Kapitel 04: Auf schmalem Grat


Kyoto, vor zehn Jahren:

Die Nacht war kühl und klar, eine perfekte Nacht. Der Mond stand hell am Himmel.

Im Licht der Sterne liefen zwei Gestalten über die Dächer der Altstadt, übersprangen scheinbar mühelos die Abgründe kleiner Gassen, überwanden spielerisch Höhenunterschiede von teilweise mehreren Metern im Sprung.

Deiko blickte über die Schulter zurück, sah ihren Begleiter nur wenige Meter hinter sich. Seit Beginn ihres Wettrennens hatte er beständig aufgeholt. Sie lachte leise, dies war genau das, was Thomas brauchte nach den Ereignissen der letzten vier Jahre, eine Bestätigung, daß er noch lebte.
Auch wenn er sich äußerlich verändert hatte, so war er doch derselbe geblieben, egal wieviel Kraft es ihn gekostet hatte, den Kundschafter zu bekämpfen und das Portal zu schließen, auch wenn Menschen unter derartigen Bedingungen eher dazu neigten, graues Haar zu bekommen - und nicht umgekehrt...

Sirenen wurden laut.

Mehrere Löschzüge der städtischen Feuerwehr rasten nacheinander durch die Straßen.

Sie verharrte.

Thomas erreichte sie.

"Was wohl los ist, großer Bruder?!" fragte sie, den Kosenamen benutzend, den sie seit ihrer ersten Begegnung vor über zehn Jahren gebrauchte.
Sie sah ihn an, bemerkte, daß sein Blick durch sie hindurchging, in die Ferne zu reichen schien.

Sie schluckte.
Wie vor vier Jahren...
"Eine Vision? Ein neuer Gegner? Ein Angeloi?"

"Ich... ich weiß nicht... es ist wie ein leiser Ruf... Komm mit!"

Diesesmal übernahm er die Führung, lief schneller und schneller, als bewegte er sich nicht in schwindelerregender Höhe, sondern auf ebenen glatten Asphalt.

Das Ziel der Löschfahrzeuge und mehrerer Krankenwagen war ein moderner Apartmentkom-plex am Rand der Altstadt. Aus den Fenstern des Komplexes schlugen Flammen, mehr als drei Viertel des großen Gebäudes brannten bereits lichterloh.

Thomas kauerte auf der Dachkante eines nahen Hauses, beobachtete eine junge Frau im Nacht-hemd, welche an einem Feuerwehrmann vorbei zurück in das brennende Gebäude laufen woll-te, dabei von diesem und einem Mann im Schlafanzug zurückgehalten wurde.
Er kniff sein Auge zusammen, um ihre Lippen besser erkennen zu können, um die Worte lesen zu können, welche sie rief.
"Ihr Sohn ist noch in dem Haus..."
Er richtete sich auf, nahm das brennende Gebäude in Augenschein.
"Dort..."

"Was hast du vor?"

Er lächelte knapp, stieg bereits eine Leiter zu einer anderen Dachebene hinauf.

Sie folgte ihm.
"In deinem Zustand darfst du nicht einmal daran denken... Das Risiko..."

Thomas drehte sich ihr zu, bereits an der nächsten Dachkante stehend, von wo aus er schräg auf den brennenden Apartmentkomplex hinabsehen konnte, zog sie an sich, drückte seine Lippen auf die ihren.
"Kleine Schwester, willst du denn ewig leben?"
Damit ließ er sie los, drehte sich um, sprang, sprang in das Inferno, dem leisen Ruf eines verängstigten Kindes folgend...


***


Heute:

"Das kann nicht sein", sagte Deiko kopfschüttelnd.

"Tja... es ist seltsam, wie alle Puzzleteile an ihre Plätze fallen..."
Wieder wanderte sein Blick zu der Abbildung des blauhaarigen Mädchens, welches ihm so selt-sam bekannt vorkam.
"Diane, kompletten Hintergrundcheck aller vier Personen, jedes Detail."

"In Arbeit. Weitere Vorgehensweise?"

"Beobachtung rund um die Uhr... und ihnen soll angeboten werden, in das spezielle Trainingsprogramm für die Liga aufgenommen zu werden."

"Bestätigt."

"Riskant, Thomas, sehr riskant. Was machen wir, wenn sie kein Interesse haben?"

"Das, Deiko, laß dann meine Sorge sein."


***


"Wahhoo!" rief Touji, als sie das dritte Nest von Engeln in Folge ausgehoben hatten.

"Das wird langweilig", beschwerte sich Asuka. "Immer dieselben Viecher."

