Living next to you
Das Erwachen war grausam. Zwar hatte Renée am Vorabend keinerlei Anzeichen von Trunkenheit, dafür aber umso mehr am nächsten Morgen.
-"Aufstehn! Komm schon, beweg deinen Hintern."
Bei diesen Worten hatte sie das Gefühl, es würde ihr den Schädel zersprengen. Als ob sie nicht schon genug durch die Tatsache gestraft gewesen wäre, das die Sonne genau auf das Fenster in Athos´ ( welcher die Nacht übrigens auf einer Couch im Wohnzimmer verbrachte) Schlafzimmer zu halten schien.
"Geht das auch ein bischen leiser? Wäre jedenfalls sehr nett."
-"Karter?"
"Wenn man einen pulsierenden Schädel und das Gefühl von Brechreiz als das bezeichnet, dann ja...." Auch wenn sie die Augen nicht auf hatte - ihr Kopf brummte eh schon genug - wußte Renée, dass er lachte. Sie hatte schon jetz das Gefühl, ihn eine Ewigkeit zu kennen, obwohl diese Ewigkeit noch keine 24 Stunden dauerte. 'Der letzte, mit dem ich mich so gut verstanden habe, war....Francois....' Ihr Blick verfinsterte sich.
-"Was ist los?"
"Ach nichts, geht schon wieder." Sie versuchte zu lächeln. "Ich sehe bestimmt furchtbar aus, oder?"
"Ich hab schon bedeutend schlimmeres gesehen. Aber wenn du dir um so was Gedanken machen kannst, kann es ja so schlimm nicht sein. Also, raus aus den Federn! Oder muß ich dich da persönlich rausholen?"
-"Wage es nicht mal, auch nur daran zu denken. Ich warne dich.....was guckst du so?....Athos? Was hast du vor?" Sie rutschte immer weiter zum Kopfende des Bettes, während sie auch noch verzweifelt versuchte, die Bettdecke vor ihm zu retten. Doch gegen den durchtrainierten 24-jährigen am anderen Ende hatte sie kaum eine Chance. Die Beschwerden waren längst wie weggefegt, ohne das Renée das auch nur bemerkt hätte.
Da saß sie nun also, im Nachthemd, die Füße eingezogen, damit Athos auch ja nicht an sie rankommt, und schon vor dem Aufstehen völlig fertig.
"Ok, ok, ich geb auf. Bin schon wach und auf dem Weg. Was gibt´s zum Frühstück?"
-"Kommt drauf an was du machst."
Schweigen.
Plötzlich flog ein Kissen, das Athos direkt in´s Gesicht trifft. "Das hast du jetzt davon. Sich mit mir anzulegen! Frechheit, unverfrorene welchige."
-"Darf ich das jetzt als Aufforderung verstehen? Wenn ja dann....." Er konnte noch nicht einmal zu Ende reden, da hatte er schon das nächste Kissen im Gesicht. 'Lass ich mich hier wirklich grade von einem Mädchen mit Kissen bewerfen?' Schon war´s getan noch eh gedacht, jetz flogen auch seinerseits Kissen und schon bald artete diese kleine Kissenschlacht in ein komplettes Chaos aus.
-"MONSIEUR ICH MUSS MICH DOCH SEHR ÜBER SIE WUNDERN!" Waffenstillstand. Da stand sie, der Schrecken in Person. Die Vermieterin.
-"Monsieur ich bin ja einiges von ihnen gewohnt. Und ich habe mir auch schon vieles schweigend angesehen, aber das, das ist die Höhe. Wenn sie ihre Weibergeschichten schon mit nach hause bringen müßen, dann tun sie das bitte leise. Was soll meine Tochter denken?"
-"Ihre Tochter kann ruhig wissen, dass sie die letzte sein wird, die..."
-"Frechheit." Sie machte auf dem Absatz kehrt und verschwand. Auf dem Hausflur konnte man sie noch immer laut zetern hören, woraufhin die beiden in schallendes Gelächter ausbrachen. Sofort baute Renée sich im Bett auf, erhob den Zeigefinger und begann: "Junger Mann, wenn ihre Frau Mutter wüßte...." Weiter kam sie nicht, statt dessen ringte sie nach Luft, während Athos sich die Tränen aus dem Gesicht wischen mußte. Er wußte nicht, ob er sich nun mehr auf ihre Worte oder ihre Beine konzentrieren sollte, denn beides schien ihm seine Aufmerksamkeit wert.
