Kapitel 2: In der Nocturngasse

Er sass im „Tropfenden Kessel", Trank ein Butterbier und war glücklich endlich mal aus der Schule weg zu sein. Schon lange war er nicht mehr in London gewesen. Ihm war einfach nie nach Abwechslung zu mute und einkaufen war ihm schon immer lästig gewesen. Aber heute war es irgendwie anders. Er freute sich wider einmal durch die alten Gassen zu streifen. Bald machte er sich auf den Weg zu Gringotts, der Zaubererbank, um etwas Geld aus seinem privaten Verliess zu holen.

Gringotts war der sicherste Ort um etwas aufzubewahren, vielleicht mit Ausnahme von Hogwarts. Als er die grosse Halle betrat, stolperte er fast über einen Kobold (kleine, schlaue Kerlchen, leider nicht sehr freundlich). Dieser knurrte etwas Unverständliches und machte sich aus dem Staub. Der Kobold am Bankschalter war auch nicht besonders freundlich und blickte spöttisch auf Snape hinunter.

„Verliess 707, ich möchte etwas abheben." Sagte dieser grummlig und legte ihm seinen Schlüssel vor die Nase. „ Swip, bringen Sie den Herrn Professor zu seinem Verliess." Ein anderer Kobold erschien und winkte Snape zu sich. Sie setzten sich in einen der Wagen und fuhren zum gewünschten Ziel. Als Snape die Bank wider verliess, fühlte er sich noch besser mit all dem Geld in der Tasche. Um in die Nocturngasse zu gelangen, musste Severus eine kleine Abzweigung in der Winkelgasse suchen. Verstohlen blickte er sich um, um sicher zu gehen, dass ihn keiner sah. Denn was würde jemand denken, der den Meister der Zaubertränke aus Hogwarts in einer zwielichtigen Gegend wie dieser erwischen würde? Zum Glück schien ihn niemand zu beachten und so schlüpfte er in die Dunkelheit zwischen zwei Geschäften. Nichts hatte sich verändert seit er das letzte Mal da gewesen war. Die gleichen Geschäfte, die gleichen Dinge die zum Verkauf in den Schaufenstern ausgestellt waren. Da gab es zum Beispiel einen Spezialisten für giftige Einrichtungsgegenstände oder ein Geschäft das ausschliesslich verfluchte Schmuckstücke anbot. Es amüsierte ihn jedes Mal auf neue, wenn er diese Kuriositäten bewunderte. Doch eigentlich war er nicht deswegen gekommen. Vorne an der Ecke erblickte er, was er gesucht hatte. Über einer grossen, alten Eichentüre stand in ausgebleichten Lettern „ Veinders Zaubertrankutensilien". Snape betrachtete den Türknauf, der die Form eines eigenartigen Wesens hatte und öffnete die Türe. Der Raum war dunkel und überall stiegen ihm eigenartige Gerüche in die Nase. Irgendwie fühlte er sich hier sofort zu Hause.

„Severus! Alter Freund! Schon lange nicht mehr gesehen, wie geht es dir?" Snape drehte sich ruckartig um. Vor ihm stand der Besitzer des Ladens, Nicolas Veinder. „Nicolas! Wusste gar nicht, dass es dich noch gibt!" sagte Snape überrascht. „Danke, das beruht auf Gegenseitigkeit!" Veinder lächelte. Sie hatten sich früher oft getroffen. Veinder war um einiges älter als Snape und doch hatten sie sich immer gut verstanden. Wenn er sich's recht überlegte, war er der einzige gewesen, mit dem er sich verstanden hatte. Das lag vielleicht daran, dass er auch ein Zaubertränkemeister war und Snape eine Menge von ihm gelernt hatte. Nicolas trug ebenfalls eine schwarze Robe und hatte wirre, struppige, schwarze Haare, die von einzelnen grauen Strähnen durchzogen waren. Das einzig Auffällige waren seine azurblauen Augen. „Was kann ich für dich tun?" fragte Veinder freundlich. Snape zog das Pergament aus seiner Robe und hielt es ihm vor die Nase. Er las es durch, verschwand im Hinterzimmer und tauchte nach einer Weile wider auf. In der Hand hielt er einige Flaschen und Säckchen. „Hier bitte sehr, Blauwurz hab ich leider gerade keinen auf Lager. Aber frag mal bei Tingle nach, der hat gestern eine neue Lieferung erhalten." „Wer ist Tingle?" fragte Snape beiläufig. „Lester Tingle, besitzt ein Geschäft am Ende der Strasse, komischer Kauz, hat aber ein interessantes Sortiment, wird dir gefallen..." Nicolas zwinkerte ihm zu und fing an die Sachen ordnungsgemäss zu verpacken. „Was bin ich dir schuldig?" Snape zog einige Goldmünzen aus der Tasche und legte sie vor Veinder auf den Tisch. Dieser suchte sich das Passende heraus und übereichte Severus das Packet.

