja, für euch", murrte Rinoa und zog mit einem heftigen Ruck ihre „Shooting Star" über das Handgelenk. „Und wo ist Platz für uns?"
„Hinein!", schlug Fu-jin vor. Die grauhaarige junge Frau zeigte auf den Eingang mit dem pulsierenden Licht. „Ungestört."
„Von uns aus", pflichtete Irvine bei und strafte sie mit dem verächtlichsten Blick, den er zur Zeit auf Lager hatte. „Lassen wir unseren Duellanten ihre Privatsphäre."
„Was anderes würden sie auch nicht akzeptieren", flüsterte Quistis so leise, dass nur Selphie und Rinoa sie hören konnten. Die beiden nickten zustimmend, Rinoa allerdings mit zusammengebissenen Zähnen.
„Dann mal los", empfahl Rai-jin und ging auf den Eingang zu, die SEEDs allerdings nicht aus den Augen lassend. Als ob er nicht wüsste, dass sie jemanden, der ihnen den Rücken zuwandte, nicht angreifen würden!
Fu-jin folgte ihm, und sie schien es begriffen zu haben. Sie wandte zwar einige Male den Kopf zu ihnen um, aber nur, um zu kontrollieren, ob sie ihnen auch folgten. Irvine und Selphie sahen Squall noch einmal ernst an, dann folgten sie ihren Gegnern. Auch Rinoa blitzte ihn mit wütenden Augen an, aber Squalls Aufmerksamkeit war voll auf Cifer gerichtet, der anscheinend vollkommen unbekümmert herumlümmelte. Erst, als Quistis sie nicht unsanft, aber bestimmt am Arm packte, gab die Hexe auf und ließ sich wortlos zum Eingang der Höhle führen.
„Na, ist das mal nicht beeindruckend?", verkündete Rai-jin und deutete mit der Spitze seines Kampfstabes auf die Lichtsäule. „Da drin sind mal sämtliche Zauber der Welt gespeichert."
„Ja, sehr beeindruckend", ätzte Quistis. Ihr Blick hätte Ifrit frösteln lassen. „Vor allem, weil wegen diesem verdammten Ding schon ein Haufen Leute gestorben sind!"
„Schluss!", beendete Fu-jin die Diskussion, als sie merkte, dass ihr Partner unsicher wurde. „Anfangen!"
„Von uuuuuns aus!" Selphie presste die Lippen zusammen und ließ „Traum oder Illusion" durch die Luft wirbeln.
„Wir sind bereit", meinte Irvine. Dann flüsterte er: „Selphie, wir greifen Rai-jin an! Quistis, Rinoa, ihr nehmt euch Fu-jin vor!"
„Moment", keuchte die ehemalige Ausbilderin plötzlich erschrocken. „Rinoa ist weg!"
„WAS?"
Doch im selben Moment begann der Kampf.
„Verflucht!" Xell war wütend. Woher kamen diese ganzen Monster auf einmal her? Auf Balamb hatte es noch nie Doppel-Hacker gegeben, ganz zu schweigen von einem Behemoth! Irgendjemand von der Forschungsinsel musste Balamb tierisch hassen. Oder jemand wollte, dass er nicht dorthin kam...
Nachdenklich blickte der Faustkämpfer zu der kleinen Insel hin, die ihnen in den letzten Tagen solche Kopfzerbrechen bereitet hatte. Es würde ihn nicht wundern, wenn derjenige, der die Insel steuerte, versuchte, so viele starke Gegner wie möglich davon fernzuhalten. Rinoa, Squall, Irvine und Selphie waren ein starkes Team, aber fünf waren noch stärker.
Dann schüttelte er jedoch dem Kopf. Nein, selbst wenn er es schaffen würde, durch diese Monsterhorde zu kommen, die auf Balamb zumarschierte, würde er seine Familie und die Leute, mit denen er die zweite Hälfte seiner Kindheit nach dem Waisenhaus verbracht hatte, im Stich lassen. Dann hatten sie nicht mehr die Spur einer Chance gegen die Monster.
Er betrachtete seufzend seine Fäuste. Dieses verdammte Ding hatte ihm schon wieder alle neu zusammengedrawten Zauber geklaut. Jetzt war er zwar noch immer 10 mal stärker und zäher als jeder andere Mensch und konnte auf die Hilfe von Shiva und Pandemona zählen, aber seine wirkliche Kraft war weg. Jetzt konnte er niemanden mehr heilen, keinen Gegner mehr durch Zauber außer Gefecht setzten, nicht einmal mehr Drawen nützte etwas, weil auch die Monster keine Zauber mehr besaßen!
Bei diesem Gedanken riss es ihn plötzlich. Moment! Diese Biester kamen von der Forschungsinsel, das hieß... Vorsichtig versuchte er, das vorderste Monster auszumachen. Es war ein Doppel-Hacker, der es anscheinend ganz besonders eilig hatte, irgendetwas zu zerstören. Wenig verwunderlich. Xell schürzte die Lippen und wandte die Draw-Fähigkeit an.
„Da soll mich doch...", rief er erfreut aus und brach den Satz ab, um vom Haus der Dinchts auf die Straße zu springen und zum Hafen zurückzulaufen. „Endlich macht unser Feind mal einen entscheidenden Fehler!"
Als er eintraf, hielt Yarrek gerade Wache, obwohl es die anderen Leute gleichzeitig mit ihm merken würden, wenn ein Monster durch Balamb tobte. Aber niemand wollte dem Jungen sagen, wie nutzlos sein Tun war. Mit leuchtenden Augen salutierte er und schnarrte: „Sonderkommandeur von Balamb, Yarrek Nedsha, meldet sich zum Dienst, Sir!"