Die letzten beiden Male hatten sie die von Rei vorgeschlagene Strategie befolgt und dadurch ohne Probleme Erfolge erzielt.

Der Hauptbildschirm wurde dunkel.

"Hey, was ist denn jetzt los?" kam es von Touji.

Kensukes Onkel schaltete sich in die Verbindung ein.
"Das war´s mit dem Einführungsszenario, ihr habt alle Gegner besiegt."

"Oh, schon?"

"Ja, Kensuke, das Einsteigerszenario ist nicht für solche Experten, wie ihr es zu sein scheint, gemacht", lachte der Mann.

"Können wir noch eine Runde spielen, Onkel?"

"Hm, wir machen jetzt auf, und... Moment..."
Er schaltete den Ton ab und blickte zur Seite, sprach mit jemandem außerhalb des Erfassungsfeldes der Kamera, nickte dann.
"Unser Computer hat eure Leistungen ausgewertet und mir empfohlen, euch für die Liga zu rekrutieren."

"Was für eine Liga?" fragte Hikari.

"Oh, jetzt, da geplant ist, EVA-Center in verschiedenen weiteren Großstädten einzurichten, will OE auch eine Liga aufstellen, in der sich die besten Spieler messen können. Und ihr habt euch ganz klar qualifiziert."

"Wow!" machte Touji.

"In der Liga sammelt ihr Punkte für den Vergleich mit anderen Teams, außerdem erhalten Liga-Angehörige Preisnachlässe bei unseren Merchandiseartikeln und bezahlen nur den halben Eintrittspreis für unsere Center, an Sonntagen sogar gar nichts."

"Owww! Leute, habt ihr das gehört?"
Kensukes Augen glänzten.

Wenig später hatte die EVA-Liga ihr erstes Team... und ihr einziges...


***


Eine weitere Runde begann, diesesmal fanden die sechs sich in den Ruinen einer Großstadt zwischen den Skeletten von Hochhäusern und eingestürzten Lagerhallen wieder.

"Unheimlich..." murmelte Shinji, nachdem er sich einmal im Kreis gedreht hatte.
"Rei, was sagst du dazu?"

"Das ist das Hintergrundszenario ´Ruinenstadt´, wir sollten auf alles gefaßt sein,
die Typen an Gegnern variieren."

"Aha, Wondergirl weiß also auch nicht alles!"

"Asuka, hör auf!" rief Shinji.

Ihre Antwort bestand aus einem Knurren, welches einem Wolf alle Ehre gemacht hätte.

So verstohlen, wie es ihm möglich war, blickte Shinji auf das kleine Bildfeld der Übertragung aus Reis EntryPlug.
Ich kenne sie erst seit gestern... warum erscheint sie mir dann so vertraut? Als wir heute morgen zusammengestoßen sind, da war ich irgendwie... froh, sie zu sehen, als ob ich sie vermißt hätte... aber weshalb? Wie kann mir jemand fehlen, denn ich kaum kenne? Dennoch vertraue ich ihr... weil ich weiß, daß mich nicht anlügen, oder im Stich lassen würde...

´Ich werde dich beschützen...´
Er blinzelte, sah sich um.
"Rei, hast du ´was gesagt?"

"Nein, Shinji-kun."

"Ah... uhm... tut mir leid..."
´Ich werde dich beschützen...´ Wie eine alte Erinnerung... aber ich habe sie nie vorher getroffen - und wann hätte sie soetwas zu mir sagen sollen?

"Wollte ihr Wurzeln schlagen?" fragte Asuka, die sich am nächsten Waffenbunker mit einer großen Axt ausgerüstet hatte.

Der Anblick des roten Mecha mit der doppelten Langschaftaxt genügte, um Shinji Schweißperlen auf die Stirn zu treiben, als in seiner Phantasie der EVA durch ein Bild von Asuka selbst ersetzt wurde, die mit der Axt fuchtelte.

"Gewehre und Nahkampfwaffen bieten sich für dieses Szenario an", erklärte Rei mit emotions-loser Stimme.

"Ai, du redest wie der alte Michigawa."
Touji machte auf dem Bildschirm ein Gesicht, als hätte er in eine Zitrone gebissen.

Kensuke begann zu lachen, Asuka fiel in das Lachen ein.

"Das ist nicht nett von euch", beschwerte sich Hikari. "Rei will ihre Erfahrung mit uns teilen, und ihr macht euch über sie lustig!"

"Wer ist Michigawa?" fragte Rei unberührt.

"Michigawa-sensei war unser alter Klassenlehrer, Rei, er ist Anfang des Jahres in Ruhestand gegangen." erklärte Shinji.

