1 Geschichten vergangener Tage
Hallo!
Erst einmal möchte ich sagen wie Leid es mir tut, dass die Charaktere und der Großteil der erwähnten Plätze in dieser Geschichte nicht mir gehören.......... -_-" Aber wen schert´s...
Vorsicht! Auf dieser Geschichte sollte vielleicht eine Warnschrift von wegen: „Es folgt eine ausgiebige Beschreibung der Umgebung!" kleben.... Naja....
Der Gedanke hinter dieser Geschichte, die die Romanze zwischen Cifer und Rinoa im Sommer vor FF8 schildert habe ich versucht sie beide als „normalere" Menschen darzustellen, als es im Spiel getan wird. Ich hoffe, ich habe es nicht übertrieben....
Danke fürs Lesen!!!! ^^
Graz, 2002
Malice
---~****~---
Ungeheure Massen von Menschen drängten sich an diesem Nachmittag Anfang Juli in der Deling City Central Station. Die schrillen Pfiffe, die das Abfahren der Züge ankündigten, die Maschinengeräusche und die Gespräche der unterschiedlichen Menschen aus aller Herren Länder schwollen zu einem Strudel aus akustischen Eindrücken an, der nur von Zeit zu Zeit noch von den Lautsprecherdurchsagen übertönt wurde.
Inmitten dieses Gewühls aus Abschiedstränen und Wiedersehensfreude stieg Cifer Almasy aus seinem Zug, der ihn über Timber nach D City gebracht hatte. Die 20-Stunden-Fahrt hatte selbst ihn ermüdet und deshalb zeigte sein Gesicht nicht gerade den freundlichsten Ausdruck, als er einen grauhaarigen Geschäftsmann und ein Teenagerpärchen in ein und der selben Bewegung aus dem Weg schob um sich mit seiner Reisetasche und dem schwarzen länglichen Lederkasten, der seine Gunblade enthielt, weiter seinen Weg in Richtung Ausgang zu bahnen.
Wohin nun? Es war für Cifer mit seinen 17 Jahren das erste Mal, dass er sich ohne Auftrag und ohne Befehl in einer fremden Stadt zurechtfinden mußte. Also beschloß er ganz spontan erst einmal ins Stadtzentrum zu fahren, man mußte sich ja schließlich erst einmal akklimatisieren. Er rückte den Tragegurt seiner Reisetasche ein wenig zurecht und schob sich dann seine Sonnenbrille auf den Nasenrücken. Es war ein schöner Tag hier in Deling, und wesentlich wärmer als in Balamb. Mit seiner leichten Sommerjacke über dem Arm gehängt und das kurzärmlige, weiße Poloshirt aufgeknöpft badete er im warmen goldenen Licht der Spätnachmittagssonne als er an der Bushaltestelle wartete. Der Fahrschein kostete ihn mehr als 50 Gil. Verdammt, diese Reise würde ihm doch teurer kommen als erwartet. Das bedeutete gleichzeitig, dass er bei der Wahl seiner Absteige nicht wählerisch sein durfte und sich wohl mit einer billigen Pension zufriedengeben mußte.
---~****~---
Der Minutenzeiger der großen runden Wanduhr schien sich mit lähmend langsamer Geschwindigkeit voranzuschieben und von Zeit zu Zeit sogar ganz stehen zu bleiben. Anders konnte Rinoa Carway es sich nicht erklären, dass die Nachmittagsstunden so endlos lange zu dauern schienen.
Es war der letzte Schultag vor den Sommerferien im St. Felia Mädchengymnasium, der vornehmsten Privatschule Deling Citys und eine Stunde vor Zeugnisverteilung. Rinoa saß gelangweilt mit einem Ellbogen auf die weiße Fläche des Schultisches gelehnt und ihr Kinn auf die Handfläche gestützt und sah durch das große Fenster zu ihrer Linken sehnsuchtsvoll in den späten Nachmittag hinaus. Die Luft war erfüllt von dem Zwitschern der Vögel, dem eifrigen Kritzeln von Bleistiften auf Papier und dem leisen Motorengeräusch eines Rasenmähers, der irgendwo auf den weiten Grünflächen des Schulgeländes von dem alten griesgrämigen Schulwart vor sich hin geschoben wurde. Die Sonne fiel bereits schräg auf die Tische, die neben den Fenstern standen und ließ die metallenen Fenstergriffe blinken. Vor ihr lag ebenfalls ein Blatt Papier, das sie eigentlich ausfüllen sollte. Es war ein Mathematiktest, den der Professor für das nächste Schuljahr gelten lassen wollte, doch Rinoa hatte nicht das geringste Interesse, sich den Ebenen- und Parametergleichungen zu widmen, wie es ihre Sitznachbarin mit einem verzwickten Gesichtsausdruck gerade tat.
Sie seufzte, ließ ihren Blick noch einmal durch das Klassenzimmer schweifen und der typische Geruch nach Putzmittel und Schulbüchern der das große alte Gebäude schon von jeher zu durchströmen schien, stieg ihr plötzlich bewußter als sonst in die Nase. Er war eines der widerwärtigsten Details am Schulalltag, da er in der Schuluniform haften blieb und sie so bis in den Nachmittag hinein nach Hause verfolgte.