Xell musste sich mit aller Macht das Lachen verkneifen, salutierte jedoch ebenfalls tapfer. Nur ein leises Zittern in seiner Stimme ließ Yarrek kurz misstrauisch werden, als er sagte: „Rühren, Kommandant! Kundschafter Xell Dincht meldet sich zurück! He Leute, kommt raus, es gibt Neuigkeiten!"
„Was für Neuigkeiten?", wollte seine Mutter misstrauisch wissen, als sie aus einem Lagerhaus herausging. „Ich traue deinem fröhlichen Lächeln nicht, wenn es um eine Schlacht geht."
„Keine Sorge", winkte Xell ab. „Ich habe nur gerade etwas bemerkt, das unseren Gegnern die Köpfe kosten könnte."
„Und was?", fragte der Vater von Yarrek. „Du lässt dir immer jedes Wort aus der Nase ziehen, weißt du das?"
Der Faustkämpfer grinste ihn an. „Die Monster, die gerade herkommen, besitzen noch Zauber! Vermutlich war das Ding, welches die Zauber auf der Insel hortet, zu beschäftigt, um sie noch von den eigenen Monstern abzuziehen. Und ich habe noch zwei GF, die wir benutzen können. Das heißt, wir können die eigenen Zauber gegen die Biester einsetzen!"
„Heißt das, dass wir gewinnen, Xell?" Yarreks Augen leuchteten.
„Das weiß ich nicht", gab der junge Kämpfer zu. „Aber zumindest können wir uns wirksamer verteidigen. Kann hier jemand mit GF umgehen? Nein? Das hab ich mir gedacht. Trotzdem brauche ich zwei Leute, die den Monstern so viele Zauber drawen wie möglich."
„Wieso übernimmst du das nicht?", wollte seine Mutter wissen.
„Weil irgendjemand die Monster ablenken muss."
Sie riss fassungslos die Augen auf. „WAS? Ohne GF? Bist du verrückt?"
„Ja", erklärte er unumwunden. „Aber vermutlich würde sich niemand von euch melden, wenn ich ihm diese Arbeit anbiete. Und wenn ich kämpfe, habe ich keine Zeit zum Drawen. Also, wer will Bekanntschaft mit den reizenden Damen Shiva und Pandemona schließen?" Er ignorierte das belustigte Schnauben der beiden GF im Hintergrund seines Kopfes.
Xells Nachbar trat vor, auch wenn ihm sichtlich unwohl war. „Ich bin verantwortlich für Balamb", erklärte er schluckend. „Aber du musst mir sagen, was ich machen soll."
„Ich mach das", warf Yarrek ein und hakte sich bei seinem Vater unter. „Ich weiß ganz genau, wie man Zauber drawt! Xell hat's mir oft genug erklärt."
Xell nickte und zog eine Schnute. „Oft genug" war noch gehörig untertrieben, „jedes Mal, wenn er Balamb besuchte" traf es besser. Er sah sich um, doch niemand weiterer trat vor.
„Ich komme auch mit, Xell", hörte er plötzlich die Stimme seiner Mutter. Erschrocken drehte er sich um, aber seine Worte blieben ihm im Hals stecken, als er ihr entschlossenes Gesicht sah. „Versuch nicht, mich davon abzubringen! Ich bin zwar nicht so kampfbegeistert wie Yarrek, aber ich habe genug bei euren Gesprächen aufgeschnappt. Wenn du deinen GF sagst, dass sie etwas nachsichtig mit mir sein sollen, werde ich's schon packen."
„Aber..."
„Xell!", erklang plötzlich eine Stimme. Einer von Yarreks Freunden, den Xell als Ersatz beim Stadteingang zurückgelassen hatte, kam keuchend angerannt. „Die Monster,... sie haben Balamb erreicht! Sie werden... jeden Augenblick durch das Tor brechen!"
„Verdammt!", fluchte Xell. „Dann hab ich ja wohl keine Wahl. Kommt her, ihr beiden, und nehmt meine Hände, damit ich euch die GF geben kann. Und dann werdet ihr..."
Squall wog das vertraute Gewicht seiner Waffe in seiner Hand. Die „Löwenherz" war die stärkste Gunblade, die es zur Zeit gab, auch wenn Professor Odyne schon nach Alternativen forschte. Die Zutaten für diese Klinge waren selten... und sehr, sehr gefährlich zu beschaffen. Aber ihm und seinen Freunden war es nicht wirklich schwergefallen.
Nicht mit ihren Kopplungen...
„Hast du Angst, Squall?", fragte Cifer interessiert. Der blonde Junge machte keine Anstalten, mit dem Kampf zu beginnen. Er lehnte immer noch auf seiner Klinge, die einige Zentimeter in den Boden gesunken war.
„Als ob ich dir das sagen würde!", entgegnete Squall kalt und prüfte mit dem Daumen die Schärfe der Waffe. Das Blut, welches kurz darauf an der blau schimmernden Klinge klebte, sagte genug darüber aus. „Hast du welche?"
„Ein bisschen", gab Cifer zu. „Obwohl ich nicht weiß, wieso. Da du keine Kopplungen mehr hast, bist du viel schwächer als ich. Aber vielleicht habe ich auch nur Angst, dass ich den letzten Sinn in meinem Leben verliere, wenn ich dich töte." Diesmal sah er sehr ernst aus.
„Warum lässt du es dann nicht?", wollte Squall wissen. Die Frage war platonisch. Er wusste, dass Cifers Entschluss feststand. „Wenn du mit uns gegen Condenos kämpfst, werde ich mich für dich einsetzen."
