Kapitel 03: Asuka schlägt zu - wieder einmal


Das tokioter EVA-Center befand sich im Erdgeschoß einer großen Einkaufspassage, gleich
gegenüber von dem Dojo der Saotome-Schule für Schlägereien aller Art. Vor dem Center
herrschte großer Andrang, es waren hauptsächlich Jungendliche, aber auch ein paar Erwach-
sene, die darauf warteten, daß der Komplex seine Tore öffnete.

Kensuke führte die fünf anderen, das waren Touji, Shinji, Asuka, Rei und Hikari, zu einem
Seiteneingang, wo sie bereits ein älterer Mann in beiger uniformartiger Kleidung erwartete.

"Hallo, Onkel Keichi", begrüßte Kensuke den Mann.

"Ah, Kensuke, du bist pünktlich. Sind das deine Freunde?"

"Ja, Onkel."

"Guten Tag." kam es aus fünf Kehlen und die fünf schafften es sogar größtenteils, eine angemessene Verbeugung hinzubekommen.

"Na, dann, kommt ´rein. Wir öffnen zwar erst in einer halben Stunde, aber OE ist schließlich
für seinen Kundenservice berühmt."

"OE?" fragte Shinji leise.

"OsakaElectronics", antwortete Rei ebenso leise und sah ihn fast bestürzt an, als wunderte
sie sich, daß er mit der Abkürzung nichts anfangen konnte, auf der anderen Seite kam sie aus Osaka und war mit den dortigen Begebenheiten natürlich besser vertraut.
"Großer Konzern, Computer, Mikrochips, Software, sie stellen alles her. Meine Großmutter
arbeitet in der Forschungsabteilung von OE", fügte sie nicht ohne Stolz hinzu.

Kensukes Onkel ließ sie hinein und händigte jedem eine Plakette zum Anstecken aus, das Symbol
auf der Plakette war ein halbes Feigenblatt und der Schriftzug: NERV.
"Und willkommen bei NERV."

"Was heißt das?" stellte Touji die Frage, welche Shinji bereits auf der Zunge lag. Offenkundig kannten sowohl Kensuke, als auch Rei und Hikari die Antwort, denn sie sahen Touji mit gerun- zelten Stirnen an.

Keichi Aida hingegen hatte kein Problem damit, die Bedeutung der Abkürzung zu erklären.
"Nippon EVANGELION Rekruten Verein. Wir verkaufen auch allerhand Merchandise-Artikel, unter anderem mit dem Logo. Aber euch interessieren sicher eher die Simulatoren."
Er deutete auf eine Reihe von Röhren, die in einem 45°-Winkel im Boden zu stecken schie-
nen.
"Das sind die EntryPlugs, die Steuerkanzeln, wir haben insgesamt sechsunddreizig davon auf den drei Ebenen des Centers. Unsere Computer sind imstande, mehrere Gruppen gleichzeitig zu koor-
dinieren, allerdings ist es einfacher, wenn maximal sechs Spieler sich auf einem Feld befinden. Wir bereiten uns aber auch schon auf die Stadtmeisterschaft vor, und..."

"Das ist ja toll", unterbrach Kensuke den Redefluß seines Onkels. "Können wir es ausprobie-
ren."

"Natürlich, deshalb seid ihr doch hier, oder? Steigt einfach ein, setzt die bereitliegenden Head-sets auf und belegt die Pilotensitze, ich melde mich dann über Funk bei euch und erläutere die Grundlagen."
Er grinste.
"So ein Tutorium bekommen die wenigsten, wenn der Laden erst einmal läuft."

Shinji sah sich noch einmal um, ehe er sich einer der Simulatorkanzeln zuwandte.
Im Erdgeschoß des Centers gab es eine Lounge mit Getränke- und anderen Automaten, wo Spieler darauf warten konnten, daß Simulatoren frei wurden, dazu kamen mehrere Stände mit den ange- sprochenen Werbeartikel, die Kleidungsstücke, Poster, Taschen und allerhand weitere Dinge mit
dem NERV-Logo und verschiedenen Mechas führten. In der Mitte des Eingangsbe-reiches stand ein drei Meter großes Modell eines purpurgrünen Roboters, der mit einem Ge-wehr bewaffnet war und sich langsam auf einer Scheibe drehte. Seine Augen schienen rötlich zu glühen. ´01´ konnte
Shinji auf der Panzerung lesen.
Der Mecha kam ihm bekannt vor.
Plötzlich begannen seine Knie zu zittern.

