Farawyns gute Laune vom Vortag, war verschwunden. Heute morgen hatte Elrond ein sehr ernstes Gespräch mit ihr geführt. Höflich und diplomatisch, aber auch sehr unmissverständlich hatte er ihr klar gemacht, dass er ihr Verhalten von gestern Abend nicht billigte und hatte sie gebeten sich doch etwa mehr an die hiesige Tradition zu halten. Natürlich nur, wenn es ihr nicht zu viele Umstände machen würde. „Verklemmte Elben sind schlimmer als pubertierende Jungs!" grummelte sie und schlich auf der kleinen Terrasse hin und her, während sie eine Art Fladenbrot in sich hineinstopfte. Elena betrachtete sie. Die beiden hatten sich erst heute morgen richtig kennen gelernt. „Und jetzt lassen sie mich nicht auf diese Versammlung. ‚Es genügt, wenn euer Bruder teilnimmt, ihr würden euch sicher nur langweilen. Ihr seit doch ein so lebenslustiges Mädchen!' haben sie gesagt, aber sie wollen mich nur nicht dabei haben, weil ich ein Mädchen bin!" beschwerte sie sich. Elena lachte. „Reg dich nicht auf Farawyn, die Sitten von Bruchtal mögen dir verquer erscheinen, aber sei gewiss, dass man auch in deinem Sinne entscheiden wird!" sagte sie. Farawyn setzte sich neben sie. „Warum wolltest du eigentlich nicht teilnehmen?" fragte sie. „Weil mich die Angelegenheiten, die bei diesem Rat besprochen werden nicht interessieren! Ich werde mit Legolas zurück in den Düsterwald gehen!" antwortete sie, doch während sie sprach merkte sie, dass sie sich ihres Vorhabens nicht mehr so sicher war. „Mmh, du magst dich damit begnügen, aber ich bin nun mal eine vom Volk der Rohirrim und ich lasse nicht gerne über meinen Kopf hinweg entscheiden!" Damit stand Farawyn auf um eine Möglichkeit zu suchen, wie sie doch noch etwas erfahren könnte. Billy und Filly würden ihr sicher behilflich sein können.
Elrond hatte alle Anwesenden freundlich begrüßt und ihnen dann den Grund gesagt, warum er sie hier hatte zusammengerufen. „Ich habe euch alle hier her gebeten, weil ich und Frodo Beutlin, der gleich noch sprechen wird, eure Hilfe benötigen..." hatte er gesagt und dann hatte Frodo seine Geschichte erzählt, die allen anderen mehr oder weniger bekannt war. Als er geendet hatte ergriff Elrond wieder das Wort. „Wir müssen annehmen, das eine Gruppe, namens Híni Sauron, hinter dieser Entführung steckt, denn nur sie können am Sohn des letzten Ringträgers interessiert sein. Sauron wurde vernichtet, doch soll es ein Ritual geben, dass ihn zurückholen kann. Doch brauchen sie etwas, dass ihrem Feind teurer ist als alle Macht des Einen Ringes. Frodo ist ihr direkter Feind, denn er ist der letzte Lebende, der den Ring trug und der Sauron vernichtete. Teurer als alle Macht des Einen Ringes ist ihm sein Sohn!" Er machte eine Pause und alle nickten verständlich. „Wir müssen Bilbo finden und zwar bevor die Sonne vom Schatten verdunkelt wird, denn dann wird das Ritual stattfinden!" „Aber das ist in weniger als drei Monaten und der Winter ist nah!" warf Aradil ein. „Ein Grund mehr die Suche nicht weiter zu verzögern!" entgegnete Elrond. „Aber wir haben keine Ahnung, wohin sie den Kleinen gebracht haben könnten" meinte Boromir und erntete zustimmendes Nicken. „Wir vermuten, dass sie sich in den Trümmern des Dunklen Turms versteckt halten..." „Nein, nicht nur da!" mischte sich plötzlich Bered ein, den man ebenfalls zu dem Rat gebeten hatte. „Die Híni Sauron sind keine kleine Gruppe von Verrückten, sie haben ihre Verbündeten überall! Versteckte Stützpunkte besitzen sie, in Gegenden, die Euch harmlos und unscheinbar vorkommen. Von dort spinnen sie ihre Netze, machen sich Freunde, verderben alle, die zu schwach sind und sich blenden lassen. Sie sind besser organisiert, als ihr es euch in euren kühnsten Träumen vorstellen könnt. Sie geben sich nicht zu erkennen und verhalten sich, wie jeder andere auch und das mach sie so gefährlich. Wer einmal in ihrer Gewalt ist oder sich hat von ihnen einwickeln lassen, dem kann keiner mehr helfen!" In seinen Augen lag Furcht und Grauen, wie bei der Erinnerung an ein schreckliches Ereignis. „Woher wisst ihr so viel über sie?" fragte Elrond ruhig. Bered blickte ihn an, doch es schien, als würde er durch ihn hindurch schauen. „Ich war einer von ihnen!" sagte er schließlich mit fester Stimme.
