Disclaimer - findet ihr im ersten Kapitel
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Kapitel VI - Mouton de Rothschild
"Nein, ich gehe da nicht rein!"
Grummelnd stand Vivian mit verschränkten Armen vor dem Eingang zum Keller, vor ihr sowohl Lupin
als auch Dumbledore. Lupin mußte die ganze Zeit grinsen und auch Dumbledore schien amüsiert zu sein. Er
sah die junge Dame über seine Brille hinweg an.
"Dann wird der Unterricht nach den Ferien entweder ausfallen oder wieder von Professor Snape
übernommen werden." sagte er ruhig.
"Können wir die Klassen nicht aufteilen? Vormittags ein Kurs und nachmittags einer?" fragte sie
verzweifelt, als wäre der Gang zu Snapes Quartier ein Sprung durch einen Dornenbusch.
"Du kannst ihn doch einfach fragen gehen, er wird dir schon nicht den Kopf abbeißen." versuchte es
nun Lupin.
"Er mir nicht. Aber ich ihm, wenn er .. sich wieder so benimmt."
"Es ist Weihnachten. Allgemein auch als Fest der Liebe und des Friedens bekannt."
Lupin konnte sich nicht helfen, vor seinem inneren Auge sah er Snape, wie er gerade ein paar
Weihnachtsbäume in die Luft jagte und ein paar Hufflepuffs und Gryffindors Punkte abzog dafür, daß sie
Geschenke bekommen hatten.
"Ich glaube, genau aus diesem Grund sollten wir ihn in Ruhe lassen. Zumindest heute." murmelte
Lupin, als er seine Augen langsam auf Dumbledore richtete.
Der Leiter der Schule seufzte resignierend. "Ich überlasse ihnen, wann sie mit ihm reden, Miss
Valentine, aber ich bitte sie, das noch vor dem nächsten Trimester zu tun. Ich muß nun selbst noch ein paar
Weihnachtsgrüße per Eule verschicken..." sagte er freundlich, lächelte den beiden jüngeren Lehrern zu und
verließ sie.
Vivian wollte auch gerade an Lupin vorbei drängen, um Dumbledore zu folgen, als dieser sie bei den
Schultern fasste. Sie drehte ihren Kopf und blickte ihn fragend an, er aber sah ziemlich ernst aus.
"Hör mal, du kannst nicht für den Rest deines Aufenthaltes hier mit Severus schmollen." sagte er sanft,
als wenn er Angst hätte, daß er sie aufregen könnte.
"Das tut jeder andere doch auch."
Da hatte sie allerdings einen Punkt. "Nicht jeder. Sieh mich und Dumbledore an. Wir, nun ... wir stehen
zu Severus."
"Aber--"
"Er ist nun mal ein Dickkopf. Du mußt nur den ersten Schritt machen, dann wird sich das alles bessern,
glaub mir."
"Nach dem, was er heute Mittag abgezogen hat?"
"Ja, nach dem, was du heute Mittag abgezogen hast."
Ein schuldiges Gefühl machte sich in Vivians Magen breit. Was sie gesagt hatte war wirklich nicht nett
gewesen, aber, so fand sie, er hatte es verdient. "Na gut, was schlägst du vor?"
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Das Pergament, was vor ihm lag, war mit dunklen Bluttropfen übersäht, die konstant von seiner Nase
tropften. Die Feder hatte er schon lange zur Seite gelegt, er starrte nur auf die Daten, die auf dem Papier
standen.
Am 29. November war er hier das letzte Mal gewesen, und jetzt war mittlerweile der 25. Dezember. Er
konnte sich erinnern, in seiner Rabenform vom Schulgelände geflogen zu sein, da das Disapperieren und
Apperieren auf selbigen nicht möglich war. Danach hatte er sich mit den anderen Death Eatern getroffen ...
aber wo, warum und vor allem, wer dabei war, wußte er nicht mehr. Das Nächste, an was er sich erinnerte, war
das frostige Erwachen auf dem zugefrorenen See.
Seufzend legte er den Kopf in die Hände, darauf achtend, daß er nicht an den Schnitt auf seiner Stirn
kam. Das ergab alles keinen Sinn. Er mußte diese Zeit, es war immerhin fast ein Monat gewesen, irgendwo
verbracht haben ... und warum hatte er daran keine Erinnerung?
Gegen kleinere Erinnerungsblockaden half ein Wahrheitstrank, aber irgendwie hatte Snape das Gefühl,
daß, wer auch immer seine Erinnerung blockiert hatte, recht mächtig gewesen war. Und er wollte sich seinen
Geist schließlich nicht mit Gewalt zerbrechen.
Das taten bereits andere Leute für ihn, dachte er bitter.
