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Das Vermächtnis der Gründer
+++ Kapitel 3 +++
Trelawneys Warnung
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von Skydancer

Schläfrig schritt Professor Laudry am nächsten Morgen gegen acht Uhr die Treppen hinunter in die Große Halle und setzte sich, ein „Guten Morgen" mit vorgetäuscht hellwacher Stimme murmelnd, auf ihren Platz zwischen die Professoren Snape und Sinistra. Sie wollte sich gegenüber dem Lehrer für Zaubertrankkunde nicht die Blöße geben, auch nur den Anschein zu erwecken, sie sei nicht ausgeschlafen.
Überblickte man die gesamte Halle, so schien fast jeder Anwesende alles andere als munter. Sie waren alle noch in diesem Ferientrott, der sich besonders am ersten Schultag bemerkbar machte. Am Lehrertisch war es auch auffallend ruhig. Jeder war mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt. Sogar Professor Trelawney, die schon wieder in der Großen Halle anwesend war, verhielt sich auffallend bedeckt. Lediglich Professor Sinistra und Vector unterhielten sich angeregt. Sie machten sich Gedanken über einen „Tag der offenen Tür" für die Eltern von muggelstämmigen Schülern und sinnierten insbesondere darüber, wie man das Problem der abbruchreifen Ruine, wie Hogwarts in den Augen der Muggel erschien, lösen könnte.
Mit einem Male flog ein ganzer Schwarm Eulen in die Halle, deren verzauberte Decke in den monotonen Grau der Wolken gehüllt war. Die Eulen verteilten Briefe und Päckchen unter den Schülern und Lehrern. Besonders an den ersten Schultagen war der Ansturm dieser Tiere besonders groß, da häufig wichtige Dinge zu Hause vergessen wurden. Neville Longbottom erhielt ein riesiges Packet, das gleich von vier Eulen gleichzeitig getragen wurde.
Elaine folg eine Schneeeule entgegen, die ein kleines Papierbündel hielt, das auf ihrem Teller landete. Zum Glück hatte sie ihn noch nicht benutzt. Diese Eule, die wohl aus der Eulerei des Praxel-Singer Verlags stammte (der Herausgeber des Tagespropheten), war eine von der übelsten Sorte. Sie hatte das Talent, den Propheten stets wohlgezielt auf dem Teller zu platzieren. Deshalb musste Elaine immer warten bis die Post kam, bevor sie mit dem Frühstücken beginnen konnte.

Professor Laudry goss sich einen Schokochino in ihre Tasse und nippte an dem warmen, koffeinhaltigen Getränk, während ihr Blick auf eine der Schlagzeilen des Propheten fiel:

Erneuter Anschlag der Todesser: Wann werden die Übergriffe ihr Ende nehmen?

Erneut haben die Anhänger von Sie-wissen-schon-wem zugeschlagen. Diesmal in einer kleinen Gemeinde in der Nähe von South Hampton. Traurige Bilanz des Anschlages: drei Tote und vier verschreckte Muggel. Nähere Angaben wurden vom Ministerium noch nicht herausgegeben.
Unterdessen wächst die Kritik an Furios Ballermann zusehends auch in eigenen Reihen. Ozzy Vanderbuilt (Name von der Redaktion geändert), ein Mitarbeiter des Ministeriums, der unerkannt bleiben möchte, äußerte sich zu Ballermanns Vorgehen gegen den, dessen Name nicht genannt werden darf, folgendermaßen: „Er finanziert ein Forschungsprojekt nach dem anderen, um die Auroren besser auszustatten. Aber hat das bisher etwas genutzt? Solange die Auroren nicht zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind, können sie noch so erfahren und gut ausgerüstet sein. Wenn die Todesser einmal zugeschlagen haben, können sie die Opfer auch nicht mehr zum Leben erwecken. Wir glauben langsam, Furios ist mit der ganzen Situation einfach überfordert."
Die Behauptung, Ballermann sei der Herausforderung, das Amt des Zaubereiministers in solchen Zeiten zu übernehmen und Sie-wissen-schon-wem die Stirn zu bieten, nicht gewachsen, ist in vielerlei Hinsicht nicht unbegründet. Bisher konnte keine unserer inoffiziellen Quellen in Erfahrung bringen, ob auch nur ein kleiner Fakt über den Aufenthaltsort von dem, dessen Name nicht genannt werden darf, herausgefunden werden konnte. Allem Anschein nach steckt Furios Ballermann alle Kraft in die Beseitigung der Symptome, die Angriffe der Todesser, aber nicht in die Ursache selbst, gegen die man nur vorgehen kann, wenn der Aufenthaltsort von Sie-wissen-schon-wem bekannt wird.