Getuschel hob an und verächtlicher Blicke waren auf Bered gerichtet. Legolas saß stumm auf seinen Platz. Zu tiefst erschrocken über das was er gehört hatte. „Elena" sagte er leise zu sich selbst. Ihm war nicht entgangen, welche Gefühle seine Schwester diesem Menschen gegenüber hegte. Wenn sie dass erfahren würde...Legolas durfte gar nicht drüber nachdenken. Er würde Bered schon von seiner Schwester fernzuhalten wissen...
Elronds Stimme holte ihn aus seinen Gedanken.
„Freunde" sagte er. „Wir wollen nicht voreilig handeln. Bereds Geständnis zeugt von großem Mut und bedenkt: Er hätte es doch nicht zugegeben, wenn er euch etwas Böses wollte!" Das grimmige Gemurmel verstummte. „Nun Bered!" wandte Elrond sich jetzt an den Menschen. „Wo meint ihr sollten wir unsere Suche beginnen?" fragte er. Bered schwieg einen Moment, als würde er sich vor der Antwort scheuen. „Im Norden, im alten Hexenreich von Angmar" sagte er schließlich und alle Anwesenden hielten gleichzeitig die Luft an.
Farawyn hatte aufgegeben und sich zurück zu Elena begeben. Billy und Filly hatte sie nicht gefunden und ein gutes Versteck, von dem aus sie den Rat hätte verfolgen können war nicht zu finden. Elrond und seine Mannen ließen sich ziemlich viel Zeit und Farawyn wusste nichts mit sich anzufangen, also löcherte sie Elena mit Fragen über den Düsterwald, welche die Elbe bereitwillig beantwortete.
Endlich, am späten Nachmittag kehrten Boromir und die anderen zurück. „Sag Bruder, was wurde beschlossen?" fragte Farawyn neugierig. Sie sah, dass er und Aradil sehr blass waren, so als hätte man ihn ihr Todesurteil verkündet. „Ein Suchtrupp wird ausgeschickt, Fara!" sagte Boromir schließlich. „Wann brechen wir auf?" wollte sie wissen.
„Glaubst du etwa, dass wir dich mitnehmen? Es wird schon so schwierig genug, da brauchen wir nicht noch eine weinende Göre, die davonläuft, sobald ihr ein Ork zu nahe kommt!" keifte Aradil. Farawyn bebte, sie war außer sich. „Dich habe ich nicht gefragt und wenn du glaubst, ich könne nicht auf mich aufpassen, dann will ich dich gerne eines Besseren belehren!" schrie sie fast. „Soll das eine Herausforderung sein?" fragte Aradil spöttisch. „Wenn ihr es als eine seht!" antwortete sie keck. „Na schön, aber beschwert Euch hinterher nicht! Bei Sonnenuntergang sehen wir uns da unten auf der Wiese, bringt ein Schwert und einen Adjutanten mit!" befahl Aradil und schritt davon. „Der wird nicht nötig sein, aber wenn ich mit euch fertig bin, dann werdet ihr wohl einen brauchen!" rief ihm Farawyn hinterher und ging in die entgegengesetzte Richtung.
Legolas war nicht mit den anderen zurückgegangen. Er hatte Bered um ein Gespräch gebeten. „Ich weiß was du mir sagen willst und keine Sorge, deiner Schwester wird nichts geschehen, ich werde verschwinden und nicht zurückkommen, wenn ihr es wünscht!" sagte Bered, bevor Legolas auch nur den Mund aufmachen konnte. „Aber ich möchte, dass du weißt, dass ich sie liebe, Legolas. Deine Schwester ist mehr Wert als mein ganzes erbärmliches Leben!" „Damit hast du wohl Recht!" antwortete Legolas. „Aber ich werde dich nicht einfach gehen laseen, weder ich noch Gimli oder einer der anderen weiß, wo ihr eure Verstecke habt. Ob es dir gefällt oder nicht, du wirst uns begleiten." Bered nickte. „Das ist mehr, als ich zu hoffen wagte. Und ich bin nicht mehr einer von ihnen. Ja ich war es noch, als ich auf Elena stieß, doch als ich sie sah, da wusste ich, das alles woran ich geglaubt habe falsch war. Niemals würde ich zulassen, dass ihr etwas zustößt..." „Das mag sein" unterbrach ihn Legolas barsch. „Aber du wirst dich von ihr fernhalten. Sie wird mit mir kommen, wenn ich ihr sage, wie der Rat beschlossen hat und dann kannst du dich beweisen!"
