Besondere Anmerkung: Wer den Film "Königin der Verdammten" gesehen hat und sich an die Musik erinnert, der wird ungefähr die Atmosphäre verstehen können, die in diesem Abschnitt vorherrscht - zumindest in meinem Kopf!

***

Die Stadt lag unter einem derart dichten Nebel, dass Remus meinte, die Luft würde mit klammen Armen nach ihm greifen. Er verließ den "Tropfenden Kessel", in dem er den Nachmittag verbracht hatte, um sich Mut anzutrinken. Es war ihm etwas unangenehm, aber er hatte Angst vor dem, was dieser Abend bringen könnte.

Muggel-London lag vor ihm in seiner ganzen hektischen Einsamkeit. Passanten, vermummt in farblose Mäntel, eilten an ihm vorbei, sahen ihn kurz an und vergaß ihn dann sofort wieder. Es war an ihren Gesichtern deutlich zu sehen. Die Laternen warfen mattes Licht über die Strasse. Er spürte einen einzigen Blick, der sich auf ihn richtete und dann die achtsame Lockung der ihm bekannten Macht.

Sie stand auf der anderen Seite der Straße, mit der Schulter an einen Laternenmast gelehnt. Mit dem milden Amüsement, das sie im Wechsel mit ihrer typischen Kühle ergriff, erwartete sie ihn, als er schnell die Fahrbahn überquerte. Ihre robusten Stiefel und der schwarze Ledermantel sprachen davon, dass dies kein geruhsamer Abend werden würde. Und auch das Glimmen in ihren katzenhaften Augen sprach von seltsamer Vorfreude. Ihre Wangen waren gerötet und es dauerte einige Sekunden, bis Remus begriff, dass sie gespeist hatte.

"Ich dachte schon, Sie würden sich niemals aus diesem Gasthaus hervortrauen", spöttelte sie und leckte sich über die Lippen. Remus wurde kalt und das hatte nichts mit dem Nebel zu tun. Schnell wappnete er sich gegen ihre Beeinflussung und baute einen geistigen Schutzwall gegen sie auf. Mit einem anerkennenden Nicken sah sie ihn an:

"Es ist gut, dass Sie das beherrschen. Dort, wo wir hingehen, können Sie es gut gebrauchen!"

Sie nahm seine Hand und umschloss seine Finger mit ihren. Seltsamerweise fand er die Berührung tröstlich. Wie in Trance folgte er ihr, als sie ihren Weg durch die Straßen der Großstadt fand. Es war, als würde ein Teil ihrer Abgebrühtheit in ihn übergehen und als sie nach einer scheinbar endlosen Zeit an einer einsam gelegenen Lagerhalle im Herzen Londons eintrafen, war er bemerkenswert ruhig. Sie stiegen einige Treppen hinunter, bis zu einer rostigen Eisentür.

Die Vampirin lächelte Remus zu, löste ihren Griff und schlug dann mit der Faust an die Tür. Das hohle Geräusch ließ ihn zusammenzucken und unwillkürlich nach seinem Zauberstab tasten. Einige Momente geschah nichts, nur die seltsame Kälte kroch in seine Knochen. Dann öffnete sich die Tür mit einem grauenhaften Quietschen und er folgte seiner Begleiterin herein.

Es war, als sei seine Welt mit einem Mal verschluckt worden von einer Orgie aus Licht, Tönen und Gerüchen. Er stand in einem langgestreckten Raum, der mit einer wogenden Masse von Menschen erfüllt war. Menschen? Nein, das waren keine Menschen, die sich im Takt einer pulsierenden Musik bewegten, die durch unsichtbare Lautsprecher übertragen wurde. Remus feines Gehör, das ihm seine Existenz als Wolf geschenkt hatte, wurde überlastet von Tönen, deren Frequenz in Bereichen lag, die er nicht mehr ohne Schmerz wahrnehmen konnte. Dasselbe lag für das Licht. Ultraviolettes Licht und Strahlung in den höchsten und niedrigsten Schwingungen prasselten auf ihn ein. Remus presste die Hände auf die Ohren. Es war furchtbar. Blind vor Pein taumelte er hinter der Vampirin her, die sich einen Weg durch die Tanzenden bahnte. Diese wichen vor ihr zurück, als sei sie ein Schiff, das die Wellen durchteilte. Gesichter schwankten in Remus Blickfeld, bleiche Fratzen mit gebleckten Zähnen, die dann jäh verschwanden, heranbrandeten wie ein bluthungriges Meer, das dann wieder von seinem verunreinigten Blut abgestoßen wurde.

