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Das Vermächtnis der Gründer
+++ Kapitel 1 +++
Rückkehr nach Hogwarts
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von Skydancer

Es war ein wechselhafter Tag mitten im Juli. In einem grauen, unscheinbaren Gebäude in der Londoner Innenstadt in einer dunklen, ebenso unscheinbaren Straße namens Rodrigo-Street nahe des Buckingham Palace liefen ruhelos Menschen quer durch die Großraumbüros und gingen ihrem gewohnten Arbeitsablauf nach.
Diejenigen, die jenem Verwaltungskomplex in der Rodrigo-Street zehn arbeiteten, waren Abbilder des durchschnittlichen britischen Staatsbürgers, der sich gegen Abend genüsslich seinen Tee mit Milch neben der Financial Times genehmigte. Doch eine Mitarbeiterin war alles andere als dieser Durchschnitt. Sie las keine Financial Times, sondern den Tagespropheten, sie trank keinen Tee, sondern Kürbissaft, aber der größte Unterschied zu ihren Kollegen war wohl der, dass sie magische Kräfte besaß.
Elaine Laudry war eine Hexe im Alter von zweiunddreißig Jahren, deren auffälligstes Merkmal wohl ihre dunkelblonden, schulterlangen Haare waren, die, wenn sie sie nicht ständig in einem Zopf zusammen gebunden hätte, in alle Richtungen wild abstehen würden. So wie viele andere Zauberer und Hexen zuvor hatte sie an der Hogwarts-Schule für Hexerei und Zauberei ihre schulische Ausbildung erhalten und nachdem sie ihr Studium der Zauberei an der UfgaM, der Universität für gelangweilte oder arbeitslose Magier, die einzige Universität für Hexerei und Zauberei auf der ganzen Welt, beendet hatte, war sie einen für Magier sehr ungewöhnlichen Weg gefolgt: Sie hatte sich fast vollständig von der magischen Welt losgesagt und lebte nun unter Muggeln.
Ihre Pflegeeltern, die immer darauf geachtet hatten, dass sie niemals die Beziehung zu der nichtmagischen Welt verlieren würde, waren wohl auch ein Grund dafür gewesen, dass sie sich nach ihrem Abschluss auf der UfgaM einen typischen Muggelberuf angenommen hatte.
Sie hatte geglaubt, die Muggel und ihre Kultur ständen ihr näher als die Welt der Magier, und so hatte sie sich entschieden, in die Welt zurückzukehren, in der sie bis zu dem Tag in ihrem elften Lebensjahr, an dem ein Brief aus Hogwarts kam, gelebt hatte. Doch zufrieden war sie mit dieser Entscheidung nicht gewesen. Sie hatte das Gefühl, für immer zwischen zwei Welten stehen zu müssen, die sich schwer miteinander vereinen ließen.

Gegen achtzehn Uhr verließ Elaine den trostlosen Bürokomplex und begab sich in Richtung U-Bahn. Graue Wolken hingen über dem Himmel von London und verdeckten fast vollständig die Sicht auf die Sonne. Es war ein Tag mitten im Juli, doch man konnte meinen, es sei April. Ständig wechselten die Wetterverhältnisse von Regen, Sturm und Sonnenschein.
Als die ersten Regentropen auf dem staubigen Asphalt der Straßen trafen, suchten die meisten Menschen Schutz unter Regenschirmen oder überdachten Eingängen von Geschäften und Wohnhäusern. Um nicht nass zu werden, rannte Elaine die wenigen Meter bis zum U-Bahnhof. Von der Rodrigo-Street bis zu ihrer Wohnung in der Boston-Street waren es nur drei Stationen, so dass sie die U-Bahn so schnell verließ, wie sie sie betreten hatte. Zum Glück hatte sich der Regen bis dahin wieder verzogen und die Sonne lugte hinter ein paar hellgrauen Wolken hervor.
Elaine ging die Straße entlang bis zur Boston-Street einhundert. Im fünften Stock hatte sie ihre Wohnung, ein kleines Zwei-Zimmer Appartement, welches einen wundervollen Blick über die Londoner Innenstadt bot. Die Miete war deshalb auch entsprechend hoch, so dass sie stets pleite war. Oben angekommen stellte sie nur ein paar Arbeitsunterlagen auf den überfüllten, unaufgeräumten Schreibtisch, in der Absicht, die Wohnung gleich wieder zu verlassen. Sie war bei den Jacksons, ihren Pflegeeltern, um neunzehn Uhr zum Abendessen eingeladen und ein kurzer Blick auf die Uhr sagte ihr, dass es bereits höchste Zeit war. Bevor sie das Haus verließ, warf sie ihre Post mit Ausnahme des Tagespropheten achtlos in ihre Handtasche.

In der U-Bahn hatte Elaine die Gelegenheit, sich die zwei Briefe, welche sie erhalten hatte, näher anzuschauen. Der eine interessierte sie weniger, denn sie konnte sich schon denken, dass dies die Arztrechnung von ihrem Zahnarzttermin vor einem Monat sein würde.
Bei dem anderen Brief jedoch stockte ihr der Atem. Er trug keine Briefmarke und nur ein großes Siegel aus rotem Wachs, auf dem sich ein Dachs, eine Schlange, ein Adler und ein Löwe um ein großes H reihten, ließ auf den Absender schließen - Hogwarts. Warum sollte sie einen Brief von Hogwarts erhalten? Sie hatte ihre Ausbildung dort vor vierzehn Jahren abgeschlossen.
Vorsichtig brach sie das Siegel, lehnte sich so zurück, dass kein Muggel, der sich mit ihr in der U-Bahn befand, etwas von dessen Inhalt erspähen konnte, und las das Schreiben:

HOGWARTS-SCHULE FÜR HEXEREI UND ZAUBEREI

Schulleiter: Albus Dumbledore
(Orden der Merlin, Erster Klasse, Großz., Hexenmst.
Ganz hohes Tier, Internationale Vereinig. d. Zauberer)

Sehr geehrte Miss Laudry,

durch Annoncen im Tagespropheten schrieb die Hogwarts-Schule für Hexerei und Zauberei die Lehrerstelle für die Verteidigung gegen die dunklen Künste aus.
Leider erfolgten keine Bewerbungen auf o.g. Stelle. Aus diesem Grund hat sich der Schulrat entschlossen, geeignete Kandidaten anzuwerben. Ihre Personalunterlagen haben wir von der UfgaM angefordert. Sollten Sie an der Stelle interessiert sein, schicken Sie mir eine Eule bis spätestens 31. Juli 1995. Ich hoffe auf baldige Antwort und verbleibe

mit freundlichen Grüßen

Minerva McGonagall
Stellvertretende Schulleiterin

Elaine faltete den Brief säuberlich zusammen und steckte ihn zurück in den gelblichen Umschlag. Eine Weile starrte sie aus dem Fenster der U-Bahn, das in monotones Schwarz gefärbt war. Dann blicke sie wieder auf den Umschlag, den sie immer noch in ihren Händen hielt und fühlte sich unwillkürlich in ihre Schulzeit zurückversetzt.
An ihre Zeit in Hogwarts konnte sie sich, obwohl es nur vierzehn Jahre her war, nur dunkel erinnern. Abgesehen von dem Fakt, dass sie dem Hause Gryffindor angehört hatte, schwirrten ihr nur unpersönliche Bilder im Kopf herum. Sie kannte ein paar Magier aus ihrer Schulzeit, Lehrer sowie Schüler, ebenso wie den Unterrichtsstoff, aber gemeinsame Erlebnisse und Abenteuer waren bis auf wenige Ausnahmen nicht mehr vorhanden...
Doch sie hatte sich nie sonderlich den Kopf darüber zerbrochen. Es war eine Folge des Unfalls, den sie damals während ihrer UTZ-Prüfung in Verteidigung gegen die dunklen Künste bei der Abwehr eines Vergessenszaubers erlitten hatte. Sie konnte sowieso nichts daran ändern. Die Erinnerungen waren verloren, für immer.
Elaine musterte erneut den Umschlag und dachte über dessen Inhalt nach. „Geeignete Kandidaten anzuwerben..." , fuhr es ihr durch den Kopf. Sie hatte ihr Studium an der UfgaM mit den Schwerpunkten Verteidigung gegen die dunklen Künste, Zaubertrankkunde und Zauberrecht absolviert. Aber dennoch hatten unzählige andere Hexen und Zauberer neben ihr an der UfgaM ähnliche Studienschwerpunkte wie sie gewählt. Warum gerade sie? War es ein „Heimvorteil", den sie hier hatte? War die Wahl einfach auf Grund der Tatsache, dass sie einmal an Hogwarts Schülerin gewesen war, auf sie gefallen?
Das war eigentlich eine logische Erklärung. Bei ihr wusste das Lehrerkollegium, dass sich sicherlich in den letzten vierzehn Jahren nur geringfügig in seiner Zusammensetzung geändert hatte, an wen es geraten würde.
Elaine beschloss, weniger über das „Warum" sondern mehr über das „Ob" nachzudenken. Sollte sie wirklich nach Hogwarts zurückkehren und ihr Leben hier in London aufgeben? Bevor sie zu einer Antwort kam, hielt die U-Bahn am Endhaltepunkt Hudson-Street. Sie verließ die Station und begab sich zum Haus ihrer Pflegeeltern.

