Zweites Kapitel
Die Fratze im Spiegel
Christine's Kopf ruhte auf Raoul's Schulter. Sie hatte die letzten zwei Stunden praktisch ununterbrochen
geweint. Nun fühlte sie sich müde und wie ausgehöhlt.
Sie saßen vor der Zimmertür ihrer Tochter und warteten auf den Arzt.
Endlich ging die Tür auf und der Arzt kam heraus.
Christine sprang auf. „Wie geht es ihr? Wird sie bald wieder gesund?" fragte sie drängend.
Der Arzt sah sie merkwürdig an. Wie er es haßte, solche Dinge zu sagen!
„Madame, ihre Tochter wird bald den Blutverlust überstanden haben. Ihr Angreifer hat ja nur ihr Gesicht
attackiert." Kurz versank er in Schweigen, dann holte er tief Luft. „Leider habe ich auch schlechte
Nachrichten für Sie. Die Verletzungen im Gesicht sind so schwerwiegend, daß sie nie ganz verheilen
werden. Um es kurz zu machen, sie wird bis an ihr Lebensende entstellt sein."
Christine begann zu taumeln und Raoul sprang schnell auf, um sie aufzufangen.
„Ihr ganzes Gesicht?" erkundigte er sich. „Dreiviertel," antwortete der Arzt. „Nur unter dem linken
Wangenknochen wurde sie nicht verletzt."
Christine sackte in ihren Stuhl zurück.
Plötzlich hatte sich ein riesiger Schatten über ihr Leben gelegt.
Und dieses Mal würden sie ihm nicht mehr entrinnen können.
°°°
Die Tage floßen so langsam dahin wie zähflüssiger Honig. Christine verbrachte die ganze Zeit bei
Cathèrine. Auf Anraten des Arztes hatten sie sie in den ruhigsten Teil des Hauses gebracht.
Das Mädchen war nun im zweiten Stock untergebracht. Ihr neues Zimmer hatte einen Balkon, der nach hinten
hinausging und einen herrlichen Blick in die Ferne gewährte.
Derzeit aber war das für Cathèrine uninteressant. Sie schlief die meiste Zeit und war sie wach, klagte sie
über furchtbare Schmerzen.
Ihr ganzes Gesicht war mit einer dicken Schicht von weißem Verbandsmull bedeckt, aus dem zwei braune
Augen herauslinsten. Das Essen fiel ihr schwer und jedes Wort jagte Höllenschmerzen durch die zerstörten
Teile ihres Gesichts.
Aber der Verbandsmull verdeckte es. Eine merkwürdig beruhigende Tatsache wie Christine feststellte.
Wenn sie das Gesicht nicht sah, mußte sie sich auch nicht mit ihren trüben Gedanken und Erinnerungen herumquälen.
Trotzdem kehrten sie wieder.
Wie sie sich von Madame de Belle's Worten hatte einlullen lassen.
‚Hätte ich nur besser aufgepasst!' warf sie sich vor.
Sie hätte Cathèrine nicht aus den Augen lassen dürfen, hätte nicht darauf vertrauen sollen, daß das Kind
ständig an ihrer Seite blieb...
Als sie ihr Verschwinden bemerkte, war es bereits zu spät.
Eine gehetzte Suchaktion hatte stattgefunden, alle Angestellten der de Belle hatten mitgeholfen.
Der entsetzte Aufschrei des Butlers hatte sie alle in dieser furchtbaren Seitengasse zusammengeführt.
Christine hatte einen schrillen Schrei ausgestoßen als sie ihre Tochter blutbesudelt auf dem Boden liegen sah.
Und daneben dieser Mann, der so irrsinnig lachte.
Christine hatte sich neben Cathèrine gekniet und versucht, das Blut fortzuwischen.
„Warum? Warum haben Sie das getan?" Ihr Schreien und Schluchzen klang ihr noch immer in den Ohren.
Der Mann hatte aufgehört zu lachen und gesagt: „Niemand wird mich vergessen!"
Danach hatte er wieder zu lachen begonnen als wäre heute der schönste Tag seines Lebens.
Die Kammerzofe der de Belle hatte sich nach vorne gedrängt und war mit einem Aufschrei
zusammengebrochen.
