Kapitel 18: Testlauf

* Dieses Kapitel entstand in Zusammenarbeit mit Jan Hanicke *



Die PROMETHEUS lag seit drei Tagen im Hafen von Yokohama vor Anker.

Die Schäden, welche bei Angriff des Gaghiel entstanden waren, waren mittlerweile beseitigt, auch war Frachtmodul-04 inzwischen geborgen und angekoppelt worden, so daß das Schiff langsam Ähnlichkeit mit einer schwimmenden Insel aus Metall bekam.

Im heckwärts gelegenen Konferenzraum war NERV-Kommandant Shigen in ein Gespräch
mit der EVA-Entwicklerin, Doktor Miyuki Takanawa, vertieft, letztere war jedoch nur in Gestalt eines Hologrammes anwesend.

"Können Sie erklären, wie EVA-02 gute zehn Minuten nach Verbrauch der Batterie-Energie noch aktionsfähig war, Doktor?"

"Nach den Aufzeichnugen hat das Serienmodell ausgesprochen gut auf den Anpassungsbefehl reagiert. Die Effektivitätsrate lag bei fast einhundert Prozent."

"Und das heißt?"

"Daß EVA-02 besser imstande ist, sich an eine lebensfeindliche Umgebung anzupassen, als Sie es je waren, Thomas. Offenbar ist es als Nebeneffekt des Klonprozesses gelungen, in den Zellen verborgene Kapazitäten anzusprechen..."

"Schön... Und jetzt bitte so, daß ich es auch verstehe."

"EVA-02 hat Kiemen gebildet und über diese den Piloten mit Sauerstoff versorgt, dadurch wurden die Generatoren nicht benötigt und die Energievorräte für das Überlebenssystem nicht in Anspruch genommen. Ich muß sagen, daß ich selbst beeindruckt bin. Wenn wir diesen Vorgang an Ihnen kopieren könnten, müßte das Ihre Regenerationskräfte stärken und den Zellverfall aufhalten können..."

"Doktor, machen Sie mir keine Hoffnungen... es ist einfach nicht genug Zeit. Analysieren Sie den Gaghiel, der in Bälde mit dem Frachter in Osaka eintreffen wird. Ich bin vor allem an seinem S2-Organ interessiert, versuchen Sie, es in eines der Serienmodelle zu verpflanzen."

"Das ganze? Ich könnte versuchen, es wieder aufzuspalten, wie bei den ersten vier Modellen."

"Keine Aufspaltung, versuchen Sie, einem der EVAs eine unerschöpfliche Energiequelle zu geben."

"Natürlich... wie heißt es doch: Unmögliches sofort, Wunder dauern etwas länger..."


***


Nacht lag über den Wassern, leise plättscherten die Wellen gegen die Außenhaut der PROMETHEUS. Das Hafendock, in dem sie vor Anker lag, war weiträumig abgesperrt.

Thomas stand auf dem Deck der PROMETHEUS, die nach dem Untergang des Schwesterschiffes, der ODYSSEUS, die einzige ihrer Bauklasse war, gegen die Reling gelehnt, den Kopf in den Nacken gelegt, und betrachtete die Sterne.

"Welcher ist es?"

Er sah zur Seite, wo Deiko Tamakura, Kapitän der PROMETHEUS und eine gute Freundin von ihm, aus dem Niedergang aufgetaucht war.
"Keine Ahnung... eigentlich will ich es gar nicht wissen..."

"Ja, ich weiß, deine Visionen..."

"Ich werde nicht unter dem irdischen Himmel sterben, sondern allein und in Dunkelheit..."

"Es ist nur ein Traum, Großer Bruder."

"Vielleicht." Er seufzte. "Ist alles bereit?"

"Deshalb wollte ich dich holen. Die EVAs sind alle mit dem Bordrechner und über die Standleitung mit dem MAGI-System vernetzt, das Manöver kann losgehen."

"Gut. Hol die Kinder aus dem Bett."

"Und du bist ganz sicher? Das Third Children hat extrem verunsichert auf die erste Begegnung mit einem Zeruel reagiert."