„ Wir müssen uns unbedingt wider einmal treffen, Severus." Nicolas klopfte ihm zum Abschied auf die Schultern. „Ja das müssen wir..." sagte Snape im Vorbeigehen. Er trat auf die Strasse * Am Ende der Strasse, hmm? * dachte er bei sich. Am Ende der Strasse sah er ein ziemlich heruntergekommenes Geschäft. Kein Schild verriet dessen Name, doch hatte Snape das Gefühl, dass er hier genau richtig war. In der Auslage befanden sich Dinge, die er noch nie zuvor gesehen hatte und deren Funktion ihm schleierhaft erschienen. Beim Betrachten des Schaufensters, nahm er eine Spiegelung wahr. Er drehte sich um und sah, dass jemand auf ihn zu schritt: es war Lucius Malfoy! Snape öffnete die Türe ein wenig und zwengte sich durch den schmalen Spalt. Er sah wie Malfoy einen Laden auf der anderen Strassenseite betrat. * So so, wen haben wir den da... * und ein kleines, verzerrtes Lächeln huschte über sein Gesicht, so dass er aussah als hätter er in eine Zitrone gebissen. Der einzige der ihm diesen Tag noch so richtig vermiesen konnte war dieser schleimige Besserwisser Lucius Malfoy. Er würde sich die Mühe machen ihm nicht über den Weg zu laufen, denn das würde wohl in eine mittlere Katastrophe ausarten. Gerade als er darüber nachdachte, was er alles mit Malfoy anstellen würde, fühlte er eine Hand auf seiner Schulter. Snape schreckte aus seinen Gedanken auf und blickte in ein Paar leuchtend gelbe Augen. „Kann ich behilflich sein?" fragte ein Mann mit einer kalten, ausdruckslosen Stimme, die Severus einen Schauer über den Rücken jagte. Schnell fasste er sich wider und versuchte seine Stimme noch viel kälter klingen zu lassen. „Ja. Nicolas Veinder schickt mich, er sagte dass ich bei Ihnen Blauwurz finde..." „Und mit wem habe ich das Vergnügen?" Tingle wendete keine Sekunde den Blick von ihm ab. „Mein Name ist Snape, Professor Severus Snape." Er betonte absichtlich das Wort Professor. „Hab schon von Ihnen gehört, sollen ein ganz kluges Köpfchen sein." Antwortete Tingle spöttisch. Snape schluckte einmal leer, ballte seine Faust unter seiner Robe und versuchte so freundlich wie möglich zu bleiben. „Haben Sie nun Blauwurz oder nicht?" Ohne eine Antwort zu geben, öffnete Tingle eine kleine Schublade an seinem Tisch und holte ein kleines Fläschchen mit blauem Pulver heraus. „Na also, vielen Dank!" sagte Snape erleichtert und wollte gerade zahlen, als er einen wundersamen Spiegel im hinteren Teil des Raumes erblickte. „Kann ich mich noch ein wenig umsehen, Mister Tingle?" „Natürlich, tun sie sich keinen Zwang an..." und da war er auch schon wider weg. Snape war es nur recht, wenn er sich ungestört umsehen konnte. An einem Regal mit Büchern blieb er stehen. Wenn er sich recht entsinnte, waren die dort vorhandenen Bücher vor einiger Zeit vom Zauberministerium verboten worden. Bücher über schwarze Magie erfreuten sich nicht grosser Beliebtheit. Er blätterte einige Bände durch und war erstaunt, welch detaillierte Anweisungen darin enthalten waren. Kein Wunder waren sie verboten worden, wenn diese Werke in falsche Hände fallen würden, könnte das ziemlich schlimme Folgen haben. Nicht selten war es vorgekommen, dass nichtsahnende Zauberer etwas unüberlegt ausprobiert hatten und es nach hinten los gegangen war. Da kam oft jede Hilfe zu spät. * So etwas würde mir nicht passieren! * überlegte er und nahm sich drei ganz besondere Exemplare. Er gönnte sich ja sonst nichts und er hatte einfach eine Schwäche für die dunklen Künste. Was ihm zum Verhängnis wurde... Nein, darüber wollte er jetzt nicht nachdenken. Seine Vergangenheit sollte ihn nicht schon wider einholen. Er drehte sich um und blickte direkt in den geheimnisvollen Spiegel, der ihm schon vorhin aufgefallen war. Irgendetwas stimmte nicht, er konnte es fühlen. Dennoch sah sich die Sache etwas genauer an. Severus strich über die gold- schwarze Einfassung die mit eigenartigen Zeichen und Wesen verziert war und stellte sich direkt vor dem Spiegel auf. Nichts Ungewöhnliches. Er betrachtete sich von oben bis unten und wartete. Doch nichts geschah. Wahrscheinlich hatten ihn seine Gefühle getäuscht. * Da stimmt doch was nicht... * und tatsächlich war es ihm als sähe er ein kleines, flackerndes Licht in weiter Ferne. Er blickte tiefer hinein und das Licht wurde stärker. Plötzlich fühlte er sich eigenartig leicht, seine Beine gaben nach und es war ihm als würde er in die unergründlichen, schwarzen Tiefen des Spiegels gesogen. Snape wehrte sich, doch er konnte sich nicht bewegen. Er wollte schreien, doch seine Stimme versagte. Alles um ihn herum wurde schwarz und er wurde ohnmächtig.

