***6. Kapitel, Das Duell***
„Mich würde wirklich interessieren, welches Buch Draco aus der Verbotenen Abteilung haben wollte", sagte Valerié zu Neville, die mit ihm im Gemeinschaftsraum der Gryffindors auf Harry, Ron und Hermione wartete.
„Es kann alles mögliche sein, oder", entgegnete Neville. „Wer weiß, welchen gemeinen Zauberspruch er wieder ausprobieren will."
„Du glaubst nur wegen irgendwelchen verbotenen Zaubersprüchen?", fragte Valerié verwundert.
„Weiß nicht, ich rate nur. Oder wegen einem fiesen Zaubertrank", antwortete Neville.
„Schau, da kommen sie", fügte er hinzu, auf das Portraitloch deutend.
„Hallo, und, was Neues erfahren?", fragte Valerié Harry, Ron und Hermione, als sie zu ihnen gelaufen kamen.
Die drei setzten sich und erzählten, was Sirius gesagt hatte.
„Gut. Dann gehen wir morgen zu Dumbledore", sagte Neville erleichtert.
Harry nickte. „Wer kommt jetzt eigentlich mit zum Duell?"
Außer Neville wollten alle mit.
„Okay, Neville, du kannst ja aufbleiben", schlug Harry vor. „Falls McGonagall unser Fehlen bemerken sollte, kannst du uns ja Zeichen geben."
„Wie denn?", fragte Neville mit großen Augen.
„Stell dich einfach ans Fenster zum Verbotenen Wald hin und gib mit deinem Zauberstab Licht. Dann wissen wir, dass es Probleme geben könnte", sagte Harry.
Neville nickte. „Gut, das mache ich. Schlafen könnte ich sowieso nicht. Mir gefällt aber immer noch nicht, dass ihr dorthin geht!"
„Neville, Harry muss da hin und wir können ihn schlecht alleine gehen lassen", meinte Ron energisch. „Harry würde zum Gespött der Schule werden, wenn er da nicht hingeht."
Neville gab nach, war aber immer noch etwas unzufrieden.
Langsam war es soweit.
„Okay, wir gehen dann los", sagte Harry.
„Du und Ron geht mit deinem Tarnumhang", schlug Hermione vor. „Val und ich schleichen hinterher. Falls wir erwischt werden, könnt ihr wenigstens noch dorthin gehen."
„Jo, einverstanden", stimmte Harry zu.
„Viel Glück!", flüsterte Neville und machte ein ängstliches Gesicht.
„Danke, Neville" und Harry und Ron gingen schon mal hinaus.
Hermione und Valerié folgten ihnen.
Draußen angekommen kamen Harry und Ron unter dem Tarnumhang hervor und zusammen mit den Mädchen gingen sie zum Verbotenen Wald.
Harry war nervös. Bisher hatte er immer unschöne Dinge im Wald erlebt. Und irgendetwas musste er sicherlich noch bergen – außer menschenfressende Riesenspinnen und andere Monster – dass es ihnen strikt verboten war, den Wald zu betreten.
Am Rande des Waldes blieben sie stehen.
„Ich habe jetzt schon Angst", hauchte Hermione.
„Das wird schon", flüsterte Ron zurück.
„Und jetzt?", fragte Valerié. „Wo ist Draco?"
„Keine Ahnung", antwortete Harry. „Lasst uns hier warten."
„Vielleicht hat er Snape einen Tipp gegeben", meinte Ron. „Bestimmt werden wir hier gleich erwischt."
„Das wäre lächerlich", sagte Hermione. „Aus dem Alter ist Malfoy doch raus."
„Dem ist jedes Mittel recht, um uns, besonders Harry, von der Schule zu kriegen", konterte Ron.
Harry verdrehte die Augen. „Hört auf zu streiten", seufzte er.
„Zuviel Schiss gehabt, alleine zu kommen, Potter?", hörte er jemanden in einem schnarrenden, trägen Tonfall sagen.
Harry und die anderen wirbelten herum.
Draco war gekommen – alleine! Sein silberblondes Harr schimmerte hell im Mondlicht.
Harry sah sich sofort misstrauisch um. „Wo sind deine Aufpasser?"
Draco trat auf ihn zu. „Ich brauche keine Aufpasser", sagte er.
Ron lachte gehässig. „Das glaubst du jetzt. Gleich wirst du dir aber dringend deine Aufpasser hierher wünschen!"
Draco hob eine Augenbraue und musterte Ron spöttisch. „Wir werden sehen, wer gewinnt", meinte er selbstsicher. Dann wandte er sich wieder zu Harry. „Wollen sich deine Freunde auch mit mir duellieren, oder sind sie nur hier, damit dem armen, kleinen Potter kein Leid zugefügt wird?", höhnte er.
„Ich traue dir nicht, Malfoy", sagte Harry kurzangebunden.
Draco grinste zufrieden, sehr zum Irritieren Harrys.
„Also, lasst uns duellieren", fuhr Harry fort. Dracos Selbstsicherheit regte ihn langsam, aber sicher auf.
„Na dann, folg´ mir, Potter", grinste Draco und er ging an Harry und den anderen vorbei in den Wald.
Sie folgten ihm.
Harry lief dicht hinter Draco her. Sein Misstrauen wuchs. Wieso wollte Draco das Duell unbedingt im Verbotenen Wald? Als sie damals im ersten Jahr hier waren, hatte Draco noch richtig Angst gehabt.
„Was bezweckst du eigentlich damit?", fragte er ihn schließlich.
„Womit?", fragte Draco, ohne stehen zu bleiben oder Harry anzusehen.
„Damit, dass wir uns unbedingt hier duellieren sollen", antwortete Harry.
„Weil sie uns hier nicht erwischen", erklärte Draco.
„Nur deswegen?" Harry war erstaunt. Daran hatte er gar nicht gedacht.
„Und weil es aufregender ist", fuhr Draco fort.
„Hm", machte Harry.
Valerié, Ron und Hermione waren hinter ihm und flüsterten leise miteinander.
Harry war die ganze Zeit angespannt und schaute sich um. Aber nichts regte sich. Alles war dunkel. Der silberne Mondschein tauchte den Wald hier und da in ein geheimnisvolles Licht.
Draco führte sie scheinbar ziellos umher. Sie kamen schließlich an eine Lichtung. Draco blieb stehen und drehte sich zu Harry um.
„Wie wäre es mit diesem Ort?", fragte er Harry.
Harry sah sich um. Die Lichtung war nicht groß, aber für ein Duell war es okay. Der Mondschein drang hier gut hindurch, so dass man alles erkennen konnte.
„Okay", sagte Harry.
„Viel Glück", wünschten ihm die anderen.
„Und, Malfoy, ein fieser Trick und ich schlag´ dich zusammen", warnte ihn Ron.
Draco grinste nur. „Das würdest du gar nicht schaffen, Weasley", spottete er.
Er und Harry stellten sich gegenüber.
Dracos Gesicht zeigte keinerlei Gefühlsregung und Harry wappnete sich. Nervös fuhr er sich über die Lippen.
„Furnunculus, schrie er dann.
"Impedimenta", rief Draco gleichzeitig.
Harry wich dem Zauber aus, Draco ebenfalls.
„Relashio", kam es von Draco und heiße Funken flogen Harry ins Gesicht.
Harry schrie auf. „Tarantallegra", keuchte er, aber Draco schien wieder ausgewichen zu sein, denn er tanzte nicht.
Draco lachte nicht, er grinste nicht – er sah Harry einfach nur an.
„Relashio", rief Harry so plötzlich und sekundenspäter schrie auch Draco auf.
„Petrificus Totalus", schrie Harry, doch Draco rief gleichzeitig „Locomotor Mortis" und die zwei Zauber trafen zusammen. Weder Harrys Beine noch Dracos Körper wurden gelähmt, stattdessen traf der Zauber nur einen Baum. Man hörte ein Zischen wie bei Silvesterraketen, als die Zauber den Baum trafen.
Draco war nicht schlecht, dachte Harry. Er spürte plötzlich, wie seine Narbe schmerzte.
„Gib´s ihm", wurde er von Ron angefeuert.
„Crucio", rief Draco.
Höllischer Schmerz traf Harry. Keuchend fiel er auf die Knie. Er schloss die Augen. So viel Schmerz ...
Jemand schrie auf, er wusste nicht, ob es Hermione war. Er konnte kaum Atmen, so viel Schmerz spürte er.
„Harry!", brüllte Jemand. „Malfoy, du Arsch!" – es musste Ron sein.
„Expelliarmus", hörte er. Er wusste aber nicht, wer es gerufen hatte. Er fühlte nur noch den höllischen Schmerz. Nimm dich zusammen, dachte er.
„Harry!", rief ihn jemand ins Ohr und er wurde geschüttelt. Er öffnete wieder die Augen. Er sah alles nur verschwommen. Es musste Hermione sein. „Finite Incantatem", rief sie, aber nichts geschah. „Es passiert nichts!", rief sie panisch.
„Expelliarmus", hörte er wieder. „Petrificus Totalus" und wieder „Expelliarmus". Hermione schrie auf.
Harry sah auf. Draco stand da, drei Zauberstäbe lagen vor ihm auf dem Boden. „Findet ihr es etwa witzig, euch in unser Duell einzumischen?", drang Dracos kalte Stimme zu ihm herüber.
„Du hast einen Unverzeihlichen Fluch angewendet!", brüllte Ron wütend.
„Crucio", sagte Draco finster und Harry sah, wie Ron keuchend zu Boden fiel. Wie konnte Draco nur so etwas tun! Er versuchte sich zu konzentrieren, aber der Schmerz war zu groß.
Hermione schrie und Harry sah, wie sie sich auf Draco stürzen wollte, aber von Valerié festgehalten wurde.
„Finite Incantatem", hörte er Draco sagen und der Schmerz verschwand. Harry stützte sich mit den Händen auf dem Boden, so geschwächt war er.
„Finite Incatatem", sagte Draco ein Zweites Mal und erlöste Ron von den Schmerzen.
„Malfoy, wie konntest du nur!", kreischte Hermione. „Val, lass mich endlich los!"
„Halte dich aus dem Duell raus, Granger!", schnarrte Draco, „und deinem Freund passiert nichts."
Harry stand langsam auf. Aus den Augenwinkeln sah er, wie Hermione Ron aufhalf. Dieser verdammte Malfoy! Er hasste ihn! „Crucio", rief Harry, aber nichts passierte. Harry fluchte. Für dunkle Zauber brauchte man sehr viel Übung und man musste selber etwas finster sein – und das war er nicht.
Draco lachte höhnisch. „Potter, du bist kein schwarzer Magier, ich bin dir überlegen. Gibst du auf?"
Wütend sah Harry ihn an.
„Expelliarmus", schrie er und Dracos Zauberstab flog aus dessen Hand. Geschickt fing Harry Dracos Zauberstab auf.
„Na endlich!", stieß Ron wütend hervor.