Ob Ballermann mit seinem Vorgehen Erfolg hat, wird sich in Zukunft zeigen, denn trotz aller Kritik hat sich kein weiterer Freiwilliger gefunden, der für das Amt des Zaubereiministers kandidieren würde. Ballermanns Karriere wird trotz der nachteiligen Entwicklungen voraussichtlich kein vorzeitiges Ende nehmen.

Elaine überflog die weiteren Schlagzeilen, die den üblichen Klatsch und Tratsch behandelten. Mit den Augen starr auf das Papier gerichtet ohne dabei wirklich zu lesen, wunderte sie sich über das Getuschel, das die Professoren Vector und Sinistra von sich gaben.
„Das hab ich auch gehört, Selma", murmelte Sinistra gedankenverloren vor sich hin. „Der arme Dumbledore. Jetzt haben es diese Bastarde auf seine Tochter abgesehen, um ihn in die Enge zu zwingen. Ich frage mich nur, wohin er sie in Sicherheit gebracht hat..."
„Also, ich kann mir keinen sichereren Ort vorstellen als Hogwarts", mutmaßte Vector und fügte schnell hinzu, „aber wenn sie hier wäre, hätten wir es gemerkt. Er kann sie doch nicht vor allen Leuten hier wegschließen..."
„Vermutlich nicht", sagte Sinistra schnell und damit war das Thema für sie beendet. „Elaine, könnten Sie mir bitte mal den Schokochino reichen?", fragte die Professorin für Astronomie ihre Tischnachbarin.
Laudry brauchte noch eine Sekunde, bis sie wahrnahm, dass sich Rosemarie Sinistra jetzt ihr zugewandt hatte. Zu sehr schwirrten noch Gedanken vom vorhergehenden Gespräch in ihrem Kopf herum: Die Todesser hatten es also auf Dumbledores Tochter abgesehen, um an einen der größten Zauberer aller Zeiten heranzukommen. Wenn sie so darüber nachdachte, war Dumbledore der einzige, der Voldemort noch Angst einjagte. Dem Ministerium mit samt seiner Aurorenarmee tanzte der dunkle Lord nur noch auf der Nase herum, und an Harry Potter hatte er mit dem Tag, an dem ihm das Blut des Jungen zu seiner Auferstehung verholfen hatte, sein Interesse verloren. So mutmaßte es zumindest der Tagesprophet....
Elaine reichte Professor Sinistra die Karaffe mit dem Schokochino, bevor sie sich verwundert darüber fragte, warum sie nicht wusste, dass Dumbledore Vater war. Davon mal abgesehen konnte sie sich nicht einmal vorstellen, dass er weitere Verwandte hatte. Seine Familie schien er hier im Lehrerkollegium auf Hogwarts gefunden zu haben. Er war ein Mann, den man von außen so einschätzen konnte, als hätte er kein Privatleben. Von fast jedem Lehrer wusste sie, dass sie mindestens drei, viermal im Schuljahr ihre Familien besuchten. Professor Vector hatte sogar Kinder, die hier zur Schule gingen und Professor Sprouts Sprösslinge waren bereits an der UfgaM. Aber Dumbledore? Es war ihr so, als würde er Hogwarts nie länger verlassen als einen Tag, noch nicht einmal in den Sommerferien, obwohl sie sich dem nicht so sicher sein konnte.
„Sie wirken heute so abwesend. Haben Sie schlecht geschlafen?", fragte Snape und riss Laudry aus ihren Gedanken. Wenn solche Worte von dem Zaubertränkelehrer kamen, dann war dies allem Anschein nach eine zynische Anspielung auf ihre Gute-Nacht Lektüre. Ansonsten wäre das nicht der Severus, den sie kannte und früher mehr oder weniger aus dem Weg gegangen war.
„Nein, nein... Ich habe nur über jemanden nachgedacht", antwortete Laudry wahrheitsgemäß, denn sie wollte am ersten gemeinsamen Arbeitstag nicht gleich eine erneute Auseinandersetzung heraufbeschwören. Sie hoffte nur, Snape würde im Laufe des Tages ebenfalls zu dieser Entscheidung kommen.
Snape erwiderte nichts auf ihren Satz und wandte sich wieder seinem Frühstück zu. Elaine tat es ihm gleich.

