Kapital 07: Brennendes Eis


Vor fünfzehn Jahren:

Sie erreichten den ersten Ausläufer der Finsternis. Wie eine wabbernde Wand aus schwarzem Nebel wuchs die Dunkelheit vor ihnen auf.

Katsuragi näherte sich der Schwärze mit einem tragbaren Meßgerät.
"Die Strahlung wird stärker..."

Ein anderer Wissenschaftler benutzte ein Gerät an einer Stange, um eine Probe des Nebels zu nehmen. Das Gerät schien auf keinen Widerstand zu stoßen, als der Operator allerdings versuchte, es zurückzuziehen, mußte er feststellen, daß sich die Aparatur aufgelöst hatte...

Thomas trat neben den Professor, hob die Hand, so daß die Handfläche sich parallel zur Wand befand, spürte das leichte Prickeln auf der Innenfläche, atmete tief ein, als ihm die Bedeutung seiner Beobachtung klar wurde - das Warnsystem war aktiv geworden...
"Tetryon-Partikel."

"Was?"

"Professor Katsuragi, ab hier übernehme ich das Kommando. Wir haben es mit dem befürchteten Krisenfall zu tun."

"Lassen Sie mich das Phänomen noch einen Moment untersuchen..."

Thomas trat einen Schritt auf die wallende Schwärze zu, dann noch einen, streckte den Arm aus.

"Thomas!" brüllte Deiko.

Doch es war bereits zu spät, er hatte Kontakt mit der Finsternis hergestellt.
Die Schwärze umhüllte seine Hand, wabberte den Unterarm hinauf.
Shingens Haltung veränderte sich, wurde angespannt.

Das Vordringen der Schwärze stoppte auf Höhe des Ellenbogengelenks. Die Dunkelheit schien sich zusammenzuziehen, an einigen Stellen taten sich erste Risse auf, als das Schattenfeld seine DNA erkannte und ihn als befugt erkannte.

Dann brach das Dunkelfeld zusammen und gab den Blick auf das eigentliche Zielgebiet frei - und auf den Feind...


***


Vor ihnen erstreckte sich eine weite Fläche aus Eis ohne jedwede Erhebung, als hätte sie jemand spiegelglatt poliert.

Das Eis war durchsichtig.

Unter dem Eismantel konnten sie die Gebäude und Straßen einer Stadt erkennen, einer Stadt, die von Giganten erbaut worden sein mußte...

"Unglaublich", flüsterte Katsuragi.

Thomas berührte das Mikrophon seines Headsets.
"Deiko, unsere Befürchtungen bewahrheiten sich, die alte Stadt wurde freigelegt. - Captain Ikari, bereiten Sie die Ausführung von Befehl Wildfire vor. - Professor, was sagt Ihr Meßgerät?"

"Die Strahlung steigt an."

"Das war zu befürchten, ich habe den Absorptionsschild beseitigt."

"Wie..."

"Keine Zeit. Kehren Sie zu Mobil-01 zurück und bringen Sie sich in Sicherheit."

"Wovor?"

Thomas schüttelte nur den Kopf, dann deutete er auf das Objekt, welches sich gerade in einem Lichtblitz mitten auf der Eisfläche materialisiert hatte.
"Davor."


***


Aus einer Säule aus Licht schob sich ein achtbeiniges Wesen, welches auf den ersten Blick an eine Spinne erinnerte, eine Spinne mit einer Länge von über zehn Metern.
Auf den zweiten Blick fielen dem Betrachter die zahlreichen Aufbauten an Ober- und Unterseite des Arachidenleibes auf.
Der dritte Blick brachte die Gewißheit, die die Panzerung des Wesens aus einzelnen Metallplatten bestand und daß es sich bei den Aufbauten um Antennen, Scheibwerfer und Waffen handelte.

Auf seinen acht Beinen stakste das Wesen direkt auf die Gruppe am Rand der Ebene zu.