Draco sah Harry ausdruckslos an. Schnell bückte er sich und hob die anderen drei Zauberstäbe auf.
Auf einmal kreischte Valerié auf. Harry fuhr erschrocken zusammen.
„Aaaaaaah! Da, seht!!!", schrie Valerié.
Harry und die anderen schauten in die Richtung, in die Valerié zeigte.
Wieder spürte Harry seine Narbe schmerzen. Und er erstarrte.
Um die Lichtung herum standen Wölfe ... nein, keine Wölfe ... sie sahen so aus, wie Wölfe, waren allerdings pechschwarz und hatten rotglühende Augen. Sie waren auch um einiges größer als Wölfe. Sie knurrten und fletschten die Zähne. Und sie hatten sie umzingelt.
Hermione, Ron und Valerié liefen panisch zu Harry in die Mitte. „Was sind das für Wesen?", fragte Valerié entsetzt. Ron fluchte. „Malfoy, gib uns die Zauberstäbe zurück, verdammt!"; herrschte Hermione ihn an. Ihre Stimme war aber angsterfüllt.
Harry sah sich gehetzt um. Überall sah er diese rotglühenden Augen. Eine Fluchtmöglichkeit gab es nicht. Sie waren zu dicht umzingelt. Aber die Tiere kamen nicht näher. Sie standen einfach nur um die Lichtung herum und begnügten sich damit, sie anzuknurren.
Draco kam nun zu ihnen und gab ihnen die Zauberstäbe zurück. Seinen Zauberstab riss er Harry aus der Hand. „Ich glaube, wir haben ein Problem", sagte er lässig.
Harry starrte ihn an. Wie konnte er so ruhig sein?
„Das hast du so geplant gehabt, du Arsch", stieß Ron hasserfüllt hervor.
„Sicher, Weasley und mich werden sie auch nicht fressen. Ich habe sie vorher gezähmt", spottete Draco.
„Hört damit auf!", herrschte Hermione sie an. „Wir müssen zusammenhalten!"
„Mit einem Schlammblut wie dich, Granger?", höhnte Draco.
„Malfoy!!!", zischte Harry. „Verdammt, hör´ damit auf und streng dein Hirn an! Wir müssen hier weg, ehe die uns zerfleischen!!!"
„Was sollen wir tun?", flüsterte Valerié panisch.
„Wir wenden auf jeden Fall die Ganzkörperstarrezauber an und den Zauber, wo sie schwerfälliger werden", sagte Harry.
„Und den Beinklammerfluch", fügte Hermione schnell hinzu.
„Und den Feuerfunkenzauber", sagte Ron. „Und überhaupt alles, was uns einfällt. Verdammte Scheiße, bin ich froh, wenn wir hier heile raus kommen."
Wenn wir hier überhaupt raus kommen, dachte Harry.
„Wieso greifen sie nicht an?", fragte Valerié nervös.
Harry bemerkte, wie sie vor Angst Dracos Hand ergriffen hatte.
„Sie warten", sagte Draco leise.
„Warten? Worauf?", flüsterte Hermione.
„Auf den Anführer des Rudels. Wenn er das Zeichen gibt, greifen sie an", erklärte Draco.
„Woher weißt du so genau Bescheid?", wollte Ron wissen. Er war sofort misstrauisch.
„Das können wir auch nachher klären!", zischte Hermione.
„War ja klar, dass du diese Wesen nicht kennst, Weasley", höhnte Draco. „So ungebildet, wie du bist."
„MALFOY!", zischten Hermione und Harry gleichzeitig erbost, während Ron eine ganze Reihe phantasievolle Schimpfwörter über Draco ergehen ließ.
„Verdammt, wir sind hier umzingelt von Monstern, die uns fressen wollen und ihr streitet euch", rief Valerié ärgerlich und panisch zugleich. „Sie werden es leichter haben, wenn wir uneins sind!"
Sofort hörte Ron auf, Draco zu beschimpfen. „Was sollen wir denn tun?", fragte er nun.
„Angreifen", schlug Draco vor.
„Angreifen?", wiederholte Hermione entsetzt.
„Ja, oder sollen wir warten, bis sie es tun", entgegnete Draco spöttisch.
„Vielleicht greifen sie uns ja nicht an", wandte Harry ein.
Draco lachte leise, was Harry für verärgerte. Wie konnte er jetzt lachen!
„Klar, sie haben uns nur aus Langeweile umzingelt", sagte Draco sarkastisch.
„Okay, lasst sie uns angreifen. Besser als hier dumm rumzustehen", meinte Ron nervös.
„Endlich lernst du auch mal dazu, Weasley", grinste Draco.
Harry starrte ihn an. Und wie konnte er jetzt grinsen! Dann konzentrierte er sich aber wieder auf die Wesen. „Seid ihr bereit?", fragte er.
„Ja", sagten Valerié und Ron.
„Lasst uns warten, bis sie uns angreifen", meinte Hermione. „Ich verstehe nicht, wieso sie uns noch nicht angegriffen haben!"
Harry überlegte rasch. Auf der einen Seite hatten Draco und Ron Recht. Aber auf der anderen Seite kam es ihm ebenfalls merkwürdig vor, dass sie noch nicht angegriffen haben.
„Hey, hört ihr das?", fragte Ron plötzlich panisch.
Harry lauschte. Er hörte nichts. „Nee, was denn?"
„Na, gerade das meine ich ja! Sie haben aufgehört zu knurren!"
Harry sah sich wieder gehetzt um. Es stimmte. Es war jetzt ganz still. Man hörte nichts. Man sah nur die gefährlichen, rotglühenden Augen.
„Die Wolfshunde greifen gleich an", flüsterte Draco. „Sobald der erste Angriff erfolgt, bildet einen Kreis, stellt euch Rücken an Rücken. Bewegt euch jetzt nicht. Erst, wenn ich es sage."
Harry blieb keine Zeit, sich über Dracos Sicherheit zu wundern. Er und auch die anderen taten, was Draco sagte. Niemand bewegte sich.
Und auf einmal stürzte einer der Wolfshunde auf ihnen.
„Jetzt", rief Draco.
„Petrificus Totalus", schrie Harry und der Wolfshund erstarrte und fiel zu Boden.
„Schnell, Rücken an Rücken", befahl Draco energisch.
Sie bildeten hastig einen Kreis, stellten sich Rücken an Rücken, während sich gleichzeitig die anderen Wolfshunde mit unheimlichen Geheule und gefährlichem Knurren von allen Seiten auf sie stürzten.
Sie riefen alle möglichen Zauber aus. Funken erhellten die Lichtung zusätzlich. Harry war klar, dass Dracos Taktik, einen Kreis zu bilden und sich Rücken an Rücken zu stellen, ihnen zunächst das Leben rettete. Die Wolfshunde hatten es so schwerer, an ihnen ranzukommen. Ihre Zauber hielten sie davon ab, zerfleischt zu werden. Aber allmählich die Wolfshunde waren stärker.
„Wir müssen uns den Rückweg freikämpfen", rief Draco.
Das sagte er so leicht, dachte Harry. Panisch sah er sich um. Es waren einfach zu viele. Und, irgendetwas war merkwürdig, dachte Harry. Die Wolfshunde waren nicht nur in der Überzahl, sie waren auch stärker – wieso war es so leicht, sie abzuwehren?
Plötzlich hörte er Hermione schreien. Er wirbelte herum. Sie hatte sich etwas aus dem Kreis gelöst gehabt und einer der Wolfshunde hatte sich auf sie gestürzt. Sie lag auf dem Rücken, der Wolfshund über ihr. Harry sah entsetzt, wie der Wolfshund die Zähne Zähne fletschte und sie zerfleischen wollte. Harry wollte gerade einen Zauber anwenden, um ihr zu helfen, als ein anderer Wolfshund sich auf ihn stürzte. Er wich zurück und rief panisch einen Zauberspruch.
„Locomotor Mortis!", brüllte Ron und eilte zu Hermione. Er stieß den Wolfshund von ihr runter. „Relashio", rief er noch und der Wolfshund heulte qualvoll auf.
Schnell half Ron Hermione hoch.
"Zurück in den Kreis!", schrie Draco Ron und Hermione herüber. Sie gehorchten.
„Es sind zu viele!", brüllte Harry. „Wir schaffen es nicht, es kommen immer mehr!"
„Versucht, verdammt noch mal, den Anführer auszuschalten!", brüllte Draco zurück.
„Was, wer soll das sein?", fragte Ron verwirrt.
„Pass´ auf, Val!", schrie Hermione. Valerié hatte sich etwas vom Kreis gelöst und wandte sich Hermione zu.
Harry sah einen Wolfshund Valerié angreifen.
„Petrificus Totalus!", schrie Hermione, aber verfehlte.
Valerié schrie vor Schmerz auf, als er seine Pranke über ihren Rücken riss.
„Avada Kedavra", hörte er plötzlich und grünes Licht erstrahl. Der Wolfshund, der Valerié angegriffen hatte, fiel tödlich zu Boden. Harry erstarrte.
„Avada Kedavra", hörte er erneut. Wieder grünes Licht, wieder fiel ein Wolfshund tödlich zu Boden. Wieder und wieder. Schließlich zogen sich die Wolfshunde zurück.
Harry war ganz bleich. „Los, kommt, bevor sie wiederkommen", rief Draco.
„Du ... du hast - ", stotterte Harry, aber er wurde schon von Hermione und Ron mitgezogen.
Sie rannten durch das Gestrüpp wieder zurück. Sie rannten und rannten, Harry ist auf dem Hinweg gar nicht aufgefallen, wie tief sie in den Wald gelaufen waren. Zweige peitschten ihnen in die Gesichter, aber das merkten sie nicht.
Harry konnte noch immer kaum glauben, was er gerade erlebt hatte. Er beherrscht die Unverzeihlichen Flüche, dachte er immer wieder.
Harry spürte auf einmal wieder seine Narbe. „Sie verfolgen uns!", stieß er keuchend hervor.
„Dort ist der Waldrand!", brüllte Ron. „Schneller!" und sie rannten daraufhin zu.
Doch plötzlich wurden sie von den Wolfshunden eingeholt.
„Nein!", schrie Harry verzweifelt, als ihnen der Weg versperrt wurde. Sie stoppten und starrten die Wolfshunde an.
Ein besonders großer Wolfshund mit besonders rotglühenden Augen trat auf sie zu und knurrte gefährlich.
Harry starrte ihn an.
„Rakkhar!", rief plötzlich Jemand.
Harry sah sich gehetzt um. Da stand ein Zentaure.
„Firenze", stieß Harry erstaunt hervor. Er kannte Firenze schon aus seinem ersten Besuch im Verbotenen Wald, im ersten Jahr. Firenze hatte ihn damals vor Voldemort gerettet gehabt.
„Hallo Harry, es freut mich, dich wiederzusehen", sagte Firenze freundlich.
„Was willst du", knurrte der große Wolfshund den Zentauren an.
Harry war verdattert. „Es spricht ja!", rief er perplex aus.