Nachdem beide wieder einigermasen zur Ruhe gekommen waren, fragte sie: "Was ist so schlimm an ihrer Tochter?"
-"Sie ist grausam. Eine Furie, fast so schlimm wie ihre Mutter, obwohl mich die alleine schon abschrecken würde."
"Wie sieht sie aus?"
-"Nicht der Rede wert. Zu dürr für meinen Geschmack. Ich glaube das hat sie vom Vater."
"Na von der Mutter kann´s ja kaum kommen." Sie grinste.
-"Welch weise Worte, junges Fräulein. Wie geht´s dir jetzt?"
"Bestens. Die Kopfschmerzen sind wie weggeblasen."
-"Gut, zieh dir was an, dann können wir los. Guck nicht so, wir gehen zu Fuß, immerhin ist heute schönes Wetter. Und der Spaziergang wird dir gut bekommen, bist nämlich ganz schön blaß um die Nase." In diesem Augenblick verpasste er ihr einen Stubs auf selbige, woraufhin Renée knallrot anlief. Das war sie nicht gewohnt,in ihren Kreisen galt Bläße immer als erstrebenswert...und jetzt so etwas.
"Ich war schon immer so blaß", versuchte sie sich zu verteidigen.
-"Auch Blondinen kriegen rote Bäckchen."
"Also bitte, mein Gesicht ist doch kein Kinderhintern!" Es fiel ihr sichtlich schwer, ernst zu bleiben. "Und ich bin keine Blondine...."
"Na brünett bist du aber auch nicht gerade, oder wie darf ich das verstehen?"
"Würdest du jetz wohl verschwinden, ich will mich anziehen!"
-"Ach, jetzt lenken wir vom Thema ab. Interessant." Mit diesem Satz verließ er das Zimmer, die Diskusion ging jedoch, teilweise über 2 Zimmer, weiter. Während er mit ihr diskutierte, war er mit seinen Gedanken schon wieder bei dem Bild, das sich ihm jetzt wahrscheinlich in seinem Schlafzimmer bieten würde, wenn er denn drin währe, was er ja, zu seinem Bedauern, nicht mehr war. Er hatte sie schon fast eine halbe Stunde beobachtet, bevor er sie geweckt hat. Und wieder fragte er sich, wie sie nur auf die Idee kommen konnte, alleine nach Paris zu reiten und dann auch noch Musketier werden zu wollen. Er konnte, so sehr er sich auch bemühte, keine plausible Erklärung für dieses Vorhaben finden. 'Bin ja mal gespannt, wie lange sie das durchhält.'
Nach einem langen, wenn auch angenehmen, Fußmarsch erreichten die beiden mit erheblicher Verspätung das Hauptquartier. Kapitän de Treville nam dies zwar zur Kenntnis, sah aber von einer Predigt ab, da es ja schließlich Aramis´ erster Tag war. Statt dessen sah ihr Tagesplan hartes Training vor. Durchgeführt vom Kapitän persönlich.
-"Das könnte ich doch auch übernehmen, sie haben doch schon genug zu tun."
-"Das würde mir noch fehlen, das Mädchen soll lernen, sich gegen bewaffnete Feinde zu wehren, nicht gegen liebestolle Verehrer."
-"Wenn sie sich als ihr Feind ansehen, bitte. Mir recht." Auf die Bemerkung des liebestollen Verehrers ging er gar nicht erst näher ein, da er sowieso den kürzeren ziehen würde.
-'Als ob ich in die Kleine verliebt wäre, Schwachsinn!'
Die erste Fechtstunde war das blanke Entsetzen, allerdings weniger auf Seiten von Aramis. Sie hatte sichtlich ihren Spaß, teilweise war nicht einmal feststellbar, ob sie die Fragen überhaupt ernst meinte. Nach einiger Zeit gab der Kapitän auf, ab morgen würde ein anderer diese Aufgabe übernehmen. Und dieser Jemand war sicherlich nicht Athos.
Tatsächlich wartete am nächsten Morgen ein Aramis bis dato völlig fremder Musketier auf sie. Das passte ihr so gar nicht. Allein schon der Blick, mit dem er sie empfing, war ihr zuwider. Allem Anschein nach hatte de Treville ihn nicht über das unterrichtet, was auf ihn warten würde. Da stand er also, breitbeinig, so groß wie er sich nur irgend machen konnte, mit einem Gesicht wie zur Faust geballt. Bevor sie etwas sagen konnte, brüllte er auch schon durch die Halle: -"Jetzt beweg mal deinen feinen Arsch!"