Die Jacksons hatten ein kleines Einfamilienhaus am Rande von London. Es war fast schon zu groß für die zweiköpfige Familie, die aus biologischen Gründen nie eigene Kinder haben konnte. Deshalb waren sie auch froh darüber gewesen, dass sie Elaine als ihre Pflegetochter hatten aufziehen können, obwohl dies von einem tragischen Ereignis überschattet worden war: der Tod von Elaines Mutter Mira, eine langjährige Freundin der Familie Jackson.
Mira Laudry war an einer Lungenentzündung gestorben, als Elaine fünf Jahre alt war. Ihren Vater hatte sie nie kennen gelernt. Er hatte ihre Mutter verlassen, bevor sie überhaupt geboren worden war. Noch nicht einmal die Jacksons wussten, wie ihr Vater hieß, geschweige denn wie er aussah. Elaine vermutete nur, dass er derjenige gewesen war, der ihr die magische Begabung in die Wiege gelegt hatte, denn ihre Mutter war eine Nichtmagierin gewesen und Magier-Kinder aus reinen Muggelfamilien waren eher selten anzufinden.
Andere Verwandtschaft hatte sie keine, beziehungsweise sie wusste nichts von ihr, da ihr der Familienzweig ihres Vaters gänzlich unbekannt war. Also war sie von den Jacksons groß gezogen worden.
Elaine klingelte an der Haustür. Es dauerte nicht lange und schon öffnete Mrs. Jackson ihr die Tür. „Ach, ich dachte schon, du würdest gar nicht mehr kommen..." Sie seufzte kurz und umarmte dann ihre Pflegetochter.
Melanie Jackson war eine kleine, untersetzte Frau Anfang sechzig, mit grauen Haaren, die sie ständig zu einem Dutt locker nach hinten gebunden hatte. Von ihrer typischen Kleidung, die sich aus einem Rock, einer Bluse und einer schrecklichen Schürze zusammensetze, war sie auch an diesem Tag nicht abgewichen.
„Ich habe dich über dein... ähm, tragbares Telefon..."
„Handy, das heißt Handy", unterbrach sie Elaine geduldig.
„Ist ja egal. Ich hab dich auf diesem Ding angerufen, aber es kam dauernd eine Computerstimme. Ist dieses Ding, dein Handy, kaputt?", sprach Mrs. Jackson aufgeregt, während sich Elaine ihrer Jacke entledigte.
„Nein, in der U-Bahn habe ich doch keinen Empfang", sprach sie allmählich forscher, denn das hatte sie ihrer Pflegemutter schon mehrmals erklären müssen. Das Klischee „Ältere Leute und Technik" bewahrheitete sich immer wieder...
Beide begaben sich in das Wohnzimmer, in dem es herrlich frisch war, und nicht so schwül wie im Freien. Der Tisch war bereits gedeckt und aus der Küche drang der Duft eines Bratens an Elaines Nase.
Mit offenen Armen kam ihr Ronald Jackson, ihr Pflegevater, entgegen und gab ihr fürs Erste einen dicken Schmatz auf die Wange. Er war ebenso wie Mrs. Jackson Anfang sechzig, klein, ein wenig untersetzt, hatte graue Haare und einen schmalen Oberlippenbart.
Lange Zeit für eine Unterhaltung blieb ihnen nicht, denn Mrs. Jackson kam schon mit dem Essen in das Zimmer gestürmt.
„Ach, ich hoffe, der Braten stand nicht zu lange in der Röhre und ist nicht ausgetrocknet", murmelte die alte Frau mehr zu sich selbst.
Natürlich war ihre Sorge wie immer unbegründet. Das Essen schmeckte vorzüglich. Wie sollte es auch anders sein? Doch trotz des guten Essens und der Gesellschaft ihrer Pflegeeltern ließen sich Elaines Gedanken nicht von dem Brief aus Hogwarts abbringen.
„Elaine, was ist los mit dir? Du bist doch sonst nicht so still", fragte Mrs. Jackson besorgt.
Früher oder später musste Elaine von dem Angebot, das sie erhalten hatte, erzählen. Sie beschloss, es nicht noch länger hinauszuschieben. „Ich habe einen Brief aus Hogwarts erhalten. Sie bieten mir die Stelle des Lehrers für die Verteidigung gegen die dunkeln Künste an."
Mit einem Male sanken Messer und Gabel auf die Teller von Mr. und Mrs. Jackson und sie starrten sie für einen Augenblick mit offenen Mündern an.
„Das ist ja wunderbar", sagte ihre Pflegemutter und Elaine wusste, dass sie kein Wort davon ernst meinte. Ihre Pflegeeltern hatten keinen Bezug zu der magischen Welt und wenn sie sich für Hogwarts entscheiden würde, hieß das automatisch eine Entscheidung gegen die Jacksons, die sie dann frühestens bis zu den Weihnachtsferien wiedersehen würde.
Es war ihnen damals schon schwer gefallen, sie so weit weg in Hogwarts unterrichten und später das Studium an der UfgaM aufnehmen zu lassen, doch sie hatten sich ihr trotzdem nie in den Weg gestellt. Und jetzt lebte sie gerade vier Jahre fernab von jeder Magie und sie wurde wieder zurückgerufen in die Welt der Hexen und Zauberer.
„Ich weiß nicht, ob ich die Stelle annehmen soll. Ich habe mir in den vergangenen Jahren ein vollkommen neues Leben aufgebaut. Wenn ich akzeptiere, muss ich das alles hier aufgeben."
„Das ist eine einmalige Gelegenheit, Elaine!", sagte Mr. Jackson ein wenig überzeugender als seine Frau. „Noch einmal wirst du so eine Stelle nicht hinterhergeschmissen bekommen. Und wie oft hast du schon gejammert, dass dir auf der Arbeit alles so langweilig vorkommt und dass du es vermisst, den Kaffee nicht einfach mit einem Zauberspruch erwärmen zu können sondern mit einer Kaffeemaschine. Auch wenn du es nie in unserer Gegenwart zugeben würdest, glaube ich, dass du dich viel wohler unter Deinesgleichen fühlst. Es ist die Welt, in die du eigentlich gehörst."
Mr. Jackson hielt kurz inne, um Elaine zu mustern. Diese überdachte die Worte ihres Pflegevaters noch einmal. Mit seinem ersten Argument hatte er weniger Recht. Es musste einen Grund dafür geben, warum niemand Interesse an der Stelle als Lehrer für die Verteidigung gegen die dunklen Künste gezeigt hatte. So super, wie Mr. Jackson wohl meinte, konnte diese Beschäftigung also nicht sein. Das zweite Argument überzeugte sie schon mehr. Im Grunde genommen war sie vollkommen unzufrieden mit ihrem Leben hier in London. Anfangs war alles noch so aufregend gewesen, ein Leben fernab von jeder Magie, doch im Laufe der Zeit begann sie die magische Welt zu vermissen.
Ehe sie antworten konnte, fuhr Mr. Jackson fort: „Und wenn du nach Hogwarts gehst, heißt das doch nicht, dass unser Kontakt abbricht. Mittlerweile wissen Melli und ich sehr wohl, wie man die Post per Eule verschickt. Das ist noch einfacher, als dieses Ding, dieses Handy zu bedienen."
Elaine blickte hinüber zu Mrs. Jackson, die jetzt zustimmend nickte, als hätten sie die Worte ihres Mannes überzeugt. Dieses Nicken und die Worte ihres Pflegevaters waren auch ein Grund dafür, dass sie keine zwei Tage später eine Eule nach Hogwarts schickte mit der Nachricht, sie würde das Stellenangebot akzeptieren.

