Prolog
Kleine Luftblasen blubberten durch den Tank und bahnten sich einen Weg durch die grau-grüne Flüssigkeit bis ganz nach oben. Der große Behälter war vollständig mit dieser merkwürdigen zähen Brühe gefüllt, die langsam in ihm zirkulierte. Duzende von innen angebrachte Kabel und Schläuche bewegten sich sanft in der künstlichen Strömung, fast so als hätten sie ein eigenes Leben. Sie waren an einem dunklem und unregelmäßig geformten Gebilde befestigt und schienen irgendeine Funktion zu erfüllen, die man nicht sofort erkennen konnte.
Durch ein großes Bullauge drang hin und wieder etwas Tageslicht in den Tank ein, das jedoch von der zähen Suppe im Innern augenblicklich wieder verschluckt wurde. Diese feinen Lichtblitze reichten kaum aus, um das Innere des Tanks ausreichend zu beleuchten, doch ließen sie einige wichtige Einzelheiten erkennen: Das Objekt, das im Zentrum der Kapsel vor sich hin dümpelte, war am Leben!
Seine Umrisse glichen dem eines Menschen, die kleine Brust hob und senkte sich, während seine Lungen die Luft aus einem der zahlreichen Schläuche aufnahmen und wieder abgaben. Die Muskeln spannten sich jedes Mal, wenn aus einem der Kabel ein leichter Stromstoß in seinen Körper zischte. Der Kopf des Wesens schien nur aus dunklen Haaren zu bestehen, deren Farbe man nicht wirklich bestimmen konnte: Sie mochten braun oder gar schwarz sein, in der trüben Flüssigkeit konnte man das nicht erkennen. Durch Medikamente ruhiggestellt, trieb das Geschöpf einfach im Zentrum des Tanks, bewegungs- und hilflos.
Durch die Luke im Tank konnte es manchmal undeutliche Schatten erkennen, die sich immer hektisch hin und her bewegten. Sie schienen dauernd irgendetwas an dem Tank zu verändern, sie regulierten die Stromstöße, die durch seinen Körper fuhren und dabei krampfhafte Zuckungen der Muskeln verursachten. Nährlösungen wurden hinzugefügt, damit es nicht verhungern konnte.
Es ließ alles ruhig über sich ergehen, denn seit seiner Geburt – oder seit seiner Erschaffung? – kannte es nichts Anderes als den Tank in dem es vor sich hinvegetierte. Es hatte zwar ein eigenes Bewusstsein, doch seine Gedanken glichen denen eines neugeborenen Kleinkindes. Sie waren leer und beschränkten sich auf Gefühle wie „warm" oder „kalt", „hell" oder „dunkel". Wenn man es in diesem Zustand aus dem Tank lassen würde, wäre es hilfloser als ein einjähriges Baby, obwohl es körperlich schon wesentlich älter wäre.
Wieder einmal bewegten sich die Schatten vor dem Tank und plötzlich fuhr wie gewöhnlich ein Stromstoß durch den Körper des Wesens. Doch diesmal wurde es ganz anders: Er hörte nicht mehr auf! Konstant wurde die Energie in ihn hineingestrahlt und bewirkte eine totale Verkrampfung all seiner Muskeln. Lautlos schrie es auf und auf einmal...auf einmal begann es zu verstehen...
Gedanken strömten durch das Gehirn des Wesens, echte Gedanken in Form von Worten, Bildern und Gefühlen. Sie verankerten sich blitzschnell in seinem Geist und es konnte förmlich fühlen, wie sich sein Gehirn anpasste. Tausende Verbindungen stellten sich abrupt zwischen den einzelnen Gehirnzellen her, als die eingeschaltete Lernmaschine weiterhin den Reizstrom aufrecht erhielt.
Plötzlich hörte das Lebewesen in Tank...Geräusche! Vorher waren es nur wage Empfindungen gewesen, ein Druck in seinen Ohren mit dem es nichts anzufangen wusste. Jetzt wusste es, dass es Geräusche waren, ein Wirrwarr aus Tönen.
Unvermittelt öffneten sich die Augen zum ersten Mal ganz und die bisher unbenutzten Linsen und Pupillen funktionierten so, als hätten sie nie etwas Anderes gemacht. Das Hirn setzte die neuartigen Bilder sofort richtig zusammen und das Wesen konnte plötzlich scharf sehen!