Das Klopfen an der Tür nahm er erst gar nicht wahr. Nach dem vierten oder fünften Mal sah er erst auf,
wischte seine leicht blutigen Hände an seiner Robe ab, strich mit dem Ärmel der Robe über seine Wange und
seine Nase und ging zur Tür.
Eine neue Robe hatte er mittlerweile an, die die meisten seiner Verletzungen verbarg, aber der Schnitt
im Gesicht wollte einfach nicht aufhören, zu bluten. Und ein Pflaster ... pff, ein Pflaster auf der Stirn, der Nase
und der Wange, wie würde das denn aussehen? Im Moment hoffte er jedenfalls, daß sein Aussehen denjenigen,
der vor dieser Tür stand, verscheuchen würde.
Er öffnete die Tür und zog im gleichen Moment beide Brauen hoch (was ziemlich schmerzhaft war, wie
er feststellte, und diese Miene schnell wieder einstellte). Vor der Tür stand, zu seiner großen Überraschung und
auch zu seinem Entsetzen, die kleine Alchemistin, die er heute Mittag gegen die Wand klatschen wollte. Sie hielt
eine Flasche in der einen Hand und zwei Gläser in der anderen Hand.
Ihr Gesichtausdruck verriet, daß sie von dieser Konfrontation genau so wenig begeistert war, wie Snape
selbst. Mit verzogenem Mund sah sie zu ihm hoch, hob dann die Hand mit der Flasche, in der sich anscheinend
Wein befand, wortlos. Entweder wußte sie nicht, was sie sagen sollte (was Snape allerdings für sehr
unwahrscheinlich hielt, bei dieser großen Klappe) oder sie kam sich extrem dumm vor.
An der Wand neben der Tür stand Lupin und fragte sich, ob die beiden gerade dabei waren, ihre
Zauberstäbe zu ziehen, als die Tür mit einem lauten Krachen wieder zugeworfen wurde. Entnervt drehte sich
Vivian zu Lupin.
"Was für eine bescheuerte Idee!" rief sie, "Und er schien auch nicht sehr viel davon zu halten." Sie
zeigte mit der Hand mit den Gläsern auf die geschlossene Tür.
Lupin seufzte und wollte gerade auf sie zugehen, als die Tür erneut aufgemacht wurde, diesmal stand
jedoch niemand da, der Vivian anstarrte. Der Homide drückte sich wieder flach gegen die Wand.
"Kommen sie rein und machen sie die Tür zu." kam es aus dem Raum. Lupin mußte breit grinsen, sein
Plan hatte doch funktioniert. Vivian hingegen schien das gar nicht so toll zu finden. Sie schoß Lupin einen letzten
bösen Blick zu und betrat dann Snapes Quartier, die Tür hinter sich schließend.
Für einen Moment überlegte Lupin, ob er an der Tür lauschen sollte, erinnerte sich dann aber an den
guten alten Stille-Zauber, den Snape gewöhnlich auf die Tür legte, wenn er mit jemandem sprach. Zu oft schon
hatten Schüler an der Tür gelauscht und er hatte jedes Mal Ärger bekommen, wenn er ihnen die Ohren verbrannt
hatte.
"Setzen sie sich." brummte Snape und deutete Vage auf den Sessel, der vor dem erloschenen Kamin
stand. Er selbst saß an seinem Schreibtisch saß und starrte intensiv auf das Blatt mit den zwei Daten. Aus dem
Augenwinkel konnte er sehen, wie das Kind (er hatte sich an diese Bezeichnung gewöhnt) ihren Zauberstab zog
und zwei kleine Feuerbälle in den Kamin schoß, so daß es für einen Moment Asche regnete. Aber dafür brannte
im Kamin jetzt auch ein großes Feuerchen.
Ein bißchen zu groß, wie Vivian fand. Sie rutsche mit dem Stuhl ein paar Zentimeter weiter weg.
"Lupins Idee?" fragte Snape schließlich über das Knistern des sich erneuernden Holzes hinweg.
"Hä?"
"War das Lupins Idee?" fragte er erneut, als er mit einer Hand auf die Flasche deutete, die nun am Fuß
des Stuhles stand.
Für einen Augenblick wußte sie nicht, was sie sagen sollte. Hatte es Sinn, ihn anzulügen? Wohl nicht,
und da seine Frage sowieso mehr nach einer Aussage klang, beschloß sie, einfach nur zu nicken.
"Mouton de Rothschild?"
"Äh, bitte?" War das ein neuer Zauberspruch?
"Der Wein."
Mit gerunzelter Stirn hob sie die Flasche und sah auf das Etikett. Tatsächlich, dort stand in
verschnörkelter Schrift Mouton de Rothschild. Darunter eine Zahl, 1993.