Als er seine Augen wider öffnete, lag er vor dem Spiegel. In seinem Kopf drehte sich immer noch alles. Snape setzte sich auf und liess seine Blicke durch den Raum gleiten. Lester Tingle war nirgends zu sehen. Er entschloss sich auf den Rückweg zu machen, schnappte sich sein Packet und legte einige Goldstücke hin.

Als er wider im Tropfenden Kessel sass, hatte sich sein Magen etwas beruhigt. Doch was war geschehen? Was war das, dass ihn versucht hatte in den Spiegel hineinzuziehen? Ehrlich gesagt wollte er es gar nicht so genau wissen. * Hauptsache ich bin noch am leben...* dachte er und ihm schauderte. * Wenn mich das nächste mal etwas so faszinieren sollte, werde ich einfach wegschauen! * Doch er wusste, dass ihm das nicht gelingen würde. Er musste einfach vorsichtiger sein.

Da sein Kopf immer noch brummte und das Butterbier diesem Zustand nicht gerade entgegenwirkte, entschloss sich Professor Snape die Nacht doch in London zu verbringen. Zum Glück kannte ihn hier niemand, so konnte er ungestört an seinem Tisch sitzen. Am frühen Morgen entschloss er sich doch noch ins Bett zu gehen.

Als die ersten Sonnenstrahlen ihn berührten, öffnete er die Augen und blinzelte ins helle Licht * Toll, schon so früh hell... * Er richtete sich auf, zog sich an und machte sich bereit zur Abreise. Heute stand ein anderer Mann hinter der Theke. Severus hatte ihn noch nie zuvor gesehen. Naja, auch Barkeeper brauchten freie Tage. „Eine Nacht, Zimmer 8." * Oh Gott, das reimt sich ja! * stellte er fest und verzog das Gesicht. Irgendwie würde das heute nicht sein Tag werden. Der Mann auf der anderen Seite nahm schweigend das Geld entgegen und verzog sich wider. *Was ist denn dem über die Leber gelaufen?* dachte Snape und machte sich auf den Weg nach draussen. Doch was war denn hier los? Alles sah irgendwie anders aus.