Fünftes Kapitel
"Sie spinnt!"
Das Mädchen gehörte in ein Heim, dessen war sich die Köchin Marie sicher. Seit dem "Vorfall" vor zwei Jahren, hatte sich das Kind verändert. Cathèrine war schwierig und machte allen Schwierigkeiten. Sie geisterte durch das Haus und was immer ihr nicht paßte und gefiel meldete sie ihren Eltern. Am Anfang hatte Raoul noch versucht, gegen seine immer herrschsüchtiger werdende Tochter vorzugehen, aber nachdem sie bei einem für ihren Vater sehr wichtigen Geschäftsessen ohne die Maske erschienen war, beugte er sich mehr oder weniger widerwillig. Cathèrine war als kleines Biest, als Teufel und Satansbraten bei den Dienstboten verschrieen. Gerade mal zehn, wollte keiner mehr Kontakt als nur unbedingt nötig mit ihr haben. Ihre Mutter reiste viel öfter als je zuvor. New York, London, Mailand, Paris, Berlin und dann die ganze Strecke wieder zurück. Christine de Chagny mied ihre Tochter mit jedem Jahr mehr, dachte sich Marie. Aber so wie sich das Mädchen aufführte, war das verständlich. Man konnte beinahe meinen, Cathèrine hätte die Macht in diesem Hause und nicht ihre Eltern. Marie würzte die Suppe und seufzte. Die Küchenmädchen waren sehr abergläubisch geworden und behaupteten, Cathèrine würde nachts mit dem Teufel singen. Das war natürlich Unsinn! Wenn, dann sang sie allein. Die Mädchen glaubten aber derartiges, wohl, weil sie den Rauswurf fürchteten. Cathèrine hatte in den letzten zwei Jahren mehr als zwei Dutzend Küchenmädchen aus dem Haus gebracht. Entweder waren sie freiwillig gegangen, weil sie es mit dem schrecklichen Kind mit der monströsen Fratze nicht mehr aushielten, oder der Vicomte hatte sie entlassen, weil sie schlecht über das Kind gesprochen hatten. Marie hielt es schon jeher so, lieber ihren Mund zu halten und sich ihren Teil zu denken. Jetzt war das ausgesprochen nützlich. Draußen hörte sie laute Stimmen. Der Vicomte, das fürchterliche Kind und Mme. Ruben. Mme. Ruben war die Gouvernante, aber obwohl sie zu den strengsten gehörte, die es in Paris und Umgebung gab, war sie dem Kinde dennoch nicht gewachsen. Cathèrine hatte das Talent, sie immer in Schwierigkeiten zu bringen. Einmal hatte sie sich im Garten davongeschlichen und als sie vermisst wurde, hatte der Vicomte Mme. Ruben schreckliche Vorwürfe gemacht, sogar mit ihrer Entlassung gedroht. Das Kind war dann schließlich doch noch aufgetaucht. Sie hatte sich damals in ihrem Kleiderschrank versteckt. Seitdem hegten beide füreinander dieselben Gefühle: Sie haßten sich wie die Pest! Die Stimmen verklangen und die empörte Mme. Ruben schob sich in die Küche. "Sie spinnt!" keifte die Spinatwachtel. "Ich sage Ihnen, eingesperrt gehört dieses Balg! Alle fürchten sich vor ihr, aber, um aller guten Geister willen, sie ist doch noch ein Kind! In die Bredouille wollte sie mich wieder bringen, indem sie ihrem Vater frech ins Gesicht gelogen hat, ich hätte sie geschlagen! Ha! Hüten werde ich mich und ihr in ihr verrottendes Gesicht schlagen!" Marie drehte sich um und obwohl sie mit Sicherheit nicht zu den klügsten Menschen gehörte, sagte sie etwas sehr kluges. "Ich glaube nicht, daß Cathèrine einfach nur ein Kind ist." Damit wandte sie sich wieder ihrer Arbeit zu und ließ die empörte Mme. Ruben einfach stehen.
by Felicia 2002
"Sie spinnt!"