Vivian kam sich aus irgendeinem Grund extrem blöd vor, daher suchte sie verzweifelt nach einem
Gesprächsthema. "Neunzehnhundertdreiundneunzig." murmelte sie, als sie immer noch interessiert auf das Etikett
starrte, auch wenn es da nichts mehr zu sehen gab.
Snape starrte immer noch auf sein Blatt und beschäftigte sich mittlerweile damit, die Bluttropfen zu
zählen, weil er sich mindestens genau so blöd vorkam. "Es gibt doch Dinge, die Muggle gut beherrschen."
sagte er schließlich.
Vivian hatte die Flasche mittlerweile entkorkt (der Korken war wie der einer Sektflasche nach dem
Antippen mit dem Zauberstab durch den halben Raum geflogen) und war dabei, sich ein Glas einzuschenken.
Nach dem ersten Schluck sah sie zu Snape, der immer noch auf ein merkwürdiges rotes Blatt starrte.
Irgendwie war es nicht richtig, die Flasche alleine zu trinken.
"Was ist, wollen sie nichts?" fragte sie, ein wenig mehr Aggression in ihrer Stimme als sie eigentlich
beabsichtigt hatte, aber Snape schien das zu ignorieren. Stattdessen sah er auf, legte das Blatt beiseite, nahm
seinen Stuhl und setzte sich ihr schräg gegenüber an das Feuer.
Sie reichte ihm das zweite Glas, in dem sich schon Wein befand, welches er mit einem Nicken
akzeptierte. Aber er nippte nur daran, und plötzlich schien es Vivian extrem ungesittet, daß sie ihr erstes Glas
runtergestürzt hatte. Aber sie traute sich plötzlich nicht mehr, irgendetwas zu sagen. Sie fühlte sich extrem
unwohl.
"So," begann Snape so plötzlich, daß sie beinahe vor Schreck an die Decke gesprungen wäre, "Was
bringt Lupin auf die Idee, sie mit der Flasche hier herunter zu schicken?"
Was für eine tolle Frage. Mußte er diese Frage ausgerechnet jetzt stellen? Sie fummelte für einen
Moment nervös an ihrem Weinglas herum, bevor sie mit einem leichten Grinsen antwortete.
"Ich denke, das heute Mittag war von uns beiden extrem kindisch." Zu gerne hätte sie ein "Aber so
verhalten sie sich ja sowieso immer." hinzu gefügt, hielt sich aber zurück. Schließlich war sie nicht hier,
um erneut mit ihm Streit anzufangen. Und das alles tat sie nur Lupin zuliebe.
Snape war das Thema anscheinend auch nicht gerade recht, so wechselte er es kurzerhand.
"Ich habe gesehen, daß sie so... freundlich waren, Professor Lupin seinen Trank zu brauen." sagte er
und seine Augen lösten sich von dem Feuer, um sie anzustarren.
"Oh, ja, Remus hat mich darum gebeten. Und das Rezept ist nun wirklich nicht schwer." sagte sie.
Leichter Ärger kam in ihr hoch. Er hörte sich an, als würde er ihr beibringen wollen, daß das "Professor Lupin"
und nicht etwa "Remus" hieß. Aber da hatte er sich geschnitten.
Soso, die Kleine war mit Remus also schon per du. Interessant, was sich alles innerhalb einer Woche
verändern kann, dachte Snape grimmig.
Vivian konnte nach ihrem dritten Glas fühlen, wie ihre Wangen anfingen, zu glühen, aber das störte sie
nicht. Viel mehr mußte sie dann und wann anfangen zu kichern, als sie an die Szene heute Mittag dachte. Sie
erntete für das Gekichere von Snape zwar fragende Blicke, aber er sprach sie nicht darauf an.
Erneut versuchte sie, ein Gespräch anzufangen. "Und, was haben sie zu Weihnachten bekommen?"
Snape sah sie an, als hätte sie ihn gerade übelst beschimpft. Zu spät merkte Vivian, daß diese Frage
ein Fehler gewesen war. Aber Snape antwortete zu ihrer großen Überraschung trotzdem.
"Eine Rechnung."
Bevor sie wußte, was sie tat, brach sie in Gelächter aus. Diese Aussage des Alchemieprofessors war
wohl so unlustig gewesen, daß man einfach darüber lachen musste. Mit Tränen in den Augen sah sie zu ihm auf,
murmelte ein "Entschuldigung." bevor sie wieder in Gelächter ausbrach.
Sie rechnete damit, daß der Kerl sie jeden Moment rauswerfen würde, aber er starrte einfach nur
weiterhin ins Feuer und trank dann und wann einen Schluck Wein. Er hatte vollkommen vergessen, daß heute
Weihnachten war. Aber für ihn unterschied sich Weihnachten nicht viel von anderen Tagen. Nur die fröhlichen
Kinder hatten einen nervraubenden Effekt auf ihn.