Rotglühende Augen sahen ihn zornig an. „Natürlich spreche ich, Menschenkind", grollte der Wolfshund.
„Rakkhar, lass sie gehen", sagte Firenze zu dem Wolfshund.
„Sie haben unser Territorium betreten", knurrte Rakkhar und seine rotglühenden Augen blitzten. „Niemand tut es ungestraft!"
„Ich kann dich auch gerne erledigen", höhnte Draco.
Harry stieß ihn von der Seite an.
Rakkhar fletschte die Zähne. „Duuuu", grollte er böse. „Du hast viele von meinem Rudel getötet!"
„Er hat sich gewehrt, Rakkhar, und das weißt du", wandte Firenze ein. „Lass sie gehen, es sind doch noch Kinder!"
„Kinder sagst du?", wiederholte Rakkhar. „Setze niemals Kinder mit Unschuld gleich, Firenze."
Auf einmal klang er gar nicht mehr grollend und böse, fand Harry. Sondern ... traurig. Traurig??!??
„Ahnst du nicht, wer hier vor dir steht?", fuhr Rakkhar fort.
Firenze nickte. „Doch", sagte er und er klang ebenso traurig. Dann schaute er nach oben, gen Himmel. „Der Mars ist hell heute nacht", sagte er noch.
Rakkhar näherte sich Harry und den anderen.
Draco hob den Zauberstab und Rakkhar blieb stehen.
„Ich werde irgendwann noch mal den Tag verfluchen, dich heute nicht getötet zu haben", grollte Rakkhar Draco an. Dann sprang er hoch über sie hinweg und verschwand in der Dunkelheit. Die anderen Wolfshunde folgten ihm.
„Was ... was sollte das?", fragte Harry verblüfft.
„Seid froh, dass er euch am Leben gelassen hat", sagte Firenze mild. Ein besorgter Unterton schwenkte in seiner Stimme mit. „Und nun verlasst den Wald"
„Wollten sie uns denn nie töten?", fragte Harry weiter.
Firenze sah ihn traurig an. „Doch", antwortete er. „Sie können nicht anders. Aber manchmal gibt es Hoffnung dort, wo die Dunkelheit ihre Schwächen zeigt. Und nun geht."
„Was?!", riefen Hermione und Ron perplex.
Auch Harry starrte Firenze an. So was stand auch in der alten Legende der Finsternis! Aber sie konnten jetzt nicht darüber reden, nicht, wenn Draco dabei war. Harry fluchte innerlich.
„Geht", wiederholte Firenze und klang nun energisch.
„Was waren das für Wesen?", fragte Valerié.
„Muss es immer erst zu spät sein, ehe ihr begreift?", fragte Firenze nur.
Harry gab nach. Es war wirklich besser, sie verließen den Wald, ehe Rakkhar es sich anders überlegte.
„Kommt", sagte er . „Danke, Firenze. Vielleicht sehen wir uns ja mal wieder."
„Machs gut, Harry", verabschiedete sich der Zentaure.
Harry ging und die anderen folgten ihm. Plötzlich ertönte ein unheimliches Jaulen und sie fingen an zu Rennen.
Endlich waren sie aus dem Wald. Aber sie hörten nicht auf zu Rennen, sondern hetzten über das Gelände zurück nach Hogwarts. Erst vor der Eingangstreppe blieben sie keuchend und mit ihren Kräften am Ende stehen.
Langanhaltendes Jaulen ertönte vom Wald herüber.
So langsam kamen sie wieder zu Atem.
„Mensch, war das heftig", stieß Ron hervor.
„Allerdings", stimmte Harry zu.
„Hat jemand auf Nevilles Zeichen geachtet?", fragte Hermione.
„Neville?", wiederholte Draco.
Kopfschütteln.
Harry fiel auf, dass Valerié schon wieder Dracos Hand hielt. Sie war auch ganz blass. „Geht es dir gut?", fragte er besorgt.
Valerié nickte.
„Har er dich sehr getroffen?", bohrte Harry weiter.
„Nein, es geht schon", sagte sie müde.
„HEY!", rief Ron plötzlich erbost aus. Er starrte auf Valeriés und Dracos Hände. „Ihr haltet ja Händchen!"
Harry sah, wie Valerié Ron anstarrte. Dann auf ihre linke Hand. Ihre Augen weiteten sich. Rasch ließ sie Dracos Hand los.
Wahrscheinlich ist ihr das gar nicht aufgefallen, dachte Harry.
Draco grinste Ron an. „Falsch. Sie hat einfach meine Hand umklammert. Ich bin halt unwiderstehlich."
Ron schnaubte.
„Jetzt hört mit dem Kinderkram auf", sagte Hermione ärgerlich.
„Eben", stimmte Harry ihr zu. „Lasst uns in die Häuser gehen, ehe man uns noch erwischt." Er drehte sich zu Draco um. „Danke", sagte er leise. Harry konnte sich mit dem Gedanken, dass er ihnen das Leben gerettet hatte, absolut nicht anfreunden. Und dafür hasste er Draco noch mehr.
Draco starrte ihn an.
„Wieso bedankst du dich bei dem Arschloch?", beschwerte sich Ron.
„Er hat uns das Leben gerettet", antwortete Harry ohne den Blick von Draco zu lösen.
„Nur weil er den Todesfluch beherrscht", entgegnete Ron wütend.
„Na ja, immerhin", sagte Harry etwas ironisch.
Draco lächelte kalt. „Ich wusste gar nicht, dass ich ihn so gut beherrsche."
„Was?", stieß Harry perplex aus.
Dracos Blick wurde spöttisch. „Welchen Teil von Ich wusste gar nicht, dass ich ihn so gut beherrsche hast du nicht verstanden, Potter?"
„Du hast ihn vorher also noch nie angewendet?", fragte Harry verwundert.
„Dein erstes Mal, also", fügte Hermione hinzu.
Draco nickte. „Wenn ihr wollt, könnt ihr sogar denken."
„Nicht schlecht", meinte nun auch Valerié.
„Aber der Todesfluch ist verboten", sagte Hermione eindringlich. „Es ist eher beängstigend."
Harry sah Draco grinsen. "Na, ich habe doch gesagt, dass Potter den grünen Lichtstrahl schon bald wieder sehen wird."
„Du Arschloch", zischte Ron und wollte sich auf Draco stürzen, aber Hermione und Harry hielten ihn zurück.
„Und woher wusstest du so gut über diese Wolfshunde Bescheid?", fragte Harry schnell.
„Ich habe über sie gelesen, Potter", antwortete Draco. „Lesen bildet, weißt du."
„Wo steht denn etwas über sie?", wollte Hermione wissen.
„Gefährliche Wesen. Findest du in der Verbotenen Abteilung", sagte Draco.
„Ach ... deswegen warst du gestern dort", überlegte Valerié.
„Vielleicht ..." und Draco sah sie unverwandt an. Dann richtete er seinen Blick wieder zu Harry. „Zu niemanden ein Wort von heute Nacht, verstanden", verlangte er kalt.
Harry und die anderen nickten. „Ihr seid mir ab heute was schuldig" und Draco lächelte fies.
Harry starrte ihn finster an. Ron schnaubte empört.
„So sehr ich eure Gesellschaft auch schätze", fuhr Draco nun spottend fort, „Aber ich muss jetzt wirklich gehen."
„Das sollten wir auch", stimmte Hermione ihm zu.
Sie gingen die Steintreppe hinauf und öffneten leise die Eingangstür. Sie schlichen hinein – und plötzlich wurde es hell.
Harry erschrak und erstarrte, als er vor sich McGonagall und Snape stehen sah.
„Prof ...Professor McGonagall", keuchte Harry stotternd hervor.
„Verdammter Mist", fluchte Ron leise.
„Mister Potter", ertönte McGonagalls autoritäre Stimme. „Können Sie mir erklären, was ihr um diese Uhrzeit draußen zu suchen hattet?!"
„Wir ... ähm ... also", stotterte Harry wieder und suchte fieberhaft nach einer Ausrede.
„Wir waren am See", hörte er Draco plötzlich sagen. Draco klang ruhig, selbstsicher und – arrogant.
„Am See?", wiederholte Snape ölig und hob eine Augenbraue.
„Ja, am See", versicherte Draco. „Potter und ich haben uns duelliert. Natürlich habe ich gewonnen."
Harry starrte Draco an. Malfoy nahm sich die Dreistigkeit und grinste Snape und McGonagall auf seine affektierte Art an.
„Und wieso sehen die anderen so mitgenommen aus?". fragte McGonagall misstrauisch. „Können Sie mir das erklären, Mister Malfoy?"
„Aber sicher, Professor", lächelte Draco sie kühl an. „Als sie erkannten, dass ich Potter überlegen war, mischten sie sich ein."
„Und dann?", hakte Snape lauernd nach.
„Nun, es entstand ein richtiges Chaos. Doch dann hörten wir ein unheimliches Jaulen aus dem Verbotenen Wald und wir brachen das Duell ab und rannten zurück.", erzählte Draco.
Harry war verblüfft, wie gut Draco sich unter Kontrolle hatte. Er log perfekt.
„Hat es sich so zugetragen?", fragte McGonagall die anderen.
Harry und die anderen nickten eifrig.
„Ich bin sehr enttäuscht", fuhr McGonagall fort. „Fünf Schüler aus dem Bett, in einer Nacht! Miss Granger, ich habe Sie wirklich für vernünftiger gehalten und Sie ebenfalls, Miss Andrews. Mister Potter und Mister Weasley, was Sie angeht, ich habe wirklich gedacht, Sie haben aus ihren alten Fehlern gelernt. Aber nein, Sie fordern die Gefahr immer wieder aufs Neue heraus ... Haben Sie eigentlich eine Ahnung, wie gefährlich das in dieser Zeit ist?!?!", donnerte McGonagall plötzlich los. Ihre Augen funkelten zornig durch ihre Brille.
Harry, Ron, Valerié und Hermione sahen betreten zu Boden.
„Sie alle werden Strafarbeitern bekommen. Und 50 Punkte Abzug für Gryffindor. Für jeden!"
„Für jeden?" Harry verschlug es den Atem.
„Professor, bitte, das sind 200 Punkte - ", fing Ron an.
„Sie können doch nicht- "
„Ruhe!", unterbrach McGonagall Harry barsch. „Erzählen Sie mir nicht, was ich kann und was nicht, Potter! 200 Punkte – und dabei bleibt es!"
„Und was ist mit Malfoy?", fragte Ron. „Das ist ungerecht, er ist alleine aus Slytherin!"
„Das hätten Sie sich überlegen sollen, bevor Sie sich nachts aus dem Bett geschlichen haben", wies ihn McGonagall giftig zurecht. „Was Mister Malfoy betrifft, ich bin mir sicher, professor Snape wird sich etwas Entsprechendes überlegen."
Snape, der bisher lächelnd dem Wutanfall McGonagalls gelauscht hatte, nickte nun.