Es war ungewöhnlich, in den kalten und dunklen Kerkern von Hogwarts Unterricht zu halten. Durch das regnerische Wetter kam so gut wie kein Licht durch die kleinen, runden Fenster des Klassenraums hinein, so dass Professor Laudry sogar die Fackeln entzünden musste, damit die Schüler etwas sehen konnten. Auf den Tischen brodelten achtzehn Kessel mit Schwellgebräu, das die Zweitklässler als „Aufwärmung" für das neue Schuljahr zubereiten sollten.
Entgegen der Bemerkung von Snape, der Leistungsstand dieser Klasse sei sehr niedrig, erwies sich ein Großteil der Schüler als gute Zaubertrankbrauer. Elaine lief ab und zu durch die Rauchschwaden im Raum hindurch, und zeigte vereinzelten Schülern, wie man die Flüssigkeit noch mehr eindicken konnte. Ansonsten verlief der Unterricht nahezu ereignislos und war für Elaine genauso schnell vorbei, wie er begonnen hatte. Aber es kam ihr sicherlich nur so vor. Die Zeit würde später noch langsamer vergehen, wenn sie sich an ihr neues Unterrichtsfach gewöhnt hatte und sie einigermaßen gut mit dem Curriculum vertraut war.
Am Ende der Unterrichtsstunde gab sie den Ravenclaws und Hufflepuffs die Hausaufgabe auf, einen Aufsatz über die Verwendungsmöglichkeiten eines Schwelltrankes zu schreiben, und verschwand dann in ein zweites Labor im Kerker, in dem sie mit Snape und ein paar anderen Zauberern von der UfgaM bereits das Projekt am Anfang der Sommerferien durchgeführt hatte.

Als Elaine das Labor betrat, war niemand anwesend. Sie begab sich in die Mitte des Raumes, wo mehrere Tische aufgestellt waren, auf denen unterschiedliche Töpfe und Zaubertrankutensilien sich aneinander reihten. Daneben stapelten sich Unmengen von Büchern aus der Bibliothek und Aufzeichnungen, die sie als diejenigen vom letzten Projekt wieder erkannte.
Elaine nahm sich eines der Blätter, das die Schlussfolgerungen zu den in Frage kommenden Zutaten für ein Mittel gegen den Impirius Fluch darlegte und überflog es noch einmal, obwohl sie es schon fast auswendig kannte.
„Die können wir im Moment nicht gebrauchen. Das Ministerium hat angegeben, dass wir mit einer Verteidigung gegen den Cruciatus Fluch beginnen sollen."
Vollkommen erschrocken nahm Elaine eine dunkle Stimme hinter sich wahr und drehte sich ruckartig herum. Snape stand direkt vor ihr, einen Stapel Bücher tragend, und schaute sie mit ausdruckslosen, schwarzen Augen an. Sie hatte gar nicht mitbekommen, dass jemand das Labor betreten hatte.
„Wie Sie meinen", sagte Elaine nach einer Weile, um die ungemütliche Stille zu überbrücken, und ließ Snape an sich vorbei, damit er die Bücher, die er wahrscheinlich gerade aus der Bibliothek geholt hatte, auf einem der Tische abstellen konnte. Dann drückte er ihr das oberste Buch vom Stapel in die Hand, nahm sich selbst das nächste und setzte sich auf einen der Stühle.
„Und nach was soll ich suchen", fragte Elaine, während sie auf einem anderen Stuhl Platz nahm.
„Nach Zutaten, die eine betäubende Wirkung haben und nach solchen, die genau das Gegenteil davon bewirken."
Elaine blickte Snape fragend an. Warum sollte sie zwei Zutaten suchen, die gegenteilige Wirkungen erzielten. Ihre Effekte würden sich mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit aufheben.
Ohne von seinem Buch aufzublicken, als hätte er Elaines Verwirrung bemerkt, erklärte Snape weiter: „Ich habe mich, während Sie im Unterricht waren, ein wenig mit Schmerz beschäftigt. Da der Cruciatus Fluch keine physischen Schäden hinterlässt, sondern nur Schmerz auslöst, wirkt er direkt auf die Nervenbahnen und das Gehirn. Das Schmerzzentrum befindet sich im Thalamus. Wenn es gelingt, das Gehirn so zu betäuben, dass man keinen Schmerz mehr fühlt, aber trotzdem in allen anderen Dingen noch vollste Wahrnehmungskraft besitzt, haben wir unser Ziel erreicht, vorausgesetzt, es ist überhaupt erreichbar."
