Chapter 6

Miyako unterhielt sich gerade angeregt mit Kae, als ein schriller Pfiff sie auf ihren Platz verwies. Sie flüsterte Kae noch etwas zu, der daraufhin grinste. Wie in jeder ersten Stunde schob Chiaki seinen Tisch jedes Mal ein Stückchen näher an Marrons, um ihr Zettel zu zuwerfen oder mit ihr leise zu flüstern. Zu seinem Leidwesen ignorierte sie ihn meistens. In der Pause war sie dann meistens sehr genervt und den Rest des Schultages war sie öfter nahe dran, Chiaki eine zu schallern. Bis jetzt hatte sie es noch nie getan, aber heute war sie mal wieder nah dran. Was genau Chiaki ihr eigentlich zuflüsterte hörte sie gar nicht, weil sie ihre Ohren auf Durchzug stellte. Heute spürte sie deutlich Blicke in ihrem Rücken, die sie förmlich auf zu spießen schienen. Fast hätte sie der Versuchung nachgegeben und hätte sich umgedreht um zu sehen, wer sie beobachtete. Endlich läutete die Schulglocke den Anfang der Ferien ein. "Kusakabe kommen sie bitte noch kurz zu mir." * Oh Nein... * Dicht gefolgt von Chiaki ging sie vor zum Lehrerpult. "Frl. Kusakabe, sie werden heute die Gymnastikstunde nachholen, die sie heute morgen versäumt haben. Gehen sie schon mal vor in die Turnhalle. Ich komme gleich nach" Schmollend trottete Marron davon. "Ich werd dir zugucken." "Nein, wirst du nicht!!" "Doch werde ich." Chiaki grinste. "Chiaki, ich warne dich..." Sie betraten die Turnhalle. "Da hab ich aber Angst..." "Na warte..." Marron setzte Chiaki sofort nach. Als sie ihn eingeholt hatte, packte sie ihn hinten im Nacken und drückte zusammen. "Aaah, Marron, Auaaaaaa..." Langsam sank Chiaki in die Knie. "Ich mach´s nie wieder...Aaaa...Hör auf..." Der Griff lockerte sich, jedoch ließ Marron ihre Hand in seinem Nacken. Seine Haare strichen sanft über ihre Finger. Plötzlich stand Chiaki auf und hob Marron hoch. Erschrocken klammerte die sich an ihn. Chiaki trug sie ein Stück und wollte sie auf eine große Weichbodenmatte werfen. Jedoch übersah er den Augenblick in dem er auf die Matte hätte steigen sollen. Sein Fuß blieb unter der Matte stecken und Chiaki stolperte und fiel längs auf die Matte, in die er und Marron einsanken. Im letzten Moment konnte Chiaki verhindern, dass er vollends auf Marron fiel. So war Marron erneut der Fluchtweg versperrt. Ihr Traum kam ihr wieder in den Sinn. Auch damals ist sie so eingeschlossen worden. Als Chiaki sie das zweite Mal auf den Arm genommen hatte, war ihr dieses Gefühl so vertraut vorgekommen. Das selbe Gefühl, derselbe Griff.

Wie damals lag Marron auf dem Rücken und über ihr Sindbad. Nur dieses Mal war es nicht Sindbad, der ihrem Körper mit dem seinen so nahe kam, sondern Chiaki, der sich mit seinen Armen links und rechts von Marrons Kopf abstützte. "Marron..." er sah ihr in die Augen. Und Marron erkannte, dass es die Stimme von Sindbad war. Das konnte sie nicht begreifen. Sindbad war ihr Feind!!! Chiaki konnte unmöglich ihr Feind sein. Hatte er nicht gesagt, dass er sie liebte??? War er nicht immer an ihrer Seite, wenn sie in Schwierigkeiten war???? Chiaki konnte unmöglich ihr Feind sein. Das war unmöglich!!! Chiaki war kein Diener des Teufels!!!! Oder doch??? Marron versuchte sich Chiakis Augen in eisblau vorzustellen. Ihr kamen die Tränen. Und plötzlich bekam sie Angst. Voller Panik stieß sie Chiaki von sich herunter und rannte zur Mädchenumkleide. Chiaki sah ihr verwundert nach. Was war nur mit Marron los??? Konnte es sein...??? Hatte sie etwas gemerkt??? Hatte sie erkannt, dass er Sindbad war??? * Verdammt...Marron * Chiaki lief Marron hinterher und versuchte die Tür zur Mädchenumkleide zu öffnen. Aber Marron hatte sie abgeriegelt. "Marron!!! Was ist los??? Mach die Tür auf!!!" Vergebens rüttelte er an der Türklinke. "Du weißt es, oder?? Du hast es die ganze Zeit gewusst!!!!!!!!" Chiaki hörte Marron verzweifelte Stimme durch die Tür. Erschrocken riss er die Augen auf. "Antworte!!! Du weißt es, oder??" "Ja, ich weiß es..." Chiaki sank an der Tür auf den Boden. Er hörte Marrons leisen Aufschrei und wie sie zusammensank. Er hörte, wie sie versuchte, ihr gequältes Schluchzen zu unterdrücken. "Warum??? Warum???" Marron Stimme zitterte und wurde immer von Schluchzern unterbrochen. Irgendwas in Chiakis Brust zog sich zusammen. "Weil... weil... ich... ich..." Chiakis Stimme versagte ihren Dienst. Sie wurde von den aufkommenden Tränen erstickt. Seine Augen brannten und schmerzten. "Verdammt, antworte mir, Sindbad!!!" Marron bekam kaum mehr Luft. Gekrümmt saß sie in einer Ecke und hatte die Beine an sich gezogen. "Weil... weil... verdammt, warum merkst du es denn nicht??", verzweifelt versuchte Chiaki Marron klar zu machen warum er hier war. "Warum???" immer wieder kam diese Frage von Marron. "Warum läufst du mir nach??? Warum lässt du mich nicht einfach in Ruhe???" inzwischen schrie Marron nicht mehr. Sie kreischte förmlich. Sie konnte es nicht fassen, dass Chiaki Sindbad war. Sindbad, ihr Feind. "Weil... weil... ich..." Chiaki versuchte es nun wieder, die Worte über seine Lippen zu bringen. Er kniff die Augen zusammen und kratzte seinen letzten Mut zusammen. Schlimmer konnte es nicht werden. "Weil ich dich liebe...", flüsterte er fast unhörbar leise. Sofort riss Marron die Tür auf. "Was???", fragte sie heiser. Sie sah Chiaki vor ihr sitzen. Sie sah dass seine Augen rot und feucht waren. "Verdammt, ich liebe dich!!!!!", schrie Chiaki sie an. Sie sah in seine Augen konnte in ihnen lesen, dass es die Wahrheit war, die sie eben gehört hatte. Aber sie wollte es nicht glauben. Sie konnte es einfach nicht!! Warum sollte man sie lieben??? Sie drehte sich um und sah die Turnhalle hinab. "Marron..." Dann lief sie los. Anfangs stolperte sie ein paar Mal. Trotzdem lief sie weiter und immer weiter. Bis in einen einsamen Park. Dort brach sie erschöpft zusammen. Regen setzte ein und wusch ihr die Tränen vom Gesicht. Er durchnässte ihre Kleider und ihr Haar, das wie ein Kranz um ihren Kopf lag. Aber Marron spürte ihn nicht. Genauso wenig, wie sie die Nacht spürte, die ihre Schleier über den einsamen Park breitete. Und sie bemerkte auch nicht die Gestalt, die in einen dunklen Mantel gehüllt plötzlich aus der Dunkelheit auftauchte und sie mitnahm...