200 Punkte, dachte Harry frustriert. Gryffindor wird mit Abstand im Minusbereich liegen. In einer Nacht hatten sie schon so derart viele Punkte verloren, dass sie sich anstrengen mussten, um den Hauspokal zu gewinnen – und das. Ehe das Schuljahr richtig angefangen hatte! Wie konnten sie das nur jemals wieder gut machen!
„Man könnte wirklich meinen, Sie wären wenigstens erwachsen geworden. Ich schäme mich wirklich für Sie", grolle McGonagall sie an, ehe sie sich abwandte und wütend davon rauschte.
„Verdammte Scheiße", stieß Ron hervor. „Diese alte Furie, kann die denn nicht ihr verschrottetes Gehirn benutzen, um zu kapieren, dass wir da raus mussten?!"
„Ron!", quiekte Hermione entsetzt.
Harry stieß Ron mit dem Ellenbogen in die Rippen. Schließlich stand Snape noch da!
„Mister Weasley, für diese Frechheit ziehe ich Ihnen 10 Punkte ab", ertönte auch schon die ölige Stimme von Professor Snape.
Ron schnaubte.
„Ich denke mit euren 200 Punkten seid ihr noch gut weggekommen", fuhr Snape fort. „Professor McGonagall hätte euch sicherlich 600 Punkte abgezogen, wenn sie wüsste, dass ihr im Verbotenen Wald ward und uns angelogen habt."
Harry schnappte nach Luft.
Hermione und Draco fingen gleichzeitig an zu reden, doch Snape hob die Hand.
„Kein Wort", befahl er leise. „Ihr könnt mich nicht für dumm verkaufen, auch wenn Mister Malfoy großartig gelogen hat."
Draco wurde blass, was Harry für kaum möglich gehalten hatte. „Ich ...", doch Snape hob erneut die Hand. „Keine Ausreden!"
„Wieso ... wieso haben Sie vorhin schon nichts gesagt?", presste Hermione hervor.
Snape sah sie kühl an. „Ich bin euch keine Rechenschaft schuldig. Aber ich denke, ihr habt für heute Nacht genug daraus gelernt. Und nun Abmarsch ins Bett, ehe ich euch weitere Punkte abziehe!"
„Sie bleiben hier", fügte er hinzu, als sich auch Draco auf dem Weg machen wollte.
Harry starrte Snape an. Was war denn mit Snape los? Er ließ doch sonst keine Gelegenheit aus, um zu versuchen, ihn von der Schule zu kriegen! Wieso hatte er Mcgonagall nicht die Wahrheit gesagt? Wegen Malfoy?
„Gute Nacht, Draco", sagte Valerié leise.
„Nacht, Andrews", schnarrte Draco. „Vielleicht treffen wir ja beim nächsten Mal auf Einhörner."
„Es wird aber kein nächstes Mal geben, Mister Malfoy", drohte Snape.
„Val, das erklärst du uns aber gleich!"; zischte Ron, während sie sich auf dem Weg zum Gryffindorturm machten.
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Draco sah seinen Professor stumm an. Er wartete, bis Snape anfing zu reden. Doch der Professor musterte ihn nur mit seinen schwarzen Augen.
„Was habt ihr euch eigentlich dabei gedacht?", bracht Snape schließlich das Schweigen.
Draco wusste, dass er vom Verbotenen Wald sprach.
„Wie kommen Sie darauf, dass wir im Verbotenen Wald waren? Wir - "
„Kommen Sie nicht auf die Idee, es abzustreiten!", unterbrach ihn Snape. Seine Stimme klang eisig.
Draco verstummte.
„Ich weiß ganz genau, dass ihr dort ward", fuhr Snape im gleichen Tonfall fort. „Ganz davon abgesehen, dass Professor Obscuri mich schon vorgewarnt hat, und Filch die Gryffindors hat rausschleichen sehen, haben Professor McGonagall und ich das Jaulen der Wolfhunde gehört. Was aber nur sehr, sehr wenige wissen, ist, dass sie nur jaulen, wenn sie nach einem Kampf mit Menschen Mitglieder des Rudels verloren haben."
„Das beweist gar nichts", meinte Draco trotzig und verfluchte in Gedanken Harry und die anderen. Hätten sie sich nicht unbemerkt rausschleichen können?
„Wollen Sie mich etwa für dumm verkaufen?", fragte Snape leise und kam bedrohlich näher.
„Nein, Sir", sagte Draco. Snape wusste, dass sie im Wald gewesen waren. Er sollte also lieber nichts abstreiten.
Snapes Ausdruck änderte sich plötzlich. Er wirkte resigniert.
Draco runzelte die Stirn. Was war denn jetzt los?
„Slytherin bekommt 40 Punkte Abzug", sagte Snape.
Draco grinste innerlich. 40 Punkte im Vergleich zu den 200 für Gryffindor ... Potter wird sich ärgern ...
„Strafarbeit bekommen Sie auch ... Ich möchte wissen, was im Wald passiert ist", sagte Snape plötzlich.
Draco erstarrte. „Ach ... ich weiß nicht mehr", log er.
Snape sah ihn finster an. „Wenn Sie mir nicht sofort erzählen, was im Wald passiert ist, ziehe ich Ihnen 200 Punkte ab."
„Was?", stieß Draco empört hervor. „Das ist ungerecht, ich - "
„Es interessiert mich herzlich wenig, was ungerecht ist und was nicht", unterbrach ihn Snape barsch. „Ich möchte wissen, was im Wald vorgefallen ist!"
Draco fluchte in Gedanken und sichte fieberhaft nach einer Ausrede. Aber es schien ausweglos.
„Ich ... ich kann nicht", flüsterte er mit einem leichten Anflug von Panik in der Stimme.
„Draco", sagte Snape plötzlich mit sanfter Stimme, was Draco verwunderte. Snape war zu ihm zwar bisher immer nett gewesen, aber sanft hatte er trotzdem nie geklungen. Er hätte nicht gedacht, dass Snape zu so Etwas fähig war.
„Ich verspreche Ihnen, niemand erfährt davon. Aber kommen Sie erst mal mit in mein Studierzimmer."
Widerwillig folgte Draco Snape in den Keller.
Er wusste zwar, dass er Snape vertrauen konnte, aber trotzdem ...
Snape bot Draco im Studierzimmer einen Platz an, aber Draco schüttelte den Kopf. Die Lippen hatte er aufeinander gepresst.
Snape setzte sich hinter seinem Scheibtisch und sah Draco erwartungsvoll an.
Draco wollte keine 200 Punkte verlieren – also, was blieb ihm anderes übrig? Und so entschloss er sich, Snape die Wahrheit zu erzählen.
Snape machte die ganze Zeit ein ausdrucksloses Gesicht, aber Draco entging nicht den Hauch von Sorge in seinen schwarzen Augen.
„Du hast sie also mit dem Todesfluch getötet", wiederholte Snape leise.
„Ja ... mir blieb keine andere Wahl."
Snape nickte. „Ich verstehe. Ich hätte auch so gehandelt ... Sie ... Sie sind wirklich gut, wenn Sie den Todesfluch schon beim Ersteinsatz so perfekt beherrschen, Mister Malfoy", lobte er.
Er klang besorgt, stellte Draco fest. Aber das kümmerte ihn nicht. Stattdessen lächelte Draco zufrieden. „Ja, ich werde sicher ein mächtiger Zauberer werden."
Snape nickte. „Das glaube ich auch"; murmelte er. „Aber", fuhr er dann etwas lauter fort, „Sie wissen, dass die Unverzeihlichen Flüche strikt verboten sind! Benutzen Sie sie nie wieder, außer, Sie können damit Ihr Leben retten."
Draco nickte.
„Du kannst jetzt gehen", sagte Snape müde.
„Danke, Sir", und Draco ging.
*****
Snape lehnte sich zurück und lauschte in die Stille der Nacht hinein.
Doch dann hörte er wieder das langgezogene Jaulen der Wolfshunde aus den Tiefen des Verbotenen Waldes.
„Was hast du bloß getan, Draco", flüsterte Snape. „Was hast du bloß getan ..."
*****
Harry saß mit Ron und Neville leise flüsternd in einer Ecke des Jungenschlafsaals.
Neville hatte nicht gewusst, dass sie erwischt worden waren. Mit vor Angst aufgerissenen Augen hörte er Harry und Ron zu, wie sie ihm alles erzählten.
Neville war erschüttert.
„Was mich nur wundert, ist, dass Snape uns nicht verraten hat", sagte Ron nachdenklich.
„Wundert mich auch", stimmte Harry zu. „Aber ich denke, es ist wegen Malfoy. Dann würde Malfoy ja auch in Schwierigkeiten stecken."
„Glaubt ihr, Malfoy wendet den Avra Kedrava Spruch auf uns an?", fragte Neville flüsternd.
Harry und Ron starrten Neville an.
„Ich weiß es nicht"; antwortete Harry schließlich.
„Bei Malfoy ist alles möglich", meinte auch Ron.
„Aber ich denke, solange wir Schüler auf Hogwarts sind und solange Voldemort nicht die endgültige Macht an sich gerissen hat, wird er es auch nicht tun", fügte Harry hinzu, nicht wirklich überzeugend.
*****
Valerié lag wach im Bett. Sie zitterte noch etwas, wenn sie an die Wolfshunde dachte.
Sie konnte immer noch nicht glauben, dass sie von Lucius´ Sohn gerettet worden war. Von Lucius´ Sohn! Von Malfoys Erben! Und sie konnte es auch immer noch nicht glauben, dass sie im Effekt der Angst nach seiner Hand gegriffen hatte. Sie hatte es erst gemerkt, als Ron sie lautstark darauf hingewiesen hatte. Sie hasste ihn doch! Wie hatte das nur passieren können! Und nun hat er sie auch noch gerettet! Aber ... und ein Gefühl der Vernunft machte sich langsam in ihr breit, vielleicht war er ja ganz anders als sein Vater ...
Vielleicht treffen wir ja beim nächsten Mal auf Einhörner ...
Valerié musste plötzlich lächeln – und hasste sich dafür.
Unruhig wälzte sie sich im Bett. Verwirrt von ihren so gegensätzlichen Gefühlen versuchte sie einzuschlafen, doch vergeblich. Immer wieder musste sie an das Abenteuer im Verbotenen Wald denken. An die rotglühenden Ungeheuer, an das Duell, ... an Draco.
*****
Draco lag wach im Bett.
Er hat uns das Leben gerettet.
Nur weil er den Todesfluch beherrscht!
Na ja, immerhin.
...
Sie sind wirklich gut, wenn Sie den Todesfluch schon beim Ersteinsatz so perfekt beherrschen, Mister Malfoy.
Draco lächelte. Er beherrschte den Todesfluch. Und Potter schuldete ihm was.
Dann erinnerte er sich plötzlich an Rakkhar.
Du hast viele meinem Rudel getötet! ... Ich werde irgendwann noch mal den Tag verfluchen, dich heute nicht getötet zu haben!
Und Draco fühlte so etwas wie Genugtuung ...
