Disclaimer: Alles nicht meins. Okay, fast alles. Jerry und seine Familie gehört mir. Viel Spaß beim Lesen!!
Warnung: Das Kapitel ist ein bissl blutig, wem das nicht gefällt, der sollte es nicht lesen!!!
Kapitel I
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Paris, Gegenwart
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Es war erstaunlich kalt in Paris. Normalerweise war es um diese Zeit, Anfang November, noch einigermaßen warm. Aber nicht in diesem Jahr.
Der Schnee, der überraschenderweise gefallen war, schmolz trotz der scheinbar arktischen Kälte an einigen Stellen bereits wieder und hinterließ graue, trostlose Flecken in dem strahlenden Weiß.
Jerry Olesson schenkte dem malerischen Anblick nur einen kurzen Blick, dann konzentrierte er sich wieder darauf, keinen Unfall zu verursachen. Er war seit mindestens einem halben Jahr nicht mehr in Paris gewesen, er hatte einen Job in Indien zu erledigen gehabt. Dort musste er sich nicht an Straßenverkehrsregeln halten, sondern konnte einfach das Gaspedal durchtreten. Außerdem war es dort warm, und dementsprechend fror er auch jetzt, auch wenn die Heizung auf Hochtouren lief und er dicke Kleidung trug.
Jerry lächelte leicht. Hier, in Paris, war er zu Hause, und er kehrte auch immer gerne hierher zurück, auch wenn es schweinisch kalt war, so wie jetzt gerade. Aber er wusste, dass sein Haus warm und gemütlich war, und dass es nur auf ihn wartete.
Vorsichtig bog er in seine Straße ein. Dabei geriet das Auto ins Rutschen. Jerry fluchte leise und trat heftig auf die Bremse. Er hatte eigentlich keine Angst vor einem Autounfall, er war sich sicher, dass er es überleben würde, aber er wollte kein Aufsehen erregen. Vorsichtig fuhr er weiter, bis er das alte Gebäude sah, dass sich schon seit einhundertzweiunddreißig Jahren im Besitz seiner Familie befand. Unwillkürlich schlug sein Herz höher.
Er parkte auf der Straße und stieg aus. Vor seinem Gesicht bildete sich sofort eine weiße Fahne, als sein Atem in der kalten Luft kondensierte. Fröstelnd wickelte er sich fester in seinen dicken Mantel, während er um seinen Wagen herumging und seine schwarze Sporttasche aus dem Kofferraum holte. Sorgfältig schloss er ab. Den Rest seiner Ausrüstung würde er später holen, im Schutze der Dunkelheit. Das Wichtigste hatte er bereits in seine Tasche gepackt, aber trotzdem wollte er nicht riskieren, von einem der Nachbarn gesehen zu werden. Dafür war er zu vorsichtig. Er hatte schon einmal dreißig Jahre in einem Gefängnis gesessen, nur weil er zu unvorsichtig gewesen war und sein Scharfschützengewehr nicht gut genug versteckt hatte. Damals war er nur verhaftet worden, weil seine Nachbarn zu neugierig gewesen waren. Diesen Fehler würde er nicht noch einmal begehen. Er hatte ja schließlich jetzt eine Familie zu versorgen. Er hatte zwar dieses Mal nur seine Fotoausrüstung in der Tasche, aber diesen Instinkt hatte er sich nicht abgewöhnen können.
Munter pfiff Jerry vor sich hin, als er vorsichtig die Stufen vor der Haustür erklomm und den Schlüssel ins Schloss schob.
Plötzlich fühlte er etwas. Etwas Mächtiges, das ihn erwartete.
Die Kälte war zu einer Lappalie geworden, als die uralten Reflexe eines Kämpfers, eines Musketiers, in ihm erwachten und Adrenalin durch seine Blutbahnen strömte.
Er drehte den Schlüssel im Schloss herum und stieß ruckartig die Tür auf, während er vorsichtshalber einen Schritt zurücktrat. Dabei rutschte er auf den spiegelglatten Stufen aus und fiel beinahe in den weichen Schnee. In letzter Sekunde fand er das Gleichgewicht wieder.
Das Manöver hatte aber seine unübersehbaren Vorteile. Dort, wo sich noch wenige Sekunden vorher sein Kopf befunden hatte, pfiff gerade eine scharfe, lange Schwertklinge durch die eisige Luft und prallte mit Funken von der Hauswand ab.
Jerry lachte laut auf. "Liebling, lass das Haus stehen!", rief er laut aus. Hinter der Tür stand eine junge Frau, die nicht älter aus Anfang Dreißig aussah. In der Hand hielt sie noch immer das Schwert, mit dem sie ihn beinahe enthauptet hatte. Sie hatte ihre blonden Haare kunstvoll hochgesteckt und trug unauffällige, jedoch bequeme Berufskleidung.
Als sie ihn erkannte, wurde sie erst blass und dann feuerrot, dann fiel ihr das Schwert aus der Hand.
Jerry ließ seine Tasche fallen und breitete die Arme aus. Ein lautes Klappern und Krachen erinnerte ihn daran, dass seine empfindliche Ausrüstung diese unsanfte Behandlung nicht vertrug. Aber das störte ihn nicht mehr. Er war jetzt wieder zu Hause und das war das einzige, das zählte.
Die junge Frau flog ihm in die Arme und brachte ihn wieder zum Straucheln. Aber er ließ sie nicht los, sondern umarmte sie liebevoll.
Erst nach einigen Minuten lösten sie sich wieder voneinander und musterten sich gegenseitig. Dabei fiel ihr auf, dass Jerry vor Kälte zitterte. "Oh Gott! Komm rein, ich hab gerade Kaffee gekocht...Jerry, du holst dir ja hier draußen noch den Tod." Sie trat einen Schritt zur Seite. Jerry verzog das Gesicht und bückte sich, um seine Tasche wieder aufzuheben. "Das bezweifele ich zwar, aber das Angebot nehme ich gerne an, Kelly." Sie errötete wieder und zog ihn ins Haus.
Drinnen war es genauso warm und gemütlich, wie er es sich gewünscht hatte. Ein zufriedenes Grinsen zog sich über sein Gesicht.
"Ma?", erklang eine Stimme aus der Küche. Sie klang ein wenig besorgt. "Alles in Ordnung, Micky. Sieh mal her, wer uns einen Besuch abstattet." Kellys Tonfall klang leicht spöttisch.
Ein großgewachsener, kräftiger Mann betrat den Flur. Er hatte kurze, dunkelblonde Haare und große, neugierige braune Augen. In der rechten Hand hielt er ein großes Breitschwert, bereit, zuzuschlagen. Als er Jerry erkannte, ließ er das Schwert sinken. "Dad?" Kelly bückte sich, um ihr eigenes Schwert wieder aufzuheben, und verdeckte so ihr Lächeln.
Jerry umarmte seinen Sohn herzlich und schob ihn dann auf Armeslänge von sich, um ihn genauer zu mustern. "Gut siehst du aus, Micky. Wie geht's dir?"
Michael war nicht sein leiblicher Sohn. Jerry und Kelly hatten ihn vor über siebzig Jahren adoptiert und ihn großgezogen.
"Micky und seine Sippe sind da.", informierte Kelly ihren Ehemann. Sie hatte ihr Schwert wieder sicher verstaut. "Ja, ich sehe, dass Micky hier ist, Kelly.", entgegnete Jerry trocken und zog seinen Mantel aus. Als er ihn aufhängte, konnte er einen Blick in den Spiegel werfen.
Im Gegensatz zu Micky und Kelly hatte er rotbraune Haare, die kurzgeschnitten und pflegeleicht waren. Sein Gesicht war schmal und kantig, wirkte aber durch die Anstrengungen der letzten Monate eingefallen und müde. Es war ein schwieriger Auftrag gewesen, aber er wurde gut bezahlt. Das war der größte Vorteil. Der Nachteil war, dass er oft wochen- und monatelang von seiner Familie getrennt war. In solchen Momenten verabscheute er seinen Beruf.
