Mittagessen

Es war absolut unglaublich. Surrreal. Verflucht komisch. Absolut - wahnsinnig. Sie war mit Snape im Bett gelandet. Und es war ganz gut gewesen. Ach was, ganz gut. Fantastisch.

Und es würde nie wieder vorkommen. Als Lehrerin in Hogwarts durfte sie sich so eine Entgleisung nicht leisten. Mit einem Kollegen. Den sie eigentlich gar nicht leiden konnte, weil er ein Menschenschinder war und stets wie eine überdimensionale Kellerassel in seinen feuchten Kerkern hockte.

Mit entschlossenen Schritten stürmte sie durch den Korridor im Westflügel des Schlosses. Es war Mittag, eine sanfte Spätsommersonne schien draußen auf die Wiesen, wo die Schüler ihre Pause verbrachten. Dummerweise hatte sie das Mittagessen verpasst, weil Minerva McGonagall in ihrer Funktion als stellvertretende Schulleiterin kurzerhand eine Lehrerkonferenz einberufen hatte. "Lehrerkonferenz" wiederum war übertrieben für dreißig Minuten unangenehmen Schweigens, in denen McGonagall dem ganzen Kollegium vorhielt, sich am Freitag vollkommen unprofessionell verhalten zu haben.

Sie hatte Hunger. Vor dem Portrait einer Obstschale blieb sie stehen, kitzelte die Birne mit dem Zeigefinger und stürmte die Treppe zur Küche hinunter. Schokotorte? Lasagne? Matjesfilets mit viel Zwiebeln? Ach was, alles zusammen, Hauptsache viel und lecker.

In der Küche war viel los. Ein paar Hauselfen erledigten den Abwasch, andere trockneten ab und wiederum andere wuselten unbeschäftigt durch den Raum, so als sei es das Wichtigste, überhaupt in Bewegung zu sein.

"Hallo!", sagte sie ungezwungen und beobachtete voller Vorfreude, wie die kleinen, grünen Wesen wie von der Tarantel gestochen angerannt kamen. "Ich hab einen mörderischen Hunger, könnt Ihr mir da helfen? Ich nehme auch die Reste!"

Während sie sich an einem der Tische auf einem eilig herangebrachten Stuhl niederließ, begann sie in Gedanken zu zählen. 30, 29 - . Bei 15 angekommen, stand eine Auswahl vor ihr, die dem Schlaraffenland in nichts nachstand. Ihre heißgeliebte Schokotorte mit viel Sahne, Aprikosenquark, eine Quiche mit Tomaten, ein Teller mit heißer Suppe und ein großer Becher eisgekühlter Kürbissaft. Es würde doch noch ein guter Tag werden!

"Sie hier. Was für eine Überraschung." So viel zum guten Tag. Sie blickte über den Tisch und in Snapes zitronensaueres Gesicht. Der Meister der Zaubertränke hatte sich ungehört in die Küche gestohlen und bewirkte nun, dass die Hauselfen zurückwichen. Ein ganz natürlicher Reflex, wenn man sich im Angesicht einer möglichen Vergiftung befand. Sie musste ihn ignorieren. Was wollte er überhaupt? "Ich muss mit ihnen reden."

Schon ziemlich gruslig, wenn so eines zum anderen kam, als sei es geplant.

"Mmmh", kommentierte sie und trank einen Schluck Saft. Nur nicht so wirken, als sei sie übermäßig an ihm interessiert. Er sollte schließlich nicht merken, dass ihr die gemeinsame Schäferstunde gefallen hatte. "Was gibt es, Herr Kollege?"

"Ich wollte Sie darauf hinweisen, dass Sie nicht annehmen dürfen, dass etwas derartiges noch einmal passiert", stellte er kühl fest und verschränkte in triumphaler Gebärde die Arme. Sie zuckte die Schultern in der "Meinetwegen" - Geste und nahm ihre Gabel, um sie in der Torte zu versenken. Schokolade half immer, immerhin war sie eine ganz normale Frau. Lecker. Sie blickte unauffällig zu ihm herüber. Ob er sich eigentlich bewusst war, dass seine Unnahbarkeit sehr anziehend war? Vor allem seine Kälte regte dazu an, darüber nachzudenken, ob nicht irgendwo tief in ihm ein Feuerchen loderte.