Später sagte man den Chagnys sie habe eine Affäre mit diesem Mann gehabt.
Christine wußte kaum noch, wie sie nach Hause gekommen waren.
Madame de Belle's Kutsche. Dann das Chateau. Der Arzt, der so schnell einfuhr, daß die Kutsche auf dem
weißen Kies schlingerte. Weißer Kies und darauf rotes Blut.
Jetzt schien alles so leer. So ermüdend leer.
Christine stützte ihren Kopf auf ihre Hände.
Cathèrine bewegte sich manchmal in dem künstlichen, schmerzlosen Schlaf.
Laudanum, hatte der Arzt gemeint, würde dafür sorgen, daß sie durchschlief.
Eines Abends kam Raoul zu Christine und setzte sich neben sie.
„Glaubst du, Gott will uns bestrafen?" fragte Christine ihn plötzlich.
„Bestrafen? Wegen was? Wir waren immer gute Christenmenschen, warum sollte er uns bestrafen wollen?"
„Erik," hauchte seine Ehefrau.
Raoul stöhnte. „Erik hat mit der ganzen Sache nichts zu tun. Er war der Mörder, nicht wir."
Christine sah ihn schweigend an, dann wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder Cathèrine zu.
‚Ich frage mich wirklich, was in Christine's Hirn vorgeht. Erik ist tot. Oder zumindest hat man seit zehn
Jahren nichts mehr von ihm gehört. Sie sollte ihn endlich vergessen,' dachte Raoul, während er neben Christine
wachte.
°°°
Die Tage vergingen und Cathèrine gesundete zusehends. Aber durchschlafen konnte sie immer noch nicht
ohne Schmerzen. Laudanum war inzwischen zu schwach und der Arzt spritzte ihr nun Morphium.
Und mit jedem Tag die Frage „Mama, warum muß ich denn so viele Binden tragen?" und Christine's
Antwort „Damit dein Gesicht heilen kann.".
Ja, das war eine Lüge, aber Christine hatte nicht genug Kraft, ihr die Wahrheit zu sagen.
Wie sollte sie ihrer Tochter erklären, daß ihr Gesicht für immer entstellt war?
Aber die Wahrheit läßt sich nicht betrügen. Irgendwann kommt sie doch ans Licht und dann ist sie
katastrophaler als am Anfang. Auch Christine mußte diese Lektion lernen.
Drei Wochen waren seit jenem schrecklichen Tag vergangen als Christine in der Küche mit den
Küchenmädchen sprach. Der Schrei, der auf einmal durch das Haus rollte, war ohrenbetäubend.
Christine schoß die Treppe in den zweiten Stock hoch, die neugierigen Küchenmädchen hinter ihr her.
Der Schrei kam aus Cathèrine's Zimmer und davor hielten alle an.
Christine öffnete die Tür und trat ein. Es gelang ihr gerade noch, den neugierigen Hühnern die Tür vor der
Nase zuzuschlagen.
Cathèrine stand vor dem Spiegel, auf dem Boden vor ihr lag ein Haufen weißen Verbandsmulls.
Christine ging auf ihre Tochter zu. Als sie hinter ihr stand stockte ihr der Atem. Aus dem Spiegel sah ihr eine
grauenvolle Fratze entgegen.
Cathèrine drehte sich zitternd herum. „Was ist mit meinem Gesicht?" fragte sie.
Christine hatte Mühe, ihrer Tochter ins Gesicht zu sehen. Die Wunden waren zwar schon wieder mit Haut
bedeckt, aber diese war rot. Lange Narben zogen sich durch ihr Gesicht. Ein Augenlid war schlaffer und
bedeckte das darrunterliegende Auge zur Hälfte. Ein Muskel, hatte der Arzt gesagt, war hier durchtrennt
worden und er würde nicht mehr heilen. Die rechte Hälfte ihrer Lippen war nicht mehr rosig und schmal,
sondern von einem ekelerregenden dunkelrot und grauenhaft verschwollen.
Nur die von Cathèrine aus gesehene linke, untere Hälfte war weiß und heil.
Cathèrine bemerkte, wie ihre Mutter fast zwanghaft einen Punkt hinter ihr fixierte.