"Hey, Ikari, was ist mit dir los?" fragte Touji, der gerade den benachbarten EntryPlug steigen wollte.

"Nichts..." murmelte Shinji. Er wandte den Blick von EVA-01 ab, dessen Anblick ihn aus ihm unklaren Gründen hochnervös gemacht hatte.
Dann kletterte er in den EntryPlug.

Das Innere der Steuerkanzel war mit einem schmalen Sitz, Steuerungsarmaturen und mehreren Monitoren gefüllt, auf dem Sitz lag ein Headset.

Vorsichtig nahm Shinji das Headset an sich und setzte es sich auf, justierte das Mikrophon so, daß er problemlos hineinsprechen konnte, ohne dabei irritiert zu werden, dann nahm er in dem Pilotensitz Platz, brachte die Beine in die Nähe der entsprechenden Sensoren und umfaßte die Hebel der Steuerung.

Alles schien so seltsam vertraut...

Eine rote Lampe auf den Armaturen erlosch, wurde von einer grünen ersetzt. Zugleich erhellte sich ein kleines Monitorfeld, welches Keichi Aida zeigte.
"Ah, der erste. Die anderen brauchen wohl noch ein bißchen. Wie heißt du, Junge?"

"Shinji, Shinji Ikari."

„Okay."
Der ältere Mann schien etwas in seine Tastatur einzugeben.
"Das ist für die Kom-Kanäle, sobald ich eure Namen alle eingegeben habe, könnt ihr unterein-
ander Gesprächskanäle öffnen - sogar mit Bildübertragung."

"Uhm, ja."

"Hast du dir schon einen EVA ausgesucht?"

"Nein..."

"Warte, ich zeige dir die verschiedenen Modelle... Moment, zwei von deinen Freunden sind gerade ebenfalls online gegangen."

Nacheinander erschienen kleine Monitorfelder am Rand des Hauptbildschirmes mit den Namen
der anderen fünf, während das sechste dem Kommandozentrum vorbehalten war.

"So, jetzt, wo ich euch alle vernetzt habe, kann ich euch ja kurz die verschiedenen Einheiten zeigen..."

Es begann mit der purpurgrünen Nr.1, dieser folgten die rote vieräugige Nr.2, die schwarze zweiäugige Nr.3, die graue dreiäugige Nr.4, die weiße einäugige Nr.5 und acht weitere Model-
le verschiedener Farbe und Anzahl von Augen, dazu verfügte jede Einheit über besondere Fähigkeiten, so konnte Nr.3 seine Arme auf die sechsfache Länge seines Körpers dehnen, wäh-
rend Nr.5 über rotierende Sichelklingen an den Unterarmen und Nr.6 über beschränkte Flug- fähigkeit verfügte.

"Was ist mit Modell EVA-00?" fragte Rei.

"Oh, du scheinst dich auszukennen... ach, Rei Akagi, ich bekomme gerade deine Daten aus dem Center in Osaka überspielt... du bist ja bereits ein Veteran, Pilot Ersten Grades... EVA-00
und die anderen Sondermodelle sind eigentlich noch nicht verfügbar, wir überlegen, ob wir zumindest EVA-00 noch etwas aufrüsten, um ihn attraktiver zu machen."

"Können Sie ihn mir geben?"

"Klar. Aber du weißt, verglichen mit Nr.1 oder Nr.2 ist der Prototyp ziemlich schwach."

"Aber das macht er mit Geschwindigkeit wieder wett."

"Wie du meinst."

"Und was sind die anderen Sondermodelle, Onkel?" fragte Kensuke.

"Oh, zum Beispiel EVA-04a mit ausfahrbaren Handkrallen, dann das weibliche Modell EVA-08a
und noch ein paar andere mit Sondermodifikationen, an denen wir noch basteln."

"Ich nehme Nr.3 - die Gummiarme sind sicher cool", erklärte Touji.