„Verstehe. Und Sie zweifeln die Erreichbarkeit an, weil sich die Wirkungen von zwei gegenteiligen Zutaten gegenseitig auslöschen, es sei denn, wir finden zwei Stoffe, die von ihrem Aufbau her so verschieden sind, dass sie nicht miteinander korrespondieren können..."
Snape antwortete nicht darauf, sondern blätterte in seinem Buch und machte sich hin und wieder eine Notiz auf dem Pergament, das auf dem Tisch lag.
Elaine seufzte und fing nun auch an, in ihrem Buch nach allen möglichen Zutaten nachzuschlagen, die den Anforderungen entsprachen. Snape war wirklich kein guter Gesprächspartner, aber davon mal abgesehen waren sie auch nicht hier, um zu plaudern, sondern um Ergebnisse zu erzielen. Jedoch wäre es für das ein oder andere Ergebnis auch gut, dass man sein Wissen miteinander durch Gespräche ergänzte. Wer wusste jetzt schon, wie viele der Zutaten am Ende überhaupt noch übrig blieben, wenn es um ihre stoffliche Zusammensetzung und gegenseitige Reaktionsfähigkeit ging...
Die kurze Zeit bis zum Mittagessen verbrachten sie damit, Bücher zu durchwälzen und nach Zutaten für einen möglichen Zaubertrank gegen den Cruciatus Fluch zu suchen, und selbst nach dem Mittag ging es damit weiter. Snape war unterdessen im Unterricht, während sich Elaine das zweite Buch zur Hand nahm. Ihr graute schon davor, wenn sie daran dachte, wie viele Kombinationsmöglichkeiten es für diese Zutaten gab und wie viele davon letztendlich realisierbar waren.
Ob sie Professor Vector zu sich holen sollte, damit sie ihr die Regeln der Stochastik wieder ins Gedächtnis rief? Lieber nicht, dachte sie sich. Es wäre ermutigender, sich von Selma nicht vorrechnen zu lassen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit lag, eine Zutatenkombination zu finden, bei der sich die Wirkungen der vorliegenden Stoffe nicht gegenseitig aufheben würden.
Irgendwie hatte Elaine das Gefühl, auf dem Holzweg zu sein, als wenn das Ganze hier eine dermaßen schlimme Beschäftigungstherapie wäre, ein schlechter Scherz von Snape eben... Davon mal abgesehen, Snape machte keine Scherze.

Da das Wälzen von Büchern schon seit langem nicht mehr zu Elaines Lieblingsbeschäftigungen gehörte, zog sich der Tag nur so dahin. Sie war froh, als dann endlich achtzehn Uhr wurde und sie zum Abendessen ging.
Danach begab sie sich auf die erfolglose Suche nach dem Poltergeist Peeves, mit dem sie noch ein Hühnchen zu rupfen hatte bezüglich der Märchen, die er über sie verbreitete. Doch sie wurde nicht fündig. Ständig kam man mit diesem Biest in die Quere, wenn man absolut keine Nerven dafür hatte, und war man einmal nach der Suche nach ihm, tauchte er nicht auf!
Professor Laudry beschloss, die Sache auf sich ruhen zu lassen, bis zu dem Tage, an dem sie Peeves rein zufällig über den Weg laufen würde. Sie begab sich in ihr Quartier, um sich weiter mit Snapes Aufzeichnungen zu beschäftigen.

Die ersten Wochen im neuen Schuljahr an Hogwarts zogen langsam dahin. Der Zaubertrankunterricht zeichnete sich als schwieriger ab, als Professor Laudry es sich vorgestellt hatte, insbesondere wenn es darum ging, die Schüler vor dem Mischen von ungewollten, explosiven Gebräuen zu bewahren.
Die Nachforschungen von Laudry und Snape waren dafür alles andere als gefährlich. Nachdem sie eine Menge möglicher Zutaten herausgearbeitet hatten, waren sie damit beschäftigt gewesen, Stoffe, die nicht miteinander korrespondierten, heraus zu suchen und zu testen, bisher erfolglos...
Peeves hatte Elaine die ganze Zeit über nicht einmal zu Gesicht bekommen, und sie fragte sich langsam, ob er ihr nicht einen Streich spielte und sich absichtlich versteckte. Vielleicht hatte er schon herausgefunden, dass sie auf der Suche nach ihm war.