Und so kam es, dass Elaine Laudry zwei Wochen vor Beginn des neuen Schuljahres ihre Reise nach Hogwarts aufnahm. Mit ihrem silbergrauen Ford machte sie sich auf die lange Fahrt in Richtung der schottischen Highlands auf, vollbepackt mit Koffern und natürlich einem Lunchpaket von Mrs. Jackson, das so üppig ausgefallen war, dass sie hätte meinen können, die Fahrt würde eine Woche anstatt einen Tag dauern.
Am späten Abend hatte sie das unwegsame Gelände der Ländereien von Hogwarts befahren. Nur sehr selten verirrte sich ein Muggel hierher, denn die Infrastruktur war alles andere als gut ausgebaut, und technische Geräte wie normale Autos drohten immer wieder zu versagen, da zuviel Magie in der Umgebung vorhanden war.
Glücklicherweise hatte sie dieses Problem mit ihrem Fahrzeug nicht, denn es war einer kleinen magischen Verbesserung unterzogen worden. Zwar hätte sich jeder rechtsliebende Magier dagegen gewehrt, denn dies schien gegen § 37 Abs. 1 MugSchG (Muggelschutzgesetz) zu verstoßen, der die Verhexung von Muggel-Artefakten verbot.
Dennoch gab es für fast jede Regel eine Ausnahme. Eine Verhexung von Muggelgegenständen war dann rechtmäßig, wenn die Gegenstände nicht geeignet waren, das Leben der Muggel zu beeinträchtigen oder wenn die Verhexung aus politischen, sozialen oder gesellschaftlichen Gründen notwendig war. Das Ministerium stütze auf diese Ausnahme die Schaffung von Portschlüsseln, die ja auch nichts anderes darstellten als Muggel-Artefakte.
Es dauerte nicht lange, da erblickte Laudry die ersten Lichter des Schlosses hoch oben auf einem Berg. In den Sommerferien waren keine Schüler auf Hogwarts anwesend, so dass nur wenige der vielen Fenster beleuchtet waren. Die einzigen Bewohner des Schlosses waren neben dem Lehrerkollegium, das sich gewöhnlich ein bis zwei Wochen vor dem neuen Schuljahr auf Hogwarts einfand, der Hausmeister Argus Filch, der Hüter der Schlüssel und Ländereien Rubeus Hagrid, die Krankenschwester Poppy Pomfrey, die Bibliothekarin Irma Pince und die Hauselfen.
Langsam fuhr Elaine an den Fuß des Berges heran und erblickte schon von weitem Hagrid, der sie abholen und ins Schloss geleiten sollte. Sie parkte ihren Ford in einer Einbuchtung der Straße und lief auf den Halbriesen zu.
„Hagrid", rief sie, „wir haben uns ja Ewigkeiten nicht mehr gesehen!"
„Elaine", rief Hagrid gerührt und schniefte kurz. „Hätt' nie gedacht, dass du hierher zurückkommst."
Er breitete die Arme aus und drücke Elaine, die gerade aus dem Auto gestiegen war, so fest an sich, dass sie glaubte, sie würde ersticken. „Ich freu' mich ja so drüber... s' wird wie in alten Zeiten, nur ohne Milly."
Elaine wurde still. Milly Fletcher war in Hogwarts ihre beste Freundin gewesen, doch sie hatte die Schule nicht mehr beenden können. In ihrem siebenten Jahr in Hogwarts war sie auf unerklärliche Weise verschwunden und niemand wusste wohin.
„Das wird es Hagrid, ganz bestimmt...", sagte Elaine wieder auf die ‚alten Zeiten' zurückkommend.
Die Erinnerung an Milly war eine der wenigen persönlichen, die von ihrem Unfall während der UTZ-Prüfung verschont worden war. Sie dachte daran, wie Milly und sie während ihrer Schulzeit Hagrid besucht und gemeinsam mit ihm Tee getrunken hatten. Manchmal hatten sie den Halbriesen mit Unterrichtsstoff versorgt, denn dieser hatte nie die Möglichkeit gehabt, seine Ausbildung an Hogwarts beenden zu können. Sie war auch eine der wenigen Leute, die wusste, dass Hagrid seinen alten zerbrochenen Zauberstab, den er eigentlich nicht mehr besitzen durfte, in seinen rosafarbenen Regenschirm eingebaut hatte.
Hagrid führte Elaine zu einer Kutsche, während sich die fleißigen Hauselfen daran machten, ihr Gepäck auf einen zweiten Wagen zu packen.
„Was wird aus meinem Ford?", fragte sie Hagrid. „Ich kann ihn doch unmöglich hier stehen lassen."
„Keine Sorge... S' alles unter Dach und Fach. Brauchst den Hauselfen nur den Schlüssel zu geben und sie werden ihn in die Garage fahren."
„Garage?!", fragte Elaine etwas verduzt. „Ich wusste gar nicht, dass Hogwarts so etwas hat."
„Na ja, ist eigentlich keine richtige Garage, sondern nur eine größere Halle. Die Fahrzeuge der anderen Lehrer stehen dort."
„Die anderen Lehrer bevorzugen also auch dieses Transportmittel..."
„Na klar, wie sollten sie sonst nach Hogwarts kommen, wenn nicht gerade mit einer fliegenden Kutsche oder einem verzauberten Schiff? Apparieren können sie nur außerhalb des Geländes... Müssten dazu weit in das Dickicht des Verbotenen Waldes vordringen und das mit dem Gepäck... Nee, macht sich nicht so gut. Zwar nehmen manche diese Strapazen auf sich, aber moderne Hexen und Zauberer kommen um ein Auto nicht drum herum."
Als Elaine weiter darüber nachdachte, kam sie zu dem Schluss, dass wirklich keine anderen Möglichkeiten existierten. Direkt ins Schloss konnte man nicht apparieren, ein Besen stand auch außer Frage, da man nicht genug Gepäck damit transportieren konnte, der Hogwarts-Express fuhr nur während des Schuljahres, fliegende Teppiche kamen auch nicht in Betracht... Übrig blieben nur noch Portschlüssel und Flohpulver. Jedoch war Hogwarts nicht an das öffentliche Kaminnetz angeschlossen - es verfügte nur über ein Kamin-IntraNet, das durch einen nahezu undurchdringlichen magischen Firewall abgeschirmt war - und Portschlüssel gab es ebenfalls keine. Wenn man während der Ferien Hogwarts erreichen wollte, hatte man keine andere Wahl, als auf herkömmliche Transportmittel zurückzugreifen.
Hagrid und Elaine nahmen in der Kutsche Platz, die sich kurz darauf in Bewegung setzte.
„Hättest du gedacht, dass Professor Sprout schon seit vier Jahren mit einem riesigen Mercedes hier aufkreuzt. Frag mich, wie sie sich den hat leisten können... Hab nur gehört, ihr Mann sei ziemlich reich."
Elaine musste kurz auflachen, als sie an die kleine untersetze Hexe, die ständig mit Erde beschmutzt war, dachte, wie sie in einem Ferrari vor dem Schloss auftauchte. Professor Sprout wäre die letzte im Lehrerkollegium gewesen, der sie so etwas zugetraut hätte.
„Ach, und weißt du schon? Ich bin jetzt Lehrer!", berichtete Hagrid stolz.
„Wirklich? Gratuliere! Welches Fach? Wie bist du da ran gekommen?"
„Die Pflege magischer Geschöpfe. Das Fach passt mir genau auf den Kragen. Hab alles Dumbledore zu verdanken. Nachdem Professor Kesselbrand vor zwei Jahren in den Ruhestand gegangen ist, kam Dumbledore schnurstracks auf mich zu und bot mir die Stelle an. Großartiger Mann, Dumbledore..."
„Das ist er", bestätigte Elaine, die Albus Dumbledore als einen liebenswerten, alten Kauz in Erinnerung hatte. Er war verrückt und genial zugleich, man konnte ihm einfach nur vertrauen.