Rinoa schloß kurz ihre dunklen Augen und zwirbelte eine ihrer etwas mehr als kinnlangen schwarzen Haarsträhnen. Es half alles nichts. Sie schob den unbequemen Schulsessel im Aufstehen zurück, sodass das laute Scharren von Holz auf Holz die Konzentration der übrigen jungen Mädchen im Klassenzimmer störte. Langsam schlenderte sie durch die drei Bankreihen vor ihr nach vorne zum Katheder. Sie mußte sich zurückhalten um nicht aus lauter Desinteresse zu pfeifen zu beginnen und blickte verstohlen nach rechts und links um zu sehen, was auf den Testbögen der anderen bereits ausgefüllt war. Die exotische Schönheit Nimai schien nicht wirklich Ahnung von Parametergleichungen zu haben, wogegen die Klassenbeste, Cassidy, alle, vermutlich richtigen, Antworten noch einmal Punkt für Punkt überprüfte.
Rinoa brauchte mit keinem Ton auf sich aufmerksam zu machen. „Irgendwelche Fragen, Miss Carway?" Der Mathematikprofessor sah nicht von seinem Buch, in das er sich bereits während der ganzen Testzeit vertieft hatte, auf.
Sie schob ihm den Zettel auf den Tisch. Er warf nur einen kurzen Blick über den Rand seiner Nickelbrille darauf und sah sie dann aus seinen schmalen Augen, die tief in ihren Höhlen in seinem hageren Gesicht lagen, vorwurfsvoll und gleichzeitig leicht amüsiert an. „Oh je, das sieht aber gar nicht gut aus Miss." Er schien kurz zu überlegen und Rinoa nutzte diesen Moment um ihm einen ihrer hilflosesten und mitleiderregenden Blicke zu schenken. Dieser Mensch entsprach in ihren Augen vollkommen dem Stereotypen eines Mathematiklehrers: um die 50, groß, hager und meistens irgendwo zwischen konservativ und stillos gekleidet und er würde, wie fast alle Männer dieses Typs, auf die Mitleidsmasche hereinfallen.
Sie legte ihre hübsche Stirn in Sorgenfalten und zwinkerte mit dichten dunklen Wimpern über verzweifelt blickenden Augen. Der Lehrer ließ sein Buch sinken, lehnte sich in seinem Drehstuhl zurück und seufzte. Dann nahm er die Brille ab und rieb sich müde die Augen. „Na schön, ich werde ihnen die Chance geben, den Test nächstes Jahr zu wiederholen. Über die Ferien sollten sie aber zumindest versuchen ihre Defizite aufzuholen." Er blickte sie mit einem Ausdruck an, als würde er genau wissen, was eben geschehen war.
Rinoa neigte ihren Kopf leicht. „Danke Sir, ich danke ihnen vielmals!" antwortete sie mit gespielter Demut in ihrer Stimme.
Schließlich drehte sie sich um und ging mit einem breiten Grinsen zu ihrem Platz zurück. Sie erhaschte unterwegs den vorwurfsvollen Blick ihrer besten Freundin Kari, die ihren braunen Wuschelkopf in Unverständnis schüttelte. Das hatte die schöne und intelligente Generals Tochter nicht nötig gehabt!
Schließlich läutete die Schulglocke und in plötzlicher Hektik wurden die Testbögen nach vorne gebracht und der Lehrer verließ damit, nachdem er ihnen schöne Sommerferien gewünscht hatte, den Klassenraum. Nach einer Pause von fünf Minuten wurde er von der Frau Klassenvorstand, der Französischlehrerin, ersetzt und die Schülerinnen erhoben sich um ihre Zeugnisse in Empfang zu nehmen.
---~****~---
Cifer schlenderte vom Kirris-Square, einem der größten, teuersten und schönsten Plätze D Citys in eine kleine Seitenstraße, die ihn aus den Touristenvierteln in eine eher ruhigere Gegend brachte. Die wunderschönen, monumentalen Steinbauten, die von der Hoheit und dem Prunk längst vergangener Herrscherhäuser zeugten, wichen einfacheren Backsteinhäuser, wie man sie überall auf der Welt finden konnte und nach ein paar Minuten zu Fuß im Schatten der Straße fand Cifer wonach er gesucht hatte: ein Schild mit der Aufschrift „Pension Melrose". Eine dieser netten alten Damen, die jeden unter 30 Jahren als ihre lieben Enkelchen ansahen hatte ihm dieses billige Hotel empfohlen, da, wie sie gesagt hatte, „die Besitzer soooo nette Leute seien". Ihm war das eigentlich mehr oder weniger das unwichtigste Detail am Rande. Er war ja schließlich nicht nach D City gefahren um auf dem Hotelzimmer die Hausbar zu leeren.
Das „kulturelle" Deling war für Cifer nicht mehr als eine veraltete, vor sich hin schimmelnde Ansammlung von Palästen und Denkmälern, die von Idioten bewohnt und von noch größeren Idioten regiert wurde. Doch wer interessierte sich denn schon für solchen altmodischen Kram? Er war hier um Party zu machen, jawohl. Weg von der Schule. Weg von den Garden Mastern, die einen mit stupiden Verhaltensregeln folterten und jeden Fehltritt mit Prügelstrafen und anderen, in der Gesellschaft längst verdrängten, „Erziehungsmittel" ahndeten. Weg von der Scham und Enttäuschung, die das neuerliche Versagen in der praktischen SEED-Prüfung mit sich gebracht hatte.
Hier würde niemand ihm Vorschriften machen, nein, das würde er nicht zulassen. Jedem Arschloch, das die Frechheit besitzen würde es zu versuchen würde er auf die harte Tour zeigen, dass mit einem Garden-Kadetten nicht gut Kirschen-Essen war. Ein Jugendschutzgesetz, das Alkohol ab 16 Jahren zum Ausschank freigab steigerte seine Freude zusätzlich ins unermessliche. Dass er seinen ersten Vollrausch mit ca. 13 gehabt hatte bedeutet nämlich nicht, dass er in Balamb legal etwas Alkoholisches zu trinken bekam bevor er 18 war.