„Mich würde wirklich interessieren, welches Buch Draco aus der Verbotenen Abteilung haben wollte", sagte Valerié zu Neville, die mit ihm im Gemeinschaftsraum der Gryffindors auf Harry, Ron und Hermione wartete.
„Es kann alles mögliche sein, oder", entgegnete Neville. „Wer weiß, welchen gemeinen Zauberspruch er wieder ausprobieren will."
„Du glaubst nur wegen irgendwelchen verbotenen Zaubersprüchen?", fragte Valerié verwundert.
„Weiß nicht, ich rate nur. Oder wegen einem fiesen Zaubertrank", antwortete Neville.
„Schau, da kommen sie", fügte er hinzu, auf das Portraitloch deutend.
„Hallo, und, was Neues erfahren?", fragte Valerié Harry, Ron und Hermione, als sie zu ihnen gelaufen kamen.
Die drei setzten sich und erzählten, was Sirius gesagt hatte.
„Gut. Dann gehen wir morgen zu Dumbledore", sagte Neville erleichtert.
Harry nickte. „Wer kommt jetzt eigentlich mit zum Duell?"
Außer Neville wollten alle mit.
„Okay, Neville, du kannst ja aufbleiben", schlug Harry vor. „Falls McGonagall unser Fehlen bemerken sollte, kannst du uns ja Zeichen geben."
„Wie denn?", fragte Neville mit großen Augen.
„Stell dich einfach ans Fenster zum Verbotenen Wald hin und gib mit deinem Zauberstab Licht. Dann wissen wir, dass es Probleme geben könnte", sagte Harry.
Neville nickte. „Gut, das mache ich. Schlafen könnte ich sowieso nicht. Mir gefällt aber immer noch nicht, dass ihr dorthin geht!"
„Neville, Harry muss da hin und wir können ihn schlecht alleine gehen lassen", meinte Ron energisch. „Harry würde zum Gespött der Schule werden, wenn er da nicht hingeht."
Neville gab nach, war aber immer noch etwas unzufrieden.
Langsam war es soweit.
„Okay, wir gehen dann los", sagte Harry.
„Du und Ron geht mit deinem Tarnumhang", schlug Hermione vor. „Val und ich schleichen hinterher. Falls wir erwischt werden, könnt ihr wenigstens noch dorthin gehen."
„Jo, einverstanden", stimmte Harry zu.
„Viel Glück!", flüsterte Neville und machte ein ängstliches Gesicht.
„Danke, Neville" und Harry und Ron gingen schon mal hinaus.
Hermione und Valerié folgten ihnen.
Draußen angekommen kamen Harry und Ron unter dem Tarnumhang hervor und zusammen mit den Mädchen gingen sie zum Verbotenen Wald.
Harry war nervös. Bisher hatte er immer unschöne Dinge im Wald erlebt. Und irgendetwas musste er sicherlich noch bergen – außer menschenfressende Riesenspinnen und andere Monster – dass es ihnen strikt verboten war, den Wald zu betreten.
Am Rande des Waldes blieben sie stehen.
„Ich habe jetzt schon Angst", hauchte Hermione.
„Das wird schon", flüsterte Ron zurück.
„Und jetzt?", fragte Valerié. „Wo ist Draco?"
„Keine Ahnung", antwortete Harry. „Lasst uns hier warten."
„Vielleicht hat er Snape einen Tipp gegeben", meinte Ron. „Bestimmt werden wir hier gleich erwischt."
„Das wäre lächerlich", sagte Hermione. „Aus dem Alter ist Malfoy doch raus."
„Dem ist jedes Mittel recht, um uns, besonders Harry, von der Schule zu kriegen", konterte Ron.
Harry verdrehte die Augen. „Hört auf zu streiten", seufzte er.
„Zuviel Schiss gehabt, alleine zu kommen, Potter?", hörte er jemanden in einem schnarrenden, trägen Tonfall sagen.
Harry und die anderen wirbelten herum.
Draco war gekommen – alleine! Sein silberblondes Harr schimmerte hell im Mondlicht.
Harry sah sich sofort misstrauisch um. „Wo sind deine Aufpasser?"
Draco trat auf ihn zu. „Ich brauche keine Aufpasser", sagte er.
Ron lachte gehässig. „Das glaubst du jetzt. Gleich wirst du dir aber dringend deine Aufpasser hierher wünschen!"
Draco hob eine Augenbraue und musterte Ron spöttisch. „Wir werden sehen, wer gewinnt", meinte er selbstsicher. Dann wandte er sich wieder zu Harry. „Wollen sich deine Freunde auch mit mir duellieren, oder sind sie nur hier, damit dem armen, kleinen Potter kein Leid zugefügt wird?", höhnte er.
„Ich traue dir nicht, Malfoy", sagte Harry kurzangebunden.
Draco grinste zufrieden, sehr zum Irritieren Harrys.
„Also, lasst uns duellieren", fuhr Harry fort. Dracos Selbstsicherheit regte ihn langsam, aber sicher auf.
„Na dann, folg´ mir, Potter", grinste Draco und er ging an Harry und den anderen vorbei in den Wald.
Sie folgten ihm.
Harry lief dicht hinter Draco her. Sein Misstrauen wuchs. Wieso wollte Draco das Duell unbedingt im Verbotenen Wald? Als sie damals im ersten Jahr hier waren, hatte Draco noch richtig Angst gehabt.
„Was bezweckst du eigentlich damit?", fragte er ihn schließlich.
„Womit?", fragte Draco, ohne stehen zu bleiben oder Harry anzusehen.
„Damit, dass wir uns unbedingt hier duellieren sollen", antwortete Harry.
„Weil sie uns hier nicht erwischen", erklärte Draco.
„Nur deswegen?" Harry war erstaunt. Daran hatte er gar nicht gedacht.
„Und weil es aufregender ist", fuhr Draco fort.
„Hm", machte Harry.
Valerié, Ron und Hermione waren hinter ihm und flüsterten leise miteinander.
Harry war die ganze Zeit angespannt und schaute sich um. Aber nichts regte sich. Alles war dunkel. Der silberne Mondschein tauchte den Wald hier und da in ein geheimnisvolles Licht.
Draco führte sie scheinbar ziellos umher. Sie kamen schließlich an eine Lichtung. Draco blieb stehen und drehte sich zu Harry um.
„Wie wäre es mit diesem Ort?", fragte er Harry.
Harry sah sich um. Die Lichtung war nicht groß, aber für ein Duell war es okay. Der Mondschein drang hier gut hindurch, so dass man alles erkennen konnte.
„Okay", sagte Harry.
„Viel Glück", wünschten ihm die anderen.
„Und, Malfoy, ein fieser Trick und ich schlag´ dich zusammen", warnte ihn Ron.
Draco grinste nur. „Das würdest du gar nicht schaffen, Weasley", spottete er.
Er und Harry stellten sich gegenüber.
Dracos Gesicht zeigte keinerlei Gefühlsregung und Harry wappnete sich. Nervös fuhr er sich über die Lippen.
„Furnunculus, schrie er dann.
"Impedimenta", rief Draco gleichzeitig.
Harry wich dem Zauber aus, Draco ebenfalls.
„Relashio", kam es von Draco und heiße Funken flogen Harry ins Gesicht.
Harry schrie auf. „Tarantallegra", keuchte er, aber Draco schien wieder ausgewichen zu sein, denn er tanzte nicht.
Draco lachte nicht, er grinste nicht – er sah Harry einfach nur an.
„Relashio", rief Harry so plötzlich und sekundenspäter schrie auch Draco auf.
„Petrificus Totalus", schrie Harry, doch Draco rief gleichzeitig „Locomotor Mortis" und die zwei Zauber trafen zusammen. Weder Harrys Beine noch Dracos Körper wurden gelähmt, stattdessen traf der Zauber nur einen Baum. Man hörte ein Zischen wie bei Silvesterraketen, als die Zauber den Baum trafen.
Draco war nicht schlecht, dachte Harry. Er spürte plötzlich, wie seine Narbe schmerzte.
„Gib´s ihm", wurde er von Ron angefeuert.
„Crucio", rief Draco.
Höllischer Schmerz traf Harry. Keuchend fiel er auf die Knie. Er schloss die Augen. So viel Schmerz ...
Jemand schrie auf, er wusste nicht, ob es Hermione war. Er konnte kaum Atmen, so viel Schmerz spürte er.
„Harry!", brüllte Jemand. „Malfoy, du Arsch!" – es musste Ron sein.
„Expelliarmus", hörte er. Er wusste aber nicht, wer es gerufen hatte. Er fühlte nur noch den höllischen Schmerz. Nimm dich zusammen, dachte er.
„Harry!", rief ihn jemand ins Ohr und er wurde geschüttelt. Er öffnete wieder die Augen. Er sah alles nur verschwommen. Es musste Hermione sein. „Finite Incantatem", rief sie, aber nichts geschah. „Es passiert nichts!", rief sie panisch.
„Expelliarmus", hörte er wieder. „Petrificus Totalus" und wieder „Expelliarmus". Hermione schrie auf.
Harry sah auf. Draco stand da, drei Zauberstäbe lagen vor ihm auf dem Boden. „Findet ihr es etwa witzig, euch in unser Duell einzumischen?", drang Dracos kalte Stimme zu ihm herüber.
„Du hast einen Unverzeihlichen Fluch angewendet!", brüllte Ron wütend.
„Crucio", sagte Draco finster und Harry sah, wie Ron keuchend zu Boden fiel. Wie konnte Draco nur so etwas tun! Er versuchte sich zu konzentrieren, aber der Schmerz war zu groß.
Hermione schrie und Harry sah, wie sie sich auf Draco stürzen wollte, aber von Valerié festgehalten wurde.
„Finite Incantatem", hörte er Draco sagen und der Schmerz verschwand. Harry stützte sich mit den Händen auf dem Boden, so geschwächt war er.
„Finite Incatatem", sagte Draco ein Zweites Mal und erlöste Ron von den Schmerzen.
„Malfoy, wie konntest du nur!", kreischte Hermione. „Val, lass mich endlich los!"
„Halte dich aus dem Duell raus, Granger!", schnarrte Draco, „und deinem Freund passiert nichts."
Harry stand langsam auf. Aus den Augenwinkeln sah er, wie Hermione Ron aufhalf. Dieser verdammte Malfoy! Er hasste ihn! „Crucio", rief Harry, aber nichts passierte. Harry fluchte. Für dunkle Zauber brauchte man sehr viel Übung und man musste selber etwas finster sein – und das war er nicht.
Draco lachte höhnisch. „Potter, du bist kein schwarzer Magier, ich bin dir überlegen. Gibst du auf?"
Wütend sah Harry ihn an.
„Expelliarmus", schrie er und Dracos Zauberstab flog aus dessen Hand. Geschickt fing Harry Dracos Zauberstab auf.
„Na endlich!", stieß Ron wütend hervor.
Draco sah Harry ausdruckslos an. Schnell bückte er sich und hob die anderen drei Zauberstäbe auf.