Seufzend schlüpfte er aus seinen Stiefeln und in bequemere Schuhe und betrat das Wohnzimmer.
Sofort war er mitten im Chaos. Kelly hatte ihn ja bereits vorgewarnt, und er hatte es sich auch schon gedacht, als er Micky gesehen hatte, aber nach der Einsamkeit der letzten Monate wurde er total überrumpelt von dem Leben in dem Raum.
Als sie ihn erblickt hatten, hatten ihn seine Enkelkinder alle sofort umzingelt und alle redeten durcheinander. Jerrys Blick streifte über ihre Köpfe. Sie waren alle da. Seine drei Enkelkinder, die genau so adoptiert waren wie seine beiden eigenen Söhne, Michael und Lee, sie waren alle da.
Jerry spürte, wie das Lächeln auf seinem Gesicht breiter wurde. Ja, er war wieder zu Hause. Bei seiner Familie.
Das Telefon klingelte schrill. Verwundert blickte Joe den Apparat an. Niemand wusste, dass er wieder in Europa war, außer Duncan MacLeod und einige befreundete Beobachter.
"Ja?", meldete er sich kurz. "Hey, Joe, ich bin's, Adam Pierson." Joe verdrehte die Augen. Er kannte Adam Pierson, und seine Anwesenheit bedeutete selten etwas gutes. "Was willst du, Me- ... Adam?", fragte er kurz. "Wieso glaubst du, dass ich etwas von dir will? Wirklich, du hast eine sehr schlechte Meinung von deinen Freunden, Joe." Er unterbrach sich kurz. "Okay, du hast recht, ich brauche dich mal. Kennst du einen Unsterblichen namens Andrew Anders?" Joe seufzte laut auf. Er hatte es schon irgendwie geahnt. "Ja, der Name sagt mir was. Er heißt eigentlich Andrew Louis Baker, etwa 130 Jahre alt, und ich habe keine Ahnung, wo er sich aufhält. Und du brauchst mich nicht zu fragen. Du kennst die Regeln. Ich kann dir nicht helfen, ihn aufzuspüren. Du musst das auf die traditionelle Art erledigen." "Das ist nicht mein Problem, Joe.", unterbrach Methos ihn. "Wenn du wissen willst, wo er ist: Er schwimmt mit dem Bauch himmelwärts in der Seine. Es geht um was anderes." Joe schüttelte leicht den Kopf. "Gut, wenn es nicht um einen Unsterblichen geht, was kann ich für dich tun?" "Na ja, indirekt geht es doch um einen Unsterblichen. Genauer gesagt um einen Beobachter. Seinen Beobachter." Methos seufzte abgrundtief. "Dieser Kerl verfolgt mich seit ungefähr drei Stunden. Ehrlich, Joe, ich hasse es, beobachtet zu werden. Schaff mir bitte diesen Kerl vom Hals, oder ich werde gezwungen sein, das selbst zu tun. Aber ich verspreche dir, du wirst ihn danach nicht mehr wiedererkennen." Joe lächelte. "Natürlich. Ich kümmere mich darum, okay?" "Danke, Joe. Ich wäre dir wirklich sehr dankbar. Oh, ich muss jetzt Schluss machen. Vielleicht sollte ich den Mann mal erschrecken. Tschüß, Joe. Vielleicht komme ich demnächst noch mal vorbei." Damit legte Methos auf und ließ einen kopfschüttelnden Joe Dawson am anderen Ende der Leitung zurück.
Mit schnellen Schritten lief Lee durch Paris. Er hatte es eilig, nach Hause zu kommen, bevor sein Vater erfuhr, dass er noch unterwegs war. Sein Vater. Er war nicht so wie andere Väter, ganz und gar nicht. Er machte sich unheimlich viele Sorgen um ihn. Außerdem blieb er oft monatelang weg und Lee wusste nicht, wo er sich herumtrieb. Kelly wusste es wahrscheinlich, schließlich war sie sein Boss, aber sie verriet es Lee nicht.
Er sah noch einmal kurz auf die Uhr und beschleunigte seine Schritte noch ein wenig.
Zum Glück hatte Jerry beschlossen, noch eine Tour durch das Viertel zu machen. Als Lee ihn gefragt hatte, was er vorhatte, hatte Jerry nur geheimnisvoll gelächelt und gemeint, er müsse sein Revier kontrollieren. Lee hatte das mit einem Schulterzucken abgetan. Jerry machte oft solche Andeutungen und ging nicht weiter darauf ein. Er war das gewöhnt.
Zur gleichen Zeit starrte Duncan MacLeod auf seine Armbanduhr. Eigentlich wollten er und Joe sich schon vor einer halben Stunde in diesem Restaurant treffen, aber Joe war noch immer nicht aufgetaucht. Langsam machte Duncan sich ein wenig Sorgen. Es war eigentlich nicht Joes Art, so spät zu kommen, ohne ihm Bescheid zu geben. Duncan seufzte und beschloss, dass er Joe noch genau zehn Minuten geben würde, und dass er dann gehen würde.
Plötzlich verspürte er ein seltsames Gefühl. Es begann in seinem Schädel und erfüllte für einen Moment seinen ganzen Körper, bis es dann wieder abklang und nur noch ein dumpfes Echo in seinem Hinterkopf war, dass er aufgrund jahrhundertelanger Übung leicht ignorieren konnte.
Er kannte dieses Gefühl sehr gut. Viel zu gut. Sein erster Impuls als Krieger und schottischer Clanführer war der Gedanke an seine Waffe. Seine rechte Hand zuckte unkontrolliert zur Seite, dort, wo er vor langer, langer Zeit sein Schwert getragen hatte.
Sofort schalt er sich einen Narren. Er konnte schlecht in einem Restaurant mitten in Paris im zwanzigsten Jahrhundert sein Schwert ziehen und auf irgendeinen anderen Gast losgehen, abgesehen davon, dass sein Schwert sicher in seinem Mantel verborgen war. Und sein Mantel hing an der Garderobe knappe zwanzig Meter von ihm entfernt.
Alle diese Gedanken schossen in wenigen Sekundenbruchteilen durch seinen Kopf, während er sich besorgt umsah.
Er wurde doch überrascht, als irgendjemand ihm von hinten die Augen zuhielt. "Rate, wer hier ist, MacLeod.", erklang eine ihm gutbekannte Stimme nahe an seinem Ohr. "Amanda?" Sie lachte und nahm ihre Hände von seinen Augen. Verwundert blinzelte er. Kein Wunder, dass er sie nicht erkannt hatte. Sie hatte ihre Haare jetzt platinblond gefärbt. "Hallo MacLeod. Was machst du in Paris?" Sie sah ihn herausfordernd an. Duncan zuckte mit den Schultern. "Ich brauche ein wenig Abwechslung. Außerdem ist mir die Verkehrslage in Seacouver ein wenig zu gefährlich geworden." "Ach ja? Was ist passiert?", gespannt beugte Amanda sich ein wenig vor. Duncan zuckte wieder mit den Schultern. "Ich bin überfahren worden. Zum Glück hat sich Joe um meine Sachen gekümmert." Verstehend nickte Amanda. "Wo ist Joe? Ist er auch in Paris?"
Duncan verzog das Gesicht. "Tja, ich würde auch gerne wissen, wo Joe ist. Aber..." Rasch wechselte er das Thema. "Wie ich sehe, hast du eine neue Haarfarbe." Amanda lächelte und setzte sich ihm gegenüber auf einen freien Stuhl. "Das? Das war ein Unfall. Sieht aber nicht schlecht aus, findest du nicht?"
Joe wollte gerade das Apartment verlassen, als das Telefon klingelte. Zweifelnd warf er einen kurzen Blick auf seine Armbanduhr. Er hatte ja schließlich eine Verabredung mit Duncan. Aber da er noch ein wenig Zeit hatte, griff er seufzend nach dem Telefon.
"Dawson.", meldete er sich kurz, während er im Stillen bei sich dachte: -wehe, es ist nicht wichtig!!!