"Staubtrocken, der alte Knochen hat immer nur vom Zweiten Weltkrieg und den Jahren danach gesprochen, egal, welches Fach gerade auf dem Plan stand."

"Asuka, so solltest du nicht über Michigawa-sensei sprechen."

"Wieso, Hikari, er kann mich doch nicht hören."

"Aber es schickt sich nicht... es ist einfach unhöflich."

Touji öffnete einen privaten Kanal zu Shinji.
"Äh, Alter, wie meint sie das?"

"Hör ihr einfach zu und lerne." antwortete Shinji.

Touji schaltete sich wieder in den allgemeinen Funk ein.
"Also, ich habe bei Misato-sensei in diesem Jahr mehr gelernt, als in den zwei Jahren davor bei Herrn Michigawa." erklärte er, offenbar stolz darauf, den Namen des alten Lehrers mit der nötigen Anrede versehen zu haben.

"Klar - wie man ihr unter den Rock schaut", holte Asuka Touji wieder auf den Erdboden zurück.

In der Zwischenzeit hatte Rei zwei Gewehre aus dem Bunker geholt und eines davon an Shinji weitergereicht.

Shinji kommentierte das laufende Gespräch dem blauhaarigen Mädchen gegenüber mit einem verzweifelten Schulterzucken, was bei Rei ein Lächeln hervorrief.

Auch Kensuke und Hikari hatten sich mittlerweile ausgerüstet, nur Touji stand noch immer vor Asuka und stritt mit ihr, oder besser gesagt, der schwarze EVA stand dem mit der Axt bewaff-neten roten EVA gegenüber und gestikulierte wild.

Schließlich wurde es Asuka zu bunt und sie schlug mit der Axt nach dem anderen EVA, hackte ihm sein Bein auf Höhe des Knies ab.

"HEEEYYY!!!!" protestierte Touji, als sein EVA zur Seite kippte und sich in seinem Entry-Plug das Sichtfeld entsprechend veränderte. Er glaubte sogar, einen leichten Schmerz im Unterschenkel zu spüren.

"Das hast du jetzt davon." schnaubte Asuka und stampfte davon.

"Touji, bist du in Ordnung?" rief Kensuke.

"Natürlich, ´war doch nur der Mecha. Aber diese #§§&§& Asuka...!"

Kensuke ließ seinen EVA Toujis EVA hochwuchten, unaufgefordert und kommentarlos kam Hikari ihm zu Hilfe, zusammen halfen sie dem schwarzen EVA zum Waffenbunker und schlossen das Kabel der Energieversorgung an. Rei brachte ihnen das abgetrennte Bein und hielt es an die Schnittstelle.

"Es wächst bereits wieder an."

"Oh, ja, du hast heilende Hände." grinste Touji und kippte wieder zur Seite, als
Hikaris EVA ihn unvermittelt losließ.
"Ey, was habe ich denn gesagt?"

Kensuke kicherte. Shinji kicherte. Rei kicherte.

Asuka winkte mit der Axt.
"Geht´s endlich los?"


***


Die sechs EVAs bewegten sich in Formation durch die Straßen, Asuka machte den Anfang,
neben ihr ging Touji, der sich mit einem Speer ausgerüstet hatte, ihnen folgte Hikari, danach Shinji und Kensuke, während Rei den Abschluß machte.

An jeder Kreuzug rannten die ersten drei zunächst über die Straße, während Shinji und Kensuke in die Seitenstraßen sicherten.

Plötzlich fiel ein großer achtbeiniger Schatten über sie. Fast gleichzeitig sahen sie nach oben, erblickten ein Exemplar der Matriel-Klasse, Wachstumsstufe 10 - Stufe: Verdammt Groß.

"Verteilt euch!" schrie Kensuke und ließ sich dann hinten fallen, rollte zur nächsten Wand und richtete das Gewehr nach oben.

Ein Strahl zäher grauer Flüssigkeit traf Kensukes EVA an Kopf und Brust.

"Ich kann nichts mehr sehen! Und das Zeug klebt!"

Shinji ging in die Knie, zielte.
Diesesmal habe ich das Gewehr... dachte er und stutzte. Wieso...

"Vorsicht, Shinji-kun!" rief Rei und stieß ihn zur Seite, wurde selbst von einem Flüssigkeitsschwall getroffen.

"Das Mistvieh will uns einspinnen! Feuer!"
Touji schwang seinen Speer, aktivierte dabei die Jetpacks seines EVAs, welche ihn in die Höhe trugen.

Asuka war derweil um die nächste Häuserecke gelaufen und hatte gefunden, was sie suchte
- ein Bein der Riesenspinne. Und darauf hackte sie nun mit der Axt ein.