Auf einmal kreischte Valerié auf. Harry fuhr erschrocken zusammen.
„Aaaaaaah! Da, seht!!!", schrie Valerié.
Harry und die anderen schauten in die Richtung, in die Valerié zeigte.
Wieder spürte Harry seine Narbe schmerzen. Und er erstarrte.
Um die Lichtung herum standen Wölfe ... nein, keine Wölfe ... sie sahen so aus, wie Wölfe, waren allerdings pechschwarz und hatten rotglühende Augen. Sie waren auch um einiges größer als Wölfe. Sie knurrten und fletschten die Zähne. Und sie hatten sie umzingelt.
Hermione, Ron und Valerié liefen panisch zu Harry in die Mitte. „Was sind das für Wesen?", fragte Valerié entsetzt. Ron fluchte. „Malfoy, gib uns die Zauberstäbe zurück, verdammt!"; herrschte Hermione ihn an. Ihre Stimme war aber angsterfüllt.
Harry sah sich gehetzt um. Überall sah er diese rotglühenden Augen. Eine Fluchtmöglichkeit gab es nicht. Sie waren zu dicht umzingelt. Aber die Tiere kamen nicht näher. Sie standen einfach nur um die Lichtung herum und begnügten sich damit, sie anzuknurren.
Draco kam nun zu ihnen und gab ihnen die Zauberstäbe zurück. Seinen Zauberstab riss er Harry aus der Hand. „Ich glaube, wir haben ein Problem", sagte er lässig.
Harry starrte ihn an. Wie konnte er so ruhig sein?
„Das hast du so geplant gehabt, du Arsch", stieß Ron hasserfüllt hervor.
„Sicher, Weasley und mich werden sie auch nicht fressen. Ich habe sie vorher gezähmt", spottete Draco.
„Hört damit auf!", herrschte Hermione sie an. „Wir müssen zusammenhalten!"
„Mit einem Schlammblut wie dich, Granger?", höhnte Draco.
„Malfoy!!!", zischte Harry. „Verdammt, hör´ damit auf und streng dein Hirn an! Wir müssen hier weg, ehe die uns zerfleischen!!!"
„Was sollen wir tun?", flüsterte Valerié panisch.
„Wir wenden auf jeden Fall die Ganzkörperstarrezauber an und den Zauber, wo sie schwerfälliger werden", sagte Harry.
„Und den Beinklammerfluch", fügte Hermione schnell hinzu.
„Und den Feuerfunkenzauber", sagte Ron. „Und überhaupt alles, was uns einfällt. Verdammte Scheiße, bin ich froh, wenn wir hier heile raus kommen."
Wenn wir hier überhaupt raus kommen, dachte Harry.
„Wieso greifen sie nicht an?", fragte Valerié nervös.
Harry bemerkte, wie sie vor Angst Dracos Hand ergriffen hatte.
„Sie warten", sagte Draco leise.
„Warten? Worauf?", flüsterte Hermione.
„Auf den Anführer des Rudels. Wenn er das Zeichen gibt, greifen sie an", erklärte Draco.
„Woher weißt du so genau Bescheid?", wollte Ron wissen. Er war sofort misstrauisch.
„Das können wir auch nachher klären!", zischte Hermione.
„War ja klar, dass du diese Wesen nicht kennst, Weasley", höhnte Draco. „So ungebildet, wie du bist."
„MALFOY!", zischten Hermione und Harry gleichzeitig erbost, während Ron eine ganze Reihe phantasievolle Schimpfwörter über Draco ergehen ließ.
„Verdammt, wir sind hier umzingelt von Monstern, die uns fressen wollen und ihr streitet euch", rief Valerié ärgerlich und panisch zugleich. „Sie werden es leichter haben, wenn wir uneins sind!"
Sofort hörte Ron auf, Draco zu beschimpfen. „Was sollen wir denn tun?", fragte er nun.
„Angreifen", schlug Draco vor.
„Angreifen?", wiederholte Hermione entsetzt.
„Ja, oder sollen wir warten, bis sie es tun", entgegnete Draco spöttisch.
„Vielleicht greifen sie uns ja nicht an", wandte Harry ein.
Draco lachte leise, was Harry für verärgerte. Wie konnte er jetzt lachen!
„Klar, sie haben uns nur aus Langeweile umzingelt", sagte Draco sarkastisch.
„Okay, lasst sie uns angreifen. Besser als hier dumm rumzustehen", meinte Ron nervös.
„Endlich lernst du auch mal dazu, Weasley", grinste Draco.
Harry starrte ihn an. Und wie konnte er jetzt grinsen! Dann konzentrierte er sich aber wieder auf die Wesen. „Seid ihr bereit?", fragte er.
„Ja", sagten Valerié und Ron.
„Lasst uns warten, bis sie uns angreifen", meinte Hermione. „Ich verstehe nicht, wieso sie uns noch nicht angegriffen haben!"
Harry überlegte rasch. Auf der einen Seite hatten Draco und Ron Recht. Aber auf der anderen Seite kam es ihm ebenfalls merkwürdig vor, dass sie noch nicht angegriffen haben.
„Hey, hört ihr das?", fragte Ron plötzlich panisch.
Harry lauschte. Er hörte nichts. „Nee, was denn?"
„Na, gerade das meine ich ja! Sie haben aufgehört zu knurren!"
Harry sah sich wieder gehetzt um. Es stimmte. Es war jetzt ganz still. Man hörte nichts. Man sah nur die gefährlichen, rotglühenden Augen.
„Die Wolfshunde greifen gleich an", flüsterte Draco. „Sobald der erste Angriff erfolgt, bildet einen Kreis, stellt euch Rücken an Rücken. Bewegt euch jetzt nicht. Erst, wenn ich es sage."
Harry blieb keine Zeit, sich über Dracos Sicherheit zu wundern. Er und auch die anderen taten, was Draco sagte. Niemand bewegte sich.
Und auf einmal stürzte einer der Wolfshunde auf ihnen.
„Jetzt", rief Draco.
„Petrificus Totalus", schrie Harry und der Wolfshund erstarrte und fiel zu Boden.
„Schnell, Rücken an Rücken", befahl Draco energisch.
Sie bildeten hastig einen Kreis, stellten sich Rücken an Rücken, während sich gleichzeitig die anderen Wolfshunde mit unheimlichen Geheule und gefährlichem Knurren von allen Seiten auf sie stürzten.
Sie riefen alle möglichen Zauber aus. Funken erhellten die Lichtung zusätzlich. Harry war klar, dass Dracos Taktik, einen Kreis zu bilden und sich Rücken an Rücken zu stellen, ihnen zunächst das Leben rettete. Die Wolfshunde hatten es so schwerer, an ihnen ranzukommen. Ihre Zauber hielten sie davon ab, zerfleischt zu werden. Aber allmählich die Wolfshunde waren stärker.
„Wir müssen uns den Rückweg freikämpfen", rief Draco.
Das sagte er so leicht, dachte Harry. Panisch sah er sich um. Es waren einfach zu viele. Und, irgendetwas war merkwürdig, dachte Harry. Die Wolfshunde waren nicht nur in der Überzahl, sie waren auch stärker – wieso war es so leicht, sie abzuwehren?
Plötzlich hörte er Hermione schreien. Er wirbelte herum. Sie hatte sich etwas aus dem Kreis gelöst gehabt und einer der Wolfshunde hatte sich auf sie gestürzt. Sie lag auf dem Rücken, der Wolfshund über ihr. Harry sah entsetzt, wie der Wolfshund die Zähne Zähne fletschte und sie zerfleischen wollte. Harry wollte gerade einen Zauber anwenden, um ihr zu helfen, als ein anderer Wolfshund sich auf ihn stürzte. Er wich zurück und rief panisch einen Zauberspruch.
„Locomotor Mortis!", brüllte Ron und eilte zu Hermione. Er stieß den Wolfshund von ihr runter. „Relashio", rief er noch und der Wolfshund heulte qualvoll auf.
Schnell half Ron Hermione hoch.
"Zurück in den Kreis!", schrie Draco Ron und Hermione herüber. Sie gehorchten.
„Es sind zu viele!", brüllte Harry. „Wir schaffen es nicht, es kommen immer mehr!"
„Versucht, verdammt noch mal, den Anführer auszuschalten!", brüllte Draco zurück.
„Was, wer soll das sein?", fragte Ron verwirrt.
„Pass´ auf, Val!", schrie Hermione. Valerié hatte sich etwas vom Kreis gelöst und wandte sich Hermione zu.
Harry sah einen Wolfshund Valerié angreifen.
„Petrificus Totalus!", schrie Hermione, aber verfehlte.
Valerié schrie vor Schmerz auf, als er seine Pranke über ihren Rücken riss.
„Avada Kedavra", hörte er plötzlich und grünes Licht erstrahl. Der Wolfshund, der Valerié angegriffen hatte, fiel tödlich zu Boden. Harry erstarrte.
„Avada Kedavra", hörte er erneut. Wieder grünes Licht, wieder fiel ein Wolfshund tödlich zu Boden. Wieder und wieder. Schließlich zogen sich die Wolfshunde zurück.
Harry war ganz bleich. „Los, kommt, bevor sie wiederkommen", rief Draco.
„Du ... du hast - ", stotterte Harry, aber er wurde schon von Hermione und Ron mitgezogen.
Sie rannten durch das Gestrüpp wieder zurück. Sie rannten und rannten, Harry ist auf dem Hinweg gar nicht aufgefallen, wie tief sie in den Wald gelaufen waren. Zweige peitschten ihnen in die Gesichter, aber das merkten sie nicht.
Harry konnte noch immer kaum glauben, was er gerade erlebt hatte. Er beherrscht die Unverzeihlichen Flüche, dachte er immer wieder.
Harry spürte auf einmal wieder seine Narbe. „Sie verfolgen uns!", stieß er keuchend hervor.
„Dort ist der Waldrand!", brüllte Ron. „Schneller!" und sie rannten daraufhin zu.
Doch plötzlich wurden sie von den Wolfshunden eingeholt.
„Nein!", schrie Harry verzweifelt, als ihnen der Weg versperrt wurde. Sie stoppten und starrten die Wolfshunde an.
Ein besonders großer Wolfshund mit besonders rotglühenden Augen trat auf sie zu und knurrte gefährlich.
Harry starrte ihn an.
„Rakkhar!", rief plötzlich Jemand.
Harry sah sich gehetzt um. Da stand ein Zentaure.
„Firenze", stieß Harry erstaunt hervor. Er kannte Firenze schon aus seinem ersten Besuch im Verbotenen Wald, im ersten Jahr. Firenze hatte ihn damals vor Voldemort gerettet gehabt.
„Hallo Harry, es freut mich, dich wiederzusehen", sagte Firenze freundlich.
„Was willst du", knurrte der große Wolfshund den Zentauren an.
Harry war verdattert. „Es spricht ja!", rief er perplex aus.