"Dawson? Black hier. Lance Black. Sie erinnern sich? Der Beobachter von Andrew Baker." Joe nickte, dann fiel ihm ein, dass der andere das ja nicht sehen konnte. "Ja, ich erinnere mich an Sie. Was gibt es?" "Ich bin nicht sicher, Dawson, aber ich glaube, dass Baker von Methos geschlagen wurde!" Der Beobachter klang enthusiastisch, als er diesen Namen noch einmal wiederholte: "Denken Sie nur, wir haben Methos gefunden! Den ältesten Unsterblichen der noch immer unter uns weilt!" Black schwieg einen Moment und erwartete offensichtlich ein großes Erstaunen. Joe war allerdings wirklich erstaunt. "Ähm, Black, woher wollen Sie wissen, dass es wirklich Methos war?" Er hoffte, dass in seiner Stimme nicht allzu viel seiner Skepsis durchklang.
"Ich habe mich während meines Studiums ausgiebig mit diesem Mythos beschäftigt. Dabei habe ich auch einige Mosaiken aus dem alten Rom gesehen. Es ist definitiv Methos. Wir haben ihn endlich aufgespürt!" Joe verdrehte verzweifelt die Augen. Das klang nicht gut. "Auf jeden Fall habe ich mich jetzt mal an seine Fersen geheftet."
Joe seufzte. Er musste auf der Hut sein, um Black nicht noch mehr aufmerksam zu machen, aber gleichzeitig witterte er eine Chance, Methos' Problem schnell zu lösen.
"Ich verstehe ja Ihre Begeisterung, Black, aber Sie wissen offensichtlich nicht, dass wir Methos aufgespürt haben. Und das schon vor einiger Zeit. Der Mann wird beobachtet. Aber in einem hatten Sie recht: Er war es. Sein Beobachter hatte mich gerade angerufen und mir mitgeteilt, dass er wieder in Paris ist."
"Wer beobachtet ihn?" Blacks Stimme war plötzlich misstrauisch geworden. "Hören Sie, Dawson, ich will Sie nicht irgendwie verdächtigen, aber jeder weiß, wie Sie zu Ihrem Unsterblichen stehen. Wie hieß er noch gleich? War es nicht ein MacLeod?" "Duncan MacLeod, richtig. Aber keine Sorge. Methos wird von Adam Pierson beobachtet, einer unserer führenden Methos-Experten. Er kennt quasi die meisten seiner Tricks, und außerdem ist er einigermaßen zuverlässig. Ein bisschen langsam mit den Berichten, aber sonst in Ordnung. Netter Junge. Sie werden ihn bestimmt kennen lernen. Sie kommen doch zum großen Beobachtertreffen?" Black zögerte einen Moment, überrascht von dem abrupten Themenwechsel. "Ja, das hatte ich eigentlich vor.", sagte er schließlich. Zufrieden registrierte Joe, dass er das Misstrauen des anderen einigermaßen beruhigt hatte.
"Und, Amanda, was treibst du so in Paris? Irgendeine Juwelenausstellung, größere Mengen Bargeld,...?" Duncan lächelte und nahm seinen Worten damit einen Teil ihrer Schärfe. Amanda erwiderte das Lächeln ungezwungen. "Nein, durchaus nicht. Ich habe die Branche gewechselt. Im Moment arbeite ich mit einem Ex-cop zusammen, dessen größter Wunsch es lange Zeit war, mich zu überführen und mich einzusperren." Sie schüttelte leicht den Kopf. "Und? Was hat ihn dazu bewogen, seine Meinung zu ändern?" "Nun, ich war gezwungen, ihn zu erschießen." Das Lächeln war von Amandas Gesicht verschwunden. "Und du bist immer noch auf freiem Fuß?" Duncan war misstrauisch geworden. Beschwichtigend winkte Amanda ab. "Wieso nicht? Im übrigen bin ich eigentlich mit ihm verabredet."
Duncan sah genau, dass sie ihn beobachtete und auf seine Reaktion wartete, aber er hütete sich, ein Wort zu sagen.
Schweigend hingen sie einen Moment lang ihren eigenen Gedanken nach. Während Duncan an nichts bestimmtes dachte, erinnerte sich Amanda voller Schrecken an die Tage, nachdem sie Nick erschossen hatte und er erfahren hatte, dass er ein Unsterblicher war.
"Hey, du Idiot! Pass doch auf!" Nick warf dem Wagen einen wütenden Blick nach und fluchte leise vor sich hin, während er seinen Weg über die Straße fortsetzte.
"Probleme, Mr. Wolfe?", sprach ihn plötzlich eine Stimme von hinten an. Nick zählte in Gedanken schnell bis zehn, während er gleichzeitig mit dem überaus verlockenden Gedanken spielte, seine 9mm-Pistole zu ziehen und Amok zu laufen. Er war zwar auch mit einem Schwert bewaffnet, eines von Amandas alten Schwertern, aber das vertraute Profil seiner Pistole schenkte ihm noch immer Selbstvertrauen und Trost. Amanda hatte, kurz nachdem sie ihn erschossen hatte, angefangen, ihn behutsam zu trainieren, aber seine alte Waffe versprach ein Stück Normalität in dem Chaos, das aus seinem Leben geworden war. Aus diesem Grund trug er sie noch immer bei sich.
Langsam drehte er sich um. Vor ihm stand Joe Dawson. "Nein, keine Probleme." Nick lächelte schmal. "Beobachten Sie mich schon lange, Mr. Dawson?"
Joe entgegnete das Lächeln, wenn auch weitaus freundlicher. "Nun ja, das ist mein Job. Beobachten, meine ich." Er wurde übergangslos wieder ernst. "Nein, eigentlich habe ich Sie nur zufällig gesehen, als Sie diesem Mann gerade vors Auto liefen." Nick zuckte mit den Schultern. "Soll vorkommen.", entgegnete er gleichmütig und setzte seinen Weg fort.
"Warten Sie. Zufälligerweise haben wir beide das gleiche Ziel.", rief Joe ihm hinterher. Ruckartig blieb Nick stehen. "Sie haben mich doch beobachtet.", stellte er amüsiert fest. Joe schüttelte andeutungsweise den Kopf. "Nein, ich habe einen anderen Unsterblichen. Aber ich kenne Ihren Beobachter sehr gut, und er hält mich auf dem Laufenden." Nick lächelte. "Vielleicht sollte ich diesem ominösen Beobachter mal ein paar Fallen stellen."
Joe grinste leicht und betrat noch vor Nick das Restaurant.
Duncan und Amanda bemerkten es gleichzeitig, als ein Unsterblicher in ihre Nähe kam. Aber da Amanda lächelte und jemandem hinter seinem Rücken zuwinkte, bezweifelte Duncan ernsthaft, dass sie sich in Gefahr befanden.
Er drehte sich halb um und entdeckte als erstes Joe, dicht gefolgt von einem jungen Mann, auf den Amanda anscheinend gewartet hatte.
Duncan musterte ihn mit hochgezogenen Augenbrauen.
Der junge Unsterbliche trug schwarze Hosen, einen hellen Pullover und eine schwarze Lederjacke. Seine schwarzen Haare standen wirr in alle Richtungen ab.
Amanda sah den Neuankömmling stolz an. "Duncan, ich möchte dir Nick Wolfe vorstellen. Nick, das ist Duncan MacLeod." Die beiden gaben sich die Hand, während sie sich prüfend musterten.
Joe lächelte. Er sah genau, dass die beiden Männer noch einen harten Kampf um Amandas Gunst austragen würden. Er begrüßte erst Amanda und wandte sich dann Duncan zu. "Hey, Mac." Er setzte sich auf den letzten freien Platz am Tisch und sah Duncan entschuldigend an. "Entschuldige, dass ich dich hab warten lassen. Ich wurde von einem Unsterblichen aufgehalten. Besser gesagt von seinem Beobachter." "Schon gut, Joe. Ist drüben in Seacouver alles gut gegangen?" Joe nickte. "Ja, dein Zeug ist in Sicherheit."