Er betrat schließlich die Absteige, durch eine schwere Doppeltür und hielt direkt auf die Rezeption auf der rechten Seite zu. Der Boden war mit einem dunklen Läufer ausgelegt, bei dem man sich in dem schummrigen Licht nicht auf eine Farbe festlegen konnte. Es war wohl irgend etwas zwischen rot und braun. Die Wand war teils mit einer billige gelblichen Tapete, teils mit einer Holzvertäfelung in der Farbe der übrigen Einrichtung, einem dunklen Braun bedeckt. Auf der linken Seite des Raumes waren zwei Türen, eine führte zu den Toiletten und eine andere trug ein Schild mit der Aufschrift „Privat". In einer Nische auf der selben Seite war noch eine Milchglastür, die vermutlich zum Speisesaal gehörte.
Cifer griff sich eines der bunten Prospekte aus dem kleinen Ständer neben dem runden Rezeptionstisch und blätterte ein wenig darin herum. Während er sich lustlos die extrem bunten und kitschigen Bilder ansah, die auf die einzelnen Sehenswürdigkeiten hinwiesen klopfte er mit der linken Hand immer wieder in einem langsamen Rhythmus auf eine Klingel, damit endlich jemand komme, bei dem er einchecken könnte. Nach wenigen Augenblicken erklang aus dem Büro hinter der Rezeption eine genervt klingende, aber eigentlich recht melodiöse Frauenstimme.
„Ja ja, ich komm ja schon!" Sie trat aus der Bürotür und zog als erstes die Klingel unter Cifers Hand weg. Während er sich aufrichtete und das Prospekt zurücksteckte murmelte sie irgendwas von „Touristenpack" und fragte dann gespielt freundlich: „Sie wünschen?" „Ich möchte mich hier gerne einmieten, sagen wir für zwei, drei Wochen."
Er beugte ein wenig weiter vor um hinter dem Tischchen die junge Frau begutachten zu können. Sie war in ein schlichtes, enges dunkelbraunes Sommerkleid gekleidet, das ihre ausgesprochen gute Figur betonte . Die ebenholzfarbenen Haare fielen ihr auf die Schultern und in ihrem leicht gebräunten Gesicht war zu lesen, dass sie sehr wohl schon etwas vom Lauf der Dinge und vom Leben verstand.
„Einzelzimmer? Das wäre dann 400 Gil pro Tag. Essen kostet extra, Dusche und WC sind im Zimmer. Frühstück von 7.00 bis 9.00 Uhr, Abendessen, von 6.00 bis 8 Uhr 30." Sie hatte diesen Spruch anscheinend schon einmal zu oft aufgesagt.
Cifer reagierte nicht gleich auf diese Information. „Auf der Karte steht John und Callo Melrose. Callo Melrose... sind das sie?" Er schenkte ihr seinen besten Womanizer Blick. Sie verdrehte ihre grünen Augen und hielt ihm demonstrativ die linke Hand, an deren Ringfinger ein schlichter goldener Ehering steckte entgegen. Cifer seufzte: Pech gehabt: „John" war wohl nicht ihr Vater.
„Ich bräuchte noch einen Ausweis von ihnen" meinte sie, ihren Blick auf den Computerbildschirm gerichtet, während sie seine Buchung eintippte. Er schob ihr seine Balamb Garden ID hinüber. „Danke." Sie besah sich den Ausweis und blickte verdutzt auf. „Garden Kadett, hm? Und erst 17... Wann werdet ihr uns denn von diesem Deling-Arschloch befreien?" Sie schmunzelte. „Bald, sehr bald" erwiderte er und ein Almasy-Trademark Grinsen umspielte seine Lippen.
Das passierte ihm nun wirklich nicht zum ersten Mal: Seit er 15 war hatte man ihn für einen Erwachsenen gehalten, meistens schätzte man ihn auf 20 oder so. Mußte wohl an seiner Statur liegen.
Sie hatte die Reservierung abgeschlossen und nahm einen Schlüssel von einem Brett an der Wand. „Zimmer 11, die Treppe hinauf, der Gang links, die 3. Tür rechts. Schönen Aufenthalt wünsche ich."
Er nickt als Antwort, nahm seine Sachen und ging die Treppe die gleich neben der Rezeption in den ersten Stock führte hinauf.
In seinem Zimmer, das aus einem einfachen, aber weichen Bett mit hellblauer Decke, einem Tisch mit zwei Stühlen und einem Kasten bestand, duschte er sich erst einmal und zog sich eine schwarze Hose und ein dazu passendes Hemd an. Er überlegte kurz und hängte sich dann auch noch Hyperion an einem Gurt um die Hüften. Man konnte ja nie wissen und außerdem hatte er Fuu und Rai-jin versprochen vorsichtig zu sein. Seine Freunde hatten ihm das Versprechen abgenommen, dass er ihnen schreiben würde und er mußte zugeben, dass er sie vielleicht sogar ein ganz kleines bisschen vermissen könnte.
Draußen versank die Sonne gerade als glühend roter Feuerball zwischen den Hausdächern und langsam fiel Dämmerlicht in die Straße. Cifer sah kurz aus dem Fenster. Ein Stück weiter rechts die Straße hinunter spielten ein paar Kinder unter lautem Gequietsche Ball, aus einem offenen Fenster auf der anderen Straßenseite drang sanfte R&B Musik.