"Ich bin mir sicher... Ich will wissen, wie belastbar der Junge ist. Seine Synchronisationsrate ist eine Sache, ebenso daß sie keine größeren Probleme mit dem LCL haben, aber..."

"Du willst wissen, ob er imstande ist, auf... das First Children acht zu geben..."

Er sah sie schweigend an, dankbar, daß sie nicht ausgesprochen hatte, was ihr auf der Zunge lag.


***


Eine Sirene heulte auf.

"Was ist denn nun schon wieder los?", fragte Shinji der gerade bei Rei war, und mit ihr an dem kleinen Tischchen saß, wobei sie von ihrer Mutter mit Argusaugen beobachtet wurden, welche in ihrer Koje saß und vorgab, in einem Buch zu lesen.

"Ich weiß es nicht.", antwortete Rei.

Die Tür zu dem Zimmer, welche die beiden Akagis bewohnten, wurde aufgestoßen und Asuka, gefolgt von Hikari und Touji, kam hereingestürmt.
Shinji war etwas überrascht über den plötzlichen Besuch aber beruhigte sich wieder. Ihm fiel jedoch auf, daß einer fehlte.

"Uhm, he, wo ist Kensuke?", fragte er.

"Der hat sich vorhin an Leutnant Hyuga gehängt, damit er ihm das Waffendeck zeigt." antwortete Touji.

Asuka drehte sich um und sah Touji entgeistert an.
"Was denn, schon wieder? Kann er nie genug bekommen?"

"Laß ihn doch. Es ist nun mal seine Leidenschaft", sagte Shinji fast schon genervt zu Asuka.

"Baka!"
Asuka sah ihn bitterböse an. Shinji wich einen Schritt zurück. Rei bemerkte es und wollte gerade etwas dazu sagen, als sich der kleine Bildschirm neben der Tür von selbst einschaltete. Die Kinder drehten sich um, während Ritsuku sich den Hals verreckte, um an ihren Besuchern vorbeischielen zu können, sahen Deiko Tamakura auf dem Bildschirm.

"Kinder, kommt sofort in den Besprechungsraum. Wir haben ein blaues Muster, ein Angeloi", sagte sie.

"Was, schon wieder ein Eng... ähm ein Angeloi? Das geht ja, uhm, Schlag auf Schlag", sagte
Shinji.

"Meldet euch umgehend im Besprechungsraum für weitere Instruktionen."

"Und was ist mit Kensuke?", fragte Touji

"Er wird gerade informiert. Los jetzt. - Doktor Akagi, Ihre Anwesenheit wird nicht benötigt."

Die Kinder traten auf den Flur hinaus und rannten schnurstracks zum Besprechungsraum.

Ritsuko blieb zurück, legte ganz langsam ihr Buch zur Seite und folgte ihnen dann.
Als ob ich mir Anweisungen geben lasse, wenn es um meine Tochter geht...


***


Im Besprechungsraum angekommen wartete dort auch schon Deiko mit Kensuke auf sie.
Sie sagte nur: "Ein Angeloi bewegt auf dem Landweg auf uns zu. Die ersten vier Children in die EVAs, los. Die anderen beiden müssen hier bleiben."

Kensuke seufzte, aber er sah ein, daß er sich damit abfinden mußte, daß sein EVA noch nicht da war, sie hatten ihn darüber informiert, daß die Einheiten-04 und -05 erst in mehreren Wochen zur Verfügung stehen würden. Er dachte nur:
Wieso können die sich nicht unsere Namen merken?