Das Mädchen gehörte in ein Heim, dessen war sich die Köchin Marie sicher. Seit dem "Vorfall" vor zwei Jahren, hatte sich das Kind verändert. Cathèrine war schwierig und machte allen Schwierigkeiten. Sie geisterte durch das Haus und was immer ihr nicht paßte und gefiel meldete sie ihren Eltern. Am Anfang hatte Raoul noch versucht, gegen seine immer herrschsüchtiger werdende Tochter vorzugehen, aber nachdem sie bei einem für ihren Vater sehr wichtigen Geschäftsessen ohne die Maske erschienen war, beugte er sich mehr oder weniger widerwillig. Cathèrine war als kleines Biest, als Teufel und Satansbraten bei den Dienstboten verschrieen. Gerade mal zehn, wollte keiner mehr Kontakt als nur unbedingt nötig mit ihr haben. Ihre Mutter reiste viel öfter als je zuvor. New York, London, Mailand, Paris, Berlin und dann die ganze Strecke wieder zurück. Christine de Chagny mied ihre Tochter mit jedem Jahr mehr, dachte sich Marie. Aber so wie sich das Mädchen aufführte, war das verständlich. Man konnte beinahe meinen, Cathèrine hätte die Macht in diesem Hause und nicht ihre Eltern. Marie würzte die Suppe und seufzte. Die Küchenmädchen waren sehr abergläubisch geworden und behaupteten, Cathèrine würde nachts mit dem Teufel singen. Das war natürlich Unsinn! Wenn, dann sang sie allein. Die Mädchen glaubten aber derartiges, wohl, weil sie den Rauswurf fürchteten. Cathèrine hatte in den letzten zwei Jahren mehr als zwei Dutzend Küchenmädchen aus dem Haus gebracht. Entweder waren sie freiwillig gegangen, weil sie es mit dem schrecklichen Kind mit der monströsen Fratze nicht mehr aushielten, oder der Vicomte hatte sie entlassen, weil sie schlecht über das Kind gesprochen hatten. Marie hielt es schon jeher so, lieber ihren Mund zu halten und sich ihren Teil zu denken. Jetzt war das ausgesprochen nützlich. Draußen hörte sie laute Stimmen. Der Vicomte, das fürchterliche Kind und Mme. Ruben. Mme. Ruben war die Gouvernante, aber obwohl sie zu den strengsten gehörte, die es in Paris und Umgebung gab, war sie dem Kinde dennoch nicht gewachsen. Cathèrine hatte das Talent, sie immer in Schwierigkeiten zu bringen. Einmal hatte sie sich im Garten davongeschlichen und als sie vermisst wurde, hatte der Vicomte Mme. Ruben schreckliche Vorwürfe gemacht, sogar mit ihrer Entlassung gedroht. Das Kind war dann schließlich doch noch aufgetaucht. Sie hatte sich damals in ihrem Kleiderschrank versteckt. Seitdem hegten beide füreinander dieselben Gefühle: Sie haßten sich wie die Pest! Die Stimmen verklangen und die empörte Mme. Ruben schob sich in die Küche. "Sie spinnt!" keifte die Spinatwachtel. "Ich sage Ihnen, eingesperrt gehört dieses Balg! Alle fürchten sich vor ihr, aber, um aller guten Geister willen, sie ist doch noch ein Kind! In die Bredouille wollte sie mich wieder bringen, indem sie ihrem Vater frech ins Gesicht gelogen hat, ich hätte sie geschlagen! Ha! Hüten werde ich mich und ihr in ihr verrottendes Gesicht schlagen!" Marie drehte sich um und obwohl sie mit Sicherheit nicht zu den klügsten Menschen gehörte, sagte sie etwas sehr kluges. "Ich glaube nicht, daß Cathèrine einfach nur ein Kind ist." Damit wandte sie sich wieder ihrer Arbeit zu und ließ die empörte Mme. Ruben einfach stehen.
by Felicia 2002