Cifer steckte schnell ein paar Geldscheine in seine Brieftasche und verstaute sie zusammen mit seinem Handy in seinen Hosensäcken. Dann verließ er das Zimmer um sich zum ersten Mal in das Deling City Nachtleben zu stürzen.
---~****~---
Es war bereits dunkel und die ersten Sterne blinkten schon am wolkenlosen, ultramarinblauen Himmel als Rinoa durch die Straßen der Innenstadt in Richtung Carway Mansion spazierte. Die blauweiße Krawatte ihrer Schuluniform hing ohne Knoten um ihren Hals. Sie mußte sich beeilen, dass wußte sie. Ihr Vater würde schon ungehalten genug darüber sein, dass in ihrem Zeugnis eine vier in Mathematik verzeichnet war, und nun kam sie auch noch ungefähr zwei Stunden zu spät nach Hause.
Sie hatte sich nach der Zeugnisverteilung von ihren Freundinnen unter unzähligen Küsschen und Umarmungen verabschiedet und wie jedes Jahr hatte man sich das Versprechen gegeben sich so oft wie möglich zu treffen und aus den Ferienorten zu schreiben. Und wie jedes Jahr, wußte Rinoa schon vorher, daß sie dieses Versprechen vermutlich nicht einmal ansatzweise einhalten würden. Nur Kari würde sie ganz sicher treffen um einzukaufen oder einen Eiscafé in einem der kleinen Lokale zu trinken.
Nachdem sie also für das letzte mal bis Anfang September die angenehme Kühle des Schulgebäudes verlassen hatte und gegen die Spätnachmittagssonne blinzelte war ihr eingefallen, dass ihr Balletttraining heute wegen des Ferienbeginns entfallen würde und sie somit noch eine Stunde Zeit hatte bevor sie eigentlich nach Hause gehen müßte. Es war seltsam, dass genau drei Wochen vor der Aufführung von „Dornröschen" das beinahe tägliche Training im hellen freundlichen Probenraum der Ballettschule entfiel. Das Tanzen war eines der wenigen Dinge, die Rinoa noch mit ihrer Mutter verknüpfte.
Sie konnte sich noch so gut erinnern, als ob es erst gestern gewesen wäre, wie ihre Mutter sie das erste mal der strengen älteren Dame mit den zurückfriesierten dunklen Haaren und dem schwarzen Trainingsbody vorgestellt hatte. Rinoa war erst vier Jahre alt gewesen und hatte aus großen schokoladenbraunen Augen die Spiegelwände und Trainingsstangen begutachtet.
Schon kurze Zeit später hatte sich herausgestellt, dass sie durchaus recht begabt war und das zusammen mit einer gewissen Hingabe hatte sie soweit gebracht, dass sie das Dornröschen tanzen würde. Und sie war stolz darauf, dass sie zumindest eine Sache in ihrem jungen Leben ohne das Zutun ihres übermächtigen Vaters geschafft hatte.
Da sie also Zeit hatte, war sie nach der Schule einer ihrer Lieblingsbeschäftigungen nachgegangen: Die Seele baumeln zu lassen. Sie hatte sich in einem kleinen schmuddeligen Buchladen einen Liebesroman mit dem klingenden Titel „Unterm Sternenhimmel" gekauft und sich dann in einem kleinen gepflegten Park einfach auf ihr Schulsakko gesetzt, das sie nahe einem der duftenden Blumenbeete im Gras aufgebreitet hatte.
Die vorbeispatzierenden jungen Mütter mit ihren Kinderwägen und die vornehmen alten Damen hatten nicht schlecht gestaunt eine Schülerin des St. Felia Gymnasiums hier ihre Zeit verbringen zu sehen. Die meisten die diese Eliteschule besuchten wurden direkt von der Schule vom Chauffeur ihrer Familie abgeholt und man sah die dunkelblauen Faltenröcke und die weißen Blusen mit Emblem nur sehr selten in der Stadt.
Die Schuluniform war etwas, das Rinoa nun schon seit fünf Jahren quälte. Der Rock, der, von einem schmalen schwarzen Ledergürtel gehalten, bis auf die Knie reichte war viel zu warm, die Krawatte zu eng und das Sakko fand sie einfach nur spießig. Vielleicht mochte sie sie aber auch einfach nur nicht, weil sie ihrem Vater so gut gefiel.
So hatte sie die rührselige Geschichte um Demian und Selinia mitfiebernd verfolgt und erst, als sie beim umblättern der 150sten Seite durch Zufall die nahegelegene alte Kirchturmuhr halb neun schlagen hörte war ihr bewusst geworden, dass sie schon die längste Zeit im Dämmerlicht gelesen hatte und es höchste Zeit war nach Hause zu gehen.
So war sie nun nur mehr wenige Straßen von Carway Mansion entfernt, das auf einer kleinen Anhöhe am Rande der Altstadt lag.
Einen Trumpf im Kampf gegen die Zeit hatte sie noch: eine Abkürzung, die sie durch eine schmuddelige Gasse zwischen zwei nahe beieinander stehenden, dreistöckigen Häusern hindurchführte und teilweise mit Mülltonnen verstellt war.
Rinoa sah sich kurz unsicher um und schluckte einmal schwer, bevor sie ihre Schultasche fester fasste und langsam in die tiefschwarzen Schatten der Gasse trat.
Sie hatte nicht bemerkt, dass sich einer der Schatten bewegte.