Cifer zog die Augenbraue hoch. „Ihr wisst von Condenos? Auch egal. Nein, Squall, ich will diesen Kampf! Ich wollte ihn immer. Und noch nie gab es so gute Voraussetzungen dafür wie jetzt! Diesen Moment werde ich nicht vorüberziehen lassen!"
Squall hob die „Löwenherz" in seine Richtung. Sein Gesicht war noch immer ausdruckslos. „Worauf warten wir dann noch?"
„Auf deinen Partner."
Überrascht wollte Squall den Kopf umwenden, als plötzlich jemand neben ihm abbremste. Er war so auf Cifer konzentriert gewesen, dass er den Kämpfer nicht hatte kommen hören. Besser gesagt, die Kämpferin...
„Halt jetzt keine Volksreden, Squall!", schnitt ihm Rinoa das Wort im Mund ab. Ihr „Shooting Star" war auf Cifer gerichtet. „Ich lasse dich nicht alleine kämpfen! Nicht, bevor wir verheiratet sind!"
Einen Moment lang wollte Squall widersprechen, aber dann sah er resignierend in den Himmel und richtete den Blick dann wieder auf Cifer. „Mit dir hole ich mir was ins Haus", murmelte er. „Vielleicht sollte ich mir unsere Heirat doch noch einmal überlegen."
„Wag es ja nicht!"
„Man spricht von Hochzeit?", meldete sich Cifer wieder zu Wort. Er streckte seine Gunblade nach vorne. „Etwas verfrüht, finde ich." Dann verschwand das überhebliche Lächeln wieder. „Solltet ihr mich besiegen, Squall... möchte ich, dass du meine herzlichsten Glückwünsche annimmst. Und du auch, Rinoa. Ihr seid füreinander geschaffen, ich wusste das schon, als ich Artemisias Hexenritter war. Aber erst einmal wird unser letzter Kampf stattfinden! Und ich habe nicht vor, ihn zu verlieren!"
„Ich hasse Belagerungen", meckerte Kiros, während er ein Laser-Geschütz bediente. „Habe ich das heute schon gesagt, Laguna?"
„Mindestens zehn Mal", entgegnete dieser, während er mit seiner MG vom Dach der Residenz auf die Monster schoss, die in das Gebäude eindringen wollten. Wenn sie das schafften, mussten sie nur noch das vorderste Tor durchbrechen, um in die Innere Straße zu gelangen... und welches Gemetzel dann stattfinden würde, wollte er sich nicht ausmalen. Er griff an seinen Gürtel, entfernte den Sicherungsstift einer Granate und warf sie mitten in einen Schwarm Quale. „Nicht wahr, Ward?"
Der gezwungenermaßen schweigsame Soldat, der wie Kiros und Laguna ihre bequeme Kluft angezogen hatte, in der sie in Esthar angekommen waren, war gerade dabei, sein eigenes Geschütz auf einen Behemoth auszurichten. Er nickte mit starrem Gesicht und feuerte. Der Todesschrei des Tieres war aber nicht so laut wie die explodierende Granate, die mehrere Quale in dichtem Rauch verschwinden ließ.
„Machst du dir eigentlich keine Sorgen wegen Ell?", fragte der dunkelhäutige Klingenkämpfer. Er traf mit seinem langsam überhitzenden Geschütz einen Stahlkoloss genau in die Brust. Das Wesen sackte zusammen und wurde sofort niedergetrampelt, als drei andere Monster seinen Platz gleichzeitig einnahmen.
„Doch", erwiderte Laguna leise. Wieder warf er eine Granate. „Aber ich vertraue auf Edea und Cids Leute. Wenn sie es nicht schaffen, Ell zu retten, dann kann es niemand." Er griff wieder nach der MG. Ward sah ihn zweifelnd an und der Präsident Esthars seufzte. „Stimmt, ich würde natürlich lieber bei ihr sein. Aber wir können es uns nun mal nicht leisten, noch mehr Leute nach ihnen auszuschicken."
„Du hast das Richtige getan, Laguna." Kiros nahm eine Automatik zur Hand, die er einem der Soldaten abgenommen hatte und legte an. „Cid kann die Airstation mit Sicherheit halten, die Truppen sind mit dem Einkaufszentrum und dem Magieinstitut auch nicht überfordert und die Residenz können wir Jahre halten!"
Laguna sah ihn grinsend an. „Ich dachte, du hasst Belagerungen?"
„Tu ich auch", sagte Kiros, ohne ihn anzusehen. Er schoss auf ein Rudel Doppel-Hacker, welches in alle Himmelsrichtungen floh. „Ich wollte dich nur etwas aufheitern." Er nickte Ward zu, der soeben drei Monster mit einem Laserstrahl erwischt hatte. „Guter Schuss."
„Halt hier keine Volksreden!", trug ihm Laguna auf. „Da versuchen ein paar von den Biestern, an den Wänden zu uns hochzuklettern!"
Tatsächlich. Einige Galchimesäras hatten schon die Hälfte der Mauer zurückgelegt, aber Lagunas und Kiros' vereintes Feuer warf sie wieder zurück zu Boden. Eine nachgeworfene Granate verjagte auch die letzten abenteuerlustigen Kletterer. Aber dennoch waren es viele Monster, die versuchten, an ihnen vorbeizukommen und unendlich Munition hatten sie nicht.
„Ich bin zwar eigentlich nicht der Typ für so was", erklärte Laguna. „Aber momentan gäbe ich wirklich mein Königreich für einen vernünftigen Zauber!"
„Du bist Präsident, kein König."
„Glaubst du, diese Viecher würden auch einen unordentlichen Schreibtisch annehmen?"
„Ehrlich gesagt bezweifle ich das."