Asuka, Touji, Shinji und Rei rannten zu den Umkleidekabinen, legten dort die PlugSuits an, liefen dann in entgegengesetzte Richtungen den Querkorridor hinab, um zu den EVAs in den Frachtmodulen zu gelangen. Die Entry-Plugs waren schon halb eingefahren. Sie stiegen ein; noch während die Plugs eingefahren wurden, begann das LCL zu steigen und wurde die Synchronverbindung hergestellt.
Dann wurden die oberen Schleusen der Frachtmodule geöffnet und die EVAs in ihren Halterungen so gedreht, daß sie aus den Modulen klettern konnten.
Direkt neben dem Schiff stand am Dock ein großer LKW, auf dessen Ladefläche mehrere Waffen im EVA-Format lagen.
Asuka bediente sich als erste und nahm sich ein Positronengewehr wie auch Rei, Touji nahm sich einen langen Speer und einen Raketenwerfer. Shinji bewaffnete sich etwas stärker. Er nahm sich neben dem Positronengewehr, einen Raketenwerfer und einem zweiten PROG-Messer noch einen Positronencolt den er in sein Hüftenhalfter, das er sich extra noch anmontiert hatte, steckte. Das zweite PROG-Messer steckte Shinji in das Ersatzhalfter in der anderen Seite der Schulterpanzerung, welches ihm nun zugute kam. Alle nahmen sich Ersatzmunition mit,
außer für den Raketenwerfer.

Touji sah Shinji so schwerbewaffnet und fragte nur:
"Shinji, wieso...?"

Dieser unterbrach ihn und sagte:
"Du wirst schon sehen... ich werde nichts dem Zufall überlassen."

Die vier EVAs setzten sich in Bewegung, fort von den Hafenanlagen und den Lagerhäusern, in jene Richtung, aus der sich das Signal des Angelois näherte.

Energie bezogen sie aus ihren Rückentornistern, laut Mitteilung der taktischen Leitstelle an Bord des Schiffes waren zwei LKWs mit Reserveakkus vom Hauptquartier unterwegs zur vorausberechneteten Stätte der Begegnung.

Dort angekommen sahen sie den Angeloi. Shinji's Augen weiteten sich.
Ich hatte nahezu mit allem gerechnet aber das... Erst in der Vergangenheit, dann in der Simulation und nun wieder. Ich hab's jetzt endgültig satt.
Es war ein Zeruel...

Shinji wollte gerade etwas sagen als der Angeloi sie bemerkte. Er drehte sich zu ihnen um.

Rei bemerkte das er etwas anders war als der Vorgänger. Er hatte neben seinen normalen Waffen, die sie in der Vergangenheit hatte spüren müssen, noch einige laserartige Kanonen an Brust-, und Schulterbereich.
Und er schoß.

EVA-01 und EVA-00 duckten sich und rollten sich zur Seite weg, Asuka konnte den Lasergeschossen mit Mühe ausweichen, nur Touji in EVA-03 reagierte zu spät und sein rechtes Bein wurde durch die Lasergeschosse abgefetzt.
Ein stechender Schmerz durchfuhr seinen Körper. Er schrie auf und sein EVA kippte zur Seite.
Alle hörten es durch das Interkom. Asuka lief zu ihm hin und konnte ihn auffangen.
Rei erhob das Positronengewehr und feuerte das ganze Magazin leer, lud nach und verfeuerte das zweite Magazin. Nicht geschah, die Positronenladungen verpufften wirkungslos im AT-Feld des Giganten.

Shinji sah zu EVA-03 hinüber und in seinem Geist entstanden wieder jene Bilder, in denen Touji, sein bester Freund, leidete, in denen sein EVA-01 per Dummy-Plug-System EVA-03 zermetzelte und er nur hatte zusehen können...

Das reichte schon um bei ihm etwas ausklinken zu lassen. Er drehte sich zu Zeruel um und flüsterte leise:
"Ich mach´ dich kalt!"

Die Kom-Verbindung sorgte dafür, daß alle anderen ihn gut verstanden.
"Was!?", kam es fast gleichzeitig aus drei Mündern. Sie drehten sich um und sahen EVA-01 auf den Zeruel zusprinten.

"Tu's nicht, bitte!", schrie Rei, "das ist keine Simulation. Bitte bleib stehen!!!"
Sie rannte ihm nach.

"Baka-Shinji, bleib stehen. Was soll das?", schrie Asuka.

Im Kontrollcenter an Bord der PROMETHEUS hatte man bis jetzt nur zugesehen aber nun schrie Gendo Ikari, nachdem Deiko ihn angestoßen hatte:
"Nein Shinji, hör auf deine Freunde und laß diesen Unfug. Du wirst sterben!"
´Du wirst sterben', hörte Shinji seinen Vater sagen...