"Shigen, was ist das?" stieß Katsuragi hervor.

"Ein Matriel, ein biomechanisches Geschöpf", antwortete Thomas automatisch. "Ein Späher. Wir müssen verhindern, daß er Meldung abgibt... Laufen Sie, Katsuragi!"
Er stieß den älteren Mann in Richtung der Raupenfahrzeuge, die sich in Bewegung gesetzt und sie fast erreicht hatten.

Mobil-04 hatte sich inzwischen in Bewegung gesetzt. Das Dach des hinteren Moduls klappte auf und enthüllte eine schwere Geschützstellung. Das Geschütz richtete sich auf den Arachiden aus, gab eine Salve von Energie ab.

Der Laserbeschuß verpuffte, kurzfristig war das Schirmfeld sichtbar, welches den Feind umgab.

Der Späher erwiderte das Feuer.

Mobil-04 explodierte, die Druckwelle schleuderte den Professor durch die Luft und gegen Mobil-03.

Thomas preßte die Zähne zusammen.
"Deiko, die Bombe!"

Die schwarzhaarige löste die Kiste aus den Halterungen und schleppte sie zu ihm.
"Was hast du vor?"

"Ich..."

Der nächste Schuß des Arachiden schlug mitten zwischen ihnen ein, schleuderte diesesmal den Grauhaarigen zu Boden.

Als er sich aufrappelte und kurz orientierte, hörte er seine Begleiterin und einstige Geliebte leise stöhnen. Ihr rechter Arm war nur noch eine Masse aus zerschmetterten Knochen.
"Deiko, bleib liegen... und halte durch..."
Er drehte den Kopf in Richtung der Raupenfahrzeuge, sah, daß Katsuragi an Bord von Mobil-01 gebracht worden war, und daß Mobil-03 nun ebenfalls seine Geschützstellung ausgefahren hatte.
"Ikari, schießen Sie auf das Eis, lenken Sie den Matriel ab!"

"Verstanden!" knisterte es in seinem Ohr.

Thomas sah sich nach der Kiste um, in der sich die experimentelle miniaturisierte N2-Bombe befand, fand sie aufgeplatzt neben Deiko. Der Zünder lag ein Stück weiter im Schnee.
Beschädigt... Nutzlos... schoß es ihm durch den Kopf.
Er blickte zu dem rasch näherkommenden Arachiden hinüber, der sie in wenigstens einer halben Minute erreichen würde, trotz der Explosionen, die die Eisdecke erschütterten...
...und rannte ihm entgegen...


***


Heute:

Als Misato Katsuragi an diesem Tag das Schulgebäude verließ - und dabei so tat, als bemerke sie die Blicke ihrer Kollegen und mancher Schüler nicht - und zu ihrem Wagen ging, fiel ihr wieder der dunkle Wagen auf, der schon am Vortag auf der anderen Straßenseite gestanden hatte.

Da ist er wieder...

Sie zögerte unmerklich, blickte von dem dunklen Wagen zu ihrem eigenen und wieder zurück.
Durch die getönte Scheibe konnte sie vage die Umrisse des Fahrers erkennen, das Seitenfenster war einen spaltweit heruntergefahren, so daß sie den oberen Teil seines Kopfes sehen konnte.

Wer nicht wagt...

Sie setzte ihr bestes Lächeln auf und trat auf die Straße, ließ einen Wagen vorbei und überquerte die Straße, ging auf den dunklen Wagen am Straßenrand auf der anderen Seite zu.
Misato beugte sich ein Stück vor, so daß ihr Gesicht sich auch einer Höhe mit dem Fahrer des Wagens befand.
"Entschuldigen Sie bitte..."

Das Seitenfenster wurde gänzlich heruntergefahren.
"Ja?" fragte der Fahrer mit freundlichem Lächeln. Er trug ein hellblaues Hemd mit dunkler Krawatte, darüber ein dunkles Jackett, seine linke Hand befand sich halb auf Brusthöhe unter dem Jackett.