Aramis stand mit weit aufgerissenen Augen vor ihm, doch ihr Blick zeigte weniger das blanke Entsetzen, viel eher den Ausdruck vollkommener Entrüstung.
"Also entschuldige mal, so nicht. Einen etwas freundlicheren Ton, wenn ich bitten dürfte!"
-"Schnauze. Hier rede nur ich."
In diesem Augenblick fiel ihr wieder ein, was Athos ihr am Vorabend gesagt hatte: -"Wenn dir irgendjemand hier komisch kommt, zeig ihm wer der Stärkere ist. Notfalls mit Gewalt. Das ist die einzige Möglichkeit, hier zu überleben. Du mußt dir Respekt verschaffen..."
'Na dann wollen wir mal.' Mit einem Satz stand sie neben ihm und verpasste ihm einen Schlag in´s Gesicht.
"Können wir jetzt normal miteinander reden? Ich glaube nämlich kaum, dass du hier was besseres darstellst als ich. Und glaube ja nicht, dass ich, nur weil ich so aussehe, ein Schwächling bin. Sonst bin ich gerne bereit, dir das Gegenteil zu beweisen."
Der, ebenfalls noch recht junge, Musketier wollte selbsverständlich nicht auf sich sitzen lassen, dass er sich vom Gespött der Kompanie eine hat runterhauen lassen. Schon stand er wieder auf den Beinen, wenn auch noch etwas benommen, und ging auf Aramis los. Diese reagierte jedoch gerade noch schnell genug, um ihm auszuweichen. in diesem Augenblick betraten Treville, Porthos und Athos die Halle, sichtlich erstaunt über den Anblick, der sich ihnen bot. Auf der einen Seite der ausgebildete Musketier, auf der anderen die am Vortag scheinbar noch völlig hilflose Aramis, die inzwischen die Oberhand in diesem kleinen Duell gewonnen hatte.
-"Seht ihr, was ich sehe?"
-"Denke schon....ich kann es nur nicht glauben. Kapitän, warum wollen sie den Kleinen noch ausbilden? So wie ich das auf die Schnelle beurteilen kann, ist er besser als manch anderer hier."
-"Wahrscheinlich muß man ihn erst reizen, damit er gut wird. Stimmt´s Porthos?" Athos sah mit einem fiesen Grinsen auf seinen Freund, der sich bei dem Gedanken an die kurze Auseinandersetzung mit Aramis wieder den Bauch hielt.
"Ergibst du dich?.... Ob du aufgibst will ich wissen!? ....Wurde ja auch Zeit." Die 3 waren so in ihr Gespräch vertieft, dass sie nicht bemerkten wie Aramis ihren Gegner zu Boden warf. Sie hatte ihn tatsächlich entwaffnen können. Mit teils entsetztem, teils wütendem Blick verschwand der Musketier, der sich vor einigen Minuten noch so sicher war. Der Kapitän folgte ihm.
-"Ich denke, jetzt hast du´s geschafft. Du dürftest drin sein! Solche Geschichten verbreiten sich in der Kompanie schneller, als du 'Weihnachten in England' sagen kannst. Glaub mir."
-"Stimmt", pflichtete Athos ihm bei,"was das angeht, sind die Jungs schlimmer als Waschweiber."
Die beiden Freunde sollten Recht behalten. Am nächsten Morgen war keine Spur von den üblichen Bemerkungen. Ganz im Gegenteil. Man zog den Hut vor der unauffälligen Person in Blau.
Schon seit über einem Monat wurde das Leben in Paris vom Regen des zu Ende gehenden Herbstes regiert. Athos und Aramis hatten es sich zu hause gemütlich gemacht. Athos´ erstaunlich umfangreiche Privatbibliothek sorgte dafür, dass keine Langeweile aufkam. Für beide war es eine willkommene Ablenkung vom anderen. Bis zu jenem einen Abend.
Athos, vollkommen in sein Buch vertieft, erschrak, als eine Stimme ihm in´s Ohr flüsterte: "Athos? Massierst du mir den Rücken? Ich glaub ich hab mir heute was verrenkt..." Er hatte sie nicht kommen hören. Normalerweise knarrte der Holzfußboden unter jedem Schritt, bei ihr machte er kein einziges Geräusch. 'Kein Wunder, sie wiegt ja auch fast nichts.'