---~****~---
To be continued soon.... ~***~
Hallo!
Erst einmal möchte ich sagen wie Leid es mir tut, dass die Charaktere und der Großteil der erwähnten Plätze in dieser Geschichte nicht mir gehören.......... -_-" Aber wen schert´s...
Vorsicht! Auf dieser Geschichte sollte vielleicht eine Warnschrift von wegen: „Es folgt eine ausgiebige Beschreibung der Umgebung!" kleben.... Naja....
Der Gedanke hinter dieser Geschichte, die die Romanze zwischen Cifer und Rinoa im Sommer vor FF8 schildert habe ich versucht sie beide als „normalere" Menschen darzustellen, als es im Spiel getan wird. Ich hoffe, ich habe es nicht übertrieben....
Danke fürs Lesen!!!! ^^
Graz, 2002
Malice
---~****~---
Ungeheure Massen von Menschen drängten sich an diesem Nachmittag Anfang Juli in der Deling City Central Station. Die schrillen Pfiffe, die das Abfahren der Züge ankündigten, die Maschinengeräusche und die Gespräche der unterschiedlichen Menschen aus aller Herren Länder schwollen zu einem Strudel aus akustischen Eindrücken an, der nur von Zeit zu Zeit noch von den Lautsprecherdurchsagen übertönt wurde.
Inmitten dieses Gewühls aus Abschiedstränen und Wiedersehensfreude stieg Cifer Almasy aus seinem Zug, der ihn über Timber nach D City gebracht hatte. Die 20-Stunden-Fahrt hatte selbst ihn ermüdet und deshalb zeigte sein Gesicht nicht gerade den freundlichsten Ausdruck, als er einen grauhaarigen Geschäftsmann und ein Teenagerpärchen in ein und der selben Bewegung aus dem Weg schob um sich mit seiner Reisetasche und dem schwarzen länglichen Lederkasten, der seine Gunblade enthielt, weiter seinen Weg in Richtung Ausgang zu bahnen.
Wohin nun? Es war für Cifer mit seinen 17 Jahren das erste Mal, dass er sich ohne Auftrag und ohne Befehl in einer fremden Stadt zurechtfinden mußte. Also beschloß er ganz spontan erst einmal ins Stadtzentrum zu fahren, man mußte sich ja schließlich erst einmal akklimatisieren. Er rückte den Tragegurt seiner Reisetasche ein wenig zurecht und schob sich dann seine Sonnenbrille auf den Nasenrücken. Es war ein schöner Tag hier in Deling, und wesentlich wärmer als in Balamb. Mit seiner leichten Sommerjacke über dem Arm gehängt und das kurzärmlige, weiße Poloshirt aufgeknöpft badete er im warmen goldenen Licht der Spätnachmittagssonne als er an der Bushaltestelle wartete. Der Fahrschein kostete ihn mehr als 50 Gil. Verdammt, diese Reise würde ihm doch teurer kommen als erwartet. Das bedeutete gleichzeitig, dass er bei der Wahl seiner Absteige nicht wählerisch sein durfte und sich wohl mit einer billigen Pension zufriedengeben mußte.
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Der Minutenzeiger der großen runden Wanduhr schien sich mit lähmend langsamer Geschwindigkeit voranzuschieben und von Zeit zu Zeit sogar ganz stehen zu bleiben. Anders konnte Rinoa Carway es sich nicht erklären, dass die Nachmittagsstunden so endlos lange zu dauern schienen.
Es war der letzte Schultag vor den Sommerferien im St. Felia Mädchengymnasium, der vornehmsten Privatschule Deling Citys und eine Stunde vor Zeugnisverteilung. Rinoa saß gelangweilt mit einem Ellbogen auf die weiße Fläche des Schultisches gelehnt und ihr Kinn auf die Handfläche gestützt und sah durch das große Fenster zu ihrer Linken sehnsuchtsvoll in den späten Nachmittag hinaus. Die Luft war erfüllt von dem Zwitschern der Vögel, dem eifrigen Kritzeln von Bleistiften auf Papier und dem leisen Motorengeräusch eines Rasenmähers, der irgendwo auf den weiten Grünflächen des Schulgeländes von dem alten griesgrämigen Schulwart vor sich hin geschoben wurde. Die Sonne fiel bereits schräg auf die Tische, die neben den Fenstern standen und ließ die metallenen Fenstergriffe blinken. Vor ihr lag ebenfalls ein Blatt Papier, das sie eigentlich ausfüllen sollte. Es war ein Mathematiktest, den der Professor für das nächste Schuljahr gelten lassen wollte, doch Rinoa hatte nicht das geringste Interesse, sich den Ebenen- und Parametergleichungen zu widmen, wie es ihre Sitznachbarin mit einem verzwickten Gesichtsausdruck gerade tat.
Sie seufzte, ließ ihren Blick noch einmal durch das Klassenzimmer schweifen und der typische Geruch nach Putzmittel und Schulbüchern der das große alte Gebäude schon von jeher zu durchströmen schien, stieg ihr plötzlich bewußter als sonst in die Nase. Er war eines der widerwärtigsten Details am Schulalltag, da er in der Schuluniform haften blieb und sie so bis in den Nachmittag hinein nach Hause verfolgte.