Rotglühende Augen sahen ihn zornig an. „Natürlich spreche ich, Menschenkind", grollte der Wolfshund.
„Rakkhar, lass sie gehen", sagte Firenze zu dem Wolfshund.
„Sie haben unser Territorium betreten", knurrte Rakkhar und seine rotglühenden Augen blitzten. „Niemand tut es ungestraft!"
„Ich kann dich auch gerne erledigen", höhnte Draco.
Harry stieß ihn von der Seite an.
Rakkhar fletschte die Zähne. „Duuuu", grollte er böse. „Du hast viele von meinem Rudel getötet!"
„Er hat sich gewehrt, Rakkhar, und das weißt du", wandte Firenze ein. „Lass sie gehen, es sind doch noch Kinder!"
„Kinder sagst du?", wiederholte Rakkhar. „Setze niemals Kinder mit Unschuld gleich, Firenze."
Auf einmal klang er gar nicht mehr grollend und böse, fand Harry. Sondern ... traurig. Traurig??!??
„Ahnst du nicht, wer hier vor dir steht?", fuhr Rakkhar fort.
Firenze nickte. „Doch", sagte er und er klang ebenso traurig. Dann schaute er nach oben, gen Himmel. „Der Mars ist hell heute nacht", sagte er noch.
Rakkhar näherte sich Harry und den anderen.
Draco hob den Zauberstab und Rakkhar blieb stehen.
„Ich werde irgendwann noch mal den Tag verfluchen, dich heute nicht getötet zu haben", grollte Rakkhar Draco an. Dann sprang er hoch über sie hinweg und verschwand in der Dunkelheit. Die anderen Wolfshunde folgten ihm.
„Was ... was sollte das?", fragte Harry verblüfft.
„Seid froh, dass er euch am Leben gelassen hat", sagte Firenze mild. Ein besorgter Unterton schwenkte in seiner Stimme mit. „Und nun verlasst den Wald"
„Wollten sie uns denn nie töten?", fragte Harry weiter.
Firenze sah ihn traurig an. „Doch", antwortete er. „Sie können nicht anders. Aber manchmal gibt es Hoffnung dort, wo die Dunkelheit ihre Schwächen zeigt. Und nun geht."
„Was?!", riefen Hermione und Ron perplex.
Auch Harry starrte Firenze an. So was stand auch in der alten Legende der Finsternis! Aber sie konnten jetzt nicht darüber reden, nicht, wenn Draco dabei war. Harry fluchte innerlich.
„Geht", wiederholte Firenze und klang nun energisch.
„Was waren das für Wesen?", fragte Valerié.
„Muss es immer erst zu spät sein, ehe ihr begreift?", fragte Firenze nur.
Harry gab nach. Es war wirklich besser, sie verließen den Wald, ehe Rakkhar es sich anders überlegte.
„Kommt", sagte er . „Danke, Firenze. Vielleicht sehen wir uns ja mal wieder."
„Machs gut, Harry", verabschiedete sich der Zentaure.
Harry ging und die anderen folgten ihm. Plötzlich ertönte ein unheimliches Jaulen und sie fingen an zu Rennen.
Endlich waren sie aus dem Wald. Aber sie hörten nicht auf zu Rennen, sondern hetzten über das Gelände zurück nach Hogwarts. Erst vor der Eingangstreppe blieben sie keuchend und mit ihren Kräften am Ende stehen.
Langanhaltendes Jaulen ertönte vom Wald herüber.
So langsam kamen sie wieder zu Atem.
„Mensch, war das heftig", stieß Ron hervor.
„Allerdings", stimmte Harry zu.
„Hat jemand auf Nevilles Zeichen geachtet?", fragte Hermione.
„Neville?", wiederholte Draco.
Kopfschütteln.
Harry fiel auf, dass Valerié schon wieder Dracos Hand hielt. Sie war auch ganz blass. „Geht es dir gut?", fragte er besorgt.
Valerié nickte.
„Har er dich sehr getroffen?", bohrte Harry weiter.
„Nein, es geht schon", sagte sie müde.
„HEY!", rief Ron plötzlich erbost aus. Er starrte auf Valeriés und Dracos Hände. „Ihr haltet ja Händchen!"
Harry sah, wie Valerié Ron anstarrte. Dann auf ihre linke Hand. Ihre Augen weiteten sich. Rasch ließ sie Dracos Hand los.
Wahrscheinlich ist ihr das gar nicht aufgefallen, dachte Harry.
Draco grinste Ron an. „Falsch. Sie hat einfach meine Hand umklammert. Ich bin halt unwiderstehlich."
Ron schnaubte.
„Jetzt hört mit dem Kinderkram auf", sagte Hermione ärgerlich.
„Eben", stimmte Harry ihr zu. „Lasst uns in die Häuser gehen, ehe man uns noch erwischt." Er drehte sich zu Draco um. „Danke", sagte er leise. Harry konnte sich mit dem Gedanken, dass er ihnen das Leben gerettet hatte, absolut nicht anfreunden. Und dafür hasste er Draco noch mehr.
Draco starrte ihn an.
„Wieso bedankst du dich bei dem Arschloch?", beschwerte sich Ron.
„Er hat uns das Leben gerettet", antwortete Harry ohne den Blick von Draco zu lösen.
„Nur weil er den Todesfluch beherrscht", entgegnete Ron wütend.
„Na ja, immerhin", sagte Harry etwas ironisch.
Draco lächelte kalt. „Ich wusste gar nicht, dass ich ihn so gut beherrsche."
„Was?", stieß Harry perplex aus.
Dracos Blick wurde spöttisch. „Welchen Teil von Ich wusste gar nicht, dass ich ihn so gut beherrsche hast du nicht verstanden, Potter?"
„Du hast ihn vorher also noch nie angewendet?", fragte Harry verwundert.
„Dein erstes Mal, also", fügte Hermione hinzu.
Draco nickte. „Wenn ihr wollt, könnt ihr sogar denken."
„Nicht schlecht", meinte nun auch Valerié.
„Aber der Todesfluch ist verboten", sagte Hermione eindringlich. „Es ist eher beängstigend."
Harry sah Draco grinsen. "Na, ich habe doch gesagt, dass Potter den grünen Lichtstrahl schon bald wieder sehen wird."
„Du Arschloch", zischte Ron und wollte sich auf Draco stürzen, aber Hermione und Harry hielten ihn zurück.
„Und woher wusstest du so gut über diese Wolfshunde Bescheid?", fragte Harry schnell.
„Ich habe über sie gelesen, Potter", antwortete Draco. „Lesen bildet, weißt du."
„Wo steht denn etwas über sie?", wollte Hermione wissen.
„Gefährliche Wesen. Findest du in der Verbotenen Abteilung", sagte Draco.
„Ach ... deswegen warst du gestern dort", überlegte Valerié.
„Vielleicht ..." und Draco sah sie unverwandt an. Dann richtete er seinen Blick wieder zu Harry. „Zu niemanden ein Wort von heute Nacht, verstanden", verlangte er kalt.
Harry und die anderen nickten. „Ihr seid mir ab heute was schuldig" und Draco lächelte fies.
Harry starrte ihn finster an. Ron schnaubte empört.
„So sehr ich eure Gesellschaft auch schätze", fuhr Draco nun spottend fort, „Aber ich muss jetzt wirklich gehen."
„Das sollten wir auch", stimmte Hermione ihm zu.
Sie gingen die Steintreppe hinauf und öffneten leise die Eingangstür. Sie schlichen hinein – und plötzlich wurde es hell.
Harry erschrak und erstarrte, als er vor sich McGonagall und Snape stehen sah.
„Prof ...Professor McGonagall", keuchte Harry stotternd hervor.
„Verdammter Mist", fluchte Ron leise.
„Mister Potter", ertönte McGonagalls autoritäre Stimme. „Können Sie mir erklären, was ihr um diese Uhrzeit draußen zu suchen hattet?!"
„Wir ... ähm ... also", stotterte Harry wieder und suchte fieberhaft nach einer Ausrede.
„Wir waren am See", hörte er Draco plötzlich sagen. Draco klang ruhig, selbstsicher und – arrogant.
„Am See?", wiederholte Snape ölig und hob eine Augenbraue.
„Ja, am See", versicherte Draco. „Potter und ich haben uns duelliert. Natürlich habe ich gewonnen."
Harry starrte Draco an. Malfoy nahm sich die Dreistigkeit und grinste Snape und McGonagall auf seine affektierte Art an.
„Und wieso sehen die anderen so mitgenommen aus?". fragte McGonagall misstrauisch. „Können Sie mir das erklären, Mister Malfoy?"
„Aber sicher, Professor", lächelte Draco sie kühl an. „Als sie erkannten, dass ich Potter überlegen war, mischten sie sich ein."
„Und dann?", hakte Snape lauernd nach.
„Nun, es entstand ein richtiges Chaos. Doch dann hörten wir ein unheimliches Jaulen aus dem Verbotenen Wald und wir brachen das Duell ab und rannten zurück.", erzählte Draco.
Harry war verblüfft, wie gut Draco sich unter Kontrolle hatte. Er log perfekt.
„Hat es sich so zugetragen?", fragte McGonagall die anderen.
Harry und die anderen nickten eifrig.
„Ich bin sehr enttäuscht", fuhr McGonagall fort. „Fünf Schüler aus dem Bett, in einer Nacht! Miss Granger, ich habe Sie wirklich für vernünftiger gehalten und Sie ebenfalls, Miss Andrews. Mister Potter und Mister Weasley, was Sie angeht, ich habe wirklich gedacht, Sie haben aus ihren alten Fehlern gelernt. Aber nein, Sie fordern die Gefahr immer wieder aufs Neue heraus ... Haben Sie eigentlich eine Ahnung, wie gefährlich das in dieser Zeit ist?!?!", donnerte McGonagall plötzlich los. Ihre Augen funkelten zornig durch ihre Brille.
Harry, Ron, Valerié und Hermione sahen betreten zu Boden.
„Sie alle werden Strafarbeitern bekommen. Und 50 Punkte Abzug für Gryffindor. Für jeden!"
„Für jeden?" Harry verschlug es den Atem.
„Professor, bitte, das sind 200 Punkte - ", fing Ron an.
„Sie können doch nicht- "
„Ruhe!", unterbrach McGonagall Harry barsch. „Erzählen Sie mir nicht, was ich kann und was nicht, Potter! 200 Punkte – und dabei bleibt es!"
„Und was ist mit Malfoy?", fragte Ron. „Das ist ungerecht, er ist alleine aus Slytherin!"
„Das hätten Sie sich überlegen sollen, bevor Sie sich nachts aus dem Bett geschlichen haben", wies ihn McGonagall giftig zurecht. „Was Mister Malfoy betrifft, ich bin mir sicher, professor Snape wird sich etwas Entsprechendes überlegen."
Snape, der bisher lächelnd dem Wutanfall McGonagalls gelauscht hatte, nickte nun.