„Das ist Wahnsinn, ihr beiden!", rief Irvine mit vollem Stimmaufwand, um das Donnern seiner „Exetor" zu übertönen. Er sprang zurück. „Während wir uns hier schlagen, gehen Hunderte Menschen drauf!"
Verbissenes Schweigen antwortete ihm, gefolgt von einem von Fu-jin geworfenen Wurfstern. Er zuckte zusammen und nahm dankbar zur Kenntnis, dass Quistis ihn mit einem Hi-Potion heilte. Inzwischen ließ Selphie Bahamut los. Die Drachen-GF fügte Fu-jin und Rai-jin schweren Schaden zu. Für normale Menschen. Aber die beiden waren nicht normal.
Rai-jins Hieb richtete sich das nächste Mal gegen Selphie. Wütend biss der Scharfschütze auf seine Lippe, bezwang aber seinen Zorn und heilte das Mädchen nun seinerseits. Sie schenkte ihm ein kurzes Lächeln, nahm dann aber sofort wieder Kampfpose ein.
„Waaaaas wollt ihr überhaupt machen, wenn ihr hier gewinnt?", rief sie den beiden Kämpfern zu. „Durch eure Mitteilung weeeeeiß jedes Land dieser Welt, dass ihr für das Verschwinden der Zauber verantwortlich seid! Was glaubt ihr, werden die Leute wohl machen, weeeeenn sie euch mal in die Finger bekommen?"
Rai-jin und Fu-jin schwiegen noch immer, aber ihre Gegner sahen, wie sich ein betroffener Ausdruck auf ihren Gesichtern Platz machte. Gut, langsam wurden sie unsicher. Quistis nahm Kontakt mit Diabolos auf. Ein weiser Entschluss, wie sich zeigte, denn diesmal hatte Fu-jin sie aufs Korn genommen. Der Wurfstern der grauhaarigen Frau wurde von Diabolos' magischem Schutz abgewehrt.
Selphie wartete ab, bis Rai-jin an der Reihe gewesen war. Der Junge schlug nach Irvine, verfehlte ihn jedoch knapp. Sie kramte in ihren Taschen und warf einen Meteor-Stein. Glücklicherweise war die tiefverwurzelte Magie in diesen Steinen nicht flötengegangen. Ein gutes Dutzend Kometen schlug auf den beiden Kämpfern ein. Dennoch standen sie noch immer da wie ein Fels in der Brandung.
„Na, fühlt ihr euch gut, wenn ihr ein Wesen verteidigt, das den Tod aller Menschen will?", fragte Quistis ätzend. „Ich bin sicher, es wird euch danach die Gnade gewähren, als seine Diener weiterleben zu dürfen."
„Sei still!", schrie Rai-jin mit überschnappender Stimme. Das Gesicht des Jungen war wutverzerrt. „Wir machen das mal nur für Cifer!"
„Ruhig!", befahl Fu-jin knapp und der Junge brach ab. „Konzentration!"
„Laaaaass ihn doch reden", empfahl Selphie, während Diabolos Quistis' Platz einnahm. Die schwarz-rote GF warf einen Blick zur Lichtsäule hin, erhob sich dann aber gehorsam in die Luft und erschuf ihre Schwerkraftkugel. Diese ließ sie dann ungewohnt heftig auf Fu-jin und Rai-jin niederfahren. Selphie fuhr fort: „Cifer haaaat mehr als einmal bewiesen, dass er sich irren kann!"
„Cifer ist mal kein Mörder!", rief Rai-jin nun doch, während er Quistis hart attackierte. Gleich darauf sprang jedoch Irvine vor und schoss ihm eine Kugel nach, die den kräftigen Jungen schmerzhaft zusammenzucken ließ. Er knurrte wütend, richtete sich aber gleich wieder auf, als Fu-jin ein Mega-Potion warf.
„Und wie nennst du es, wenn wegen seiner Eitelkeit Menschen sterben?", wollte Quistis wissen. In ihrer Stimme lagen nur Enttäuschung und Verachtung. „Ihr drei seid eine Schande für unseren Garden... nein, für die Menschheit!"
„Ruhe!", brüllte nun auch Fu-jin. Es war das erste Mal, dass die junge Frau so offen die Beherrschung verlor. Selphie nutzte den Moment und warf einen Ultima-Stein, der die beiden Kämpfer unvorbereitet traf. Dennoch waren sie noch lange nicht tot. Im Gegenteil, sie waren wütender als je zuvor.
Quistis, der dieser Ausdruck in den Augen nicht entgangen war, warf ein Final-Elixier. Wenn die beiden jetzt richtig wütend waren, dann brauchten sie alles Leben, was sie bekommen konnten. Diese Tat war richtig gewesen, wie sich herausstellte, da Fu-jin sofort darauf auf sie losging. Quistis zuckte zusammen. Dieser Schaden war unnatürlich hoch. Sie betrachtete Fu- jin und Rai-jin genauer, und jetzt erst fiel ihr das rote Funkeln auf. Sie schluckte. Die beiden waren schon normal sehr stark... aber jetzt waren sie von „Tobsucht" befallen.
Auch Irvine hatte das bemerkt. Er rief eine GF auf. Selphie, die kurz nach ihm an die Reihe kam, schlug mit ihrer Waffe nach Rai-jin, aber dieser zuckte nicht einmal mit der Wimper. Ein gefährliches Knurren erklang aus seiner Kehle. Im nächsten Moment ging er auf Selphie los und fegte sie mit einem unglaublich harten Schlag fast von den Beinen. Das Mädchen biss schmerzerfüllt die Zähne zusammen und hielt sich die Seite, wo Rai-jin getroffen hatte. Quistis beschwor Tombery, wohlwissend, dass das nicht viel nutzen würde, aber sie musste durchhalten.