Nachdem sich Vivian wieder gefangen hatte und sich ein weiteres Glas Wein einschenkte (sie hatte
bereits die halbe Flasche alleine getrunken, Snape hatte gerade mal sein erstes Glas leer gemacht), sah sie
wieder zu ihm und ertappte ihn dabei, wie er sich gerade mit dem Ärmel über die Wange wischte. Stirnrunzelnd
sah sie zu seiner Wunde, die immer noch vor sich hin blutete.
"Haben sie mal daran gedacht, das behandeln zu lassen?" fragte sie, die Augen immer noch auf der
Wunde.
"Wozu?" kam die knappe Antwort zurück. "Wenn ich es behandeln lasse, ist es in einer Woche verheilt.
Wenn nicht, in sieben Tagen."
"Das gibt bestimmt eine häßliche Narbe."
"Wen würde das stören?" Mist. Das hätte er nicht sagen sollen. Es klang wie eine Überdosis
Selbstmitleid. Und das vor dieser Frau.
"Keine Ahnung." antwortete sie. "Sie vielleicht?"
Snape fielen so viele Antworten auf diesen Satz ein, er wählte aber keine von diesen aus, sondern
zuckte lediglich mit den Schultern. Nach einer weiteren Minute Schweigens goß er sich noch ein Glas Wein ein.
Vivian fühlte sich mittlerweile extrem mutig. Sie wußte, daß das am Alkohol lag, konnte aber nichts
dagegen machen. Plötzlich hielt sie es für eine sehr gute Idee, den Professor zu verarzten. Sie stand auf, zog
ihren Zauberstab und stellte sich vor Snape, welcher die Augenbrauen hochzog.
Er war kurz davor, die Frau mit einem Windstoß gegen die Wand zu schleudern (das einzige, was ihm
ohne Zauberstab wirklich gelang, war Elementarmagie), als sie sich vorbeugte, ihre Hand auf seine Stirn legte
und ihn zurück drückte. Dann positionierte sie die Spitze ihres Zauberstabes über der Wunde.
"Das würde ich nicht tun." sagte Snape ruhig. "Ich habe immer noch einen Gegenfluch auf mir liegen,
und ein Heilzauber würde die Wunde möglicherweise nur noch größer machen." Er packte ihre Hand beim
Handgelenk und riß sie sich von der Stirn.
"Eh." machte Vivian, "Aber so entzündet sie sich nur."
"Das stört mich nicht."
Sie zuckte mit den Schultern und steckte ihren Stab wieder weg. "Dann nehmen wir eben ein Pfaster."
stellte sie fröhlich fest und machte sich auf den Weg zu seinem Schreibtisch. "Sie haben doch hier bestimmt
eines rumliegen." Murmelnd durchwühlte sie seine Unterlagen auf dem Schreibtisch (in diesem Moment erschien
ihr selbst das als eine gute Idee), bis sie auf ein altes, zerrissenes Foto stoß.
Ein Muggle-Foto, es bewegte sich nicht. Dennoch waren auf ihm zwei Magier zu sehen, ein Mann mit
blonden Haaren und einem breiten Grinsen und eine Frau mit hellbraunen Haaren. Der Mann trug eine schwarze
Robe mit einem weinroten Umhang (Vivian bekam in diesem Moment wieder Durst) und die Frau eine hellgrüne
Robe, die Vivian an einen jungen Apfelbaum erinnerte.
Ein schneller Blick zum Kamin sagte ihr, daß Snape immer noch mit dem Rücken zu ihr saß. Sie könnte
das Foto einfach einstecken und später Lupin dazu befragen, der schien einiges über Snape zu wissen. Also
steckte sie das Foto in eine der Innentaschen ihrer Robe. Um keinen Verdacht zu erregen suchte sie zwischen
dem Papier weiter nach etwas, was sich als Pflaster eignete. Nach einer Weile fand sie ein paar weiße Stoff-
fetzen, von einem Lappen oder Ähnlichem.
Snape war kurz davor, aufzuspringen und das Kind rauszuwerfen. Erst wühlte sie sich durch seine
Unterlagen und jetzt kramte sie auch noch in seinen Schränken rum. Wenn sie das nicht gleich lassen würde,
wäre sie fällig. Aber in diesem Moment kam sie auch schon zurück, mit einem alten Lappen und 99 Prozentigem
Alkohol.
Sie stellte sich wieder vor ihn und träufelte etwas Alkohol auf den Lappen. "Das brennt jetzt ein wenig,
aber das ist gleich vorbei."