"Ich bin Lehrerin an der Schule hier... Sie stehen im Halteverbot."
Sie deutete auf das Verkehrsschild.

Er wirkte plötzlich sichtlich lockerer, als er die Hand hervorzog und sich in einer entschuldigenden Geste lachend an den Kopf faßte.
"Ah, danke für den Hinweis."
Dennoch machte er keine Anstalten, den Wagen wegzufahren.

"Warten Sie auf jemanden - ihren Sohn oder ihre Tochter?"

"Weder noch, ich habe keine Kinder."

Sie nahm seine Hände in Augenschein, die andere lag auf dem Lenkrad.

Hm, kein Ring...
"Ich frage nur, weil ich sie gestern hier auch schon stehen sah."

Er zwinkerte ihr zu.
"Darüber darf ich nicht reden. Aber sagen Sie, was macht eine schöne Frau wie Sie im Schuldienst?"

Sie sah ihn aus großen Augen an.
"Sie sind recht direkt."

Er lachte wieder.
"Ich vergeude ungern Zeit, sehen Sie, nehmen wir einmal an, ich muß den halben Tag in meinem Wagen verbringen und in die Gegend starren, da muß ich doch auch bei Gelegenheit die Zeit wieder ein wenig ausgleichen können, oder?"

Misato schloß sich seinem Lachen an.
"Jetzt sagen Sie nur noch, Sie sind ein Spion in geheimer Mission."

"Natürlich", erwiderte er im Brustton der Überzeugung und zwinkerte wieder. "Aber nicht weitersagen, ja?"

Sie zwinkerte zurück.
"Ich schweige."

"Hervorragend, damit retten Sie meine Mission."
Er reichte ihr die Hand.
"Ryoji Kaji. Und ich bin wirklich ein Spion."

"Was?"

Er präsentierte ihr einen Ausweis des Innenministeriums.

"Ah..."
Ihr Mund stand offen.

"Tut mir leid, ich wollte Sie nicht erschrecken, oder so."

"Was machen Sie hier?"

"Wenn Sie wirklich Lehrerin sind, sage ich es ihnen."

"Gut, gut, einen Moment..."
Sie kramte in ihrer Handtasche, balancierte dabei auf einem Bein, während sie das andere angewinkelt hatte, um ihre Tasche abzustützen. Dadurch kam ihr Bein in Kajis Sichtbereich, welcher seine Bewunderung nur schwer verbergen konnte.
"Hier."
Sie reichte ihm ihren Ausweis.
"Da ist auch eine Bescheinigung meiner Lehrtätigkeit und meine Erlaubnis, den Lehrerparkplatz zu benutzen."

"So genau wollte ich das gar nicht wissen", grinste Kaji und notierte sich in Gedanken ihren Namen und Adresse.
"Misato Katsuragi... Sie sind wahrscheinlich die bestaussehendste Lehrerin der Schule, oder sollte ich mich so irren?"

"Sie schmeicheln mir schon wieder... anscheinend wissen Sie genau, was ein Mädchen hören will."

"Ah, nein. Ich bin nur ein wenig auf Ihre Schüler neidisch, das ist alles."

Wieder lachten sie.

"Und weshalb stehen Sie nun schon den zweiten Tag hier im Parkverbot?" fragte sie schließlich.

"Ich soll auf eine Schülerin aufpassen, sicherstellen, daß sie sicher nach Hause kommt, ohne zu bemerken, daß ihr jemand folgt."

"Wer?"

"Das, meine werte Miss Katsuragi, darf ich Ihnen nicht sagen."

"Woher wissen Sie, daß ich unverheiratet bin?"

"Geraten... Zum einen tragen Sie keinen Ehering, zum anderen würde ein Ehemann wahrscheinlich dafür sorgen, daß Sie nicht in einer Schule unterrichten müßten, damit er Ihre Schönheit ganz allein für sich hat."