‚Sie kann nicht ertragen, wie ich aussehe,' dachte Cathèrine. Um ehrlich zu sein konnte sie selbst es auch
nicht ertragen.
„Wird es verheilen?" fragte das Mädchen laut.
„Der Arzt hat ‚Nein' gesagt," antwortete Christine.
„Du hast mich angelogen!" schrie Cathèrine sie an und ihre Augen wurden schwarz.
Christine suchte nach Worten, um sich zu rechtfertigen. Es fielen ihr aber keine ein.
Cathèrine packte eine der Haarbürsten, die auf dem Tischchen unter dem Spiegel lagen, und warf sie nach
ihrer Mutter. Die Bürste verfehlte Christine's Kopf um Zentimeter und knallte gegen die Wand. Sie zerbrach.
„Cathèrine!" rief Christine streng aus. „Benimm dich!"
„Hau ab!" schleuderte Cathèrine ihr ins Gesicht. „Ich will dich nicht mehr sehen! Du bist eine Lügnerin!"
Christine ging, die Augen unverwandt auf Cathèrine gerichtet, zur Tür, öffnete sie und trat hinaus.
Erst als die Tür hinter ihrer Mutter ins Schloß fiel, atmete Cathèrine auf. Sie kletterte zurück in ihr Bett.
‚Ich bin hässlich,' dachte sie sich. ‚Ich bin ein häßliches Monster.'
Sie begann zu weinen.
‚Kein Wunder, daß sie mich in dieses Zimmer gebracht haben. Hier bin ich weit von ihnen entfernt und
kann sie nicht mit meinem Anblick belästigen.'
Eine ihr unbekannte Wut schob sich in ihr Bewusstsein und setzte sich dort fest. Und Cathèrine fühlte noch
etwas, was sie früher nicht gekannt hatte.
Haß! Puren, zerstörerischen Haß auf diese Lügner und Heuchler, die sie früher immer nett angelächelt hatten.
‚Ihr werdet bezahlen!' dachte sie. ‚Ihr alle!'
by Felicia 2001
Die Fratze im Spiegel
Christine's Kopf ruhte auf Raoul's Schulter. Sie hatte die letzten zwei Stunden praktisch ununterbrochen
geweint. Nun fühlte sie sich müde und wie ausgehöhlt.
Sie saßen vor der Zimmertür ihrer Tochter und warteten auf den Arzt.
Endlich ging die Tür auf und der Arzt kam heraus.
Christine sprang auf. „Wie geht es ihr? Wird sie bald wieder gesund?" fragte sie drängend.
Der Arzt sah sie merkwürdig an. Wie er es haßte, solche Dinge zu sagen!
„Madame, ihre Tochter wird bald den Blutverlust überstanden haben. Ihr Angreifer hat ja nur ihr Gesicht
attackiert." Kurz versank er in Schweigen, dann holte er tief Luft. „Leider habe ich auch schlechte
Nachrichten für Sie. Die Verletzungen im Gesicht sind so schwerwiegend, daß sie nie ganz verheilen
werden. Um es kurz zu machen, sie wird bis an ihr Lebensende entstellt sein."
Christine begann zu taumeln und Raoul sprang schnell auf, um sie aufzufangen.
„Ihr ganzes Gesicht?" erkundigte er sich. „Dreiviertel," antwortete der Arzt. „Nur unter dem linken
Wangenknochen wurde sie nicht verletzt."
Christine sackte in ihren Stuhl zurück.
Plötzlich hatte sich ein riesiger Schatten über ihr Leben gelegt.
Und dieses Mal würden sie ihm nicht mehr entrinnen können.
°°°
Die Tage floßen so langsam dahin wie zähflüssiger Honig. Christine verbrachte die ganze Zeit bei
Cathèrine. Auf Anraten des Arztes hatten sie sie in den ruhigsten Teil des Hauses gebracht.
Das Mädchen war nun im zweiten Stock untergebracht. Ihr neues Zimmer hatte einen Balkon, der nach hinten
hinausging und einen herrlichen Blick in die Ferne gewährte.