Er schüttelte den Kopf und sagte:
"Nein, das werde ich nicht. Ich darf nicht weglaufen. Ich darf nicht weglaufen. Ich darf nicht weglaufen... Ich werde nicht weglaufen!"
Den letzten Satz schrie er, ignorierte die Warnung einfach und feuerte noch im Laufen das Magazin des Positronengewehrs leer und dann den Raketenwerfer ab, warf danach beide zur Seite, um beweglicher zu sein. Er zog beide PROG-Messer und sprang über den Zeruel hinweg, landete hinter ihm und bremste seinen Schwung ab. EVA-01 ließ sich nach hinten fallen und prallte mit beiden PROG-Klingen auf das AT-Feld von Zeruel.
"Ich gebe dir Feuerdeckung - beeile dich", kam es aus dem Interkom.

Rei bemerkte das sie ihn nicht umstimmen könnten, sodaß sie ihm Feuerunterstützung gab. Sie kniete sich hin und schoß, was das Positronengewehr hergab.

Asuka setzte EVA-03 auf den Boden und ließ sich von ihm den Speer geben. Sie gab ebenfalls mit dem Positronengewehr Feuerunterstützung.

EVA-01 durchbrach das AT-Feld von Zeruel mit den PROG-Messern, stieß eines fest in den Körper des Gegners, zog dann den Positronencolt und feuerte zwei Schuss ab. Dann aber passierte es:
Zeruel holte mit seinen Peitschenarmen zum Schlag aus. Er durchbohrte den Körper von EVA-01 und schlitzte ihn bis zu den Schultern auf...


***


"Synchronisationsrate lag gerade noch bei über 150%!" schrie Makoto Hyuga.

"EVA-01 rührt sich nicht mehr - Pilot bewußtlos!", kam es von einem der Operatoren. "Wir haben keine Kom-Verbindung mehr mit den EVAs!"

"Beenden Sie den Test!" schrie Gendo in Richtung des NERV-Kommandanten.

Thomas stand nur da und blickte mit reglosem Gesicht auf die Anzeigen.

Gendo versuchte, den Operator zur Seite zu drängen.
"Er könnte verletzt werden!"

"EVA-01 verweigert das Signal", flüsterte Thomas. "Und solange eine Einheit nicht aus dem Verbund ausschaltet, sprechen auch die anderen nicht an."

Gendo sah ihn entsetzt an, bemerkte erst jetzt, daß die Hand des Kommandanten auf der Notabschaltung des Simulators lag.


***


Rei und Asuka feuerten weiter, was das Zeug hielt, doch die Positronenladungen waren immer noch aus irgendeinem Grund zu schwach für das AT-Feld. Auf einmal hörten sie einen Schrei, ein jämmerliches Heulen. Sie hörten auf zu feuern.
"Shinji-chan? Shinji-chan, was ist los?" fragte Rei erschrocken, doch es gab keine Antwort.
Alles war auf einmal still - Totenstill...

Keiner hatte bemerkt, daß die taktischen Bildschirme und die Verbindung zum Kontrollcenter erloschen waren.

EVA-01 hockte auf den Knien vor Zeruel. Shinji war bewusstlos geworden.

Zeruel holte zum entscheidenden Schlag aus. Auf einmal zuckte er zusammen.

Rei konnte es nicht fassen: Shinji hatte so markerschütternd geschrien.
In Rei kam Wut auf, Wut auf Zeruel das er Shinji wehgetan hatte, Wut die sich nicht mehr unterdrücken ließ. Sie riß EVA-02 den Speer aus der Hand, nahm dann ihr PROG-Messer aus der Scheide und warf es nach dem Angeloi. Es durchdrang das geschwächte AT-Feld und bohrte sich in seinen Rücken. Der Zeruel zuckte zusammen und schrie auf.
Es war ein schriller Schrei, der im weiten Umkreis Glasscheiben zum Zerbrechen brachte.
Im nächsten Moment warf er sich herum, doch da stand Rei mit EVA-00 schon vor ihm.


***


"Synchronrate bei EVA-00 bei 87%!" rief Makoto. "Abschaltbefehl wird immer noch verweigert. Diane lädt sich aus dem Hauptsystem in die Schiffssysteme, um uns zu unterstützen..."