Mit einem Quietschen hielt die Kutsche direkt vor dem Eingang des Schlosses. Nachdem Elaine ihre Autoschlüssel schweren Herzens einem Hauself übergeben hatte - sie fragte lieber nicht danach, wie diese kleinen Lebewesen vom Sitz aus überhaupt die Kupplung berühren konnten -, betraten sie über das Schlossportal die Eingangshalle. Nichts hatte sich verändert, als sie das letzte Mal vor vierzehn Jahren in dieser Halle gestanden hatte. Sie wirkte immer noch so pompös und beeindruckend, wie damals.
„Müssen jetzt zu Dumbledore", meinte Hagrid schnaubend, während er Elaine durch die Korridore des Schlosses führte. „Hat extra auf dich gewartet, bis du ankommst."
Vor einem Wasserspeicher blieb der Halbriese stehen.
„Flubberblupp", sagte Hagrid.
Mit einem Male hüpfte der Wasserspeicher zur Seite und die Wand hinter ihm gab einen Eingang frei, in dem sich eine Wendeltreppe befand. Sie musste wohl zu Dumbledores Büro führen. Gemeinsam stiegen Hagrid und Elaine auf die Treppe, die sich plötzlich in Bewegung setzte und sie in Richtung einer Tür transportierte.
Oben angekommen betraten sie das Büro des Schulleiters von Hogwarts. Elaine war überrascht, ihn in einem Nachtgewand und einer Schlafmütze zu sehen. Ein kurzer Blick auf die Uhr an der Wand sagte ihr, dass es bereits nach Mitternacht war.
Dumbledore kam ihr lächelnd entgegen und reichte ihr die Hand. Seine Augen wirkten durch die Brille mit den halbmondförmigen Gläsern ein wenig müde.
„Miss Laudry, nun sind auch Sie endlich angekommen... Da bin ich aber beruhigt. Hatten Sie eine gute Fahrt?"
„Ja, ich bin gut vorangekommen."
„Professor Santana, der ebenfalls dieses Schuljahr neu an Hogwarts ist und Zauberkunst unterrichten wird, ist vor einer Stunde auch aus London hier eingetroffen. Er hatte zunächst vor, zu apparieren, hat es dann aber aufgegeben. Er hatte zuviel Gepäck und es wäre ihm zu stressig gewesen, ständig zwischen London und dem Verbotenen Wald hin und her zu apparieren und jedes Mal einen Koffer mehr mitzunehmen. Ich war ganz überrascht, dass er hier mit dem Auto auftauchte. Wenn ich das früher gewusst hätte, denn hätten Sie gemeinsam hier anreisen können."
Dumbledore seufzte kurz. „Ich denke, Sie sind sicherlich müde von Ihrer Reise. Gehen Sie jetzt besser zu Bett. Ich bin sicher, die Hauselfen haben Ihre Zimmer bereits hergerichtet."
Dumbledore wandte sich an Hagrid. „Hagrid, würden Sie so freundlich sein und Elaine zu ihren Gemächern führen. Das Passwort lautet ‚Senftorte'."
„Klar doch."
Dann richtete Dumbledore seinen Blick wieder auf Elaine. „An dem Tagesablauf in Hogwarts hat sich nichts geändert. Um acht Uhr gibt es Frühstück. Das wird jedoch im Lehrerzimmer eingenommen, da die Große Halle über die Sommerferien leer steht. Wissen Sie, wo sich das Lehrerzimmer befindet?"
„Ja, Direktor", antwortete Elaine.
„Gut, dann werde ich Sie und Professor Santana morgen dem Lehrerkollegium vorstellen. Alles andere können wir dann noch besprechen, insbesondere was das Curriculum und die bereits vollbrachten ‚Taten' Ihrer Vorgänger angeht."
Elaine nickte daraufhin.
„Also gut. Dann wünsche ich Ihnen angenehme Träume in Ihrem neuen zu Hause", sagte der alte Mann mit einem breiten, verschmitzten Lächeln im Gesicht.
„Das wünsche ich Ihnen auch, Professor Dumbledore."
„Albus, nennen Sie mich Albus. Im Lehrerkollegium rufen wir uns alle gegenseitig mit Vornamen."
„Gute Nacht, Albus", sagte sie daraufhin. Dann wurde sie von Hagrid hinausgeleitet.