"Sie gehen ganz schön ran."

"Ah, dabei bin ich eigentlich furchtbar schüchtern - Sie haben das Gespräch begonnen."

"Oh, ja, geben Sie nur mir die Schuld... So, Sie wollen mir also erzählen, daß Sie eine Art Leibwächter sind."

"Das umschreibt meine derzeitige Tätigkeit recht gut."

"Und worum geht es? Soll die Schülerin - ihr Name möge ungenannt bleiben - entführt werden? Ist die Mafia darin verwickelt? Oder..."

Er hob lachend die Hände.
"Sie brauchen nicht zu befürchten, daß Bewaffnete die Schule stürmen, oder ein Anschlag verübt wird, falls Sie darauf hinauswollen. Ich darf wirklich nicht mehr sagen - ich hänge nämlich an meinem Job, auch wenn er zuweilen sterbenslangweilig ist."
Aus den Augenwinkeln registrierte er, daß seine Zielperson das Gebäude verlassen hatte und im Begriff war, um die nächste Ecke aus seinem Sichtbereich zu verschwinden.
Dennoch behielt sein Gesicht den freundlichen Ausdruck bei.
"So, Miss Katsuragi, ich muß los. Unser Gespräch war sehr anregend, vielleicht könnten wir es bei Gelegenheit fortsetzen."

"Gern, Mister Superspion." grinste sie.

"Nun dann, einen schönen Tag noch."
Er hob grüßend die Hand und ließ die Scheibe hochfahren, startete dann den Wagen, während sie zur Seite trat, damit er losfahren konnte.


***


Mit jeder Sekunde, die er im EntryPlug verbrachte, verdichtete sich in Shinji Ikari die Erkenntnis mehr und mehr, daß er deshalb mit dem EVANGELION-VR-Spiel so gut zurechtkam, weil er tatsächlich über Training verfügte... wobei Training vielleicht der falsche Ausdruck war, denn Übungen wurden selten von der sicheren Gefahr, verletzt oder getötet zu werden, begleitet. Er war sich mittlerweile sicher, daß er den Wesen, welche als Engel bezeichnet wurden, bereits in Natura gegenübergestanden hatte - in einem echten EVA.
Und er wußte, daß er diesen Kampf zusammen mit Asuka und Rei geführt hatte...

Das Ausheben eines Nestes kleiner Matriels kam ebenso wie Routine vor wie der Kampf gegen die fischartigen Gaghiels, die ihnen im hüfthohen Wasser einer überfluteten Stadt während der zweiten Mission aufgelautert hatten.

Kurzentschlossen stellte er eine Verbindung über einen privaten Kommunikationkanal zu Asuka her, die gerade mit EVA-02 Hikaris EVA aus dem Wasser schleifte, ein Schwarm der piranha-ähnlichen Fischengel hatte die Beine von EVA-09 bis zum Knie weggefressen, da hatte auch die mit Dornen besetzte Panzerung nicht viel geholfen.

"Asuka..."

Die rothaarige funkelte ihn wütend an und streckte die Hand aus.

"Nein, bitte, unterbrich die Verbindung nicht, ich muß mit dir reden."

"Oh, klar. Bist du deiner Puppe schon überdrüssig geworden?"

"Rei ist keine Puppe, ich weiß überhaupt nicht, wie du darauf kommst."

Etwas glitzerte in Asukas Augen - Überraschung.
"Ich... ich auch nicht... es lag mir einfach auf der Zunge..."
Sie schüttelte den Kopf.
"Wahrscheinlich hast du mich schon mit deiner Dummheit angesteckt, Baka! Oder ein anderer von Idiotentrio! Aber nicht mit Asuka Soryu Langley!"
Wieder streckte sie die Hand aus.

"Asuka, warte."

"Okay, wenn du dich entschuldigen willst, werde ich deine Entschuldigung in meiner großen unvergleichlichen Güte natürlich annehmen."