Unterdessen hatten sich Farawyn und Aradil auf der Wiese eingefunden. Die Sonne stand schon tief und tauchte alles in ein blutrotes Licht. „Das ist ja unsere Kleine!" spottete Aradil, als Farawyn mit Boromir auf ihn zuschritt. „Spar dir deine Reden!" sagte sie. Boromir gab ihr ohne ein Wort sein Schwert. Sie schloss die Augen und atmete tief ein. Ja, sie hatte auch Unterricht im Schwertkampf bekommen, doch sie mochte diese Art zu kämpfen nicht. Sie konnte ihrem Gegner in 20 Meter Entfernung mit einem geschickten Messerwurf das Herz durchbohren, aber das hier war ihr zuwider. Aradil blickte sie höhnisch grinsend an. „Na, sind wir dann soweit?" fragte er und zog sein Schwert aus der Scheide. „Gut!" antwortete Farawyn und hob ihres. Sofort war das Geklirr von Metall auf Metall zu hören und das Rascheln des Grases unter ihren Füßen. Sie hetzten sich über die ganze Wiese, mal in die eine, dann in die andere Richtung, je nachdem, wer gerade die Oberhand hatte. Aber meistens war es doch Aradil, der einfach mehr Kraft und Geschicklichkeit besaß. Doch Farawyn dachte nicht ans Aufgeben. Gerade wehrte sie einen Angriff von ihm ab. „So leicht kannst du mich nicht schlagen, ich bin kein dummer Ork" presste sie unter Anstrengung hervor. „Nein, du bist ein Mädchen!" Im nächsten Augenblick hörte man einen entsetzten Schrei und etwas schweres ins Gras fallen, es war Farawyns Schwert. Aradil hatte seines direkt auf ihre Brust gerichtet, die sich in Panik durch ihren schnellen Atem hob und senkte. Sie ging rückwärts, doch plötzlich merkte sie, dass es nicht mehr weiterging. Sie hatten den Rand eines kleinen Waldes erreicht und Farawyn wurde gegen einen Baum gepresst. Das Schwert kam bedrohlich nahe. Nur ein paar Zentimeter und Ihr Bruder wäre wieder Einzelkind gewesen. Aradils Gesicht kam näher an das ihre, wobei er sein Schwert immer noch auf ihre Brust richtete. „Na, was willst du jetzt tun?" fragte er schadenfroh. Farawyns Körper bebte vor Wut, aber sie wagte es nicht auch nur ein Wort zu sprechen. „Sieh es ein Mädchen! Wir könnten dich nicht mitnehmen, selbst wenn unser Weg nicht nach Angmar führen würde." Mit einem Ruck drehte er sich um und steckte das Schwert zurück in die Scheide. Farawyn spürte, wie Wut in ihr Aufstieg. Sie blickte Aradil nach, wie er in der Dämmerung verschwand. Sie legte den Kopf in den Nacken, atmete tief durch und ließ sich den Baumstamm hinuntergleiten. Dort saß sie nun. Die Beine an die Brust gezogen, den Kopf auf den Knien und mit einem furchtbaren Kloß im Hals. Warum fühlte sie sich so mies? Sie war besiegt worden, von diesem Angeber, ja, aber das war es nicht was sie bedrückt. Vielmehr waren es seine Worte, die in ihrem Kopf herumschwirrten. Hatte er Recht? War sie wirklich bloß ein dummes, kleines Mädchen, dass nichts als Ärger machte? Sie wischte die Träne, die sich ihren Weg gebahnt hatte, energisch weg und stand auf. Nein, sie würde sich nicht so schnell geschlagen geben, sie würde es ihm Beweisen, sie würde nicht einfach zurückgelassen werden, wie ein lästiges Gepäckstück! „Angmar, pah, und wenn schon!" sagte sie und machte sich auf den Weg zum Abendessen.
Schmerz, dass war das Erste, was Bilbo spürte, als er erwachte. Was war geschehen? Wo war er? Alles an das er sich erinnerte war, dass er auf ein Pferd gehoben wurde, und auf eben solch einem schien er sich immer noch zu befinden. Alles um ihn herum war dunkel, doch deutlich hörte er das Getrappel von schnellen Hufen. Er blickte auf und sah in zwei helle Augen, die in der Dunkelheit blitzten. Die Erinnerung kehrte langsam zurück. Dieser Mensch, der hatte seiner Mutter wehgetan. Wo war sie und wo war sein Vater? Bilbo fühlte sich ängstlich und begann leise zu wimmern. Er wollte nach hause! „Na, endlich aufgewacht?" fragte eine rohe Stimme. „Keine Sorge, wirst bald nen besseren Platz zum Schlafen haben!" Ein fieses Lachen hallte in der Stille der Nacht wieder. Bilbo schloss die Augen. Er war doch erst fünf Jahre, was wollte dieser böse Mann von ihm?
Er konnte sich diese Frage nicht beantworten. Sein Kopf glitt auf den Hals des Pferdes und bevor er bemerken konnte, dass er völlig durchgefroren war, schlief er vor Erschöpfung wieder ein.