Dann trat Irvine vor. „Doomtrain!", rief er und verschwand. Der teuflische Zug brauste über Fu-jin und Rai-jin hinweg und wenigstens er schien den beiden etwas anhaben zu können, auch wenn sie nicht schliefen, wie Irvine gehofft hatte. Er fluchte kurz. Blende war zwar hervorragend, aber Gift und Versteinerungs-Countdown halfen bei diesen Gegnern wenig. „Seht es endlich ein", rief er mit wenig Hoffnung. „Ihr könnt nirgends mehr hin, wenn ihr uns umbringt. Die Menschen werden euch hassen und verfolgen. Gebt auf!"
„Niemals!" Das Wort kam mit einem fast schlangenartigen Zischen aus Fu-jins Mund. Ihr Blick huschte wie der eines gehetzten Tiers umher. Dann blieb er an Irvine haften und ein breites Grinsen erschien auf ihrem Gesicht. Irvine riss entsetzt die Augen auf, als gelbe Lichtblitze aus dem Boden um das grauhaarige Mädchen schossen, aber er konnte sich nicht rühren. Fu-jin stieß sich kraftvoll vom Boden ab, schrie mit schriller Stimme das Wort „Sai!" und ließ die tödliche Schneide ihres Wurfsterns durch seinen Körper gleiten.
„Irvine!", schrie Selphie erschrocken auf. Der Junge wollte ihr bedeuten, dass er gerade noch lebte, aber Rai-jins laute Stimme kam dazwischen. Auch er hatte anscheinend völlig die Beherrschung über sich verloren.
„Wir werden Cifer nicht verraten! Er hat ein Recht auf diesen Kampf!", brüllte der Junge und ein irres Flackern glitzerte in seinen Augen. Dann schossen auch neben ihm die Limit-Feuer aus dem Boden und sein Blick fand den von Selphie. Im nächsten Augenblick stieß er sich ab, wirbelte seinen Kampfstab mühelos durch die Luft und vollführte den „Drachentöter". Das Mädchen gab ein würgendes Geräusch von sich und ging in die Knie. Sie fühlte, dass sie nicht mehr sehr viel Leben übrig hatte.
„Seid ihr total verrückt?", hörte sie Quistis schreien. Die Stimme ihrer Freundin schien aus einer anderen Welt zu kommen. Mühsam zwang Selphie sich, die Augen offen zu halten. „Irvie", flüsterte sie schwach. „Bist du noch..."
„Keine Sorge", kam Irvines gepresste Stimme zurück. Der Junge hielt sich gerade noch auf den Beinen, aber er kannte die fürchterliche Kraft von Fu- jins Limit, alles Leben bis auf 1 abzuziehen. „Aber... du siehst auch nicht... gut aus."
Selphie rang sich ein gequältes Lächeln ab und sah ihn an. Er erwiderte ihren Blick schmerzerfüllt, aber auch er versuchte ein Grinsen. „Die beiden sind... wirklich stur, nicht?"
„Fast so stur... wie du manchmal, Sephie", erwiderte der Junge. „Aber nur fast."
Sie ging nicht darauf ein, sondern streckte ihre Hand nach ihm aus. „Gib mir deine Hand, Irvine", flüsterte sie. Sie hörte, wie Quistis neben ihr einen Todes-Stein nach einem der beiden Gegner warf. Ihrem Fluchen nach zu urteilen, hatte es nicht funktioniert. „Ich möchte sie... noch einmal fühlen... falls wir..."
Irvine widersprach nicht. Auch er wusste, dass ihre Chancen sehr schlecht standen, jetzt, da Fu-jin und Rai-jin ihr Limit erreicht hatten. Wortlos legte er seine Hand in die von Selphie und drückte sie. Und plötzlich explodierte die Welt um ihn herum.
Cifer war der erste, der an die Reihe kam. Er sprang vor, riss seine Gunblade zurück und ließ sie auf Squall niederfahren. Rinoa war sofort zur Stelle und heilte ihren Geliebten, der sich daraufhin wieder aufrichtete.
„Danke", murmelte Squall. „Langsam glaube ich, es ist doch besser, dass du hier bist."
Rinoa schnaubte und sprang auf ihren Platz zurück. „Wie schön, dass du das Offensichtliche schon jetzt bemerkst!"
Squall enthielt sich einer Antwort, rannte auf Cifer zu und schlug mit der „Löwenherz" zu. Das war aber bei der schier unendlichen Anzahl von Lebenspunkten des Jungen nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Squall sah seinen Rivalen noch kurz verachtend an, dann sprang er zurück zu Rinoa.
Die nächste Attacke von Cifer richtete sich gegen Rinoa. Das Mädchen schrie auf und funkelte ihren Ex-Freund finster an. „Hast du noch nie etwas von Galanterie gehört?", rief sie Cifer zu. Squall erlaubte sich ein kurzes Lächeln. Rinoa musste einfach immer einen lockeren Spruch parat haben!
Cifer jedoch blieb völlig ruhig. „Es wäre gesünder für dich, wenn du dich aus unserem Kampf herausgehalten hättest, Süße", verkündete er tonlos. „Mach nicht mich für deine Dummheiten verantwortlich."
„Rinoa, heil uns beide", flüsterte Squall. „Ich greife weiterhin an."
„Wieso setzt du keine Steine oder GF ein?", erregte sich das Mädchen. „Damit hätten wir zumindest eine etwas bessere Chance." Statt einer Antwort griff der Junge an. Sein ungestümes Vorstürmen brachte Cifer nicht unbedingt viel Schaden bei, und er wusste das auch. Rinoa fluchte und wartete.