Das Wetter hatte sich noch nicht gebessert. Immer noch bedeckte ein Grau den Himmel und drückte auf die Stimmung der Schüler und Lehrer. Ständig nieselte oder regnete es. Madam Pomfrey hatte alle Hände voll damit zu tun, die jähe Grippe Welle, mit der sonst immer erst in den Wintermonaten zu rechnen war, in den Griff zu bekommen, und Roger Davies, der Mannschaftskapitän des Ravenclaw-Quidditschteams, regte sich darüber auf, dass Poppy der Hälfte seiner Mannschaft verboten hatte, auch nur an Quidditsch zu denken, bevor sich das Wetter nicht bessern würde. Dabei war Training seiner Meinung nach gerade jetzt sehr wichtig, denn dieses Jahr standen die Chancen für einen Sieg der Ravenclaws besonders gut. Der Sieger des letzten Jahres, Gryffindor, hatte eine vollkommen neue Mannschaft bilden müssen, nachdem im letzten Schuljahr gleich fünf der sieben Spieler die Schule verlassen hatten. Der einzige, der in dieser Mannschaft eine längere Spielerfahrung aufweisen konnte, war der Mannschaftskapitän und Sucher Harry Potter. Hufflepuff hatte mit ähnlichen Problemen zu kämpfen. Nur Slytherin konnte Ravenclaw dieses Jahr wirklich gefährlich werden, und ein Grund dafür war auch, dass Lucius Malfoy tief in die eigene Geldbörse gegriffen hatte und die gesamte Mannschaft nun mit Feuerblitzen (Version eins Beta) ausgestattet war. Natürlich hatte das zur Folge gehabt, dass Draco Malfoy Mannschaftskapitän von Slytherin wurde.
Aber Roger Davies war nicht der einzige Ravenclaw, der sich über die „Zustände" an Hogwarts beschwerte. In diesem Schuljahr hatten sich ein paar musikbegabte junge Ravenclaws zusammengefunden, um eine Band zu gründen, und ihr Proberaum stellte kein anderer als der Gemeinschaftsraum der Ravenclaws dar. Natürlich war die Begeisterung der Mitschüler für diese grandiose Idee mit dem Tag gesunken, als die ersten Leistungskontrollen fällig waren und die ständigen Proben im Gemeinschaftsraum sich zu einem Störfaktor entwickelten.
Elaine hatte keine Wahl. Sie musste die Proben der Band solange untersagen, bis sie einen anderen Raum für sie gefunden hatte und dazu würde sie die Erlaubnis des Schulleiters benötigen.
Also fand sie sich eines Samstag morgens vor Dumbledores Büro wieder. Sie klopfte an die Tür am oberen Ende der Wendeltreppe und wartete auf ein Zeichen.
„Herein!", hörte sie nach einer Weile.
Sie öffnete die Tür und erblickte Dumbledore mit einem Denkarium hinter seinem Schreibtisch.
„Ah, Elaine! Setzten Sie sich doch", sagte der Direktor und wies auf einen Stuhl vor dem Schreibtisch hin.
Elaine trat näher an den Tisch heran und beobachtete Dumbledore, der sein Denkarium zu dem kleinen Schrank hinter dem Schreibtisch brachte. Er stellte es neben einem zweiten, bläulich gefärbten Denkarium ab, das dadurch in Bewegung gesetzt wurde. In der klaren Flüssigkeit schwirrten verzerrte Bilder, und auf einem konnte Elaine erkennen, was abgebildet war. Sie sah es so deutlich: Da waren Milly und sie...
Professor Laudry konnte nicht lange darauf blicken, denn Dumbledore schloss die Schranktür und wandte sich dann ihr zu.
„Sie wollten mich sprechen?", sagte er, während er sich hinter seinen Schreibtisch setzte.
Die Hauslehrerin der Ravenclaws nahm nun auch Platz. „Ja, Albus. Ich wollte anfragen, ob Sie nicht ein leeres Klassenzimmer entbehren könnten für ein paar Nachwuchskünstler aus dem Hause Ravenclaw. Sie haben eine Band gegründet und brauchen dringend einen Raum, in dem sie proben können."
„Eine Band... Das ist ja interessant. Habe ich Ihnen schon erzählt, dass ich eine Vorliebe für Musik entwickelt habe. Es gibt nichts, dass einem alten Geist wie meinem mehr auf die Sprünge hilft..."
„Ja, das haben Sie. Zweimal, um genau zu sein. Jedes Mal zu Beginn eines neuen Schuljahres, wenn es soweit ist, die Schulhymne zu singen."