Es machte sie verrückt. Seine ganze Art. Seine Arroganz. Die Erinnerung an den vergangenen Morgen. Und dieser Blödmann wagte es, sie hier abservieren zu wollen? Das hatte sie sich doch vorgenommen! Nicht ernsthaft, aber ein wenig. Das Teufelchen erschien auf ihrer Schulter, ihre Hand legte die Gabel auf den Tellerrand und fuhr dann ganz selbstverständlich zu ihrem Zauberstab. Schade, schade. Aber was sein musste -!

"Reductio!" Die Torte segelte über den Tisch hinweg und landete mit einem satten Schmatzen direkt in Magenhöhe auf Snapes Robe, von wo sie dann abrutschte und zu Boden fiel. Ein Anblick für die Götter, vor allem das gefährliche Aufblitzen in Snapes Augen.

Dann geschah es. Schneller als sie es geahnt hatte, hatte der Zaubertränkelehrer seinen Zauberstab ebenfalls zur Hand und jagte ihr den Aprikosenquark entgegen. Sie versuchte sich noch zu ducken, doch zu spät. Fassungslos wischte sie sich den Nachtisch aus Haar und Ohren und holte dann zum Gegenschlag aus.

Zack! Mit einem Wink flog einer der riesigen Kühlschränke auf, eine Sahnedose schoss hervor und leerte ihren Inhalt mit einem fast unverschämten Zischen auf Snapes Kopf, dessen Gesichtsfarbe in einem gesunden Rot einen phantastischen Kontrast bildete.

Spotz! Etwas Nasses landete auf ihrer Robe. Snape hatte den Becher mit Kürbissaft entdeckt und wirkungsvoll eingesetzt.

Glitsch! In dem Kühlschrank war auch noch grüne Götterspeise, die sich Snape mit indignierter Geste aus dem Gesicht wischte. Ha, jetzt hatte sie ihn. Den kleinen Moment seiner Ablenkung nutzend, ließ sie ein Pfund Tomaten, zwei Gläser Kirschmarmelade (ohne das Glas) und einige Stücke Pizza auf ihn hernieder regnen.

Zoing! Das war unfair! Eine noch gefrorene Forelle erwischte sie eiskalt im Magen und ließ sie zu Boden taumeln. Dummerweise rutschte sie auf dem Kürbissaft aus und verlor ihren Zauberstab. Wie ein Käfer auf dem Rücken, strampelnd, versuchte sie die Ströme von Ketchup, Senf und die gesalzene Prise Reibekäse abzuwehren, die sich über sie ergossen.

"Ich - gebe auf!" brachte sie hervor und starrte keuchend an die Decke. Oh Mann, was für ein Erlebnis. Das hatte gut getan. Unheimliche Stille umfing sie. Die Hauselfen waren wohl geflohen, im Angesicht ihrer Zerstörungswut. Sie sah nach oben. Snape erschien in ihrem Blickfeld, verharrte über ihr wie ein Jäger über seiner Beute. Sie blinzelte den Käse aus ihren Augen. Warum war er denn schon wieder sauber? Reichlich unfair.

Snape hob seinen Zauberstab und sie machte die Augen gleich wieder zu. Doch nichts geschah, kein furchtbarer Fluch, keine bösartige Bestrafung. Der Geruch und das Gefühl von Essen auf ihr verschwanden, alles war wie vor ihrem Ausbruch. Sauber. Sie wagte wieder hinzusehen und rappelte sich auf die Beine, als nichts weiter geschah. Er sah aus wie die Rache in Person. Also wie immer. Und trotzdem meinte sie, eine winzige Veränderung an ihm feststellen zu können. Was es war, hätte sie auch nicht sagen können. Vielleicht waren seine Mundwinkel nicht ganz so herabgezogen wie sonst. Und seine Augen weniger kalt.

Eine kleine Ewigkeit standen sie voreinander. Die Forelle machte ihr immer noch zu schaffen. Die ersten Hauselfen steckten ihre Ohren wieder in den Raum. Nicht geschah. Und dann doch.

"Sie sind unmöglich", sagte Snape trocken, aber warm. Schließlich verließ er die Küche.