"Nr.2" kam es von Asuka.

"Nr.5, Onkel, bitte."

"Alles klar, und die anderen?"

"Uhm..."
Shinji überlegte. Eigentlich gab es nur eine Einheit, die er steuern wollte, doch er konnte
sich nicht erklären, weshalb. Es war jene Einheit, die ihn so seltsam nervös machte...
"Nr.1."

"Gute Wahl. Stark, schnell, flexibel und mit extra Energiereserven. Und du, Hikari?"

In ihrer Kanzel schloß Hikari die Augen und deutete einfach auf den Monitor, als sie die Augen wieder öffnete, erkannte sie, daß sie sich für die schwergepanzerte Nr.11 entschieden hatte.
"11."

"Die Schildkröte, alles klar. Szenario wird gestartet, Schwierigkeitsstufe Eins. Ich wünsche
viel Spaß, sollte einer oder eine von euch Probleme haben, meldet euch einfach bei mir, nur
das Sensorfeld berühren."

Der Hauptmonitor erhellte sich.


***


Ryoji Kaji sah gerade noch, wie das Subjekt seines Auftrages das EVA-Center durch den Seiten- eingang betrat und dieser wieder geschlossen wurde.
Er schluckte einen Fluch hinunter und zog seinen Ausweis aus der Tasche, um sich am Hauptein-
gang Zugang zu verschaffen, schließlich lautete sein Auftrag, das Ziel überall hin zu verfol-
gen und zu überwachen. Es würde nur nicht einfach sein, seine Identität als Chef des NERV-
Sicherheitsdienstes im MARDUK-Hauptquartier geheimzuhalten.


***


Seléne führte ihren Bruder und seine Begleiterin zum großen Konferenzsaal im obersten Stock-
werk des Hochhauses, es war dasselbe Gebäude, dessen untere drei Etagen das EVA-Center beher- bergten.

Vor der breiten Doppeltür des Konferenzraumes standen zwei statuenhafte Sicherheitskräfte in
Hellbraunen Uniformen, auf deren Brustteilen sich das Logo von OsakaElektronics befand.

Der Konferenzraum war bis auf eine einzelne Frau in einer Konbination aus ebenfalls dunkel-
blauen Rock, weißer Bluse und blauem Jackett leer, sie hat schulterlanges rotblondes Haar und lächelte knapp, als die drei eintreten, doch ihr Lächeln wirkte leer.
"Deiko, Thomas-san, willkommen zurück."

Deiko erwiderte das Lächeln und nahm endlich ihre Sonnenbrille ab, hinter der tiefblaue Augen
zum Vorschein kamen.

Thomas nickte knapp.
"Midori."

Für einen Moment lag Spannung in der Luft, ehe die rotblonde Frau sich mit einem traurigen Lächeln abwandte und zu einer Kontrolltafel begab, während ihr Gesicht zu einer ausdruckslosen
Maske wurde.
"Verbindung zum Hauptquartier in Osaka wird hergestellt. Verbindung sicher."

An einem der Plätze des Tisches baute sich das Hologramm einer Frau mit metallischgrauer Haut auf, bei näherem Hinsehen erkannte man, daß es wirklich Metall war. Der Schädelwar haarlos,
sie trug eine Art Überwurf.
"Ich grüße Sie, Herr Shigen."

Thomas deutete eine Verbeugung an.
"Ich hoffe, Sie sind bester Gesundheit, Diane."

"So gesund, wie eine künstliche Intelligenz mit Zugriff auf die hochentwickeltsten Compu-
ter-systeme dieses Planeten nur sein kann, danke der Nachfrage, Herr Shigen, das ist doch
der Name, den Sie zur Zeit wieder benutzen, oder?"

"Namen sind Schall und Rauch, aber wir können bei diesem bleiben."

"Sicherheitscheck abgeschlossen. Bestätige Identität: Shigen, Thomas. Erweiterter Zugang
wird hergestellt."

Drei weitere Hologramme leuchteten auf.

Es waren die Abbilder zweier Männer und einer Frau, eines Eupäers und zweier Japaner.