Im Korridor des zweiten Stocks liefen sie und Hagrid in einen Seiteneingang und dann stiegen sie eine Wendeltreppe hinauf.
„Das ist hier der Ostturm", erklärte Hagrid. „Hier sind deine Gemächer."
Kaum hatte er diese Worte ausgesprochen, waren sie schon vor einer Holztür angekommen. Elaine war wahrlich froh darüber, dass sich der Ostturm im Gegensatz zum Astronomieturm durch Breite, und nicht durch Höhe auszeichnete.
„Senftorte", sagte Hagrid und mit einem Male tat sich die Tür auf. Frei gab sie ein riesiges, halbkreisförmiges Zimmer mit mindestens zwei Meter hohen Fenstern, die in Dreiergruppen angeordnet waren und deren weinrote Vorhänge bis an den gekachelten Fußboden reichten. Zwischen den Fenstergruppen, von denen es vier im ganzen Raum gab, befand sich die karge Turmwand, die allerdings von sich bewegenden Bildern verschönert wurde.
In der Mitte des Zimmers an der Wand zwischen der zweiten und der dritten Fenstergruppe stand ein Kamin, den Hagrid mit seinem rosafarbenen Schirm entzündete. Vor dem Kamin befanden sich zwei Sessel, ein kleiner Tisch und ein bisschen weiter in der Mitte des Raumes ein riesiger Schreibtisch mit Löwenfüßen und ein dazu passender Stuhl.
Wie Elaine sah, hatten die Elfen bereits ihre Sachen in ihr Zimmer gebracht, denn auf dem Schreibtisch stand der Briefbeschwerer, den sie einst von Mrs. Jackson zum Geburtstag erhalten hatte.
Elaine trat in das Zimmer ein. Direkt neben der Eingangstür befanden sich zwei weitere Türen, die den Weg zu der anderen Hälfte des Turmes freigaben. Die eine führte in das Bad, in dem eine Badewanne in der Mitte stand, die andere zu ihrem Schlafzimmer mit einem riesigen Himmelbett und mehreren Wandschränken. Auch in diesen beiden Zimmern waren die zwei Meter hohen Fenster in Dreiergruppen angeordnet.
Der neuen Professorin für die Verteidigung gegen die dunklen Künste blieb für einen Moment die Sprache weg. Das alles hier war mindestens doppelt so groß wie ihre Wohnung, die sie in London gehabt hatte.
„S' toll, nich war? Hier hat Professor Flitwick gelebt, bevor er Anfang der Sommerferien in Ruhestand gegangen ist."
„Professor Flitwick ist in Ruhestand gegangen? Ich hab mich schon gewundert, als Dumbledore meinte, Professor Santana sei der neue Lehrer für Zauberkunst."
„Ja, ja. War schon ziemlich alt, der kleine Professor Flitwick. Älter sogar als Dumbledore. Hat sich den Ruhestand jetzt redlich verdient", sagte Hagrid, noch immer in der Tür stehend.
Dann räusperte er sich. „Werd' dich jetzt aber erst mal allein lassen. Olympe wartet schon auf mich. Die mag es überhaupt nicht, wenn ich sie nur einen Augenblick alleine lasse."
„Olympe?!", fragte Elaine irritiert.
„Du kennst sie nicht? Ach ja, hab sie dir ja noch gar nicht vorgestellt. Werden wir wohl auf morgen verschieben müssen", und breit grinsend fügte Hagrid hinzu, „wird ne' ziemliche Überraschung für dich werden. Gute Nacht."
„Gute Nacht!", rief Elaine ihm noch hinterher, und wunderte sich, welches Ungeheuer Hagrid diesmal angeschleppt hatte. Sie kannte seine Vorliebe für jede Art Monster, die er sich gern als Schoßtierchen zu halten pflegte.
Elaine beschloss, nicht weiter über ‚Olympe' nachzudenken und machte sich fertig für ihr wunderschönes Himmelbett.