Cifer wusste anscheinend, was sie plante. Nun, es war auch nicht wirklich schwierig zu erraten. Also griff er noch einmal sie an. Der Schlag war furchtbar, aber immerhin überlebte sie, was gar nicht so selbstverständlich war. Sofort fischte sie ein Elixier aus ihrer Tasche und leerte es. Nun hatte Squall wieder einen Schlag frei. Was auch immer ihm das bringen sollte.
„Es muss sein, Rinoa", drang der Junge in ihre Gedanken, als hätte er sie gelesen. „Nicht nur er will diesen Kampf."
Das Mädchen drehte erschrocken den Kopf zu Squall hin. Er sah Cifer immer noch mit eisenharten Augen an,... aber seine Mundwinkel waren zu einem Lächeln verzogen. Er genoss diesen Kampf!
„Ich zeige es nie", fuhr der Junge fort, sah sie aber nicht an. Er war voll auf seinen Gegner konzentriert. „Aber ich wollte Cifer immer schon für sein letztes Geschenk danken." Er nahm eine Hand vom Schwert und fuhr sich über die Narbe auf seiner Stirn. „Und für die Demütigung. Heute wird endgültig entschieden, wer der beste Gunblade-Kämpfer des Balamb Garden ist. Nicht wahr, Cifer?"
„Sehr richtig, Kleiner. Freut mich, dass du so denkst." Cifer grinste gewohnt arrogant. „Es würde keinen Spaß machen, wenn du nicht die richtige Einstellung hättest."
„Squall, verdammt noch mal, was soll das?" In Rinoas Augen standen Tränen der Wut. „Wieso willst du dich unbedingt von ihm umbringen lassen?"
In diesem Augenblick machte Squall etwas sehr Unvorsichtiges: Mitten im Kampf sah er sie an und senkte die Waffe. Er hob seine Hand und fuhr seiner Freundin sanft über das Gesicht. „Das will ich nicht, Rinoa", antwortete er in zärtlichem Tonfall. „Ich wünsche mir nichts mehr, als mein Leben mit dir zu verbringen. Aber dazu muss ich meine Vergangenheit hinter mir lassen, verstehst du? Und dieser Kampf gehört dazu." Er lächelte sie an und wischte ihr die Tränen weg, aber nun rannen weitere die Wangen herunter.
„Aber er wird uns töten, wenn wir keine GF einsetzen, Squall!", schluchzte sie. „Du hast doch keine Chance, ihn zu besiegen, wenn ihr beide nur mit den Gunblades angreift."
„Vielleicht", gab Squall zu. Er legte seine Hand wieder auf die Waffe und hob die Gunblade. „Aber das ist nicht sicher. Rinoa, ich glaube fest daran, dass wir gemeinsam siegen können. Vertraust du mir?"
„Was ist das für eine blöde Frage?", schnappte sie und wusste nicht, ob sie heulen oder lachen sollte. Welchen Typen hatte sie sich da nur angelacht? „Natürlich vertraue ich dir, Squall."
„Dann glaub mir, dass dies die richtige Art des Kampfes ist. Du kannst angreifen, Cifer."
Rinoa sog erschrocken Luft ein. „Er kann schon wieder angreifen?"
„Natürlich. Schon eine ganze Weile lang. Nicht wahr, Cifer?"
„Richtig", bestätigte der blonde Junge. „Und bevor du fragst: Ich hätte Squall ohne Mühe töten können, als er seine Waffe gesenkt hat. Aber dieser Kampf ist mir viel zu wichtig, als dass ich ihn so gewinnen möchte." Er grinste. „Aber von jetzt ab gibt's keine Pausen mehr."
Squall nickte. „Ist mir nur recht." Er hob die „Löwenherz" noch etwas höher und sein Blick wurde wieder hart.
Auch Rinoa hob zögernd den „Shooting Star." „Auf was hab' ich mich da nur eingelassen?"
Xell verpasste einer Stichraupe einen Uppercut, der das Monster mit seinen normalen Kopplungen zu Boden geschickt hätte. Aber die Bedingungen waren nicht normal, und hätte er keine Hilfe gehabt, hätte es böse für ihn ausgesehen. Das Stadttor von Balamb war schon etwas lädiert, da schon ein Archeodinos in die Stadt gekommen war, aber trotzdem bot es nur Platz für wenige Monster auf einmal und war deshalb gut zu verteidigen.
Allerdings wäre Xell viel wohler gewesen, wenn Squall und die anderen hier gewesen wären. Er nahm den Angriff eines Beißkäfers in Kauf und drosch ein Guheys Eye, welches gerade an ihm vorbeischlüpfen wollte, zu Boden. Weiter hinten erschütterte ein Beben-Zauber den Grund und einige Stichraupen und Archeodinos wurden gehörig durchgeschüttelt. Xell warf einen dankbaren Blick zu seiner Mutter hoch, die auf dem Dach eines Hauses stand und den Monstern Zauber drawte. Sie lächelte zurück und sprach „Vitra" auf ihn.
Sie und Xells Nachbar waren beide in der Stadt und damit für die Monster unerreichbar, andererseits konnten sie von oben herab Zauber auf sie sprechen. Der Mann sprach gerade „Eisga" auf eine Stichraupe. Xell hingegen stand direkt vor dem Eingang von Balamb und hinderte die Monster daran, in Scharen einzufallen. Hinter ihm in der Stadt waren die restlichen Bewohner stationiert, welche den wenigen Monstern, die doch durchkamen, den Rest gaben.
In der Theorie war Xells Plan ganz einfach, dachte er sich, während er einen Archeodinos angriff, der wütend versuchte, in die Stadt zu gelangen. Aber wieso hab ich dann hier so ein schlechtes Gefühl?