Der Europäer war ein selbst im Sitzen hochgewachsener Mann mit silberweißem Haar und
smaragdgrünen Augen. Der andere Mann hatte schütteres graues Haar, er war etwa achtzig
Jahre alt und blickte durch eine eckige Stahlrandbrille. Die Frau hatte kurzes schwarzes Haar
und trug einen Laborkittel.

"Thomas, wie war es in der Antarktis?" fragte der Europäer.

"Kalt, Roderick, verdammt kalt", seufzte der Einäugige.

"Ich erwarte Sie morgen um diese Zeit zu einem medizinischen Check-up." warf die Frau ein.

"Ich werde da sein, Doktor Takanawa."

"Haben Sie die Kälte wirklich wahrgenommen?"

"Ja, meine Resistenzen sind wieder schwächer geworden. Ich schätze, bald haben Sie die notwendigen Daten zusammen, um hochrechnen zu können, wieviel Zeit mir noch bleibt."

Midori Sekigahama wandte sich ab, so daß niemand den Schatten des Entsetzens sah, der über
ihr Gesicht zuckte.

"So, Commander, was haben Sie in Erfahrung gebracht?" fragte der alte Mann.

"Die Lage ist ernst, Naga-san. Ich habe das Portal am Südpol fast ein halbes Jahr lang beobachtet - und das Transportfeld gewinnt wieder an Kraft. Ausgehend von den Daten, die wir
beim letzten Mal gewonnen haben, können wir damit rechnen, daß wir in sechs bis acht Wochen Besuch erhalten, Herr Innenminister."

"Das ist bedenklich." murmelte Naga. "Und angesichts Ihrer schwindenden Kräfte sind wir dieses
Mal auf uns allein gestellt."

"Doktor, ist immer noch keine Heilung ist Sicht?" fragte Thomas.

"Die Daten, welche wir vom Forschungsinstitut erhalten, waren bisher ganz dienlich bezüglich
der Klone, aber wir haben noch immer keine erfolgversprechende Behandlungsmöglichkeit für
Ihren Zustand. Wir wissen einfach zuwenig über die Natur des AT-Feldes, um die Stärke ihre
Feldes dauerhaft zu stabilisieren."

"Naja, das wäre wohl auch zu schön gewesen. Okay, seit fast fünfzehn Jahren geht das so. Ich
würde mal sagen, wir stellen das hinten an... - Roderick, wie sieht es mit unseren Verteidi-
gungsmaßnahmen aus?"

"Das POLARIS-System ist online, der letzte NIMROD-Satellit befindet sich im Orbit unter arbeitenden Tarnschilden."

"Gut, unsere Tiefenüberwachung steht damit, hat ja auch lange genug gedauert. Wir sollten
jetzt imstande sein, jedes Blaues Muster auf Erden zu entdecken. - Doc?"

Takanawa nickte.
"Die PROMETHEUS ist fertiggestellt, der Testlauf der Aggregate war zufriedenstellend. Der
Prototyp und das Testmodell befinden sich in den Frachtmodulen. An Bord befinden sich ferner
einhundert N2-Minen für den absoluten Notfall."

"Ich kann nur erneut feststellen, daß ein Einsatz solcher Mittel erst nach Ausschöpfung aller anderen Mittel erfolgen darf, die Folgen für das Magnetfeld der Erde wären nicht abschätzbar."

"Danke, Naga-sama, ich weiß. Wie gesagt, die PROMETHEUS ist bereit. Die deutsche Zweigstelle vermeldet, daß die ODYSSEUS ebenfalls plangemäß fertiggestellt wird, St.Clair und Kapitän
Sanchez bereitet derzeit die Überführung vor."

Thomas nickte.
"Und der amerikanische Zweig?"

"Die Werftanlagen haben letzten Monat die Arbeit aufgenommen, die CHRONOS wird termingemäß
bereit sein, um Klon fünf und sechs zu transportieren."

"Gut. Um auf die Klone zurückzukommen, wie sieht es in Ihrer Gen-Schmiede aus?"

"Wir haben drei lebens- und einsatzfähige Einheiten, eine vierte Einheit steht kurz vor der Fertigstellung."

"Gut. Danke, meine Herren, Doktor Takanawa, das wär´s fürs erste. Wir sehen uns morgen,
Doc."