"Manuellen Abschaltvorgang einleiten." befahl Thomas, traf dann Ikari Blick. "Wir holen Ihren Sohn da unbeschadet ´raus."


***


Rei holte mit dem Speer aus und stieß ihn durch den Angeloi hindurch, sodaß die Spitze auf der anderen Seite wieder herausguckte. Zeruel drehte sich noch einmal um seine eigene Achse und klappte dann wie ein Taschenmesser zusammen.
Sie sah nun was mit EVA-01 passiert ist. Ihr erster und einziger Gedanke war es, Shinji so schnell wie möglich zu befreien.
EVA-00 lief zu EVA-01 und riss das Verdeck zum Entry-Plug aus dem Rücken. Dieser lag nun frei.

Plötzlich hörte Rei Asuka 'Achtung Rei, hinter dir' schreien. Sie drehte den Kopf herum und sah wie Zeruel wieder aufsprang. Er hatte immer noch den Speer in seiner Brust stecken. Die Pilotin von EVA-00 war vollkommen überrascht, konnte aber dem ersten Schlag von Zeruels Armen ausweichen.


***


Asuka sah wie sich auf einmal Zeruel wieder bewegte.
"Achtung Rei, hinter dir", schrie sie durch das Interkom. Sie sah, wie EVA-00 sich herumwarf
und dem ersten Schlag von Zeruel geradeso nach links ausweichen konnte.
Das ist meine Chance, dachte sich Asuka, hob den Raketenwerfer und drückte ab.

Rei sah, daß Asuka eine Rakete auf Zeruel abgefeuert hatte - und warf sich schützend vor EVA-01, was auch besser gewesen war, denn im nächsten Moment explodierte der Zeruel.

Asuka jubelte, als sie sah, daß sie den Zeruel zerstört hatte.
"Rei, lebst du noch?", fragte Asuka dann doch etwas unsicher.

Ein leichtes Stöhnen und ein "Ja, ich lebe noch... und EVA-01 ist auch noch da. Wie geht es dir und EVA-03?", kam es vom anderen Ende des Interkoms.

Asuka erschrak
"Ach herje, ich hatten EVA-03 ganz vergessen."

"Das solltest du aber nicht" kam es auf einmal vom EVA-03.

"Touji!...Baka, warum hast du dich nicht schon früher gemeldet? Warte ich helfe dir..."


***


"Shinji-chan, kannst du mich hören?" fragte Rei unsicher.

Ein schweres Stöhnen kam durch das Interkom. Und Rei wußte das Shinji noch lebte. Sie holte
behutsam den Entry-Plug aus EVA-01 heraus...

Und dann wurde plötzlich dunkel in den EntryPlugs.

"Was ist denn jetzt los?" drang Asukas Stimme aus dem interkon.

"Hey, Leute, mein Bein schmerzt nicht mehr." erklärte Touji überrascht.

"Shinji?" fragte Rei leise.

"Ja..."

Sie atmete auf.
"Ich hatte solche Angst um dich..."

In diesem Moment wurde die Einstiegsluke des EntryPlugs aufgerissen, hinter Shigeru Aoba stand Ritsuko mit vor Wut rotem Gesicht.

"Mama?"
Rei registrierte, daß EVA-00 sich immer noch in den Halterungen des Frachtmodules befand, war verwirrt.
"Wieso...?"
Sie kletterte aus dem Pilotensitz und stieg aus der Kapsel. Wie es schien, hatte Einheit-00 sich überhaupt nicht bewegt.

"Diese Mistkerle haben eine Simulation laufengelassen, ohne euch darüber zu informieren - angeblich, damit ihr die Lage ernstnehmt."

Rei blinzelte.
"Ich muß nach Shinji sehen..."
Damit zwängte sie sich auf dem Steg an ihrer Mutter vorbei und rannte zur Verbindungsschleuse.


***


"Die verdammte Luke klemmt!"

Colonel Gendo Ikari warf dem Techniker neben ihm einen zornigen Blick zu.
"Lassen Sie mich!"

"Aber das Metall ist heiß... ein Schaltkreis muß durchgebrannt..."