„He", rief er Yarrek zu, der bei seinem Vater stand und ihm Ratschläge gab. „Haltet mir diesen Archeodinos vom Leib! Ich hab genug zu tun!" Er zuckte schmerzhaft zusammen, als eine Stichraupe und ein Beißkäfer gleichzeitig auf ihn losgingen, aber mit einigen wütenden Hieben trieb er sie zurück. Gleich darauf schüttelte sich der Archeodinos, als ein weiterer Eisga- Zauber ihn traf. Der Blitzga-Zauber seiner Mutter gab ihm den Rest. Aber schon wieder waren die nächsten Purpurmäuse, Buels, Beißkäfer und Stichraupen heran.
Xell biss die Zähne zusammen und schlug einen Buel nieder, bevor er einen seiner gefürchteten Zauber sprechen konnte. Zwar war dieses Monster nicht sehr hoch bei den Leveln, aber für die Leute in Balamb konnte es gefährlich werden. Eine Stichraupe versuchte, ihn mit „Stop" zu belegen, scheiterte aber zum Glück, denn „Medica" beherrschte leider kein einziges dieser Viecher hier.
„Mama, setz mal Shiva ein!", rief er seiner Mutter zu. „Wir müssen die Archeodinos schwächen! Yarrek, unternehmt was gegen diese Bomber dort!"
Seine Mutter nickte und konzentrierte sich. Yarrek deutete auf ein Monster und flüsterte seinem Vater zu, welchen Zauber er ziehen sollte. Xell musste indessen einige weitere schmerzhafte Stöße, Bisse und Hiebe einstecken, hielt sich aber noch, indem er ein Elixier trank. Er atmete erleichtert auf, als Shiva auftauchte und einen großen Teil der Monster auf der Seite seiner Mutter einfror. Viele davon verschwanden gleich darauf.
Xell grinste und verpasste einem Bomber ein paar kräftige Hiebe, die ihn zu Boden stürzen ließen. Bei den Viechern musste man aufpassen, dass sie einen nicht in den Tod nahmen. Plötzlich war ein weiterer Archeodinos heran und führte seine Schwanzattacke aus. Xell fluchte, als ihm ein großer Teil seiner ohnehin geringen Lebenspunkte abgezogen wurde.
„Yarrek!", brüllte er. „Setzt Pandemona ein! Meine Mutter drawt inzwischen für euch!"
„Xell", hörte er den Jungen plötzlich leise wimmern „das geht nicht..."
Xell versetzte einem Buel einen Kick, der ihn gegen seine Hintermänner schleuderte und sah rasch zu dem Jungen hoch. Beinahe wären ihm die Augen aus dem Kopf gesprungen. Pandemona hatte sich von Yarreks Vater gelöst und schwebte über ihm. Er blickte kurz zu seiner Mutter. Ja, auch Shiva war entkoppelt. Aber wieso?
„Was soll das?", rief er den beiden GF zu. „Wir brauchen euch hier! Bleibt gefälligst!"
„Das ist nicht möglich, Mensch", entgegnete Shiva mit emotionsloser Stimme. Sie schwebte etwas höher. „Wir wurden gerufen und müssen euch verlassen."
Xell zuckte zusammen und schlug wütend einen Beißkäfer nieder, der ihn angegriffen hatte. Die Monster weiter hinten hatten aufgehört vorwärts zu stürmen, als die GF erschienen, anscheinend fühlten sie doch etwas wie Furcht. Aber das war nicht verwunderlich bei der Aura, welche die beiden Geschöpfe, das violetthäutige Wesen mit zischendem Atem und die blaue, grausige Kälte verströmende Frau, abstrahlten. Doch die Monster hier vorn am Tor hatten davon nichts bemerkt und einige davon waren nach hinten in die Stadt gekommen. Er fluchte.
„Xell! Hier!"
Der Aura-Stein, den seine Mutter geworfen hatte, ließ goldenes Licht um den Jungen herum erstrahlen. Dankbar nickte er ihr zu und konzentrierte sich auf sein Limit. Er vollführte einen Kopfstoß, einen Sonic-Kick und einen Delphin-Schlag gegen einen Archeodinos, welcher daraufhin zurückwankte. Anschließend, als schon wieder einige kleinere Monster an ihm vorbeischlüpfen wollten, leuchtete die gelbe Aura noch einmal grell auf und er schlug die Fäuste auf den Boden. Der „Burning Rave" tötete 10 Monster in seiner unmittelbaren Umgebung. Als er wieder aufstand, war die Monsterherde ruhig. Xell sah wieder zu den GF hinauf, die wohl der Grund waren, warum die Monster ihn nicht mehr angriffen.
„Es tut uns Leid, Mensch", erklärte Shiva und sah ihn mit ihren blauen Augen an. Obwohl man keine Emotionen in ihrer Stimme hörte, glaubte Xell, dass sie es ernst meinte. „Auch wir brechen nicht gerne die Regeln, die unsere Herrin aufstellte. Aber wir wurden gerufen." Damit schwebte sie noch weiter von seiner Mutter weg und drehte sich in Richtung Forschungsinsel. „Aber du wirst die Monster dennoch besiegen."
„Wie denn?", schrie Xell verzweifelt, als die GF davonflog. „Ohne euch hab ich gegen diese Übermacht doch keine Chance!"
„Sssssei unbesorgt", erklang nun zum ersten Mal die Stimme von Pandemona. Sie klang wie das Seufzen des Windes in den Bäumen, nur kräftiger. „Du wirsssst Hilfe bekommen. Es issst dir vielleicht ein Trost, wenn ich dir ssssage, dasssss die GF von nun an in eurer Schuld sssstehen." Damit erhob auch sie sich und folgte ihrer Schwester.