Derzeit aber war das für Cathèrine uninteressant. Sie schlief die meiste Zeit und war sie wach, klagte sie
über furchtbare Schmerzen.
Ihr ganzes Gesicht war mit einer dicken Schicht von weißem Verbandsmull bedeckt, aus dem zwei braune
Augen herauslinsten. Das Essen fiel ihr schwer und jedes Wort jagte Höllenschmerzen durch die zerstörten
Teile ihres Gesichts.
Aber der Verbandsmull verdeckte es. Eine merkwürdig beruhigende Tatsache wie Christine feststellte.
Wenn sie das Gesicht nicht sah, mußte sie sich auch nicht mit ihren trüben Gedanken und Erinnerungen herumquälen.
Trotzdem kehrten sie wieder.
Wie sie sich von Madame de Belle's Worten hatte einlullen lassen.
‚Hätte ich nur besser aufgepasst!' warf sie sich vor.
Sie hätte Cathèrine nicht aus den Augen lassen dürfen, hätte nicht darauf vertrauen sollen, daß das Kind
ständig an ihrer Seite blieb...
Als sie ihr Verschwinden bemerkte, war es bereits zu spät.
Eine gehetzte Suchaktion hatte stattgefunden, alle Angestellten der de Belle hatten mitgeholfen.
Der entsetzte Aufschrei des Butlers hatte sie alle in dieser furchtbaren Seitengasse zusammengeführt.
Christine hatte einen schrillen Schrei ausgestoßen als sie ihre Tochter blutbesudelt auf dem Boden liegen sah.
Und daneben dieser Mann, der so irrsinnig lachte.
Christine hatte sich neben Cathèrine gekniet und versucht, das Blut fortzuwischen.
„Warum? Warum haben Sie das getan?" Ihr Schreien und Schluchzen klang ihr noch immer in den Ohren.
Der Mann hatte aufgehört zu lachen und gesagt: „Niemand wird mich vergessen!"
Danach hatte er wieder zu lachen begonnen als wäre heute der schönste Tag seines Lebens.
Die Kammerzofe der de Belle hatte sich nach vorne gedrängt und war mit einem Aufschrei
zusammengebrochen.
Später sagte man den Chagnys sie habe eine Affäre mit diesem Mann gehabt.
Christine wußte kaum noch, wie sie nach Hause gekommen waren.
Madame de Belle's Kutsche. Dann das Chateau. Der Arzt, der so schnell einfuhr, daß die Kutsche auf dem
weißen Kies schlingerte. Weißer Kies und darauf rotes Blut.
Jetzt schien alles so leer. So ermüdend leer.
Christine stützte ihren Kopf auf ihre Hände.
Cathèrine bewegte sich manchmal in dem künstlichen, schmerzlosen Schlaf.
Laudanum, hatte der Arzt gemeint, würde dafür sorgen, daß sie durchschlief.
Eines Abends kam Raoul zu Christine und setzte sich neben sie.
„Glaubst du, Gott will uns bestrafen?" fragte Christine ihn plötzlich.
„Bestrafen? Wegen was? Wir waren immer gute Christenmenschen, warum sollte er uns bestrafen wollen?"
„Erik," hauchte seine Ehefrau.
Raoul stöhnte. „Erik hat mit der ganzen Sache nichts zu tun. Er war der Mörder, nicht wir."
Christine sah ihn schweigend an, dann wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder Cathèrine zu.
‚Ich frage mich wirklich, was in Christine's Hirn vorgeht. Erik ist tot. Oder zumindest hat man seit zehn
Jahren nichts mehr von ihm gehört. Sie sollte ihn endlich vergessen,' dachte Raoul, während er neben Christine
wachte.
°°°
Die Tage vergingen und Cathèrine gesundete zusehends. Aber durchschlafen konnte sie immer noch nicht
ohne Schmerzen. Laudanum war inzwischen zu schwach und der Arzt spritzte ihr nun Morphium.
Und mit jedem Tag die Frage „Mama, warum muß ich denn so viele Binden tragen?" und Christine's
Antwort „Damit dein Gesicht heilen kann.".
Ja, das war eine Lüge, aber Christine hatte nicht genug Kraft, ihr die Wahrheit zu sagen.
