Epilog
Der fünfzehnjährige Obi-Wan stand inmitten des Mosaikkreises, den die zwölf ranghöchsten Mitgliedern des Hohen Rates bildeten. An den bodenlangen Glasfenstern des Raumes schossen Raumschiffe vorbei und hinterließen kleine graue Rauchschwaden über den Dächern von Coruscant.
Es war still im Raum. Obi-Wan spürte von allen Seiten die vorwurfsvollen Blicke der Jedimeister, und er fühlte sich mit einem Mal sehr klein und hilflos.
Schließlich räusperte sich Mace Windu, ein dunkelhäutiger Jedi mit klaren, durchdringenden Augen, und er richtete das Wort an den jungen Padawan.
„Obi-Wan Kenobi, Schüler Qui-Gon Jinns. Wie dem Hohen Rat bekannt ist, hat es auf Alderaan einige Zwischenfälle gegeben, die uns dazu veranlasst haben, Eure Ausbildung zum Jedi noch einmal zu überdenken. Gerald Fawcetts Abschlussbericht liegt uns vor. Ich möchte es Euch ersparen, ihn erneut vorzulesen, denn Ihr wisst selbst, junger Padawan, was man Euch vorwirft. Es genügt wohl zu sagen, dass Ihr und eine junge Schülerin die Regeln aufs Unsittlichste missachtet habt. Habt Ihr dazu irgendetwas zu sagen?"
Obwohl Obi-Wan nervös war und den Entschluss des Rats fürchtete, musste er sich bei diesen Worten unwillkürlich ein Grinsen verkneifen. Unsittlich! So wie Windu es aussprach, klang es beinah wie eine Krankheit, ein Fluch, der von ihm Besitz ergriffen hatte, ohne dass er es wollte. Doch dem war nicht so. Niemand im Raum, nicht mal die ältesten Mitglieder des Ordens konnten sich ein Bild davon machen, welch wunderbare Gefühle ihm durch die Regelmissachtung zuteil geworden waren. Und selbst wenn er allen Jedimeistern hohen Respekt zollte, so fühlte er sich ihnen doch einen Augenblick lang überlegen.
„Nun, Obi-Wan?" Obgleich Windu leise sprach, klang seine Stimme schneidend wie eine Rasierklinge. Schuldbewusst senkte der junge Schüler den Kopf.
„Es ist wahr, Sir", sagte er.
„Dann hat Fawcett sich in seinem Bericht nicht getäuscht? Es hat sich alles genauso zugetragen, wie er es beschreibt?"
„Ja, Sir."
Der dunkle Jedimeister gab einen tiefen Seufzer von sich. Unsicher hob Obi-Wan den Kopf und sah in die Runde, vereinzelt tuschelten die Ordensmitglieder untereinander. Was mochten sie mit ihm anstellen, jetzt, wo er seine Schuld eingestanden hatte?
„Große Gefühle in dir kämpfen, junger Jedi. Sie beherrschen du zur Zeit nicht imstande bist, oh nein."
Abrupt wandte Obi-Wan den Kopf zur rechten Person Windus, sein Lehrmeister Yoda lächelte ihn aus großen, dunkelgrünen Augen warm an.
„Doch ich sehe zugleich große Stärke in dir. Großen Mut, große Entschlossenheit. Ein Jedi zu werden noch immer dein Wunsch ist?"
Obi-Wan öffnete den Mund. Ja! Ja, natürlich. Ein Jedi zu werden. Auf Seiten des Guten zu kämpfen, gegen Macht und Unterdrückung. Doch in den letzten Tagen hatte er sich bereits damit abgefunden, dass er diese Möglichkeit nun für immer vertan hatte.
„Ja", sagte er verhalten. „Es ist mein Wunsch."
„Dann du dich sehr anstrengen musst", erwiderte der kleine Jedimeister streng.
Windu hatte inzwischen das Gespräch mit seinem Nachbarn beendet. „Hört zu, Obi-Wan. Wir sind zu der Übereinkunft gekommen, Euren Verstoß gegen die Regeln dieses eine Mal noch zu tolerieren. Nicht, dass Euer Betragen belanglos wäre. Ihr habt Euch wissentlich den Anordnungen des Rats widersetzt, und Ihr wisst, das solch ein Verstoß normalerweise das Ende Eurer Ausbildung bedeutet hätte. Doch Ihr seid jung, und die Gefühle, die Euch plagen, sind nur natürlich. Ihr musst jedoch lernen, sie zu kontrollieren. Und um diesen Weg einzuschlagen, werdet Ihr die nächsten Tage in Eurem Quartier verbringen und Eure Entscheidung in tiefer Meditation überdenken. Dies ist das Urteil des Rates. Ihr könnt jetzt gehen."
Mit einem stummen Nicken verabschiedete sich Obi-Wan. Er hatte geglaubt, eine unheimliche Erleichterung zu spüren, wenn der Rat ihm tatsächlich eine zweite Chance geben würde. Doch seltsamerweise war dies nicht der Fall.
„Enttäuschen du uns nicht wirst, junger Jedi", rief Yoda ihm zuversichtlich nach, ehe er den Raum verlassen hatte und die Schotten hinter ihm zu geglitten waren.
Als Obi-Wan durch den dunklen Korridor schritt und auf den Balkon hinaustrat, hatte er die Entscheidung der Jedimeister schon beinah vergessen. Seine Gedanken kreisten um Thila.
Wie würde ihr es wohl ergehen? Würde ihr Orden sie wohl verstoßen? Hatte ihr Jedi-Dasein aufgrund ihrer Liebe zu ihm nun mit einem Mal ein vorschnelles Ende gefunden? Und hasste sie ihn vielleicht sogar deswegen?
Höchstwahrscheinlich würde er es nie erfahren.
Tief in Gedanken versunken stützte sich Obi-Wan auf das Balkongeländer und beobachtete die Stadt unter sich. Selbstverständlich würde er dem Entschluss des Rats Folge leisten. Er würde meditieren, würde lernen, würde an sich arbeiten – wahrscheinlich härter, als zuvor.
Er würde Jedi werden, denn dies war sein Wunsch. Dennoch war es ganz genau so, wie die junge Pilotin gesagt hatte – er bereute nichts. Absolut nichts.
Ich werde dich nicht vergessen, dachte Obi-Wan, während ein großer Raumgleiter an ihm vorbeirauschte, auf Hyperantrieb beschleunigte, und mit einem gekonnten Flugmanöver zischend im wolkigen Himmel über Coruscant verschwand.