"Wer sagt denn, daß ich mich entschuldigen will?"

"Was willst du dann von mir?"

"Ah, sag mal, Asuka, hattest du in den letzten Tagen auch so seltsame... Momente..."

"Seltsame... Momente?" wiederholte sie, seinen zögerlichen Ton nachahmend.

"Ja, so Momente, in denen du dich an Dinge erinnerst, die eigentlich gar nicht passiert sind?"

Sie legte die Stirn in Falten, sah ihn an, als wäre ihm ein zweiter Kopf gewachsen.
Dann schrie sie:
"Baka-Shinji, was für einen §"&%§&"& laberst du da? Willst du mir etwa weismachen, die ganze Sache mit Rei entspringe meiner Einbildung? Dieses kleine Flittchen hat sich doch vom ersten Moment an an dich herangemacht! Glaubst du etwa, ich ließe das einfach so geschehen?"

Er verzog schmerzhaft das Gesicht, glaubte, den Luftzug zu spüren, den sie beim Schreien produzierte.
"Warum läßt du es nicht einfach geschehen? Ich gehöre dir nicht! Rei interessiert sich für das, was ich tue, sie mag mich, während du einfach nur ´rumbrüllst, oder auf Leute einschlägst!"

"Was ich mache..."
Sie blinzelte, wurde leise, sah ihn... verletzt an.
Dann unterbrach sie die Verbindung.

"Oh, Mann", murmelte Shinji und fühlte sich hundeelend.


***


Nach Beendigung des Szenario kletterten die sechs aus den EntryPlugs.

Der Blick, mit dem Asuka Shinji bedachte, war nicht mehr voller Zorn, sondern... anders... Allerdings wandte sie sich brüsk ab, ehe er sie fragen konnte.

Sie strebten zusammen auf den Ausgang zu, auch wenn sich Asuka und Hikari auf der einen und Shinji und Rei auf der anderen Seite der Gruppe befanden, mit Touji und Kensuke als Puffer.

Ein Frau mittleren Alters trat ihnen in den Weg, sie trug eine Konbination aus dunkelblauen Rock, weißer Bluse und blauem Jackett und hatte schulterlanges rotblondes Haar. Ihr Lächeln wirkte gekünstelt.
Am Aufschlag ihres Jacketts trug sie eine ID-Plakette, die sie als NERV-Major Midori Sekigahama auswies.
"Hallo, ihr seid die sechs Spieler, die sich gestern für die Liga eingetragen haben, nicht wahr?"

"Ja, sind wir." nickte Kensuke.

"Ich bin Midori, die Leiterin des tokioter EVA-Centers."

"Guten Tag."

"Wärt ihr darin interessiert, an den Beta-Tests für ein paar neue Modifikationen des EVA-Spieles teilzunehmen? Ihr könntet dann bewerten, wie sich die Veränderungen auswirken, was euch gefällt, und so weiter. Natürlich erhaltet ihr dafür kostenlosen Zugang zu unserer Anlage und habt jederzeit während der Betriebszeiten Zugang zur Beta-Anlage auf der dritten Ebene."

Kensukes Augen begannen zu leuchten.
"Das klingt super."

"Bekommen wir da auch Punkte für die Liga?" fragte Touji. Wieder einmal hatte er alle anderen überrascht.

"Selbstverständlich. Es geht mehr um Änderungen gewisser Parameter, wie neue Missionstypen, neue Szenarien, Gegner und EVAs."

"Einheit-04a? Mit den ausfahrbaren Handklingen?" kam es von Kensuke.

"EVA-04a wird Teil der Neuerungen sein, wir überlegen nur noch, ob wir die Bezeichnung ändern."

"Wow", flüsterte Kensuke und schien bereit, sich der Leiterin des Centers zu Füße zu werfen.

"Weißt du, weshalb er von dieser 04a so besessen ist?" fragte Touji leise in Shinjis Richtung.