Methos ging schnellen Schrittes eine kleine dunkle Nebenstraße entlang. Er hatte es eilig, wieder auf eine der belebteren Straßen zu kommen, weil dort die Gefahr eines Angriffs geringer war. Zumindest die Gefahr eines Angriffs, vor dem er sich so oft wie möglich drückte - die Auseinandersetzung mit anderen Unsterblichen. Er hatte gerade den Kampf mit Andrew Baker hinter sich, und für seinen Geschmack reichte es damit für das zwanzigste Jahrhundert.
Als er deshalb die Anwesenheit eines anderen Unsterblichen spürte, verdrehte er die Augen und dachte: Warum ich???
Schnell ging er weiter, in der Hoffnung, dadurch dem anderen zu entkommen, als ihm plötzlich ein dunkler Schemen den Weg vertrat. Der andere Unsterbliche hatte sein Schwert bereits gezogen und hielt es locker in der rechten Hand, in der linken wog er prüfend einen schmalen, filigranen Dolch.
Methos verfluchte insgeheim sein Unglück, ausgerechnet jetzt auf diesen Unsterblichen zu treffen, zog aber ebenfalls sein Schwert. "Nun, ich darf Sie bitten, mir die Ehre zu erweisen.", sagte der Mann ruhig. Methos schwieg. "Darf ich mich vorstellen: Jerry Olesson." Der Mann deutete eine spöttische Verbeugung an. Methos lächelte grimmig und nahm Verteidigungsposition ein. Er wusste, er hatte keine Chance zu entkommen. Jedenfalls noch nicht.
Dann ging alles ganz schnell. Der Fremde griff ohne einen weiteren Kommentar an und drängte ihn schnell einige Schritte zurück.
"Wollen Sie sich nicht vorstellen?", fragte Jerry Methos mit zusammengebissenen Zähnen. Methos konnte das wütende Funkeln in seinen Augen trotz der schlechten Lichtverhältnisse genau sehen. "Wenn Sie unbedingt Wert darauf legen..." Methos parierte einige Schläge und ging nun seinerseits daran, Jerry anzugreifen. "Ich bin der Weihnachtsmann."
Nach einigen Minuten gewann Jerry wieder die Oberhand und entgegnete spöttisch: "So, der Weihnachtsmann! Dafür scheinen Sie mir doch ein wenig jung zu sein." Methos wehrte einige kraftvoll geführte Schläge ab und entgegnete zynisch: "Lassen Sie sich nicht vom Äußerlichen täuschen, mein Guter!" Noch während er dies sagte, hörte er mit seinen scharfen Ohren, wie irgendwo hinter ihm eine Tür geöffnet wurde. Er achtete nicht weiter darauf, da er viel zu sehr damit beschäftigt war, nach einem Ausweg aus dieser verfahrenen Situation zu suchen. Jerry dagegen zögerte einen Moment.
Das genügte Methos bereits. Er machte einen großen Ausfallschritt zur Seite und trat seine Flucht an.
Während er vorwärts stürmte, gelang es ihm noch, seinem Gegner einen Hieb zu versetzen. Dieser hatte sich von seiner Überraschung schnell erholt und stieß mit der linken Hand zu.
Methos spürte, wie Muskeln und Sehnen von dem kleinen Dolch durchtrennt wurden, als sich die Waffe in seine linke Schulter bohrte. Fast sofort wurde sein Arm taub. Dann spürte er, wie die Klinge abbrach und er beeilte sich, dass er weit wegkam.
Als er schon am Ende der Gasse angelangt war, riskierte er einen flüchtigen Blick über die Schulter. Jerry starrte ihm wütend hinterher, hatte jedoch noch nicht die Verfolgung aufgenommen. Methos schauderte und lief weiter.
Er spürte, wie das Blut noch immer aus seiner Schulter lief und seinen Pullover durchtränkte, und wie er immer schwächer wurde. Aber mit eiserner Willensanstrengung hielt er sich auf den Füßen und kämpfte sich weiter, auch wenn sich vor seinen Augen alles drehte und ihm schlecht wurde.
Jerry Olesson sah dem unbekannten Unsterblichen noch lange nach. Er hätte gerne den Namen seines Gegners erfahren, denn obwohl dieser die erste Möglichkeit zur Flucht, die sich ihm geboten hatte, genutzt hatte, war Jerry fest davon überzeugt, dass der andere mächtig genug gewesen wäre, um ihm den Kopf zu nehmen.
Kopfschüttelnd machte er sich auf den Weg nach Hause.
Wenn er sich selbst gegenüber ehrlich war, wollte er diesen geheimnisvollen Mann nicht wirklich töten. Er wollte nur sicher gehen, dass sein Viertel frei von unsterblichen Kopfjägern war, die seine Familie bedrohen konnten.
Lee pfiff leise vor sich hin, als er zurück nach Hause ging. Er hatte einen amüsanten Abend hinter sich, und er hatte es eilig, weil er noch einige Hausaufgaben erledigen musste, und weil er seinem Vater nicht in die Arme laufen wollte.
Plötzlich versperrte ihm ein riesiger Mann den Weg. Sofort war Lee auf der Hut. Seine Eltern hatten ihn vor Unbekannten gewarnt.
"Du bist doch der Sohn von James Olson, nicht wahr? Ja, ich sehe, du bist es.", sagte der Mann mit einer tiefen Bassstimme, die Lee durch Mark und Bein fuhr. Vorsichtig wich er einige Schritte zurück. "Auf dich habe ich gewartet, mein Junge.", sagte der Mann. "So? Weshalb denn?", fragte Lee betont lässig zurück, obwohl er vor Angst bebte. "Es ist ganz einfach. Dein Vater hat meinen Schüler getötet. Es ist Zeit, dass ihm jemand einen Denkzettel verpasst. Deshalb bin ich hier."
Lees Augen weiteten sich entsetzt, als der Mann ein Schwert aus seinem Mantel hervorzog. Das Schwert war gut und gerne zehn Zentimeter länger als der Arm des Mannes, und einen flüchtigen Augenblick lang fragte Lee sich, wie der Mann es geschafft hatte, diese Waffe unter seinem Mantel zu verbergen.
Der Mann hob das Schwert über den Kopf, und aufsteigende Furcht verdrängte alle Gedanken.
Jerry lächelte noch immer verträumt vor sich hin, als er in die Straße einbog. Kelly wartete bestimmt schon mit dem Essen auf ihn. Er freute sich schon, und das Wasser lief ihm im Mund zusammen.
Plötzlich erstarrte er.
Vor seiner Haustür stand ein Hüne von einem Mann. Er hielt ein Schwert hoch über den Kopf erhoben und ließ es nun herabsausen.
Auch über die Entfernung von knapp siebzig Metern hörte Jerry das übelkeitserregende Geräusch einer scharfen Klinge, die in weiches Fleisch und durch spröde Knochen krachte.
Obwohl er dieses Geräusch aus unzähligen Schlachten kannte und auch während der französischen Revolution viele Köpfe mit Hilfe der Guillotine gerollt waren, liefen ihm noch immer kalte Schauer über den Rücken, wenn er dieses Geräusch hörte. Es erinnerte ihn zu sehr an seinen ersten Tod, als er von einem königlichen Gardisten hoch zu Ross zu Tode getrampelt wurde.
Ohne zu zögern oder zu überlegen lief er los. Dabei zog er sein Schwert aus dem Mantel.
Der Hüne schien seine Schritte gehört zu haben, denn er drehte sich zu ihm um. Sein Gesicht lag im Schatten, so dass Jerry ihn nicht erkennen konnte.
Der Mann fuhr wieder herum und rannte los. Jerry dachte einen Moment lang daran, ihn zu verfolgen, entschied sich aber anders, als er das - nun kopflose - Opfer des Mörders erkannte. Ohne es zu wollen, verlangsamte sich sein Schritt und er brach neben der Leiche zusammen.