Rinoa schloß kurz ihre dunklen Augen und zwirbelte eine ihrer etwas mehr als kinnlangen schwarzen Haarsträhnen. Es half alles nichts. Sie schob den unbequemen Schulsessel im Aufstehen zurück, sodass das laute Scharren von Holz auf Holz die Konzentration der übrigen jungen Mädchen im Klassenzimmer störte. Langsam schlenderte sie durch die drei Bankreihen vor ihr nach vorne zum Katheder. Sie mußte sich zurückhalten um nicht aus lauter Desinteresse zu pfeifen zu beginnen und blickte verstohlen nach rechts und links um zu sehen, was auf den Testbögen der anderen bereits ausgefüllt war. Die exotische Schönheit Nimai schien nicht wirklich Ahnung von Parametergleichungen zu haben, wogegen die Klassenbeste, Cassidy, alle, vermutlich richtigen, Antworten noch einmal Punkt für Punkt überprüfte.
Rinoa brauchte mit keinem Ton auf sich aufmerksam zu machen. „Irgendwelche Fragen, Miss Carway?" Der Mathematikprofessor sah nicht von seinem Buch, in das er sich bereits während der ganzen Testzeit vertieft hatte, auf.
Sie schob ihm den Zettel auf den Tisch. Er warf nur einen kurzen Blick über den Rand seiner Nickelbrille darauf und sah sie dann aus seinen schmalen Augen, die tief in ihren Höhlen in seinem hageren Gesicht lagen, vorwurfsvoll und gleichzeitig leicht amüsiert an. „Oh je, das sieht aber gar nicht gut aus Miss." Er schien kurz zu überlegen und Rinoa nutzte diesen Moment um ihm einen ihrer hilflosesten und mitleiderregenden Blicke zu schenken. Dieser Mensch entsprach in ihren Augen vollkommen dem Stereotypen eines Mathematiklehrers: um die 50, groß, hager und meistens irgendwo zwischen konservativ und stillos gekleidet und er würde, wie fast alle Männer dieses Typs, auf die Mitleidsmasche hereinfallen.
Sie legte ihre hübsche Stirn in Sorgenfalten und zwinkerte mit dichten dunklen Wimpern über verzweifelt blickenden Augen. Der Lehrer ließ sein Buch sinken, lehnte sich in seinem Drehstuhl zurück und seufzte. Dann nahm er die Brille ab und rieb sich müde die Augen. „Na schön, ich werde ihnen die Chance geben, den Test nächstes Jahr zu wiederholen. Über die Ferien sollten sie aber zumindest versuchen ihre Defizite aufzuholen." Er blickte sie mit einem Ausdruck an, als würde er genau wissen, was eben geschehen war.
Rinoa neigte ihren Kopf leicht. „Danke Sir, ich danke ihnen vielmals!" antwortete sie mit gespielter Demut in ihrer Stimme.
Schließlich drehte sie sich um und ging mit einem breiten Grinsen zu ihrem Platz zurück. Sie erhaschte unterwegs den vorwurfsvollen Blick ihrer besten Freundin Kari, die ihren braunen Wuschelkopf in Unverständnis schüttelte. Das hatte die schöne und intelligente Generals Tochter nicht nötig gehabt!
Schließlich läutete die Schulglocke und in plötzlicher Hektik wurden die Testbögen nach vorne gebracht und der Lehrer verließ damit, nachdem er ihnen schöne Sommerferien gewünscht hatte, den Klassenraum. Nach einer Pause von fünf Minuten wurde er von der Frau Klassenvorstand, der Französischlehrerin, ersetzt und die Schülerinnen erhoben sich um ihre Zeugnisse in Empfang zu nehmen.
---~****~---
Cifer schlenderte vom Kirris-Square, einem der größten, teuersten und schönsten Plätze D Citys in eine kleine Seitenstraße, die ihn aus den Touristenvierteln in eine eher ruhigere Gegend brachte. Die wunderschönen, monumentalen Steinbauten, die von der Hoheit und dem Prunk längst vergangener Herrscherhäuser zeugten, wichen einfacheren Backsteinhäuser, wie man sie überall auf der Welt finden konnte und nach ein paar Minuten zu Fuß im Schatten der Straße fand Cifer wonach er gesucht hatte: ein Schild mit der Aufschrift „Pension Melrose". Eine dieser netten alten Damen, die jeden unter 30 Jahren als ihre lieben Enkelchen ansahen hatte ihm dieses billige Hotel empfohlen, da, wie sie gesagt hatte, „die Besitzer soooo nette Leute seien". Ihm war das eigentlich mehr oder weniger das unwichtigste Detail am Rande. Er war ja schließlich nicht nach D City gefahren um auf dem Hotelzimmer die Hausbar zu leeren.
Das „kulturelle" Deling war für Cifer nicht mehr als eine veraltete, vor sich hin schimmelnde Ansammlung von Palästen und Denkmälern, die von Idioten bewohnt und von noch größeren Idioten regiert wurde. Doch wer interessierte sich denn schon für solchen altmodischen Kram? Er war hier um Party zu machen, jawohl. Weg von der Schule. Weg von den Garden Mastern, die einen mit stupiden Verhaltensregeln folterten und jeden Fehltritt mit Prügelstrafen und anderen, in der Gesellschaft längst verdrängten, „Erziehungsmittel" ahndeten. Weg von der Scham und Enttäuschung, die das neuerliche Versagen in der praktischen SEED-Prüfung mit sich gebracht hatte.
Hier würde niemand ihm Vorschriften machen, nein, das würde er nicht zulassen. Jedem Arschloch, das die Frechheit besitzen würde es zu versuchen würde er auf die harte Tour zeigen, dass mit einem Garden-Kadetten nicht gut Kirschen-Essen war. Ein Jugendschutzgesetz, das Alkohol ab 16 Jahren zum Ausschank freigab steigerte seine Freude zusätzlich ins unermessliche. Dass er seinen ersten Vollrausch mit ca. 13 gehabt hatte bedeutet nämlich nicht, dass er in Balamb legal etwas Alkoholisches zu trinken bekam bevor er 18 war.