"Mittagessen bei Luigi?" fragte der Europäer.

"Ja, von mir aus. Ich habe seit einem halben Jahr keine Pasta mehr gegessen."

"Gut, bis morgen."

Das Hologramm des Grünäugigen erlosch, gefolgt vom Abbild der Wissenschaftlerin.

Der alte Mann nickte Thomas und Seléne zu.

"Ich nehme an, Sie werden gleich dem Sicherheitsrat Bericht erstatten, Naga-san."

"Ja, je eher, desto besser."

"Schlagen Sie Ihnen vor, daß wir den Oberbefehl über die Abwehrmaßnahmen erhält. Wir haben
uns seit fünfzehn Jahren auf diesen Tag vorbereitet."

"Ich werde ein gemeinsames Oberkommando vorschlagen. - Thomas... Ich vertraue Ihnen voll und
ganz in dieser Beziehung."

"Danke, Herr Innenminister."

"Ich weiß, daß Sie für diesen Kampf geboren worden sind..."


***


"Jeder EVA verfügt über zwei in den Schulterpanzerungen untergebrachten Progressiv-Messer.
Es gibt dreizehn verschiedene Gegner in verschiedenen Größen und Wachstumsstadien, sowie sogenannte besessene EVAs, welche vom Feind übernommen worden sind." erklärte Keichi Aida.
"Ziel des Einsatzes ist es, alle auf dem Spielfeld befindlichen Engel - so nennen wir die
Gegner - zu eliminieren. Manche Engel treten einzeln auf, andere in Scharen, jeder Typ er-
fordert eine eigene Strategie."

Shinji hörte den Erklärungen nur mit einem Ohr zu.
Auf dem großen Hauptmonitor im Cockpit sah er eine felsige Wüstenlandschaft.

Er drehte den Kopf nach links, sah drei weitere EVAs in der Nähe.
Direkt vor ihnen befand sich ein monolithartiges Gebäude.

"Das ist ein Waffenbunker, weitere sind über das ganze Gelände verteilt. Die Bunker enthalten Ausrüstungsgegenstände, also größtenteils verschiedene Waffen, außerdem könnt ihr an ihnen die Batterien der EVAs aufladen oder die Versorgungskabel anschließen. Die Kabel versorgen euch unbeschränkt mit Energie, schränken aber eure Reichweite ein. Tja, viel Spaß."

Das Monitorfeld mit der Unterschrift: Kommandozentrale erlosch.

"Ich schlage vor, wir bleiben zunächst zusammen und sichern die Umgebung", erklärte Rei.

"Wer ist gestorben und hat dir das Kommando übertragen?" rief Asuka und holte ein futuristi-
sches Gewehr aus dem Waffenbunker. Auf dem taktischen Schirm wurde in einem kleinen Fenster
ein Abbild der Waffe zusammen verschiedenen Informationen angezeigt:
Positronengewehr, verschießt geballte Energieladungen, sechs Schuß Munition, Standardbewaff-
nung.

"Asuka, Rei hat doch nur einen Vorschlag gemacht", sagte Shinji.

"War ja klar, daß du ihr zustimmst. Sie weiß ja noch nicht, was für ein Baka-Hentai du bist."

Touji begann zu lachen.

"Wir befinden uns auf unbekanntem Gelände des Typs drei", erklärte Rei, "wir müssen mit Ne-
stern von Engeln des Typs Matriel im ersten Wachstumsstadium, sowie einzelnen ausgewachse-
nen Engeln des Typs Shamshiel rechnen, letztere graben sich im Sand ein."

"Ui, woher weißt du das alles? Du mußt in Osaka viel Zeit in einem EntryPlug verbracht ha-
ben", staunte Kensuke.

"Geht so. Das hier ist eine einfache Einführungsmission, dennoch sollten wir nicht einfach drauflos rennen, sondern das Gelände strategisch durchkämmen."

"Na klar", schnaubte Asuka. "Komm mit, Hikari, wir sehen uns mal hinter den Hügeln da vorn
um."
Sie warf Hikaris EVA das Gewehr zu und holte sich ein weiteres aus dem Bunker, dann stapfte
sie los.