Der einfache Tastsinn reifte unglaublich schnell heran bis es selbst feinste Temperaturunterschiede wahrnehmen konnte.
Eine merkwürdige Mischung aus verschiedenen Mitteln jagte durch eine Hochdruckspritze in den Blutkreislauf des Wesens und vermengte sich mit seinem Blut. Sekunden lang passierte nichts, dann verkrampften sich seine Muskeln noch stärker und es riss die Augen in unendlichem Schmerz auf. Es verhielt sich so, als ob sein ganzer Körper in Flammen stehen würde, bäumte sich trotz der Krämpfe immer wieder auf, als die Medikamente ihre Wirkung entfachten: Mit einem lauten pumpenden Geräusch begannen seine Muskeln zu pulsieren und anzuschwellen! Binnen Minuten hatte das Lebewesen in dem Tank enorme Muskelmassen wie man sie normalerweise nur nach jahrelangem Training besitzen kann...
Dann war es auf einmal vorbei. Der konstante Stromstoß verebbte langsam und das Wesen sackte total erschöpft in sich zusammen und trieb, wie vorher, bewegungslos in der grau-grünen Flüssigkeit herum. Es war zwar bei Bewusstsein, aber noch ziemlich überanstrengt und auch irgendwie überfordert mit seinen neuen Fähigkeiten. Ganz instinktiv fühlte es die Kräfte, die jetzt nur darauf warteten freigelassen zu werden.
Plötzlich drang eine undeutliche Stimme von außen durch die zähe Flüssigkeit zu ihm durch:
„Muskelaufbau und Lernphase Eins abgeschlossen!"
„Gut, wann wird er soweit sein?" antwortete eine andere, tiefere Stimme der ersten.
„Frühestens in einer Woche..."
„Das ist zu spät!"
„Ich weiß...wenn wir ihn aber zu schnell altern lassen, kann er dabei den Verstand verlieren..."
„Lieber ein verrückter Kämpfer, als ein toter Kämpfer!"
Die zweite Stimme veränderte ihren Ton, wurde irgendwie anders. Das Wesen im Tank wusste noch nicht, was Gefühle sind, was die Worte Ärger, Wut, Angst, Furcht und Mut bedeuteten. Es verstand zwar die Wörter im Allgemeinen, jedoch blieb ihm der Sinn des ganzen Satzes verborgen. Für einen kurzen Augenblick wurde seine Aufmerksamkeit abgelenkt, als es seine ‚Erinnerungen' danach durchforstete, wer die beiden draußen vor dem Tank sein könnten.
Eine weitere, schreiende Stimme unterbrach die beiden anderen bei ihrem Streit, doch man konnte im Tank nicht verstehen, worum es diesmal ging. Nur einzelne Worte drangen bis ins Innere vor, und die waren alles andere als aufschlussreich:
„...sicher? Freezer...unmöglich...gefunden...!"
„Ganz...! Raumkapseln...Anflug!"
„...viele?"
„Fünf!"
„...Mist! Ginyu...kommando...keine Chance! Zurück auf deinen Posten, Pottetto!"
Die Stimmen waren nun wieder voneinander zu unterscheiden und das Wesen konnte das feine Zittern in ihnen deutlich hören. Ein lauter Alarm begann loszuschrillen, dröhnte durch den Tank und ein seltsames Getrappel wurde von außerhalb hörbar.
„Was ist mit Daizu? Er ist noch ein Kind, sowohl geistig als auch körperlich. Er mag zwar stark sein, aber er ist vollkommen unerfahren"
„Er kann nicht mitkämpfen. Wir müssen ihn im Tank zurücklassen. Er ist das letzte Kind unserer Rasse. Er ist unsere einzige Hoffnung auf Rache. Der Tank sollte ihn vor den Scoutern der Ginyu-Force schützen, trotzdem sollten wir sie nicht gerade hierher führen"
„Du hast Recht, Mame, ich schalte den Lerntimer an, dann gehen wir"
Undeutlich konnte man nun das Klicken von Tasten hören, dann wurde eine Hand gegen die Sichtluke des Tanks gepresst.
„Werde stark, mein kleiner Daizu, und räche unser Volk!"
Ein Lichtblitz und eine leichte Erschütterung später wurde es ruhig und Daizu, das letzte Kind der Saiya-jin fiel in einen unruhigen Schlaf...