-"Mußt du mich so erschrecken?!"
"´Tschuldige. Soll nicht wieder vorkommen. Also, was ist nun, massierst du mich oder nicht?" Das war der Tonfall, den er von ihr gewohnt war. Jetzt war er sich sicher, dass er nicht wieder nur träumte, wie schon so häufig.
Renée sah ihn mit großen treuen Augen an. Sie wußte, dass würde ihn überzeugen. Bis jetzt hatte es immer funktioniert. Egal, worum es ging, egal, welche halsbrecherische Aktion sie durchzusetzen versuchte, sie brauchte Athos nur mit diesem speziellen Blick anzusehen und sie bekam ihren Willen. So auch dieses Mal.
-"Hauptsache, du erkältest dich jetzt nicht." Auch wenn es vielleicht so geklungen haben mag, es war keineswegs eine Aufforderung an Renée, sich das Hemd, das sie eben auf die Lehne seines Sessels gleiten ließ, wieder anzuziehen. Das wäre wohl das letzte gewesen, was Athos in diesem Moment gewollt hätte. Alles, was sie jetzt noch trug, war ein dünnes Unterhemd, so dünn, dass das Licht des Kaminfeuers dein Stoff beinahe durchsichtig erscheinen ließ und Athos die Umrisse ihres Körpers erkennen konnte.
"Ach was, ist doch warm hier." Mit diesen Worten ließ sie sich vor ihm nieder.
"Kannst anfangen...... Was liest du da eigentlich?" Ehe er es verhindern konnte, hatte sie sich das Buch gegriffen, das neben ihm auf der Armlehne lag. "Aha aha, sehr interessant, was du so für Sachen liest."
-"Was soll das denn jetzt heißen? Sag nicht du kennst das!"
"Kennen? Ich hab´s gelesen. Sehr...em...anregend." Sie lächelte. "Jetzt guck nicht so entsetzt. Denk lieber daran, was deine Aufgabe ist."
Vorsichtig strich Athos ihr die blonden Haare aus dem Nacken. Sie hasste es, wenn jemand an ihren Haaren zog.
Das Erwachen war grausam. Zwar hatte Renée am Vorabend keinerlei Anzeichen von Trunkenheit, dafür aber umso mehr am nächsten Morgen.
-"Aufstehn! Komm schon, beweg deinen Hintern."
Bei diesen Worten hatte sie das Gefühl, es würde ihr den Schädel zersprengen. Als ob sie nicht schon genug durch die Tatsache gestraft gewesen wäre, das die Sonne genau auf das Fenster in Athos´ ( welcher die Nacht übrigens auf einer Couch im Wohnzimmer verbrachte) Schlafzimmer zu halten schien.
"Geht das auch ein bischen leiser? Wäre jedenfalls sehr nett."
-"Karter?"
"Wenn man einen pulsierenden Schädel und das Gefühl von Brechreiz als das bezeichnet, dann ja...." Auch wenn sie die Augen nicht auf hatte - ihr Kopf brummte eh schon genug - wußte Renée, dass er lachte. Sie hatte schon jetz das Gefühl, ihn eine Ewigkeit zu kennen, obwohl diese Ewigkeit noch keine 24 Stunden dauerte. 'Der letzte, mit dem ich mich so gut verstanden habe, war....Francois....' Ihr Blick verfinsterte sich.
-"Was ist los?"
"Ach nichts, geht schon wieder." Sie versuchte zu lächeln. "Ich sehe bestimmt furchtbar aus, oder?"
"Ich hab schon bedeutend schlimmeres gesehen. Aber wenn du dir um so was Gedanken machen kannst, kann es ja so schlimm nicht sein. Also, raus aus den Federn! Oder muß ich dich da persönlich rausholen?"
-"Wage es nicht mal, auch nur daran zu denken. Ich warne dich.....was guckst du so?....Athos? Was hast du vor?" Sie rutschte immer weiter zum Kopfende des Bettes, während sie auch noch verzweifelt versuchte, die Bettdecke vor ihm zu retten. Doch gegen den durchtrainierten 24-jährigen am anderen Ende hatte sie kaum eine Chance. Die Beschwerden waren längst wie weggefegt, ohne das Renée das auch nur bemerkt hätte.