"Äh..." machte Hikari. "Ich gehe besser mit ihr."

Shinji schaltete einen Privatkanal zu EVA-00.
"Rei, ist es wirklich so gefährlich?"

"Für Anfänger schon. Ich erinnere mich noch an das erste Mal, als ich in einem EntryPlug saß... Ich bin direkt in ein Nest kleiner Spinnen-Engel hineingelaufen, die meinen EVA einfach aufgefressen haben."

"Dann sollten wir die beiden im Auge behalten."

"Ja." antwortete Rei und holte ein Scharfschützengewehr mit großer Reichweite aus dem Waffenbunker.

"Was empfiehlst du?"

"Da müßte noch ein Raketenwerfer sein, Shinji-kun."

"Ich... oh, Touji hat ihn schon gefunden."

Von Touji Suzuhara kam ein irres Lachen, als er den Raketenwerfer schulterte.

Für Shinji und Kensuke verblieben weitere Positronengewehre.

"Also, auf zur Jagd!" rief Touji und lief mit Riesenschritten auf die nahen Hügel zu, hinter
denen bereits Asuka und Hikari verschwunden waren.

"Hey, warte!"
Kensuke schloß schnell zu ihm auf.

"Hm, nur noch wir beide." seufzte Shinji.

"Möchtest du nicht mit mir in einem Team sein?"

"Nein! Ich meine, doch, natürlich möchte ich mit dir zusammen sein... äh, in einem Team, meine ich."

Sie lachte leise.
"Schon verstanden. Wir sollten den anderen folgen und uns zwischen den beiden Gruppen halten,
so können wir effektiv das Gelände durchkämmen."

"Woher hast du nur das Wissen über Taktiken?"

"Ich... ich weiß nicht... es ist einfach da, wie ein angeborenes Talent."

"Ist ja interessant."

"Aber ich bin auch beeindruckt, wie gut du und Asuka mit den EVAs umgehen können, so als hät-
tet ihr bereits Übung gehabt... Touji auch, wenn auch nicht so viel..."

"Uhm, Rei, ich war noch nie in so einem... EntryPlug."

In diesem Moment kam über Funk ein spitzer Schrei.

"Hikari!" kam es aus mehreren Stimmen.

Shinji und Rei liefen los, auf den Standort der beiden anderen Mädchen zu. Auf dem taktischen
Schirm setzten sich auch die beiden grünen Punkte, welche Toujis und Kensukes EVAs darstell-
ten, ebenfalls in Bewegung, zeitgleich füllte sich das Tal, in dem sich Asuka und Hikari
befanden, mit etwa zwei dutzend roten Punkten.

"Shinji, sie sind direkt in ein Matriel-Nest gelaufen, wir müssen uns beeilen!"

"Ja!" Shinji lief schneller, die Arme des purpurgrünen EVAs schlugen durch die Luft. Er rief
die von EVA-02 und -11 übertragenden Daten auf seinen Schirm.
Die Wesen, welche als Matriel bezeichnet wurden, erinnerten ihn an Spinnen. Die
Daten trugen den Zusatz ´Stadium-01´.
"Gibt es die auch in größer?"

"Frag´ nicht."
EVA-00 schloß zu ihm auf, sie mußten nur noch über den nächsten Hügelkamm.

"Wieso heißen die Biester eigentlich Engel?"

"Das ist der seltsame Humor meiner Großmutter."

"Deiner Großmutter?"

"Meine Großmutter, Naoko Akagi, hat einen Gutteil der Software des EVA-Spieles programmiert, darunter auch die Gegner."

"Hast du deshalb soviel Erfahrung?"

"Eigentlich nicht, wenn es nach Großmutter gegangen wäre, hätte ich nie so einen Plug von
innen gesehen, keine Ahnung weshalb."

"Aha."

Sie erreichten den Hügelkamm.

Im Tal standen die EVAs von Asuka und Hikari Rücken an Rücken und schossen auf eine wogende Flut kleiner Spinnenwesen.

"Das sind ja viel mehr, als angezeigt werden."

"Der Schirm zeigt Zusammenballungen, Shinji-kun."
Rei lud Explosivmunition in ihr Gewehr und legte an.
"Wir müssen ihnen etwas Luft verschaffen!"