Wie sollte sie ihrer Tochter erklären, daß ihr Gesicht für immer entstellt war?
Aber die Wahrheit läßt sich nicht betrügen. Irgendwann kommt sie doch ans Licht und dann ist sie
katastrophaler als am Anfang. Auch Christine mußte diese Lektion lernen.
Drei Wochen waren seit jenem schrecklichen Tag vergangen als Christine in der Küche mit den
Küchenmädchen sprach. Der Schrei, der auf einmal durch das Haus rollte, war ohrenbetäubend.
Christine schoß die Treppe in den zweiten Stock hoch, die neugierigen Küchenmädchen hinter ihr her.
Der Schrei kam aus Cathèrine's Zimmer und davor hielten alle an.
Christine öffnete die Tür und trat ein. Es gelang ihr gerade noch, den neugierigen Hühnern die Tür vor der
Nase zuzuschlagen.
Cathèrine stand vor dem Spiegel, auf dem Boden vor ihr lag ein Haufen weißen Verbandsmulls.
Christine ging auf ihre Tochter zu. Als sie hinter ihr stand stockte ihr der Atem. Aus dem Spiegel sah ihr eine
grauenvolle Fratze entgegen.
Cathèrine drehte sich zitternd herum. „Was ist mit meinem Gesicht?" fragte sie.
Christine hatte Mühe, ihrer Tochter ins Gesicht zu sehen. Die Wunden waren zwar schon wieder mit Haut
bedeckt, aber diese war rot. Lange Narben zogen sich durch ihr Gesicht. Ein Augenlid war schlaffer und
bedeckte das darrunterliegende Auge zur Hälfte. Ein Muskel, hatte der Arzt gesagt, war hier durchtrennt
worden und er würde nicht mehr heilen. Die rechte Hälfte ihrer Lippen war nicht mehr rosig und schmal,
sondern von einem ekelerregenden dunkelrot und grauenhaft verschwollen.
Nur die von Cathèrine aus gesehene linke, untere Hälfte war weiß und heil.
Cathèrine bemerkte, wie ihre Mutter fast zwanghaft einen Punkt hinter ihr fixierte.
‚Sie kann nicht ertragen, wie ich aussehe,' dachte Cathèrine. Um ehrlich zu sein konnte sie selbst es auch
nicht ertragen.
„Wird es verheilen?" fragte das Mädchen laut.
„Der Arzt hat ‚Nein' gesagt," antwortete Christine.
„Du hast mich angelogen!" schrie Cathèrine sie an und ihre Augen wurden schwarz.
Christine suchte nach Worten, um sich zu rechtfertigen. Es fielen ihr aber keine ein.
Cathèrine packte eine der Haarbürsten, die auf dem Tischchen unter dem Spiegel lagen, und warf sie nach
ihrer Mutter. Die Bürste verfehlte Christine's Kopf um Zentimeter und knallte gegen die Wand. Sie zerbrach.
„Cathèrine!" rief Christine streng aus. „Benimm dich!"
„Hau ab!" schleuderte Cathèrine ihr ins Gesicht. „Ich will dich nicht mehr sehen! Du bist eine Lügnerin!"
Christine ging, die Augen unverwandt auf Cathèrine gerichtet, zur Tür, öffnete sie und trat hinaus.
Erst als die Tür hinter ihrer Mutter ins Schloß fiel, atmete Cathèrine auf. Sie kletterte zurück in ihr Bett.
‚Ich bin hässlich,' dachte sie sich. ‚Ich bin ein häßliches Monster.'
Sie begann zu weinen.
‚Kein Wunder, daß sie mich in dieses Zimmer gebracht haben. Hier bin ich weit von ihnen entfernt und
kann sie nicht mit meinem Anblick belästigen.'
Eine ihr unbekannte Wut schob sich in ihr Bewusstsein und setzte sich dort fest. Und Cathèrine fühlte noch
etwas, was sie früher nicht gekannt hatte.
Haß! Puren, zerstörerischen Haß auf diese Lügner und Heuchler, die sie früher immer nett angelächelt hatten.
‚Ihr werdet bezahlen!' dachte sie. ‚Ihr alle!'
by Felicia 2001