Da saß sie nun also, im Nachthemd, die Füße eingezogen, damit Athos auch ja nicht an sie rankommt, und schon vor dem Aufstehen völlig fertig.
"Ok, ok, ich geb auf. Bin schon wach und auf dem Weg. Was gibt´s zum Frühstück?"
-"Kommt drauf an was du machst."
Schweigen.
Plötzlich flog ein Kissen, das Athos direkt in´s Gesicht trifft. "Das hast du jetzt davon. Sich mit mir anzulegen! Frechheit, unverfrorene welchige."
-"Darf ich das jetzt als Aufforderung verstehen? Wenn ja dann....." Er konnte noch nicht einmal zu Ende reden, da hatte er schon das nächste Kissen im Gesicht. 'Lass ich mich hier wirklich grade von einem Mädchen mit Kissen bewerfen?' Schon war´s getan noch eh gedacht, jetz flogen auch seinerseits Kissen und schon bald artete diese kleine Kissenschlacht in ein komplettes Chaos aus.
-"MONSIEUR ICH MUSS MICH DOCH SEHR ÜBER SIE WUNDERN!" Waffenstillstand. Da stand sie, der Schrecken in Person. Die Vermieterin.
-"Monsieur ich bin ja einiges von ihnen gewohnt. Und ich habe mir auch schon vieles schweigend angesehen, aber das, das ist die Höhe. Wenn sie ihre Weibergeschichten schon mit nach hause bringen müßen, dann tun sie das bitte leise. Was soll meine Tochter denken?"
-"Ihre Tochter kann ruhig wissen, dass sie die letzte sein wird, die..."
-"Frechheit." Sie machte auf dem Absatz kehrt und verschwand. Auf dem Hausflur konnte man sie noch immer laut zetern hören, woraufhin die beiden in schallendes Gelächter ausbrachen. Sofort baute Renée sich im Bett auf, erhob den Zeigefinger und begann: "Junger Mann, wenn ihre Frau Mutter wüßte...." Weiter kam sie nicht, statt dessen ringte sie nach Luft, während Athos sich die Tränen aus dem Gesicht wischen mußte. Er wußte nicht, ob er sich nun mehr auf ihre Worte oder ihre Beine konzentrieren sollte, denn beides schien ihm seine Aufmerksamkeit wert.
Nachdem beide wieder einigermasen zur Ruhe gekommen waren, fragte sie: "Was ist so schlimm an ihrer Tochter?"
-"Sie ist grausam. Eine Furie, fast so schlimm wie ihre Mutter, obwohl mich die alleine schon abschrecken würde."
"Wie sieht sie aus?"
-"Nicht der Rede wert. Zu dürr für meinen Geschmack. Ich glaube das hat sie vom Vater."
"Na von der Mutter kann´s ja kaum kommen." Sie grinste.
-"Welch weise Worte, junges Fräulein. Wie geht´s dir jetzt?"
"Bestens. Die Kopfschmerzen sind wie weggeblasen."
-"Gut, zieh dir was an, dann können wir los. Guck nicht so, wir gehen zu Fuß, immerhin ist heute schönes Wetter. Und der Spaziergang wird dir gut bekommen, bist nämlich ganz schön blaß um die Nase." In diesem Augenblick verpasste er ihr einen Stubs auf selbige, woraufhin Renée knallrot anlief. Das war sie nicht gewohnt,in ihren Kreisen galt Bläße immer als erstrebenswert...und jetzt so etwas.
"Ich war schon immer so blaß", versuchte sie sich zu verteidigen.
-"Auch Blondinen kriegen rote Bäckchen."
"Also bitte, mein Gesicht ist doch kein Kinderhintern!" Es fiel ihr sichtlich schwer, ernst zu bleiben. "Und ich bin keine Blondine...."
"Na brünett bist du aber auch nicht gerade, oder wie darf ich das verstehen?"
"Würdest du jetz wohl verschwinden, ich will mich anziehen!"
-"Ach, jetzt lenken wir vom Thema ab. Interessant." Mit diesem Satz verließ er das Zimmer, die Diskusion ging jedoch, teilweise über 2 Zimmer, weiter. Während er mit ihr diskutierte, war er mit seinen Gedanken schon wieder bei dem Bild, das sich ihm jetzt wahrscheinlich in seinem Schlafzimmer bieten würde, wenn er denn drin währe, was er ja, zu seinem Bedauern, nicht mehr war. Er hatte sie schon fast eine halbe Stunde beobachtet, bevor er sie geweckt hat. Und wieder fragte er sich, wie sie nur auf die Idee kommen konnte, alleine nach Paris zu reiten und dann auch noch Musketier werden zu wollen. Er konnte, so sehr er sich auch bemühte, keine plausible Erklärung für dieses Vorhaben finden. 'Bin ja mal gespannt, wie lange sie das durchhält.'