Mittlerweile waren auch Touji und Kensuke angekommen. Zusammen nahmen sie die dunkle Flut
unter Beschuß, so daß Asuka und Hikari sich langsam zurückziehen konnten. Eine Minute später
war das Nest ausgehoben und die sechs EVAs steuerten den nächsten Waffenbunker an, um ihre Batterien aufzuladen.

Asuka war verdächtig still, sie hatte die Bildübertragung in ihren EntryPlug abgeschaltet.
Ihr EVA wirkte irgendwie angefressen, am rechten Bein befanden sich sichtbare Bißspuren.

Hikari hingegen konnte gar nicht aufhören, davon zu erzählen, wie die kleinen Engel plötzlich
aus zahllosen kleinen Höhlen hervorgebrochen waren und sie angegriffen hatten.


***


Thomas seufzte, als die Hologramme der Mitglieder des UN-Verteidigungsrates erloschen waren.
"Haben sie es verstanden?"

"Anzunehmen." kam es von Midori. "Kriegsherr", fügte sie kalt hinzu.

"Gib mir noch einmal die Daten des Verteidigungsgürtels."

"Sofort." Ihre Stimme war bar jeder Emotion.

Über dem Konferenztisch erschien eine holographische Wiedergabe der Erde und des Mondes.
Nacheinander wurden weitere Objekte dem Hologramm hinzugefügt.

"Die NIMROD-Satelliten... der US-amerikanische Raketenschild... das chinesische Gegenstück... die
verschiedenen bewaffneten Satelliten der Russischen Förderation... die ISS..."

"Unsere stationären Einrichtungen hinzufügen."

Überall auf dem Erdball leuchteten helle Punkte auf.

"Die Werftanlagen von Osaka, Wilhelmshaven und an der Westküste Nordamerikas... das logistische
Hauptquartier Osaka... das Ausbildungszentrum Tokio... der antarktische Festungsgürtel... die
zweite Sendestation auf dem Ararat... die Shuttle-Werft bei Baikonur..."

"Danke."
Der Einäugige rieb sich das Kinn.
"Ich wünschte, ich könnte sagen, daß wir bereit sind..."

Das Hologramm der künstlichen Intelligenz baute sich wieder auf, unterbrach seinen Gedankengang.
"Wir haben drei weitere potentielle Piloten gefunden."

"Wo, Diane?"

"Im tokioter EVA-Center... direkt unter Ihrem Standort, Thomas."

"So schnell? In Osaka haben wir fast ein ganzes Jahr gebraucht, ehe wir einen Kandidaten ge-
funden haben", flüsterte Seléne.

"Die Daten auf den Schirm!" befahl Thomas und beugte sich vor.

Vier einzelne Datenfelder bauten sich auf.

"Vier?"

"Interessanterweise befindet sich die als First Children designierte Kandidatin heute eben-
falls im Center."

"Wirklich interessant..."
Er überflog die Daten.
"Asuka Soryu Langley... Touji Suzuhara... Rei Akagi... Akagi? Woher kenne ich den Namen?"

"Das First Children ist mit Doktor Naoko Akagi von der EVA-Software-Entwicklung verwandt."

"Seltsamer Zufall..."
Sein Blick hing wie gebannt auf dem Bild des rotäugigen Mädchens.
"Wirklich seltsam... und Shinji Ikari... Ikari? Diane, Kreuzvergleich!"

"Ikari, Shinji. Vater: Ikari, Gendo. Mutter: Ikari, Yui..."

"Der Sohn von Doktor Ikari von Institut..."
Thomas schüttelte den Kopf.

"Geboren in Kyoto. Seit 2004 in Tokio wohnhaft..."

"Kyoto... deshalb kommt er mir bekannt vor..."
Er blickte zu Deiko hinüber.
"Deiko, erinnerst du dich noch an die Nacht in Kyoto vor zehn Jahren?"

"Als wir über die Dächer liefen?"

"Ja... ich habe nie wieder so frei gefühlt."

Sie lächelte.
"Und ich habe nie wieder solchen Heldenmut gesehen..."

"Deiko, das ist der Junge von damals..."