Am nächsten Morgen begab sie sich gegen acht Uhr in das Lehrerzimmer. Sie war ein wenig aufgeregt, als sie daran dachte, was ihr nun bevorstand. Ihr einziger Trost bestand darin, dass sie nicht der einzige Neuling war und sich Professor Santana ebenfalls in dieser Situation befand. So galt die gesamte Aufmerksamkeit des Kollegiums nicht allein ihr.
Sie betrat das Zimmer. In dem großen, getäfelten Raum hatte sich wohl der gesamte Lehrerstab von Hogwarts versammelt und viele der Gesichter waren Elaine noch aus ihrer eigenen Schulzeit bekannt: McGonagall, Sprout, Sinistra, Vector und viele andere... Nur zwei der Lehrer erkannte sie nicht wieder und einer von ihnen musste wohl Professor Santana sein.
Ein braungebrannter, schwarzhaariger, älterer Mann lächelte sie verlegen an. Der andere ihr unbekannte Lehrer hatte ebenfalls schwarze Haare, die ihm bis über die Schultern reichten. Überhaupt schien schwarz seine Lieblingsfarbe zu sein, denn er war vollkommen in diese Farbe gehüllt. Seine dunklen Augen blickten argwöhnisch zu ihr herüber. Hätten Blicke töten können, dann wäre sie sicherlich jetzt tot.
„Ah, da ist sie ja schon...", Dumbledore eilte ihr entgegen. „Darf ich vorstellen, liebe Kollegen. Elaine Laudry, die neue Lehrerin für die Verteidigung gegen die dunklen Künste. Ich denke, Sie kennen bereits das Kollegium. Der einzig Neue hier in der Runde ist Professor Carlos Santana."
Dumbledore führte sie auf den älteren, schwarzhaarigen Mann zu, der ihr mit einem breiten Lächeln das weiße seiner Zähne zeigte und ihr die Hand schüttelte. Wenn Dumbledore ihr gestern nicht erzählt hätte, dass dieser Santana aus London kam, hätte sie schwören können, er sei ein Südländer.
Aber Carlos Santana galt nicht ihr vollstes Interesse. Aus irgend einem Grunde machte der Direktor keine Anstände, den anderen ihr unbekannten Lehrer vorzustellen. Doch Dumbledore schien ihren verwunderten Blick bemerkt zu haben.
„Ach, das hätte ich ja vollkommen vergessen", sagte er, stellte sich hinter den in schwarz gehüllten Lehrer und legte seine Hände auf dessen Schultern. „Severus Snape ist kurz nach Ihrer Zeit in Hogwarts hierher gekommen. Er unterrichtet Zaubertrankkunde."
Elaine trat auf den Zaubertränkelehrer zu, der sie immer noch argwöhnisch beäugte, und hielt ihm ihre Hand entgegen. Er blickte erst misstrauisch auf sie hinab und schüttelte sie dann.
„Sehr erfreut", sagte Elaine und Snape antwortete kurz angebunden: „Ebenfalls." Dann zog er schnell wieder seine Hand zurück.
Mit einem Male stürmte Hagrid in das Lehrerzimmer, dicht gefolgt von einer Frau seiner Größe, vermutlich auch Halbriesin.
„Tut uns leid. Haben vollkommen die Zeit vergessen", sagte Hagrid hastig und schob seine Begleiterin vor sich.
„Elaine, darf ich vorstellen! Olympe Maxime... Sie ist Lehrerin an Beauxbatons", berichtete er stolz und lief dabei rot an. Sie schloss daraus, dass Olympe wohl mehr war als eine Lehrerin an der französischen Zauberschule und auch mehr als eine ganz gewöhnliche Freundin Hagrids.
„Es freut misch Sie kennen-sü-lernen", sprach Olympe mit leicht französischem Akzent.
„Mich ebenfalls", antwortete Elaine freundlich, bevor Dumbledore sie alle zu Tisch bat.