Nach einem langen, wenn auch angenehmen, Fußmarsch erreichten die beiden mit erheblicher Verspätung das Hauptquartier. Kapitän de Treville nam dies zwar zur Kenntnis, sah aber von einer Predigt ab, da es ja schließlich Aramis´ erster Tag war. Statt dessen sah ihr Tagesplan hartes Training vor. Durchgeführt vom Kapitän persönlich.
-"Das könnte ich doch auch übernehmen, sie haben doch schon genug zu tun."
-"Das würde mir noch fehlen, das Mädchen soll lernen, sich gegen bewaffnete Feinde zu wehren, nicht gegen liebestolle Verehrer."
-"Wenn sie sich als ihr Feind ansehen, bitte. Mir recht." Auf die Bemerkung des liebestollen Verehrers ging er gar nicht erst näher ein, da er sowieso den kürzeren ziehen würde.
-'Als ob ich in die Kleine verliebt wäre, Schwachsinn!'
Die erste Fechtstunde war das blanke Entsetzen, allerdings weniger auf Seiten von Aramis. Sie hatte sichtlich ihren Spaß, teilweise war nicht einmal feststellbar, ob sie die Fragen überhaupt ernst meinte. Nach einiger Zeit gab der Kapitän auf, ab morgen würde ein anderer diese Aufgabe übernehmen. Und dieser Jemand war sicherlich nicht Athos.
Tatsächlich wartete am nächsten Morgen ein Aramis bis dato völlig fremder Musketier auf sie. Das passte ihr so gar nicht. Allein schon der Blick, mit dem er sie empfing, war ihr zuwider. Allem Anschein nach hatte de Treville ihn nicht über das unterrichtet, was auf ihn warten würde. Da stand er also, breitbeinig, so groß wie er sich nur irgend machen konnte, mit einem Gesicht wie zur Faust geballt. Bevor sie etwas sagen konnte, brüllte er auch schon durch die Halle: -"Jetzt beweg mal deinen feinen Arsch!"
Aramis stand mit weit aufgerissenen Augen vor ihm, doch ihr Blick zeigte weniger das blanke Entsetzen, viel eher den Ausdruck vollkommener Entrüstung.
"Also entschuldige mal, so nicht. Einen etwas freundlicheren Ton, wenn ich bitten dürfte!"
-"Schnauze. Hier rede nur ich."
In diesem Augenblick fiel ihr wieder ein, was Athos ihr am Vorabend gesagt hatte: -"Wenn dir irgendjemand hier komisch kommt, zeig ihm wer der Stärkere ist. Notfalls mit Gewalt. Das ist die einzige Möglichkeit, hier zu überleben. Du mußt dir Respekt verschaffen..."
'Na dann wollen wir mal.' Mit einem Satz stand sie neben ihm und verpasste ihm einen Schlag in´s Gesicht.
"Können wir jetzt normal miteinander reden? Ich glaube nämlich kaum, dass du hier was besseres darstellst als ich. Und glaube ja nicht, dass ich, nur weil ich so aussehe, ein Schwächling bin. Sonst bin ich gerne bereit, dir das Gegenteil zu beweisen."
Der, ebenfalls noch recht junge, Musketier wollte selbsverständlich nicht auf sich sitzen lassen, dass er sich vom Gespött der Kompanie eine hat runterhauen lassen. Schon stand er wieder auf den Beinen, wenn auch noch etwas benommen, und ging auf Aramis los. Diese reagierte jedoch gerade noch schnell genug, um ihm auszuweichen. in diesem Augenblick betraten Treville, Porthos und Athos die Halle, sichtlich erstaunt über den Anblick, der sich ihnen bot. Auf der einen Seite der ausgebildete Musketier, auf der anderen die am Vortag scheinbar noch völlig hilflose Aramis, die inzwischen die Oberhand in diesem kleinen Duell gewonnen hatte.
-"Seht ihr, was ich sehe?"