Er taumelte an die Seite, suchte sich die nächste Wand, an der er sich abstützen konnte. Er sank dagegen, krümmte sich zusammen, seine anfängliche Ruhe war vergangen, er stand kurz vor einer Panikattacke. Es war zuviel, einfach zuviel. Dann stand sie wieder neben ihm, ergriff seine Hand und ein Stück seines Friedens kam zurück. Die grelle Atmosphäre wurde zurückgedrängt, sein Gehirn für wenige Sekunden abgeschirmt von dem Übermaß an Eindrücken. Er hörte eine Stimme, ihre Stimme, die ganz leise in seine Kopf sprach.

"Sehen Sie hin, Remus. Sie verpassen das Beste!"

Sie griff mit der Hand nach seinem Kinn und hob es. Ihm fehlte die Kraft, sich zu wehren. In der Mitte der Vampire standen plötzlich zwei junge Mädchen, die sich ängstlich aneinander klammerten. Es war ganz klar zu sehen, dass sie keine Vampire und für welchen Zweck sie bestimmt waren. Gierige Augen durchbohrten sie, zu Klauen gekrümmte Hände haschten nach ihnen. Dann, plötzlich, verstummte die Musik und das Licht erlosch. Nur ein einzelner, weißer Scheinwerfer beleuchtete die Opfer. Ein Knurren ertönte, das Remus durch Mark und Bein ging. Er begriff, was gleich passieren würde.

Er mobilisierte seine letzten Kräfte, stieß seine Begleiterin zur Seite und rannte davon, so schnell er konnte. Zu seinem Glück war die Tür nicht verschlossen und er stürmte ins Freie. Kein Gedanken an ein Eingreifen. Es waren einfach zu viele. Und er hatte nicht verhindern können, dass die furchtbaren Dinge im Inneren des Gebäudes geschahen. Gehetzt brachte er mehrere Blocks hinter sich, bevor er stehen blieb und Atem schöpfte. Seine Hände zitterten und er steckte sie in die Taschen seiner Robe.

"Und, beeindruckt?"

Er fuhr herum. Die Vampirin stand hinter ihm, völlig entspannt und mit einem Lächeln auf den Lippen.

"Sie!", stieß Remus hervor. "Warum haben Sie mich hergebracht? Wollten Sie mir dieses Massaker zeigen und sich an meiner Reaktion aufheitern? Was zum Teufel wollen Sie?" Er schrie jetzt und es war ihm völlig egal, dass sie sah, wie er die Nerven verlor.

"Professor!" Ihre Stimme war glatt und seidenweich. "Ich wollte Ihnen lediglich zeigen, warum ich es vorziehe, wieder ein Mensch zu werden." Sie rückte näher, geschmeidig wie ein Raubtier auf der Pirsch. "Sie scheinen immer noch davon überzeugt zu sein, dass Sie zu der Kategorie der Monster gehören. Oder ich. Aber die Wahrheit ist: Diese Wesen dort drin sind es. Aber sie können nichts dafür. Es ist ihr Lebenstrieb. Die Jagd nach Blut ist ihre einzige Freude, ihre Wahrnehmung ist nur darauf fixiert. Sie stimulieren sich durch übertriebene Sinnesreize, um einfach mehr zu empfinden als nur Gier. Dies macht sie zu Bestien. Aber ich kenne noch einen Typ von Monstern. Einer, der ganz Mensch ist und gleichzeitig das Böse in sich trägt - der sich ändern könnte, wenn er es wirklich wollte. Doch es tut es nicht, weil er weiß, dass er damit seine Macht verlieren könnte." Remus verstand, was sie sagen wollte und welchen Menschen sie damit meinte. Nicht etwa ihn, der sein ganzes Leben gegen seine eigene Natur gekämpft hatte. Sie meinte Snape. "Mein Rat an Sie, Professor Lupin: Akzeptieren Sie diesen Teil von sich selbst, kämpfen Sie gegen ihn, aber bekämpfen sich nicht Ihr ganzes Ich. Leben Sie - solange Sie es noch können."

Dann verschwand sie und alles, was zurückblieb, war der feuchte Dunst über London.