„Wartet!", rief Xell noch einmal, aber es hatte keinen Zweck. Die beiden waren weg. „Scheiße!", fluchte er ungehemmt und schluckte, um die Tränen der Wut fernzuhalten. Ging heute denn alles schief? Er mauerte einen Bomber, der sich an ihm hatte vorbeischleichen wollen, an die Wand und stellte sich wieder in Kampfposition, denn nun kamen die Monster wieder heran. „Mama! Yarrek! Verschwindet von hier! Ihr könnt mir jetzt nicht mehr helfen!", schrie er und vollführte eine Kombination von Attacken, die mehrere Monster traf und zurückwarf. Aber das war nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. „Helft den anderen dabei, die Stadt von den Monstern freizuhalten!"
„Glaubst du etwa, ich lass dich hier im Stich?", empörte sich seine Mutter. „Ich kann hier oben bleiben und die Steine werfen, die du mir gegeben hast..."
„Mama! Keine Diskussion!", rief er und schlug einer Stichraupe so sehr ins Gesicht, dass sie gegen mehrere andere Monster prallte. Gehetzt sah er sie an. „Wenn auch nur ein Monster aus Versehen die Mauer trifft, wirst du begraben! Zieh dich zurück! Das ist ein Befehl!"
Sie öffnete noch den Mund, um etwas zu erwidern, aber als sie sein Gesicht sah, ließ sie es und nickte nur. Er drehte den Kopf zurück, nur um gleich darauf von einem Bomber gerammt zu werden. Als er sich den Bauch hielt, drangen zwei Beißkäfer, der Bomber und eine Stichraupe gleichzeitig auf ihn ein, aber dann vollführte er einen weiteren „Burning Rave", der das Stadttor wieder von den Monstern befreite. Aber es waren noch zu viele vor ihm.
„Xell", kam plötzlich Yarreks ängstliche Stimme. „Wir können nicht zurück! Da ist ein Monster in der Stadt erschienen, das wie ein Reiter aussieht! Die anderen können es nicht aufhalten!"
„Das sollten sie auch nicht", erklang eine weitere, tiefe und ehrfurchtgebietende Stimme. „Es kann mir nichts anhaben und ist sehr lästig. Sag diesen schwächlichen Menschen bitte, dass ich keine Gefahr für sie bin, kleiner Krieger!"
„Odin?", fragte Xell völlig verwundert und drehte sich um. „Was machst du denn hier?"
Odin nahm ohne Regung zur Kenntnis, dass zwei Männer versuchten, ihn aus dem Sattel zu zerren und antwortete: „Ich war es, der Shiva und Pandemona anwies, zur Forschungsinsel zu fliegen. Aber ich durfte dich nicht schutzlos hier zurücklassen, das verbot mir die Herrin Hyne. Also bin ich hier... aber unerwünscht, wie mir scheint."
„Lasst ihn los!", befahl Xell, dem die Männer jetzt erst auffielen. „Er ist kein Monster, sondern eine GF!" Die beiden zogen sich langsam zurück und Xell warf einen Blick auf die Monster draußen. Sie waren wieder erstarrt, aber für einen Rückzug fehlte ihnen einfach die Intelligenz. Und wenn sich auch nur eines in Bewegung setzte, dann würden die anderen wieder folgen, egal, ob Odin hier war oder nicht. „Du willst uns helfen?"
„Das ist meine Absicht."
„Aber wirst du nicht auf der Forschungsinsel gebraucht? Ich meine, es geht um euren Bruder. Vielleicht hört er auf dich."
„Das bezweifle ich", gestand die große GF. „Condenos war immer von seiner Idee überzeugt. Er wird sich auch von mir nicht abbringen lassen. Außerdem habe ich einen würdigen Kämpfer gefunden, der mich vertreten wird."
„Ein Kämpfer?" Xell zog die Augenbrauen hoch. „Wer?"
„Das ist jetzt nicht wichtig. Duck dich, kleiner Mensch!"
Xell reagierte rasch, als Odin seinen „Eisenschneider" zog und seinen vernichtenden Angriff an einem Bomber vollführte, der sich Xell genähert hatte. Die Monster erstarrten wieder. Mit dieser Situation waren sie überfordert. Als Xell aufstand fielen die Hälften des Monsters neben ihm zu Boden.
„Xell, kann uns dieser... Mann wirklich helfen?", fragte seine Mutter mit zitternder Stimme. Für jemanden, der Odin zum ersten Mal sah, hielt sie sich nicht so schlecht. Die anderen brachten kein Wort heraus, ob nun aus Furcht oder ehrfürchtigem Staunen wie Yarrek.
„Ich glaube, wenn uns überhaupt jemand helfen kann", entgegnete der Faustkämpfer langsam, „dann Odin."
„Wohl gesprochen, kleiner Mensch. Und nun komm. Ich habe lange schon keine Jagd mehr veranstaltet. Ich glaube, ich werde es genießen." Odin drehte sich zur Monsterhorde hin. Wären sie dazu fähig, wären sie jetzt geflohen, dessen war sich Xell sicher.
„Du... du willst diese Viecher JAGEN?", fragte er ungläubig.
„Natürlich." Odin sah ihn an. „Und glaube mir: Wenn wir beide vor dieses Tor treten, dann wird eine Jagd beginnen, wie es sie in der Geschichte eures Volkes lange nicht mehr gegeben hat."
Xell sah ihn ein paar Sekunden lang stumm an, nickte dann und griff in die Tasche. Nachdem er einen weiteren Aura-Stein geworfen hatte, schlug er die Fäuste zusammen und meinte: „Dann los."