Shinji und Hikari schossen auf den Matriel, ebenso Rei, die zwar halbseitig am Boden festklebte, aber immer noch den Arm mit der Waffe frei hatte.

Die Riesenspinne verlor zuerst das Gleichgewicht, als plötzlich eines ihrer Beine sich selbständig machte, dann ihr Leben, als sich neben Toujis Speer auch drei Positronenladungen in ihre Unterseite bohrten und explodierten.

Asuka kehrte zum Team zurück.
"Hikari, du sicherst! Touji-baka, komm, wir befreien Kensuke."

Shinji ging neben Rei in die Knie und besah sich die mittlerweile hartgewordene Flüssigkeit.
"Warum hast du das getan?"

"Ich wollte dich beschützen... und außerdem härtet die Netzflüssigkeit der großen Matriels schnell aus, du kannst mich mit dem Messer freischneiden."

"Uhm, in Ordnung."
´Ich werde dich beschützen´, hallte es in seinem Kopf wieder.
"Und, Rei..."

"Ja?"

"Danke."
Er lächelte.

Sie nickte nur.
"Die Matriels sind Gegner, welche in jeder Wachstumsstufe nur durch Zusammenarbeit zu besiegen sind."

"Aha. Sag mal, warst du früher schon einmal in Tokio?"

"Nein."

"Oder in Kyoto?"

"Auch nicht. Abgesehen von einer Klassenfahrt nach Okinawa bin ich nie aus Osaka herausgekommen."

"Hm..."
Er war inzwischen dabei, sein Messer in die ausgehärtete Klebemasse zwischen den zerrissenen Asphalt und den Körper von EVA-00 zu treiben und Rei freizuschneiden.

"Shinji-kun, darf ich im Gegenzug dir eine Frage stellen?"

"Uh, ja, natürlich."
Er bemerkte, daß sie auf einen privaten Kanal gewechselt war, so daß die anderen ihre Unter-haltung nicht belauschen konnten.

"Magst du mich?"

Er atmete überrascht ein, verschluckte sich prompt und mußte husten.
"Rei..."

Sie wirkte enttäuscht.
"Also nicht."

Shinji rang nach Atem.
"Ich... ah... Rei, du hast mich überrascht. Uh... das ist nicht so einfach, ich meine, du bist ganz in Ordnung, aber ich kenne dich doch erst seit gestern, und..."

Rei lächelte.
"Schon gut, nur ein Spaß."

"Ah, Rei, das... ich meine..."

Sie unterbrach die Privatverbindung und ging wieder auf den allgemeinen Kanal.
"Danke." sagte sie monoton, als sie aus eigener Kraft die letzten Stränge der Netzmasse zerriß und aufstand.

"Ich..."

"Sag ´mal, meine Mutter hat mir erzählt, im Forschungsinstitut, wo sie arbeitet, gäbe es eine Doktor Ikari..."

"Das ist meine Mutter."

"Ein seltsamer Zufall."

"Asukas Mutter arbeitet dort auch. Aber du hast recht, es ist ein merkwürdiger Zufall."
Er war froh, daß sie ein anderes Thema angeschnitten hatte.

"Achtung, Gegner auf vier Uhr!" rief Hikari.

Während EVA-00 und -01 sich sofort in die entsprechende Richtung wandten und ihre Gewehre ausrichteten, hob EVA-03 tatsächlich das Handgelenk in Augenhöhe, als Touji im EntryPlug auf die Uhr sah.

"Aber es ist doch erst viertel nach drei!"

Asuka klatschte sich mit der flachen Hand vor die Stirn - ebenso ihr EVA.
"Baka!"

Kensukes EVA war mittlerweile ebenfalls befreit, allerdings befand sich immer noch genug von der Netzmasse auf ihm, daß er nichts sehen und auch nicht den Hals bewegen konnte.

"Ihr müßt Kensuke beschützen." sagte Rei.

"Ich übernehme den Engel." murmelte Shinji.

Sein taktischer Schirm identifizierte den neuen Gegner, einen schwarz-grauen Humanoiden, dessen schnabelbewehrtes Gesicht sich mitten auf seiner Brust befand, als einen Satchiel.

"Gib acht. Seine Schwachstelle ist..." setzte Rei an.

"Sein Gesicht, ich weiß..." flüsterte Shinji.
Aber woher weiß ich das?
Er wußte noch mehr, nämlich daß das Kraftfeld des Engels für die einfachen Positronengewehre zu schwach war, daß sie schon ein Scharfschützengewehr mit entsprechender Durchschlagskraft gebraucht hätten...
Woher weiß ich das alles? Woher?
Sein Kopf begann zu schmerzen, ein dumpfer stechender Schmerz hinter seiner Stirn.