„Wie ich sehe, sind Sie eine aufmerksame Zuhörerin, Elaine." Dumbledores Augen blitzen durch die halbmondförmige Brille, und es bildete sich ein Lächeln auf seinen Lippen, bevor er weiterredete. „Ich finde die Idee ausgesprochen gut. Man sollte immer die Talente der Schüler fördern. Außerdem brauchen wir dann für Halloween keine Band zu engagieren. Unsere finanziellen Mittel sind ohnehin sehr knapp bemessen, seitdem Furios Ballermann das Geld in andere Projekte steckt als in die Ausbildung des Nachwuchses."
Elaine nahm eine leichte Verbitterung in Dumbledores Stimme wahr.
„Fragen Sie am besten Mister Filch nach einem geeigneten Raum. Meine Erlaubnis für eine diesbezügliche Veranstaltung haben Sie jedenfalls. Es gilt aber noch, feste Probezeiten für die Band zu bestimmen."
„Natürlich. Das werde ich machen", sagte Elaine rasch und begab sich direkt im Anschluss an das Gespräch mit Dumbledore auf die Suche nach dem Hausmeister von Hogwarts, der der Band dann, wenn auch widerwillig („Die machen doch nur Krach!"), einen alten, verstaubten Klassenraum überließ.

Die neue Band stellte etwas Abwechslung im gesellschaftlichen Leben von Hogwarts dar, dass sich neben besonderen Anlässen wie Halloween, und den alltäglichen Veranstaltungen wie zum Beispiel das Quidditsch-Training der Hausmannschaften oder der Tanzunterricht bei den Professoren Sinistra und Raab gut eingliederte.
Halloween sollte die Band ihren ersten offiziellen Auftritt haben, auf den sie schon fleißig hin übte. Einen Monat hatten sie noch bis dahin. Das bedeutete ebenfalls einen Monat Zeit für Severus und Elaine, ein paar brauchbare Ergebnisse für das Ministerium zu entwickeln, denn Ballermann höchstpersönlich hatte vor, an Halloween auf Hogwarts zu erscheinen und sich nach dem Stand der Forschungen zu erkundigen.
Mit diesem Druck im Rücken hatten sie aber auch nicht mehr Erfolg als bisher. Als Elaine an einem Montagnachmittag nach dem Unterricht das Labor betrat, brodelte bereits ein Kessel und Severus war gerade dabei, Flohrfliegen abzuwiegen. Neben dem Kessel stand ein Käfig mit einer Ratte, die aufgeregt in ihrem Laufrad rannte, als wenn sie schon erahnen würde, bald als Versuchskaninchen für den Cruciatus Fluch herhalten zu müssen.
Professor Laudry nahm sich den Zettel vom Tisch, auf dem die Kombinationsmöglichkeit von Stoffen aufgezeichnet war, die Snape gerade testen wollte. Zu ihrem Schrecken musste sie feststellen, dass Rosenpulver eines der Bestandteile war. Sie war allergisch gegen Rosenpulver. Wenn Snape die Flasche mit dem Zeug öffnen würde, könnte sie wegen des Geruchs die nächsten Tage diesen Raum nicht mehr betreten, ohne in einem ständigen Nieskrampf zu enden. Zu allem Überfluss hatte Severus in der Zwischenzeit die Florfliegen in den Kessel getan und war dabei, das Glas mit dem Pulver zu öffnen.
„Stop!", sagte Laudry hektisch und hielt Severus' Hand fest, die sich gerade an dem Deckel des Glases mit dem rosafarbenen Puder zu schaffen machte. Er blickte sie fragend an.
„Stimmt, ich habe vergessen, dass Sie gegen Rosenpulver allergisch sind", sagte er schließlich, bevor Elaine die Gelegenheit hatte, ihr Verhalten zu erklären.
Ihr Griff um sein Handgelenk lockerte sich wieder, und sie wich einen Schritt zur Seite, damit sie ihm nicht mehr so nahe war. Dann schaute sie ihn verwirrt an.
„Woher wissen Sie das, Severus? Ich kann mich nicht erinnern, es gegenüber Ihnen erwähnt zu haben?", fragte sie letztendlich.
Sie schien ihn mit ihrer Frage überrascht zu haben, denn er brauchte eine Sekunde, bis er eine Antwort darauf fand: „Doch, das haben Sie. Anfang der Sommerferien, bei unserem letzten Projekt."
„Wenn Sie meinen", sagte Elaine daraufhin und zuckte mit den Schultern. Sie konnte sich nicht daran erinnern, und zumal wunderte sie sich, aus welchem Anlass heraus sie es ihm beim ersten Projekt berichtet hatte. Rosenpulver hatte dort keine Anwendung gefunden und auch überhaupt keine Rolle gespielt.