Ein gequälter Schrei entfuhr ihm.
Der Tote war Lee.
Warnung: Das Kapitel ist ein bissl blutig, wem das nicht gefällt, der sollte es nicht lesen!!!
Kapitel I
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Paris, Gegenwart
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Es war erstaunlich kalt in Paris. Normalerweise war es um diese Zeit, Anfang November, noch einigermaßen warm. Aber nicht in diesem Jahr.
Der Schnee, der überraschenderweise gefallen war, schmolz trotz der scheinbar arktischen Kälte an einigen Stellen bereits wieder und hinterließ graue, trostlose Flecken in dem strahlenden Weiß.
Jerry Olesson schenkte dem malerischen Anblick nur einen kurzen Blick, dann konzentrierte er sich wieder darauf, keinen Unfall zu verursachen. Er war seit mindestens einem halben Jahr nicht mehr in Paris gewesen, er hatte einen Job in Indien zu erledigen gehabt. Dort musste er sich nicht an Straßenverkehrsregeln halten, sondern konnte einfach das Gaspedal durchtreten. Außerdem war es dort warm, und dementsprechend fror er auch jetzt, auch wenn die Heizung auf Hochtouren lief und er dicke Kleidung trug.
Jerry lächelte leicht. Hier, in Paris, war er zu Hause, und er kehrte auch immer gerne hierher zurück, auch wenn es schweinisch kalt war, so wie jetzt gerade. Aber er wusste, dass sein Haus warm und gemütlich war, und dass es nur auf ihn wartete.
Vorsichtig bog er in seine Straße ein. Dabei geriet das Auto ins Rutschen. Jerry fluchte leise und trat heftig auf die Bremse. Er hatte eigentlich keine Angst vor einem Autounfall, er war sich sicher, dass er es überleben würde, aber er wollte kein Aufsehen erregen. Vorsichtig fuhr er weiter, bis er das alte Gebäude sah, dass sich schon seit einhundertzweiunddreißig Jahren im Besitz seiner Familie befand. Unwillkürlich schlug sein Herz höher.
Er parkte auf der Straße und stieg aus. Vor seinem Gesicht bildete sich sofort eine weiße Fahne, als sein Atem in der kalten Luft kondensierte. Fröstelnd wickelte er sich fester in seinen dicken Mantel, während er um seinen Wagen herumging und seine schwarze Sporttasche aus dem Kofferraum holte. Sorgfältig schloss er ab. Den Rest seiner Ausrüstung würde er später holen, im Schutze der Dunkelheit. Das Wichtigste hatte er bereits in seine Tasche gepackt, aber trotzdem wollte er nicht riskieren, von einem der Nachbarn gesehen zu werden. Dafür war er zu vorsichtig. Er hatte schon einmal dreißig Jahre in einem Gefängnis gesessen, nur weil er zu unvorsichtig gewesen war und sein Scharfschützengewehr nicht gut genug versteckt hatte. Damals war er nur verhaftet worden, weil seine Nachbarn zu neugierig gewesen waren. Diesen Fehler würde er nicht noch einmal begehen. Er hatte ja schließlich jetzt eine Familie zu versorgen. Er hatte zwar dieses Mal nur seine Fotoausrüstung in der Tasche, aber diesen Instinkt hatte er sich nicht abgewöhnen können.
Munter pfiff Jerry vor sich hin, als er vorsichtig die Stufen vor der Haustür erklomm und den Schlüssel ins Schloss schob.
Plötzlich fühlte er etwas. Etwas Mächtiges, das ihn erwartete.
Die Kälte war zu einer Lappalie geworden, als die uralten Reflexe eines Kämpfers, eines Musketiers, in ihm erwachten und Adrenalin durch seine Blutbahnen strömte.
Er drehte den Schlüssel im Schloss herum und stieß ruckartig die Tür auf, während er vorsichtshalber einen Schritt zurücktrat. Dabei rutschte er auf den spiegelglatten Stufen aus und fiel beinahe in den weichen Schnee. In letzter Sekunde fand er das Gleichgewicht wieder.
Das Manöver hatte aber seine unübersehbaren Vorteile. Dort, wo sich noch wenige Sekunden vorher sein Kopf befunden hatte, pfiff gerade eine scharfe, lange Schwertklinge durch die eisige Luft und prallte mit Funken von der Hauswand ab.
Jerry lachte laut auf. "Liebling, lass das Haus stehen!", rief er laut aus. Hinter der Tür stand eine junge Frau, die nicht älter aus Anfang Dreißig aussah. In der Hand hielt sie noch immer das Schwert, mit dem sie ihn beinahe enthauptet hatte. Sie hatte ihre blonden Haare kunstvoll hochgesteckt und trug unauffällige, jedoch bequeme Berufskleidung.
Als sie ihn erkannte, wurde sie erst blass und dann feuerrot, dann fiel ihr das Schwert aus der Hand.
Jerry ließ seine Tasche fallen und breitete die Arme aus. Ein lautes Klappern und Krachen erinnerte ihn daran, dass seine empfindliche Ausrüstung diese unsanfte Behandlung nicht vertrug. Aber das störte ihn nicht mehr. Er war jetzt wieder zu Hause und das war das einzige, das zählte.
Die junge Frau flog ihm in die Arme und brachte ihn wieder zum Straucheln. Aber er ließ sie nicht los, sondern umarmte sie liebevoll.
Erst nach einigen Minuten lösten sie sich wieder voneinander und musterten sich gegenseitig. Dabei fiel ihr auf, dass Jerry vor Kälte zitterte. "Oh Gott! Komm rein, ich hab gerade Kaffee gekocht...Jerry, du holst dir ja hier draußen noch den Tod." Sie trat einen Schritt zur Seite. Jerry verzog das Gesicht und bückte sich, um seine Tasche wieder aufzuheben. "Das bezweifele ich zwar, aber das Angebot nehme ich gerne an, Kelly." Sie errötete wieder und zog ihn ins Haus.
Drinnen war es genauso warm und gemütlich, wie er es sich gewünscht hatte. Ein zufriedenes Grinsen zog sich über sein Gesicht.
"Ma?", erklang eine Stimme aus der Küche. Sie klang ein wenig besorgt. "Alles in Ordnung, Micky. Sieh mal her, wer uns einen Besuch abstattet." Kellys Tonfall klang leicht spöttisch.
Ein großgewachsener, kräftiger Mann betrat den Flur. Er hatte kurze, dunkelblonde Haare und große, neugierige braune Augen. In der rechten Hand hielt er ein großes Breitschwert, bereit, zuzuschlagen. Als er Jerry erkannte, ließ er das Schwert sinken. "Dad?" Kelly bückte sich, um ihr eigenes Schwert wieder aufzuheben, und verdeckte so ihr Lächeln.
Jerry umarmte seinen Sohn herzlich und schob ihn dann auf Armeslänge von sich, um ihn genauer zu mustern. "Gut siehst du aus, Micky. Wie geht's dir?"
Michael war nicht sein leiblicher Sohn. Jerry und Kelly hatten ihn vor über siebzig Jahren adoptiert und ihn großgezogen.
"Micky und seine Sippe sind da.", informierte Kelly ihren Ehemann. Sie hatte ihr Schwert wieder sicher verstaut. "Ja, ich sehe, dass Micky hier ist, Kelly.", entgegnete Jerry trocken und zog seinen Mantel aus. Als er ihn aufhängte, konnte er einen Blick in den Spiegel werfen.
Im Gegensatz zu Micky und Kelly hatte er rotbraune Haare, die kurzgeschnitten und pflegeleicht waren. Sein Gesicht war schmal und kantig, wirkte aber durch die Anstrengungen der letzten Monate eingefallen und müde. Es war ein schwieriger Auftrag gewesen, aber er wurde gut bezahlt. Das war der größte Vorteil. Der Nachteil war, dass er oft wochen- und monatelang von seiner Familie getrennt war. In solchen Momenten verabscheute er seinen Beruf.