Er betrat schließlich die Absteige, durch eine schwere Doppeltür und hielt direkt auf die Rezeption auf der rechten Seite zu. Der Boden war mit einem dunklen Läufer ausgelegt, bei dem man sich in dem schummrigen Licht nicht auf eine Farbe festlegen konnte. Es war wohl irgend etwas zwischen rot und braun. Die Wand war teils mit einer billige gelblichen Tapete, teils mit einer Holzvertäfelung in der Farbe der übrigen Einrichtung, einem dunklen Braun bedeckt. Auf der linken Seite des Raumes waren zwei Türen, eine führte zu den Toiletten und eine andere trug ein Schild mit der Aufschrift „Privat". In einer Nische auf der selben Seite war noch eine Milchglastür, die vermutlich zum Speisesaal gehörte.
Cifer griff sich eines der bunten Prospekte aus dem kleinen Ständer neben dem runden Rezeptionstisch und blätterte ein wenig darin herum. Während er sich lustlos die extrem bunten und kitschigen Bilder ansah, die auf die einzelnen Sehenswürdigkeiten hinwiesen klopfte er mit der linken Hand immer wieder in einem langsamen Rhythmus auf eine Klingel, damit endlich jemand komme, bei dem er einchecken könnte. Nach wenigen Augenblicken erklang aus dem Büro hinter der Rezeption eine genervt klingende, aber eigentlich recht melodiöse Frauenstimme.
„Ja ja, ich komm ja schon!" Sie trat aus der Bürotür und zog als erstes die Klingel unter Cifers Hand weg. Während er sich aufrichtete und das Prospekt zurücksteckte murmelte sie irgendwas von „Touristenpack" und fragte dann gespielt freundlich: „Sie wünschen?" „Ich möchte mich hier gerne einmieten, sagen wir für zwei, drei Wochen."
Er beugte ein wenig weiter vor um hinter dem Tischchen die junge Frau begutachten zu können. Sie war in ein schlichtes, enges dunkelbraunes Sommerkleid gekleidet, das ihre ausgesprochen gute Figur betonte . Die ebenholzfarbenen Haare fielen ihr auf die Schultern und in ihrem leicht gebräunten Gesicht war zu lesen, dass sie sehr wohl schon etwas vom Lauf der Dinge und vom Leben verstand.
„Einzelzimmer? Das wäre dann 400 Gil pro Tag. Essen kostet extra, Dusche und WC sind im Zimmer. Frühstück von 7.00 bis 9.00 Uhr, Abendessen, von 6.00 bis 8 Uhr 30." Sie hatte diesen Spruch anscheinend schon einmal zu oft aufgesagt.
Cifer reagierte nicht gleich auf diese Information. „Auf der Karte steht John und Callo Melrose. Callo Melrose... sind das sie?" Er schenkte ihr seinen besten Womanizer Blick. Sie verdrehte ihre grünen Augen und hielt ihm demonstrativ die linke Hand, an deren Ringfinger ein schlichter goldener Ehering steckte entgegen. Cifer seufzte: Pech gehabt: „John" war wohl nicht ihr Vater.
„Ich bräuchte noch einen Ausweis von ihnen" meinte sie, ihren Blick auf den Computerbildschirm gerichtet, während sie seine Buchung eintippte. Er schob ihr seine Balamb Garden ID hinüber. „Danke." Sie besah sich den Ausweis und blickte verdutzt auf. „Garden Kadett, hm? Und erst 17... Wann werdet ihr uns denn von diesem Deling-Arschloch befreien?" Sie schmunzelte. „Bald, sehr bald" erwiderte er und ein Almasy-Trademark Grinsen umspielte seine Lippen.
Das passierte ihm nun wirklich nicht zum ersten Mal: Seit er 15 war hatte man ihn für einen Erwachsenen gehalten, meistens schätzte man ihn auf 20 oder so. Mußte wohl an seiner Statur liegen.
Sie hatte die Reservierung abgeschlossen und nahm einen Schlüssel von einem Brett an der Wand. „Zimmer 11, die Treppe hinauf, der Gang links, die 3. Tür rechts. Schönen Aufenthalt wünsche ich."
Er nickt als Antwort, nahm seine Sachen und ging die Treppe die gleich neben der Rezeption in den ersten Stock führte hinauf.
In seinem Zimmer, das aus einem einfachen, aber weichen Bett mit hellblauer Decke, einem Tisch mit zwei Stühlen und einem Kasten bestand, duschte er sich erst einmal und zog sich eine schwarze Hose und ein dazu passendes Hemd an. Er überlegte kurz und hängte sich dann auch noch Hyperion an einem Gurt um die Hüften. Man konnte ja nie wissen und außerdem hatte er Fuu und Rai-jin versprochen vorsichtig zu sein. Seine Freunde hatten ihm das Versprechen abgenommen, dass er ihnen schreiben würde und er mußte zugeben, dass er sie vielleicht sogar ein ganz kleines bisschen vermissen könnte.
Draußen versank die Sonne gerade als glühend roter Feuerball zwischen den Hausdächern und langsam fiel Dämmerlicht in die Straße. Cifer sah kurz aus dem Fenster. Ein Stück weiter rechts die Straße hinunter spielten ein paar Kinder unter lautem Gequietsche Ball, aus einem offenen Fenster auf der anderen Straßenseite drang sanfte R&B Musik.