Der zuckte nur mit den Schultern, schließlich hatte Kensuke keinem von ihnen von dem kleinen Schatz erzählt, den er in einer Kiste unter seinem Bett aufbewahrte, und der aus den kompletten ersten zehn Jahrgängen eines gewissen Gaijin-Comics mit einem gewissen Mutanten mit einem gewissen unzerstörbaren Adamantium-Skelett und gewissen einziehbaren Krallen bestand...

"Leute, das machen wir, oder? Mann ich kann es kaum erwarten, darüber im Internet mit anderen Spielern zu sprechen!"

"Ich muß euch bitten, Stillschweigen über alles zu bewahren, was ihr erfahrt, bis die Neuerungen offiziell eingeführt werden", bremste Midori Kensukes Freudentaumel.

"Och, schade."

"Vielleicht, aber das sind die Regeln. Ihr müßt euch nicht sofort entscheiden, morgen oder übermorgen genügt auch, wichtig ist nur, daß ihr euch nach Möglichkeit als Team entscheidet, damit wir auch Gruppenmissionen austesten können."

"Ja... also, auf mich können Sie zählen!" schlug sich Kensuke in die Brust. "EVA ist das geilste Spiel überhaupt!"

Midori musterte die anderen, nickte dann.
"Also, gebt mir Bescheid, einfach nach mir fragen, dann holt man mich schon. Alles klar?"

Die sechs nickten.

Die Frau verabschiedete sich und die kleine Gruppe verließ das Center.

"Das ist echt toll", fuhr Kensuke mit seiner Jubelarie fort, "wirklich! Gleich am ersten Tag in die Liga und am zweiten für den Beta-Test angeheuert! Stimmt´s nicht, Touji?"

"Ja, ja", murmelte Touji, dessen Blick mehr auf die Beine der vor ihm gehenden Hikari gerichtet war.

An der nächsten Ecke verabschiedeten sich Shinji und Rei von den anderen. Asuka war inzwischen wieder dabei, finstere Blicke zu verschießen, während Touji eine äußerst unpassende anzügliche Bemerkung machte, welche ihm ein Stirnrunzeln Hikaris einbrachte.

"Ich glaube, er lernt es nie", seufzte Shinji.

"Touji tut nur so", erklärte Rei mit monotoner Stimme.

"Rei, könntest du... könntest du bitte..."

"Was?"

"Könntest du bitte aufhören mit dieser monotonen Stimme zu sprechen? Du machst mir Angst."

Sie sah ihn betroffen an.
"Ich... ich kann es nicht kontrollieren... aber ich werde es versuchen..."

"Danke."

"...für dich..."

"Rei, das..."

Sie lächelte ihn auf ihre ganz besondere Weise an, erzeugte dieselbe Reaktion wie damals auf dem Fugotoyama...

Nein...
Er preßte die Lippen zusammen, kämpfte die Erinnerung nieder, wollte nicht noch einmal erleben, wie sie bereit gewesen war, sich für ihn zu opfern.

"Shinji", hauchte sie seinen Namen, als er stolperte. Besorgt griff sie nach seinem Arm, hielt ihn fest.

"Es ist gut, ich habe es unter Kontrolle."

"Eine Erinnerung?"

"Ja, an dein Lächeln..."

"Oh... Eine angenehme Erinnerung?"

"Ja... und nein... Ich meine, dich lächeln zu sehen, ist... Du hast ein wunderschönes Lächeln... aber da ist auch eine Erinnerung an einen Kampf gegen... Ramiel..."

"Ein Engel..."

"Du hattest gesagt: ´Leb wohl´... ich hatte solche Angst..."

Sie hakte sich bei ihm ein.
"Shinji, wenn du es möchtest, werde ich niemals ´Lebe wohl´ zu dir sagen."

Er schluckte.
"Das wäre... äußerst... uhm... begrüßenswert..."

"Gut. Und jetzt komm, du schuldest mir noch ein Eis wegen heute morgen."