"Das ist mir egal!"
Er streckte die Hände nach dem Handrad aus.

"Nicht."
Thomas tauchte unvermittelt neben ihm auf, drückte seine Arme nach unten, legte selbst Hand am Rad an. Es zischte, als seine Haut mit dem heißen Metall in Kontakt kam.
Er keuchte leise.

Gendo fluchte, mittlerweile hatte er seine Uniformjacke ausgezogen und um seine Hände gewickelt, griff nun selbst nach dem Handrad.

Zusammen öffneten sie die Luke.

Ein Schwall der sauerstoffangereicherten LCL-Flüssigkeit kam ihnen entgegen.

"Shinji!"
Gendo kletterte in das Innere der Kapsel, zog seinen Sohn heraus.

"Kommandant?" fragte der Techniker und blickte auf der brandblasenwerfenden Hände des anderen.

"Das heilt..." Thomas trat Gendo entgegen. "Ist der Junge..."

"Er heißt Shinji. Mein Sohn heißt Shinji, Shinji Ikari", antwortete der Colonel wütend.

"Ich bin in Ordnung", erklärte Shinji mit leiser Stimme. Auf seiner Oberlippe befand sich bereits verkrustendes Blut, das aus seiner Nase gelaufen war. "Es war nur ein Test, nicht wahr?!"

"Ja... Es war nicht geplant, daß einer von euch verletzt wird."

"Das ist es nie..."

Rei kam in das Frachtmodul von Einheit-01 gestürmt und rannte auf Shinji zu, stieß den Kommandanten dabei um ein Haar vom Steg. Sie fiel dem jungen Ikari um den Hals.
"Ich hatte solche Angst um dich", wiederholte sie.

"Ich hab's heil überstanden", murmelte er mit einem verschmitzten Lächeln.
Er blutete noch etwas aus der Nase, aber das störte ihn nicht. Hauptsache war für ihn, daß er noch am Leben war, auch wenn er Wut und Enttäuschung verspürte.
"NERV ist doch nicht so menschenfreundlich, wie wir gedacht haben..."

Thomas stieß die Luft aus, ballte die Fäuste. Der Schmerz war für ihn wie eine Bestrafung.


***


Am nächsten Morgen, nachdem die Kinder gute sechs Stunden Schlaf gehabt hatten, war eine weitere Besprechung angesetzt.

Shinji erschien in Begleitung seines Vaters, der die Nacht in seiner Kabine verbracht und über seinen Sohn gewacht hatte. Dem Gesicht des Jungen war nicht zu entnehmen, was er dachte, seinem Vater war allerdings anzusehen, daß er eigentlich kochte.

Ähnlich sah es bei Rei und ihrer Mutter aus.

Thomas Shigen gab sich unbeeindruckt. Seine Hände wiesen keine Verletzungen mehr auf, doch dies bemerkte keiner der Anwesenden. Er räusperte sich.
"Uns liegen die Auswertungen des gestrigen Tests vor... Die Synchronraten waren zufriedenstellend, allerdings muß die Teamarbeit weiter geübt werden, dies betrifft in erster Linie die Unaufmerksamkeit von Pilot Suzuhara, welche zur Beschädigung von Einheit-03 geführt hat, sowie der Alleingang von Pilot Ikari..."

"Warum haben Sie uns nicht vorher gesagt, daß es nur ein Test ist?" unterbrach ihn Asuka.

"Weil wir eure Reaktionen unter Bedingungen sehen wollten, von denen ihr annehmt, daß sie eben keine Simulation sind. Dies berücksichtigt, war das Unternehmen ein voller Erfolg."

Ritsuko sog die Luft ein.

Thomas hob die Hand.
"Shinji, es tut mir leid, daß du etwas abbekommen hast."

"Es ist gut."

Shigen nahm Shinjis Worte mit einem Nicken zur Kenntnis.
Wieder räusperte er sich.
"Gegen Mittag treffen die letzten Schiffe unserer Begleitflotte ein. Wir brechen heute noch nach Süden auf, bis dahin habt ihr noch einmal Gelegenheit, mit euren Eltern zu sprechen, ehe wir Funkstille über die Flotte verhängen."