Cifer steckte schnell ein paar Geldscheine in seine Brieftasche und verstaute sie zusammen mit seinem Handy in seinen Hosensäcken. Dann verließ er das Zimmer um sich zum ersten Mal in das Deling City Nachtleben zu stürzen.
---~****~---
Es war bereits dunkel und die ersten Sterne blinkten schon am wolkenlosen, ultramarinblauen Himmel als Rinoa durch die Straßen der Innenstadt in Richtung Carway Mansion spazierte. Die blauweiße Krawatte ihrer Schuluniform hing ohne Knoten um ihren Hals. Sie mußte sich beeilen, dass wußte sie. Ihr Vater würde schon ungehalten genug darüber sein, dass in ihrem Zeugnis eine vier in Mathematik verzeichnet war, und nun kam sie auch noch ungefähr zwei Stunden zu spät nach Hause.
Sie hatte sich nach der Zeugnisverteilung von ihren Freundinnen unter unzähligen Küsschen und Umarmungen verabschiedet und wie jedes Jahr hatte man sich das Versprechen gegeben sich so oft wie möglich zu treffen und aus den Ferienorten zu schreiben. Und wie jedes Jahr, wußte Rinoa schon vorher, daß sie dieses Versprechen vermutlich nicht einmal ansatzweise einhalten würden. Nur Kari würde sie ganz sicher treffen um einzukaufen oder einen Eiscafé in einem der kleinen Lokale zu trinken.
Nachdem sie also für das letzte mal bis Anfang September die angenehme Kühle des Schulgebäudes verlassen hatte und gegen die Spätnachmittagssonne blinzelte war ihr eingefallen, dass ihr Balletttraining heute wegen des Ferienbeginns entfallen würde und sie somit noch eine Stunde Zeit hatte bevor sie eigentlich nach Hause gehen müßte. Es war seltsam, dass genau drei Wochen vor der Aufführung von „Dornröschen" das beinahe tägliche Training im hellen freundlichen Probenraum der Ballettschule entfiel. Das Tanzen war eines der wenigen Dinge, die Rinoa noch mit ihrer Mutter verknüpfte.
Sie konnte sich noch so gut erinnern, als ob es erst gestern gewesen wäre, wie ihre Mutter sie das erste mal der strengen älteren Dame mit den zurückfriesierten dunklen Haaren und dem schwarzen Trainingsbody vorgestellt hatte. Rinoa war erst vier Jahre alt gewesen und hatte aus großen schokoladenbraunen Augen die Spiegelwände und Trainingsstangen begutachtet.
Schon kurze Zeit später hatte sich herausgestellt, dass sie durchaus recht begabt war und das zusammen mit einer gewissen Hingabe hatte sie soweit gebracht, dass sie das Dornröschen tanzen würde. Und sie war stolz darauf, dass sie zumindest eine Sache in ihrem jungen Leben ohne das Zutun ihres übermächtigen Vaters geschafft hatte.
Da sie also Zeit hatte, war sie nach der Schule einer ihrer Lieblingsbeschäftigungen nachgegangen: Die Seele baumeln zu lassen. Sie hatte sich in einem kleinen schmuddeligen Buchladen einen Liebesroman mit dem klingenden Titel „Unterm Sternenhimmel" gekauft und sich dann in einem kleinen gepflegten Park einfach auf ihr Schulsakko gesetzt, das sie nahe einem der duftenden Blumenbeete im Gras aufgebreitet hatte.
Die vorbeispatzierenden jungen Mütter mit ihren Kinderwägen und die vornehmen alten Damen hatten nicht schlecht gestaunt eine Schülerin des St. Felia Gymnasiums hier ihre Zeit verbringen zu sehen. Die meisten die diese Eliteschule besuchten wurden direkt von der Schule vom Chauffeur ihrer Familie abgeholt und man sah die dunkelblauen Faltenröcke und die weißen Blusen mit Emblem nur sehr selten in der Stadt.
Die Schuluniform war etwas, das Rinoa nun schon seit fünf Jahren quälte. Der Rock, der, von einem schmalen schwarzen Ledergürtel gehalten, bis auf die Knie reichte war viel zu warm, die Krawatte zu eng und das Sakko fand sie einfach nur spießig. Vielleicht mochte sie sie aber auch einfach nur nicht, weil sie ihrem Vater so gut gefiel.
So hatte sie die rührselige Geschichte um Demian und Selinia mitfiebernd verfolgt und erst, als sie beim umblättern der 150sten Seite durch Zufall die nahegelegene alte Kirchturmuhr halb neun schlagen hörte war ihr bewusst geworden, dass sie schon die längste Zeit im Dämmerlicht gelesen hatte und es höchste Zeit war nach Hause zu gehen.
So war sie nun nur mehr wenige Straßen von Carway Mansion entfernt, das auf einer kleinen Anhöhe am Rande der Altstadt lag.
Einen Trumpf im Kampf gegen die Zeit hatte sie noch: eine Abkürzung, die sie durch eine schmuddelige Gasse zwischen zwei nahe beieinander stehenden, dreistöckigen Häusern hindurchführte und teilweise mit Mülltonnen verstellt war.
Rinoa sah sich kurz unsicher um und schluckte einmal schwer, bevor sie ihre Schultasche fester fasste und langsam in die tiefschwarzen Schatten der Gasse trat.
Sie hatte nicht bemerkt, dass sich einer der Schatten bewegte.
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To be continued soon.... ~***~