Seufzend schlüpfte er aus seinen Stiefeln und in bequemere Schuhe und betrat das Wohnzimmer.
Sofort war er mitten im Chaos. Kelly hatte ihn ja bereits vorgewarnt, und er hatte es sich auch schon gedacht, als er Micky gesehen hatte, aber nach der Einsamkeit der letzten Monate wurde er total überrumpelt von dem Leben in dem Raum.
Als sie ihn erblickt hatten, hatten ihn seine Enkelkinder alle sofort umzingelt und alle redeten durcheinander. Jerrys Blick streifte über ihre Köpfe. Sie waren alle da. Seine drei Enkelkinder, die genau so adoptiert waren wie seine beiden eigenen Söhne, Michael und Lee, sie waren alle da.
Jerry spürte, wie das Lächeln auf seinem Gesicht breiter wurde. Ja, er war wieder zu Hause. Bei seiner Familie.
Das Telefon klingelte schrill. Verwundert blickte Joe den Apparat an. Niemand wusste, dass er wieder in Europa war, außer Duncan MacLeod und einige befreundete Beobachter.
"Ja?", meldete er sich kurz. "Hey, Joe, ich bin's, Adam Pierson." Joe verdrehte die Augen. Er kannte Adam Pierson, und seine Anwesenheit bedeutete selten etwas gutes. "Was willst du, Me- ... Adam?", fragte er kurz. "Wieso glaubst du, dass ich etwas von dir will? Wirklich, du hast eine sehr schlechte Meinung von deinen Freunden, Joe." Er unterbrach sich kurz. "Okay, du hast recht, ich brauche dich mal. Kennst du einen Unsterblichen namens Andrew Anders?" Joe seufzte laut auf. Er hatte es schon irgendwie geahnt. "Ja, der Name sagt mir was. Er heißt eigentlich Andrew Louis Baker, etwa 130 Jahre alt, und ich habe keine Ahnung, wo er sich aufhält. Und du brauchst mich nicht zu fragen. Du kennst die Regeln. Ich kann dir nicht helfen, ihn aufzuspüren. Du musst das auf die traditionelle Art erledigen." "Das ist nicht mein Problem, Joe.", unterbrach Methos ihn. "Wenn du wissen willst, wo er ist: Er schwimmt mit dem Bauch himmelwärts in der Seine. Es geht um was anderes." Joe schüttelte leicht den Kopf. "Gut, wenn es nicht um einen Unsterblichen geht, was kann ich für dich tun?" "Na ja, indirekt geht es doch um einen Unsterblichen. Genauer gesagt um einen Beobachter. Seinen Beobachter." Methos seufzte abgrundtief. "Dieser Kerl verfolgt mich seit ungefähr drei Stunden. Ehrlich, Joe, ich hasse es, beobachtet zu werden. Schaff mir bitte diesen Kerl vom Hals, oder ich werde gezwungen sein, das selbst zu tun. Aber ich verspreche dir, du wirst ihn danach nicht mehr wiedererkennen." Joe lächelte. "Natürlich. Ich kümmere mich darum, okay?" "Danke, Joe. Ich wäre dir wirklich sehr dankbar. Oh, ich muss jetzt Schluss machen. Vielleicht sollte ich den Mann mal erschrecken. Tschüß, Joe. Vielleicht komme ich demnächst noch mal vorbei." Damit legte Methos auf und ließ einen kopfschüttelnden Joe Dawson am anderen Ende der Leitung zurück.
Mit schnellen Schritten lief Lee durch Paris. Er hatte es eilig, nach Hause zu kommen, bevor sein Vater erfuhr, dass er noch unterwegs war. Sein Vater. Er war nicht so wie andere Väter, ganz und gar nicht. Er machte sich unheimlich viele Sorgen um ihn. Außerdem blieb er oft monatelang weg und Lee wusste nicht, wo er sich herumtrieb. Kelly wusste es wahrscheinlich, schließlich war sie sein Boss, aber sie verriet es Lee nicht.
Er sah noch einmal kurz auf die Uhr und beschleunigte seine Schritte noch ein wenig.
Zum Glück hatte Jerry beschlossen, noch eine Tour durch das Viertel zu machen. Als Lee ihn gefragt hatte, was er vorhatte, hatte Jerry nur geheimnisvoll gelächelt und gemeint, er müsse sein Revier kontrollieren. Lee hatte das mit einem Schulterzucken abgetan. Jerry machte oft solche Andeutungen und ging nicht weiter darauf ein. Er war das gewöhnt.
Zur gleichen Zeit starrte Duncan MacLeod auf seine Armbanduhr. Eigentlich wollten er und Joe sich schon vor einer halben Stunde in diesem Restaurant treffen, aber Joe war noch immer nicht aufgetaucht. Langsam machte Duncan sich ein wenig Sorgen. Es war eigentlich nicht Joes Art, so spät zu kommen, ohne ihm Bescheid zu geben. Duncan seufzte und beschloss, dass er Joe noch genau zehn Minuten geben würde, und dass er dann gehen würde.
Plötzlich verspürte er ein seltsames Gefühl. Es begann in seinem Schädel und erfüllte für einen Moment seinen ganzen Körper, bis es dann wieder abklang und nur noch ein dumpfes Echo in seinem Hinterkopf war, dass er aufgrund jahrhundertelanger Übung leicht ignorieren konnte.
Er kannte dieses Gefühl sehr gut. Viel zu gut. Sein erster Impuls als Krieger und schottischer Clanführer war der Gedanke an seine Waffe. Seine rechte Hand zuckte unkontrolliert zur Seite, dort, wo er vor langer, langer Zeit sein Schwert getragen hatte.
Sofort schalt er sich einen Narren. Er konnte schlecht in einem Restaurant mitten in Paris im zwanzigsten Jahrhundert sein Schwert ziehen und auf irgendeinen anderen Gast losgehen, abgesehen davon, dass sein Schwert sicher in seinem Mantel verborgen war. Und sein Mantel hing an der Garderobe knappe zwanzig Meter von ihm entfernt.
Alle diese Gedanken schossen in wenigen Sekundenbruchteilen durch seinen Kopf, während er sich besorgt umsah.
Er wurde doch überrascht, als irgendjemand ihm von hinten die Augen zuhielt. "Rate, wer hier ist, MacLeod.", erklang eine ihm gutbekannte Stimme nahe an seinem Ohr. "Amanda?" Sie lachte und nahm ihre Hände von seinen Augen. Verwundert blinzelte er. Kein Wunder, dass er sie nicht erkannt hatte. Sie hatte ihre Haare jetzt platinblond gefärbt. "Hallo MacLeod. Was machst du in Paris?" Sie sah ihn herausfordernd an. Duncan zuckte mit den Schultern. "Ich brauche ein wenig Abwechslung. Außerdem ist mir die Verkehrslage in Seacouver ein wenig zu gefährlich geworden." "Ach ja? Was ist passiert?", gespannt beugte Amanda sich ein wenig vor. Duncan zuckte wieder mit den Schultern. "Ich bin überfahren worden. Zum Glück hat sich Joe um meine Sachen gekümmert." Verstehend nickte Amanda. "Wo ist Joe? Ist er auch in Paris?"
Duncan verzog das Gesicht. "Tja, ich würde auch gerne wissen, wo Joe ist. Aber..." Rasch wechselte er das Thema. "Wie ich sehe, hast du eine neue Haarfarbe." Amanda lächelte und setzte sich ihm gegenüber auf einen freien Stuhl. "Das? Das war ein Unfall. Sieht aber nicht schlecht aus, findest du nicht?"
Joe wollte gerade das Apartment verlassen, als das Telefon klingelte. Zweifelnd warf er einen kurzen Blick auf seine Armbanduhr. Er hatte ja schließlich eine Verabredung mit Duncan. Aber da er noch ein wenig Zeit hatte, griff er seufzend nach dem Telefon.
"Dawson.", meldete er sich kurz, während er im Stillen bei sich dachte: -wehe, es ist nicht wichtig!!!