An dem Essen in Hogwarts hatte sich ebenfalls nichts geändert. Es war noch genauso appetitlich wie vor vierzehn Jahren. Bei der riesigen Auswahl war wirklich für jedermanns Geschmack etwas dabei und die Teller und Schüsseln füllten sich auch immer nach, so dass man keine Angst haben musste, etwas Gutes zu verpassen.
Nach dem Frühstück richtete Dumbledore die Unterhaltung auf dienstliche Belange. Die Stundenpläne und der organisatorische Ablauf des kommenden Schuljahres mussten besprochen werden.
„Und da wir gerade bei organisatorischen Belangen sind", erhob Dumbledore seine Stimme, „Wir brauchen einen neuen Hausvorstand für Ravenclaw, jetzt wo Professor Flitwick in den Ruhestand gegangen ist."
Das gesamte Lehrerkollegium blickte auf, als hätten sie vollkommen vergessen, dass Professor Filius Flitwick mehr als nur eine freie Lehrerstelle im Fach Zauberkunst hinterlassen hatte.
Dumbledore holte den sprechenden Hut, der auf einem unbesetzten Stuhl lag, hervor.
„Ich hoffe, wir finden jemanden, der die Eigenschaften für das Haus Ravenclaw erfüllt", meinte Dumbledore gelassen und rief als erstes Professor Sinistra zu sich.
Diese setzte den Hut auf und wenig später verformte sich die Hutkrempe.
„HUFFLEPUFF!", schrie der Hut.
Dumbledore nahm ihn Sinistra wieder ab und Professor Vector war die Nächste.
„GRYFFINDOR!"
Vector und Sinistra folgten die Professoren Fitzgerald, Lehrer für Muggelkunde, Janeway, Lehrerin für alte Runen, sowie McDougal, Hastemaneuro und Raab, die die Siebentklässler durch ihre Schwerpunktfächer führten, doch allesamt war kein einziger Ravenclaw unter ihnen. Der Großteil der gesamten Lehrerschaft war Gryffindor und Hufflepuff, vereinzelt war noch ein Slytherin anzutreffen.
Selbst nachdem Madam Hooch und Hagrid hergehalten hatten, war man noch nicht zu der richtigen Person gekommen.
„Was ist mit Sibyll Trelawney?!", fragte Professor Sinistra, und suchte den Raum nach der Lehrerin für Wahrsagen ab. Natürlich war sie nicht anwesend, wie fast zu jeder Lehrerkonferenz.
„Ich glaube nicht, dass sie die Eigenschaften einer Ravenclaw verkörpert. Außerdem wird sie diesen Hut sowieso nicht aufsetzten, in der Angst, er könnte ihrem ‚Inneren Auge' schaden", sagte Professor McGonagall streng und humorlos, doch Sinistra und Vector mussten bei diesen Worten anfangen zu kichern.
Dumbledore warf den Dreien einen ermahnenden Blick zu und drehte sich dann in Richtung Elaine und Carlos, die bisher bei der Suche nach einem neuen Hausvorstand für Ravenclaw vollkommen außer Acht gelassen worden waren.
Der Direktor warf Elaine einen verträumten Blick zu und murmelte: „Ich frage mich ob..."
Er unterbrach sich. „Elaine, würden Sie bitte zu mir kommen?"
Elaine tat wie ihr geheißen und ehe sie sich versehen konnte, hatte ihr Dumbledore den sprechenden Hut aufgesetzt. Sie kannte dieses Gefühl – diese Auswahl hatte sie in ihrem ersten Schuljahr in Hogwarts schon einmal hinter sich gebracht.
„Hmmm, dein Köpfchen kenne ich doch schon. Ich hab meine Meinung dir bezüglich nicht geändert", spukte die Stimme des sprechenden Hutes durch ihren Kopf, und in den Raum rief er so laut er nur konnte: „RAVENCLAW!"
Fast das gesamte Lehrerkollegium klatsche, als Elaine den Hut abnahm und sich verwirrt an Dumbledore wandte. „Aber das kann nicht sein. Als ich hier zur Schule ging, war ich eine Gryffindor!"
„Das mag wohl so sein. Der sprechende Hut ordnet eine Person nicht nur nach ihren Fähigkeiten in die Häuser, sondern auch nach ihren Taten. Es ist sehr lange her, seitdem Sie den Hut das letzte Mal aufhatten und inzwischen ist viel passiert, vielleicht gerade soviel, dass der Hut meinte, Sie verkörpern jetzt eher die Eigenschaften, die Rowena Ravenclaw so an ihren Schülern schätzte."
Elaine gab sich mit dieser Antwort zufrieden, obwohl es sie wunderte, dass der Hut ihr gesagt hatte, er hätte seine Meinung ihr bezüglich nicht geändert. Sie hielt es nicht für notwendig, Dumbledore davon zu erzählen, denn der Hut war bereits schon von so vielen Schülern aufgesetzt worden, da hatte er sie wohl einfach verwechselt.
Dumbledore sagte: „Nun, wenn Sie akzeptieren und die Kollegen diese Wahl ebenfalls unterstützen, dann sind Sie der neue Hausvorstand von Ravenclaw."
„Gut, dann akzeptiere ich die Stelle als neue Hauslehrerin", sprach Elaine ohne weiter über ihre Worte nachzudenken.
Die Lehrer klatschten - alle, bis auf einer. Severus Snape stand still in der Ecke und wartete bis der Trubel vorbei war. „Ich möchte gern meine Bedenken dazu äußern, Direktor", sagte er kalt, ohne Elaine eines Blickes zu würdigen.
„Reden Sie, Severus."
„Es ist nicht üblich, dass ein neuer Lehrer zugleich ein Hausvorstand wird. Das hat es noch nie auf Hogwarts gegeben. Die Schulordnung, die uns die Gründer dieser Schule hinterlassen haben, schreibt vor, dass der Titel eines Hauslehrers nur an diejenigen vergeben werden darf, die mindestens zwei Jahre lang an dieser Schule unterrichtet haben."
„Das stimmt, Severus, aber dennoch befinden wir uns hier in einer Zwickmühle, die von der Schulordnung nicht vorgesehen war", antwortete Dumbledore beschwichtigend. „Nach der Schuldordnung ist es zwingend vorgesehen, dass ein Hauslehrer die Eigenschaften seines eigenen Hauses verkörpern muss, und wie Sie gesehen haben, scheint Professor Laudry hier die einzige Ravenclaw zu sein, bis auf Professor Santana und Trelawney, deren Häuser wir noch nicht festgestellt haben. Und das Haus Ravenclaw für die kommenden Jahre ohne Hausvorstand zu lassen, halte ich für keine gute Idee. Da sollten wir den Verstoß gegen diese veraltete Regel der Schulordnung billigend in Kauf nehmen."
„Wie Sie meinen, Direktor", antworte Snape widerwillig und zog sich zurück.
„Also, wie es aussieht, kommen keine weiteren Einwände von Seiten des Kollegiums", sprach Dumbledore zu Elaine gewandt. „Sie sind somit die neue Hauslehrerin von Ravenclaw."
Mit diesen Worten holte er hinter seinem Rücken das blau-bronzene Wappen der Ravenclaws hervor und befestigte es an Elaines Umhang.

Noch vor einem Monat hätte Elaine nicht im Traum daran gedacht, dass sie einmal nach Hogwarts zurückkehren würde, und jetzt war sie dort Lehrerin für die Verteidigung gegen die dunklen Künste und Hausvorstand von Ravenclaw.
Sie fragte sich, welche Überraschungen das kommende Schuljahr noch für sie bringen würde. Aber sie hatte sich getäuscht. Ihr erstes Schuljahr an Hogwarts als Lehrerin war derart ereignislos, dass sie kaum geglaubt hätte, sich wieder in der unberechenbaren Welt der Magie zu befinden.
Zwar waren bedeutende Dinge passiert, wie die Ernennung eines neuen Zaubereiministers, oder ständige Übergriffe von Todessern auf Magier und Nichtmagier, doch an Hogwarts schien die Zeit stillzustehen.
Aber Elaines zweites Jahr an der Schule für Hexerei und Zauberei sollte ganz anders werden....