Professor Snape war unterdessen zu einem der Regale gegangen und holte aus einer Schublade eine kleine Flasche mit einer rötlichen Flüssigkeit heraus. Diese drücke er Elaine in die Hand.
„Nehmen Sie das. Es wird die Atemwege beruhigen, solange der Geruch von Rosenpulver in der Luft ist", sagte der Zaubertranklehrer.
Elaine nahm einen Schluck von dem rötlichen Gebräu und ihr war, als würden sich alle Innereien zusammen ziehen. Es schmeckte abscheulich. Und so etwas musste sie nun die kommenden Tage trinken, bis der Geruch des Rosenpulvers wieder aus dem Labor im Kerker verzogen war? Eine grässliche Vorstellung.
Snape öffnete unterdessen das Gefäß mit dem Rosenpulver und mischte es unter die blubbernde Brühe, die daraufhin einen giftgrünen Ton annahm.
„Jetzt fehlen nur noch die getrockneten Blortwurzeln und wir sind bereit für den Test", stellte er fest.
Elaine lief zu dem Regal, auf dem Snape die getrockneten Pflanzen aufbewahrte, und holte das Gefäß mit den pulverisierten Blortwurzeln hervor. Sie stellte es neben dem Kessel auf dem Tisch ab.
„Nehmen wir am besten erst einmal zwei Spatelspitzen. Mehr können wir dann immer noch hinzu geben."
Severus' Schweigen deutete sie als ein Einverständnis und so langte sie mit dem Spatel tief auf den Boden des Gefäßes aus braunem Glas. Es war kaum noch Pulver da und sie konnte froh sein, dass überhaupt etwas auf dem Spatel liegen blieb. Sie gab die erste Portion der Wurzeln hinzu und wollte gerade den Spatel wieder auffüllen, als das giftgrüne Gebräu plötzlich zu dampfen anfing und sich das Blubbern um ein nicht unerhebliches Ausmaß vermehrte.
„Was...", entfuhr es ihr, doch in diesem Moment nahm Severus ihr das Gefäß mit den Blortwurzeln ab.
„Das sind Blortwurzeln! Ich habe das richtige Glas erwischt!", verteidigte sie sich.
„Aber sie sind verschimmelt. Penicillium und Florfliegen... Hier wird gleich alles in die Luft fliegen...", sagte er erstaunlich ruhig.
„Nicht, wenn wir den Schimmelpilz in der Lösung neutralisieren."
Mit diesen Worten rannte Elaine zum Regal und suchte verzweifelt nach dem Schlangengift einer Kobra. Snape stand eher fassungslos da und starrte auf das Gebräu, dessen Qualm sich bereits im ganzen Raum ausgebreitet hatte und das schon so sehr blubberte, dass es mehrmals überschwappte.
Als Professor Laudry endlich fündig geworden war, reichte sie Snape das Gift schnell über den Tisch, so dass dieser es in die Mischung geben konnte. Doch leider mussten sie feststellen, dass das Gift der Kobra nicht die erhoffte Wirkung hatte und nun auch noch der Topf zu wackeln begann.
„Vielleicht klappt es mit Mamba-Gift..."
Elaine wollte wieder zu dem Regal rennen, doch mit einem Male spritze ein Teil des Inhaltes aus dem brodelnden Kessel und traf sie am Arm. Ihr war, als hätte sie ein glühender Pfeil getroffen und vor Schmerzen wie benommen musste sie sich am nebenstehenden Regal abstützen. Nachdem sie realisiert hatte, was geschehen war, war ihr zweiter Gedanke nur noch, sich zusammenreißen zu müssen. Zielstrebig schaute sie wieder auf das Regal mit den Schlangengiften und wollte dorthin. Das Geräusch des brodelnden Gebräus und des hin und her wackelnden Kessels, das mittlerweile einen ohrenbetäubenden Lärm ausmachte, nahm sie gar nicht mehr wahr.
Von Fernem drang Severus' Stimme an ihr Ohr. „Wir müssen raus hier", schrie er, und mit einem Male packte er sie am Arm und zog sie in Richtung der Labortür. Hinter ihnen hörten sie, wie sich Geschosse von glühendem Gebräu verselbstständigten und die Gefäße auf den Regalen zerplatzen ließen. Das alles war überschattet von dem lauten Zischen des Kessels, dessen klirrendes Wackeln von mal zu mal schneller wurde.
Beide rannten sie nun auf die Tür zu. Noch zwei Meter, noch einen Meter, sie waren angekommen, öffneten sie, doch weiter kamen sie nicht. Es gab einen riesigen Knall, gefolgt von einem Klirren und mit einem Male wurden sie durch die Druckwelle der Explosion durch den Türrahmen geschleudert.