"Dawson? Black hier. Lance Black. Sie erinnern sich? Der Beobachter von Andrew Baker." Joe nickte, dann fiel ihm ein, dass der andere das ja nicht sehen konnte. "Ja, ich erinnere mich an Sie. Was gibt es?" "Ich bin nicht sicher, Dawson, aber ich glaube, dass Baker von Methos geschlagen wurde!" Der Beobachter klang enthusiastisch, als er diesen Namen noch einmal wiederholte: "Denken Sie nur, wir haben Methos gefunden! Den ältesten Unsterblichen der noch immer unter uns weilt!" Black schwieg einen Moment und erwartete offensichtlich ein großes Erstaunen. Joe war allerdings wirklich erstaunt. "Ähm, Black, woher wollen Sie wissen, dass es wirklich Methos war?" Er hoffte, dass in seiner Stimme nicht allzu viel seiner Skepsis durchklang.
"Ich habe mich während meines Studiums ausgiebig mit diesem Mythos beschäftigt. Dabei habe ich auch einige Mosaiken aus dem alten Rom gesehen. Es ist definitiv Methos. Wir haben ihn endlich aufgespürt!" Joe verdrehte verzweifelt die Augen. Das klang nicht gut. "Auf jeden Fall habe ich mich jetzt mal an seine Fersen geheftet."
Joe seufzte. Er musste auf der Hut sein, um Black nicht noch mehr aufmerksam zu machen, aber gleichzeitig witterte er eine Chance, Methos' Problem schnell zu lösen.
"Ich verstehe ja Ihre Begeisterung, Black, aber Sie wissen offensichtlich nicht, dass wir Methos aufgespürt haben. Und das schon vor einiger Zeit. Der Mann wird beobachtet. Aber in einem hatten Sie recht: Er war es. Sein Beobachter hatte mich gerade angerufen und mir mitgeteilt, dass er wieder in Paris ist."
"Wer beobachtet ihn?" Blacks Stimme war plötzlich misstrauisch geworden. "Hören Sie, Dawson, ich will Sie nicht irgendwie verdächtigen, aber jeder weiß, wie Sie zu Ihrem Unsterblichen stehen. Wie hieß er noch gleich? War es nicht ein MacLeod?" "Duncan MacLeod, richtig. Aber keine Sorge. Methos wird von Adam Pierson beobachtet, einer unserer führenden Methos-Experten. Er kennt quasi die meisten seiner Tricks, und außerdem ist er einigermaßen zuverlässig. Ein bisschen langsam mit den Berichten, aber sonst in Ordnung. Netter Junge. Sie werden ihn bestimmt kennen lernen. Sie kommen doch zum großen Beobachtertreffen?" Black zögerte einen Moment, überrascht von dem abrupten Themenwechsel. "Ja, das hatte ich eigentlich vor.", sagte er schließlich. Zufrieden registrierte Joe, dass er das Misstrauen des anderen einigermaßen beruhigt hatte.
"Und, Amanda, was treibst du so in Paris? Irgendeine Juwelenausstellung, größere Mengen Bargeld,...?" Duncan lächelte und nahm seinen Worten damit einen Teil ihrer Schärfe. Amanda erwiderte das Lächeln ungezwungen. "Nein, durchaus nicht. Ich habe die Branche gewechselt. Im Moment arbeite ich mit einem Ex-cop zusammen, dessen größter Wunsch es lange Zeit war, mich zu überführen und mich einzusperren." Sie schüttelte leicht den Kopf. "Und? Was hat ihn dazu bewogen, seine Meinung zu ändern?" "Nun, ich war gezwungen, ihn zu erschießen." Das Lächeln war von Amandas Gesicht verschwunden. "Und du bist immer noch auf freiem Fuß?" Duncan war misstrauisch geworden. Beschwichtigend winkte Amanda ab. "Wieso nicht? Im übrigen bin ich eigentlich mit ihm verabredet."
Duncan sah genau, dass sie ihn beobachtete und auf seine Reaktion wartete, aber er hütete sich, ein Wort zu sagen.
Schweigend hingen sie einen Moment lang ihren eigenen Gedanken nach. Während Duncan an nichts bestimmtes dachte, erinnerte sich Amanda voller Schrecken an die Tage, nachdem sie Nick erschossen hatte und er erfahren hatte, dass er ein Unsterblicher war.
"Hey, du Idiot! Pass doch auf!" Nick warf dem Wagen einen wütenden Blick nach und fluchte leise vor sich hin, während er seinen Weg über die Straße fortsetzte.
"Probleme, Mr. Wolfe?", sprach ihn plötzlich eine Stimme von hinten an. Nick zählte in Gedanken schnell bis zehn, während er gleichzeitig mit dem überaus verlockenden Gedanken spielte, seine 9mm-Pistole zu ziehen und Amok zu laufen. Er war zwar auch mit einem Schwert bewaffnet, eines von Amandas alten Schwertern, aber das vertraute Profil seiner Pistole schenkte ihm noch immer Selbstvertrauen und Trost. Amanda hatte, kurz nachdem sie ihn erschossen hatte, angefangen, ihn behutsam zu trainieren, aber seine alte Waffe versprach ein Stück Normalität in dem Chaos, das aus seinem Leben geworden war. Aus diesem Grund trug er sie noch immer bei sich.
Langsam drehte er sich um. Vor ihm stand Joe Dawson. "Nein, keine Probleme." Nick lächelte schmal. "Beobachten Sie mich schon lange, Mr. Dawson?"
Joe entgegnete das Lächeln, wenn auch weitaus freundlicher. "Nun ja, das ist mein Job. Beobachten, meine ich." Er wurde übergangslos wieder ernst. "Nein, eigentlich habe ich Sie nur zufällig gesehen, als Sie diesem Mann gerade vors Auto liefen." Nick zuckte mit den Schultern. "Soll vorkommen.", entgegnete er gleichmütig und setzte seinen Weg fort.
"Warten Sie. Zufälligerweise haben wir beide das gleiche Ziel.", rief Joe ihm hinterher. Ruckartig blieb Nick stehen. "Sie haben mich doch beobachtet.", stellte er amüsiert fest. Joe schüttelte andeutungsweise den Kopf. "Nein, ich habe einen anderen Unsterblichen. Aber ich kenne Ihren Beobachter sehr gut, und er hält mich auf dem Laufenden." Nick lächelte. "Vielleicht sollte ich diesem ominösen Beobachter mal ein paar Fallen stellen."
Joe grinste leicht und betrat noch vor Nick das Restaurant.
Duncan und Amanda bemerkten es gleichzeitig, als ein Unsterblicher in ihre Nähe kam. Aber da Amanda lächelte und jemandem hinter seinem Rücken zuwinkte, bezweifelte Duncan ernsthaft, dass sie sich in Gefahr befanden.
Er drehte sich halb um und entdeckte als erstes Joe, dicht gefolgt von einem jungen Mann, auf den Amanda anscheinend gewartet hatte.
Duncan musterte ihn mit hochgezogenen Augenbrauen.
Der junge Unsterbliche trug schwarze Hosen, einen hellen Pullover und eine schwarze Lederjacke. Seine schwarzen Haare standen wirr in alle Richtungen ab.
Amanda sah den Neuankömmling stolz an. "Duncan, ich möchte dir Nick Wolfe vorstellen. Nick, das ist Duncan MacLeod." Die beiden gaben sich die Hand, während sie sich prüfend musterten.
Joe lächelte. Er sah genau, dass die beiden Männer noch einen harten Kampf um Amandas Gunst austragen würden. Er begrüßte erst Amanda und wandte sich dann Duncan zu. "Hey, Mac." Er setzte sich auf den letzten freien Platz am Tisch und sah Duncan entschuldigend an. "Entschuldige, dass ich dich hab warten lassen. Ich wurde von einem Unsterblichen aufgehalten. Besser gesagt von seinem Beobachter." "Schon gut, Joe. Ist drüben in Seacouver alles gut gegangen?" Joe nickte. "Ja, dein Zeug ist in Sicherheit."