-"Denke schon....ich kann es nur nicht glauben. Kapitän, warum wollen sie den Kleinen noch ausbilden? So wie ich das auf die Schnelle beurteilen kann, ist er besser als manch anderer hier."
-"Wahrscheinlich muß man ihn erst reizen, damit er gut wird. Stimmt´s Porthos?" Athos sah mit einem fiesen Grinsen auf seinen Freund, der sich bei dem Gedanken an die kurze Auseinandersetzung mit Aramis wieder den Bauch hielt.
"Ergibst du dich?.... Ob du aufgibst will ich wissen!? ....Wurde ja auch Zeit." Die 3 waren so in ihr Gespräch vertieft, dass sie nicht bemerkten wie Aramis ihren Gegner zu Boden warf. Sie hatte ihn tatsächlich entwaffnen können. Mit teils entsetztem, teils wütendem Blick verschwand der Musketier, der sich vor einigen Minuten noch so sicher war. Der Kapitän folgte ihm.
-"Ich denke, jetzt hast du´s geschafft. Du dürftest drin sein! Solche Geschichten verbreiten sich in der Kompanie schneller, als du 'Weihnachten in England' sagen kannst. Glaub mir."
-"Stimmt", pflichtete Athos ihm bei,"was das angeht, sind die Jungs schlimmer als Waschweiber."
Die beiden Freunde sollten Recht behalten. Am nächsten Morgen war keine Spur von den üblichen Bemerkungen. Ganz im Gegenteil. Man zog den Hut vor der unauffälligen Person in Blau.
Schon seit über einem Monat wurde das Leben in Paris vom Regen des zu Ende gehenden Herbstes regiert. Athos und Aramis hatten es sich zu hause gemütlich gemacht. Athos´ erstaunlich umfangreiche Privatbibliothek sorgte dafür, dass keine Langeweile aufkam. Für beide war es eine willkommene Ablenkung vom anderen. Bis zu jenem einen Abend.
Athos, vollkommen in sein Buch vertieft, erschrak, als eine Stimme ihm in´s Ohr flüsterte: "Athos? Massierst du mir den Rücken? Ich glaub ich hab mir heute was verrenkt..." Er hatte sie nicht kommen hören. Normalerweise knarrte der Holzfußboden unter jedem Schritt, bei ihr machte er kein einziges Geräusch. 'Kein Wunder, sie wiegt ja auch fast nichts.'
-"Mußt du mich so erschrecken?!"
"´Tschuldige. Soll nicht wieder vorkommen. Also, was ist nun, massierst du mich oder nicht?" Das war der Tonfall, den er von ihr gewohnt war. Jetzt war er sich sicher, dass er nicht wieder nur träumte, wie schon so häufig.
Renée sah ihn mit großen treuen Augen an. Sie wußte, dass würde ihn überzeugen. Bis jetzt hatte es immer funktioniert. Egal, worum es ging, egal, welche halsbrecherische Aktion sie durchzusetzen versuchte, sie brauchte Athos nur mit diesem speziellen Blick anzusehen und sie bekam ihren Willen. So auch dieses Mal.
-"Hauptsache, du erkältest dich jetzt nicht." Auch wenn es vielleicht so geklungen haben mag, es war keineswegs eine Aufforderung an Renée, sich das Hemd, das sie eben auf die Lehne seines Sessels gleiten ließ, wieder anzuziehen. Das wäre wohl das letzte gewesen, was Athos in diesem Moment gewollt hätte. Alles, was sie jetzt noch trug, war ein dünnes Unterhemd, so dünn, dass das Licht des Kaminfeuers dein Stoff beinahe durchsichtig erscheinen ließ und Athos die Umrisse ihres Körpers erkennen konnte.
"Ach was, ist doch warm hier." Mit diesen Worten ließ sie sich vor ihm nieder.
"Kannst anfangen...... Was liest du da eigentlich?" Ehe er es verhindern konnte, hatte sie sich das Buch gegriffen, das neben ihm auf der Armlehne lag. "Aha aha, sehr interessant, was du so für Sachen liest."
-"Was soll das denn jetzt heißen? Sag nicht du kennst das!"
"Kennen? Ich hab´s gelesen. Sehr...em...anregend." Sie lächelte. "Jetzt guck nicht so entsetzt. Denk lieber daran, was deine Aufgabe ist."
Vorsichtig strich Athos ihr die blonden Haare aus dem Nacken. Sie hasste es, wenn jemand an ihren Haaren zog.