200 Punkte, dachte Harry frustriert. Gryffindor wird mit Abstand im Minusbereich liegen. In einer Nacht hatten sie schon so derart viele Punkte verloren, dass sie sich anstrengen mussten, um den Hauspokal zu gewinnen – und das. Ehe das Schuljahr richtig angefangen hatte! Wie konnten sie das nur jemals wieder gut machen!
„Man könnte wirklich meinen, Sie wären wenigstens erwachsen geworden. Ich schäme mich wirklich für Sie", grolle McGonagall sie an, ehe sie sich abwandte und wütend davon rauschte.
„Verdammte Scheiße", stieß Ron hervor. „Diese alte Furie, kann die denn nicht ihr verschrottetes Gehirn benutzen, um zu kapieren, dass wir da raus mussten?!"
„Ron!", quiekte Hermione entsetzt.
Harry stieß Ron mit dem Ellenbogen in die Rippen. Schließlich stand Snape noch da!
„Mister Weasley, für diese Frechheit ziehe ich Ihnen 10 Punkte ab", ertönte auch schon die ölige Stimme von Professor Snape.
Ron schnaubte.
„Ich denke mit euren 200 Punkten seid ihr noch gut weggekommen", fuhr Snape fort. „Professor McGonagall hätte euch sicherlich 600 Punkte abgezogen, wenn sie wüsste, dass ihr im Verbotenen Wald ward und uns angelogen habt."
Harry schnappte nach Luft.
Hermione und Draco fingen gleichzeitig an zu reden, doch Snape hob die Hand.
„Kein Wort", befahl er leise. „Ihr könnt mich nicht für dumm verkaufen, auch wenn Mister Malfoy großartig gelogen hat."
Draco wurde blass, was Harry für kaum möglich gehalten hatte. „Ich ...", doch Snape hob erneut die Hand. „Keine Ausreden!"
„Wieso ... wieso haben Sie vorhin schon nichts gesagt?", presste Hermione hervor.
Snape sah sie kühl an. „Ich bin euch keine Rechenschaft schuldig. Aber ich denke, ihr habt für heute Nacht genug daraus gelernt. Und nun Abmarsch ins Bett, ehe ich euch weitere Punkte abziehe!"
„Sie bleiben hier", fügte er hinzu, als sich auch Draco auf dem Weg machen wollte.
Harry starrte Snape an. Was war denn mit Snape los? Er ließ doch sonst keine Gelegenheit aus, um zu versuchen, ihn von der Schule zu kriegen! Wieso hatte er Mcgonagall nicht die Wahrheit gesagt? Wegen Malfoy?
„Gute Nacht, Draco", sagte Valerié leise.
„Nacht, Andrews", schnarrte Draco. „Vielleicht treffen wir ja beim nächsten Mal auf Einhörner."
„Es wird aber kein nächstes Mal geben, Mister Malfoy", drohte Snape.
„Val, das erklärst du uns aber gleich!"; zischte Ron, während sie sich auf dem Weg zum Gryffindorturm machten.
*****
Draco sah seinen Professor stumm an. Er wartete, bis Snape anfing zu reden. Doch der Professor musterte ihn nur mit seinen schwarzen Augen.
„Was habt ihr euch eigentlich dabei gedacht?", bracht Snape schließlich das Schweigen.
Draco wusste, dass er vom Verbotenen Wald sprach.
„Wie kommen Sie darauf, dass wir im Verbotenen Wald waren? Wir - "
„Kommen Sie nicht auf die Idee, es abzustreiten!", unterbrach ihn Snape. Seine Stimme klang eisig.
Draco verstummte.
„Ich weiß ganz genau, dass ihr dort ward", fuhr Snape im gleichen Tonfall fort. „Ganz davon abgesehen, dass Professor Obscuri mich schon vorgewarnt hat, und Filch die Gryffindors hat rausschleichen sehen, haben Professor McGonagall und ich das Jaulen der Wolfhunde gehört. Was aber nur sehr, sehr wenige wissen, ist, dass sie nur jaulen, wenn sie nach einem Kampf mit Menschen Mitglieder des Rudels verloren haben."
„Das beweist gar nichts", meinte Draco trotzig und verfluchte in Gedanken Harry und die anderen. Hätten sie sich nicht unbemerkt rausschleichen können?
„Wollen Sie mich etwa für dumm verkaufen?", fragte Snape leise und kam bedrohlich näher.
„Nein, Sir", sagte Draco. Snape wusste, dass sie im Wald gewesen waren. Er sollte also lieber nichts abstreiten.
Snapes Ausdruck änderte sich plötzlich. Er wirkte resigniert.
Draco runzelte die Stirn. Was war denn jetzt los?
„Slytherin bekommt 40 Punkte Abzug", sagte Snape.
Draco grinste innerlich. 40 Punkte im Vergleich zu den 200 für Gryffindor ... Potter wird sich ärgern ...
„Strafarbeit bekommen Sie auch ... Ich möchte wissen, was im Wald passiert ist", sagte Snape plötzlich.
Draco erstarrte. „Ach ... ich weiß nicht mehr", log er.
Snape sah ihn finster an. „Wenn Sie mir nicht sofort erzählen, was im Wald passiert ist, ziehe ich Ihnen 200 Punkte ab."
„Was?", stieß Draco empört hervor. „Das ist ungerecht, ich - "
„Es interessiert mich herzlich wenig, was ungerecht ist und was nicht", unterbrach ihn Snape barsch. „Ich möchte wissen, was im Wald vorgefallen ist!"
Draco fluchte in Gedanken und sichte fieberhaft nach einer Ausrede. Aber es schien ausweglos.
„Ich ... ich kann nicht", flüsterte er mit einem leichten Anflug von Panik in der Stimme.
„Draco", sagte Snape plötzlich mit sanfter Stimme, was Draco verwunderte. Snape war zu ihm zwar bisher immer nett gewesen, aber sanft hatte er trotzdem nie geklungen. Er hätte nicht gedacht, dass Snape zu so Etwas fähig war.
„Ich verspreche Ihnen, niemand erfährt davon. Aber kommen Sie erst mal mit in mein Studierzimmer."
Widerwillig folgte Draco Snape in den Keller.
Er wusste zwar, dass er Snape vertrauen konnte, aber trotzdem ...
Snape bot Draco im Studierzimmer einen Platz an, aber Draco schüttelte den Kopf. Die Lippen hatte er aufeinander gepresst.
Snape setzte sich hinter seinem Scheibtisch und sah Draco erwartungsvoll an.
Draco wollte keine 200 Punkte verlieren – also, was blieb ihm anderes übrig? Und so entschloss er sich, Snape die Wahrheit zu erzählen.
Snape machte die ganze Zeit ein ausdrucksloses Gesicht, aber Draco entging nicht den Hauch von Sorge in seinen schwarzen Augen.
„Du hast sie also mit dem Todesfluch getötet", wiederholte Snape leise.
„Ja ... mir blieb keine andere Wahl."
Snape nickte. „Ich verstehe. Ich hätte auch so gehandelt ... Sie ... Sie sind wirklich gut, wenn Sie den Todesfluch schon beim Ersteinsatz so perfekt beherrschen, Mister Malfoy", lobte er.
Er klang besorgt, stellte Draco fest. Aber das kümmerte ihn nicht. Stattdessen lächelte Draco zufrieden. „Ja, ich werde sicher ein mächtiger Zauberer werden."
Snape nickte. „Das glaube ich auch"; murmelte er. „Aber", fuhr er dann etwas lauter fort, „Sie wissen, dass die Unverzeihlichen Flüche strikt verboten sind! Benutzen Sie sie nie wieder, außer, Sie können damit Ihr Leben retten."
Draco nickte.
„Du kannst jetzt gehen", sagte Snape müde.
„Danke, Sir", und Draco ging.
*****
Snape lehnte sich zurück und lauschte in die Stille der Nacht hinein.
Doch dann hörte er wieder das langgezogene Jaulen der Wolfshunde aus den Tiefen des Verbotenen Waldes.
„Was hast du bloß getan, Draco", flüsterte Snape. „Was hast du bloß getan ..."
*****
Harry saß mit Ron und Neville leise flüsternd in einer Ecke des Jungenschlafsaals.
Neville hatte nicht gewusst, dass sie erwischt worden waren. Mit vor Angst aufgerissenen Augen hörte er Harry und Ron zu, wie sie ihm alles erzählten.
Neville war erschüttert.
„Was mich nur wundert, ist, dass Snape uns nicht verraten hat", sagte Ron nachdenklich.
„Wundert mich auch", stimmte Harry zu. „Aber ich denke, es ist wegen Malfoy. Dann würde Malfoy ja auch in Schwierigkeiten stecken."
„Glaubt ihr, Malfoy wendet den Avra Kedrava Spruch auf uns an?", fragte Neville flüsternd.
Harry und Ron starrten Neville an.
„Ich weiß es nicht"; antwortete Harry schließlich.
„Bei Malfoy ist alles möglich", meinte auch Ron.
„Aber ich denke, solange wir Schüler auf Hogwarts sind und solange Voldemort nicht die endgültige Macht an sich gerissen hat, wird er es auch nicht tun", fügte Harry hinzu, nicht wirklich überzeugend.
*****
Valerié lag wach im Bett. Sie zitterte noch etwas, wenn sie an die Wolfshunde dachte.
Sie konnte immer noch nicht glauben, dass sie von Lucius´ Sohn gerettet worden war. Von Lucius´ Sohn! Von Malfoys Erben! Und sie konnte es auch immer noch nicht glauben, dass sie im Effekt der Angst nach seiner Hand gegriffen hatte. Sie hatte es erst gemerkt, als Ron sie lautstark darauf hingewiesen hatte. Sie hasste ihn doch! Wie hatte das nur passieren können! Und nun hat er sie auch noch gerettet! Aber ... und ein Gefühl der Vernunft machte sich langsam in ihr breit, vielleicht war er ja ganz anders als sein Vater ...
Vielleicht treffen wir ja beim nächsten Mal auf Einhörner ...
Valerié musste plötzlich lächeln – und hasste sich dafür.
Unruhig wälzte sie sich im Bett. Verwirrt von ihren so gegensätzlichen Gefühlen versuchte sie einzuschlafen, doch vergeblich. Immer wieder musste sie an das Abenteuer im Verbotenen Wald denken. An die rotglühenden Ungeheuer, an das Duell, ... an Draco.
*****
Draco lag wach im Bett.
Er hat uns das Leben gerettet.
Nur weil er den Todesfluch beherrscht!
Na ja, immerhin.
...
Sie sind wirklich gut, wenn Sie den Todesfluch schon beim Ersteinsatz so perfekt beherrschen, Mister Malfoy.
Draco lächelte. Er beherrschte den Todesfluch. Und Potter schuldete ihm was.
Dann erinnerte er sich plötzlich an Rakkhar.
Du hast viele meinem Rudel getötet! ... Ich werde irgendwann noch mal den Tag verfluchen, dich heute nicht getötet zu haben!
Und Draco fühlte so etwas wie Genugtuung ...