Methos ging schnellen Schrittes eine kleine dunkle Nebenstraße entlang. Er hatte es eilig, wieder auf eine der belebteren Straßen zu kommen, weil dort die Gefahr eines Angriffs geringer war. Zumindest die Gefahr eines Angriffs, vor dem er sich so oft wie möglich drückte - die Auseinandersetzung mit anderen Unsterblichen. Er hatte gerade den Kampf mit Andrew Baker hinter sich, und für seinen Geschmack reichte es damit für das zwanzigste Jahrhundert.
Als er deshalb die Anwesenheit eines anderen Unsterblichen spürte, verdrehte er die Augen und dachte: Warum ich???
Schnell ging er weiter, in der Hoffnung, dadurch dem anderen zu entkommen, als ihm plötzlich ein dunkler Schemen den Weg vertrat. Der andere Unsterbliche hatte sein Schwert bereits gezogen und hielt es locker in der rechten Hand, in der linken wog er prüfend einen schmalen, filigranen Dolch.
Methos verfluchte insgeheim sein Unglück, ausgerechnet jetzt auf diesen Unsterblichen zu treffen, zog aber ebenfalls sein Schwert. "Nun, ich darf Sie bitten, mir die Ehre zu erweisen.", sagte der Mann ruhig. Methos schwieg. "Darf ich mich vorstellen: Jerry Olesson." Der Mann deutete eine spöttische Verbeugung an. Methos lächelte grimmig und nahm Verteidigungsposition ein. Er wusste, er hatte keine Chance zu entkommen. Jedenfalls noch nicht.
Dann ging alles ganz schnell. Der Fremde griff ohne einen weiteren Kommentar an und drängte ihn schnell einige Schritte zurück.
"Wollen Sie sich nicht vorstellen?", fragte Jerry Methos mit zusammengebissenen Zähnen. Methos konnte das wütende Funkeln in seinen Augen trotz der schlechten Lichtverhältnisse genau sehen. "Wenn Sie unbedingt Wert darauf legen..." Methos parierte einige Schläge und ging nun seinerseits daran, Jerry anzugreifen. "Ich bin der Weihnachtsmann."
Nach einigen Minuten gewann Jerry wieder die Oberhand und entgegnete spöttisch: "So, der Weihnachtsmann! Dafür scheinen Sie mir doch ein wenig jung zu sein." Methos wehrte einige kraftvoll geführte Schläge ab und entgegnete zynisch: "Lassen Sie sich nicht vom Äußerlichen täuschen, mein Guter!" Noch während er dies sagte, hörte er mit seinen scharfen Ohren, wie irgendwo hinter ihm eine Tür geöffnet wurde. Er achtete nicht weiter darauf, da er viel zu sehr damit beschäftigt war, nach einem Ausweg aus dieser verfahrenen Situation zu suchen. Jerry dagegen zögerte einen Moment.
Das genügte Methos bereits. Er machte einen großen Ausfallschritt zur Seite und trat seine Flucht an.
Während er vorwärts stürmte, gelang es ihm noch, seinem Gegner einen Hieb zu versetzen. Dieser hatte sich von seiner Überraschung schnell erholt und stieß mit der linken Hand zu.
Methos spürte, wie Muskeln und Sehnen von dem kleinen Dolch durchtrennt wurden, als sich die Waffe in seine linke Schulter bohrte. Fast sofort wurde sein Arm taub. Dann spürte er, wie die Klinge abbrach und er beeilte sich, dass er weit wegkam.
Als er schon am Ende der Gasse angelangt war, riskierte er einen flüchtigen Blick über die Schulter. Jerry starrte ihm wütend hinterher, hatte jedoch noch nicht die Verfolgung aufgenommen. Methos schauderte und lief weiter.
Er spürte, wie das Blut noch immer aus seiner Schulter lief und seinen Pullover durchtränkte, und wie er immer schwächer wurde. Aber mit eiserner Willensanstrengung hielt er sich auf den Füßen und kämpfte sich weiter, auch wenn sich vor seinen Augen alles drehte und ihm schlecht wurde.
Jerry Olesson sah dem unbekannten Unsterblichen noch lange nach. Er hätte gerne den Namen seines Gegners erfahren, denn obwohl dieser die erste Möglichkeit zur Flucht, die sich ihm geboten hatte, genutzt hatte, war Jerry fest davon überzeugt, dass der andere mächtig genug gewesen wäre, um ihm den Kopf zu nehmen.
Kopfschüttelnd machte er sich auf den Weg nach Hause.
Wenn er sich selbst gegenüber ehrlich war, wollte er diesen geheimnisvollen Mann nicht wirklich töten. Er wollte nur sicher gehen, dass sein Viertel frei von unsterblichen Kopfjägern war, die seine Familie bedrohen konnten.
Lee pfiff leise vor sich hin, als er zurück nach Hause ging. Er hatte einen amüsanten Abend hinter sich, und er hatte es eilig, weil er noch einige Hausaufgaben erledigen musste, und weil er seinem Vater nicht in die Arme laufen wollte.
Plötzlich versperrte ihm ein riesiger Mann den Weg. Sofort war Lee auf der Hut. Seine Eltern hatten ihn vor Unbekannten gewarnt.
"Du bist doch der Sohn von James Olson, nicht wahr? Ja, ich sehe, du bist es.", sagte der Mann mit einer tiefen Bassstimme, die Lee durch Mark und Bein fuhr. Vorsichtig wich er einige Schritte zurück. "Auf dich habe ich gewartet, mein Junge.", sagte der Mann. "So? Weshalb denn?", fragte Lee betont lässig zurück, obwohl er vor Angst bebte. "Es ist ganz einfach. Dein Vater hat meinen Schüler getötet. Es ist Zeit, dass ihm jemand einen Denkzettel verpasst. Deshalb bin ich hier."
Lees Augen weiteten sich entsetzt, als der Mann ein Schwert aus seinem Mantel hervorzog. Das Schwert war gut und gerne zehn Zentimeter länger als der Arm des Mannes, und einen flüchtigen Augenblick lang fragte Lee sich, wie der Mann es geschafft hatte, diese Waffe unter seinem Mantel zu verbergen.
Der Mann hob das Schwert über den Kopf, und aufsteigende Furcht verdrängte alle Gedanken.
Jerry lächelte noch immer verträumt vor sich hin, als er in die Straße einbog. Kelly wartete bestimmt schon mit dem Essen auf ihn. Er freute sich schon, und das Wasser lief ihm im Mund zusammen.
Plötzlich erstarrte er.
Vor seiner Haustür stand ein Hüne von einem Mann. Er hielt ein Schwert hoch über den Kopf erhoben und ließ es nun herabsausen.
Auch über die Entfernung von knapp siebzig Metern hörte Jerry das übelkeitserregende Geräusch einer scharfen Klinge, die in weiches Fleisch und durch spröde Knochen krachte.
Obwohl er dieses Geräusch aus unzähligen Schlachten kannte und auch während der französischen Revolution viele Köpfe mit Hilfe der Guillotine gerollt waren, liefen ihm noch immer kalte Schauer über den Rücken, wenn er dieses Geräusch hörte. Es erinnerte ihn zu sehr an seinen ersten Tod, als er von einem königlichen Gardisten hoch zu Ross zu Tode getrampelt wurde.
Ohne zu zögern oder zu überlegen lief er los. Dabei zog er sein Schwert aus dem Mantel.
Der Hüne schien seine Schritte gehört zu haben, denn er drehte sich zu ihm um. Sein Gesicht lag im Schatten, so dass Jerry ihn nicht erkennen konnte.
Der Mann fuhr wieder herum und rannte los. Jerry dachte einen Moment lang daran, ihn zu verfolgen, entschied sich aber anders, als er das - nun kopflose - Opfer des Mörders erkannte. Ohne es zu wollen, verlangsamte sich sein Schritt und er brach neben der Leiche zusammen.
Ein gequälter Schrei entfuhr ihm.
Der Tote war Lee.