Der Engel verharrte mitten auf der nächsten Straßenkreuzug.

Shinji ließ das ProgMesser aus der Schulterpanzerung herausspringen, ergriff es mit der rech-ten Hand.

"Ja, spinnt der denn!" kam es von Touji.

EVA-03 wollte EVA-01 folgen, wurde aber von EVA-00 zurückgehalten.

"Nicht."

"Was? Warum? Ikari ist mein Kumpel!"

"Misch dich nicht ein, Touji... Der Satchiel gehört mir."

"Ikari, was hattest du zum Frühstück?"

Shinji ließ seinen EVA den Oberkörper nach vorn senken und losrennen, krachte gegen den Engel.

Dieser schlug mit seinen Krallenhänden nach ihm.

Shinji packte einen der Arme mit der freien Hand, riß ihn brutal herum.
Vor seinem geistigen Auge tobte eine andere Version des Kampfes, eine, in dem er mit EVA-01 unsicher umherstolperte, in der der Engel erst seinen Arm zertrümmerte und dann den Kopf von EVA-01 mit seinen Pulsatorstrahlen bearbeitete.
"Nicht heute..." knirschte Shinji.

"Mit Ikari stimmt etwas nicht!"
Touji versuchte EVA-00 zur Seite zu drängen, doch Rei wich seinen überlangen Armen aus.

Derweil verpaßte Shinji dem Satchiel einen kräftigen Kniestoß in den Unterleib, den der Engel zwar nicht sonderlich spürte, bei Shinji jedoch ein gewisses Gefühl von Genugtuung hervorrief.

Der Engel packte EVA-01 an der Schulterpanzerung, versuchte ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen, während er gleichzeitig das Messer abblockte.

Shinji hielt dagegen, setzte die ganze Kraft von EVA-01 ein und riß den Arm, den er schon im Griff hatte, aus dem Schultergelenk, schleuderte ihn hinter sich.

"Urks..." machte Touji. "Ikari! Tritt ihm in den Hintern!"

Shinji preßte die Zähne zusammen, drehte sich den Engel in seinem Griff zurecht, dann trieb er ihm die ProgKlinge in die Brust, mitten in sein Gesicht.
"So, Vater, was sagst du dazu..." flüsterte er.
Warum sollte Vater das interessieren...? Woher kam diese Wut? Warum habe ich verschwommene Erinnerungen daran, schon einmal gegen so ein Wesen gekämpft zu haben?

EVA-01 stand vornübergebeugt über dem zusammengesackten Engel. Mit einem Ruck riß er das Messer aus Satchiels Brust, richtete sich auf.

"Yeah, Ikari! Und ich dachte, du brauchst Hilfe!"

"Touji, was ist denn passiert? Ich kann nichts sehen!" protestierte Kensuke.

Die Monitore wurden dunkel bis auf eine Schrift: Mission abgebrochen.

Kensukes Onkel meldete sich.
"Tut mir leid, Kinder, andere wollen auch einmal, ´ist ein ziemlicher Andrang."

"Schade, Onkel Keichi."

"Ihr könnt morgen wiederkommen."


***


"Das sind unglaubliche Werte..."

"Ja, Fräulein Midori", murmelte Seléne und überflog erneut die Daten aus den EntryPlugs. "Kaum zu glauben, daß das schon am ersten Tag passiert... Dieser Junge beherrscht das EVANGELION-System, als hätte er monatelanges Training gehabt. Das kombiniert mit den Reflexen eines Vierzehnjährigen... Und diese beiden Mädchen... Ich schätze, wir haben die Piloten für die Klone gefunden."

"Ja, Lady Seléne." antwortete ihre Assistentin steif.

"Sie halten hier die Stellung, ich bin dann unten im Geo-Sektor."

"Soll ich Sie informieren, falls weitere potentielle Kandidaten auftauchen?"

"Natürlich... Thomas hat recht, es ist seltsam, wie alles zusammenkommt. Gendo Ikari entdeckt den Geo-Sektor unter Tokio... Yui Ikari liefert die Grundlagen für die Erschaffung der Klone... Und ihr Sohn, Shinji Ikari, scheint imstande zu sein, spontan mit dem künstlichen Gehirn eines der Klone synchronisieren zu können..."

Midoris rechtes Auge zuckte kurz, als Seléne ihren Bruder erwähnte.
"Ein Zufall, nicht mehr."

"Ich glaube nicht an Zufälle..."