Sie landeten unsanft auf dem Boden und Snape zog schnell seine Robe über ihre Köpfe, so dass sie nicht von umherfliegenden Splittern der zerbrochenen Gefäße verletzt werden konnten.
Eine Weile lang hörten sich den klirrenden Regen von Glas- und sonstigen Splittern, die auf dem kalten Steinboden auftrafen, und dann war Ruhe. Man konnte nur noch ihren schweren Atem wahrnehmen, beide Köpfe auf den Fußboden gerichtet und schützend unter Snapes Umhang verdeckt. Nachdem sich einige Sekunden nichts geregt hatte, stand der Lehrer für Zaubertränke schließlich auf, und zog Elaine an ihrem unverletzten Arm auf die Beine.
Als sie wieder aufrecht stand und das Gefühl des Schwarzwerdens vor ihren Augen überwunden hatte, drückte sie mit ihrer rechten Hand auf die klaffende Wunde am linken Arm, während Snape einen Blick in das zerstörte Labor warf.
„Verdammt!", fluchte er. „Hätten Sie nicht aufpassen können, was Sie in das Gebräu mischen?"
„Moment mal! Jetzt soll ich wohl an dem hier allein Schuld sein?! Ist es nicht Ihre Aufgabe, die Zutaten für Zaubertränke in einem ordnungsgemäßen und verwendbaren Zustand zu halten?", schrie sie ihn aufgebracht und betäubt vom Schmerz an.
„Sie hätten wenigstens Ihre Augen aufmachen können, dann hätten Sie es bemerkt. Ist das denn zuviel verlangt?!", schrie er jetzt ebenfalls und seine dunklen Augen blitzten sie an.
„Ach ja?! Dann bewahren Sie das nächste Mal Ihre Zutaten in Weißglas auf, so dass ich vorher nicht in eine Öffnung von zwei Zentimetern stieren muss, um den Zustand des Stoffes beurteilen zu können!"
Elaine wurde wieder schwindelig und musste taumeln. Wenn Snape nicht ihren rechten Oberarm stützend angepackt hätte, wäre sie sicherlich gestürzt. Als sie sich schließlich wieder unter Kontrolle hatte, sagte sie etwas ruhiger: „Das bringt hier nichts. Ich gehe wohl besser erst einmal in den Krankenflügel und lasse mich behandeln. Danach haben wir noch genug Zeit, darüber zu debattieren, wer wohl mehr Schuld an diesem... Desaster trägt."
Sie riss sich, ohne eine Antwort abzuwarten, von Severus los und lief schon beinahe rennend die Treppen hinauf, als wenn sie vor ihm flüchten würde. Snape blickte ihr nach und auf seinem Gesicht bildete sich ein triumphierendes Lächeln.
Am Eingang des Kerkers stieß Laudry beinahe Professor Santana um, der direkt vor der Tür gestanden hatte. Ein Entschuldigung murmelnd lief sie unbeirrt weiter in Richtung Krankenflügel.
Ab und zu kamen ihr ein paar Schüler entgegen, die sie verwundert anschauten. Sie musste wohl grauenhaft aussehen und das bestätigte sich, als sie den Krankenflügel betrat und Madam Pomfrey erschrocken die Hände über dem Kopf zusammenschlug.
„Du meine Güte, was ist denn mit Ihnen passiert?!", fragte sie schließlich und führte Elaine zu einem Stuhl, auf dem sie sich niederließ. Während sich Poppy über ihren Arm hermachte, erklärte ihr Elaine, was geschehen war.

Nachdem Laudry aus Poppy Pomfreys „heilender Verwahrung" entlassen worden war, begab sie sich in das Lehrerzimmer, um sich einen Ersatzumhang aus dem Schrank zu holen. Der Raum war verlassen, was ihr im Moment auch ganz recht war.
Professor Laudry überlegte, was sie nun tun sollte. Es verblieben noch zwanzig Minuten, bis sie Zaubertrankkunde bei den Sechstklässlern geben würde und sie war noch nicht in der Stimmung, sich diese zwanzig Minuten lang mit Snape auseinander zu setzten.
Sie warf einen Blick aus dem Fenster, das ein wunderschönes, farbiges Panorama zeigte. Das Wetter hatte sich endlich gebessert. Es war sonniger Herbstag, der die rot und gelb gefärbten Blätter der Bäume besser zur Geltung brachte, als die vergangenen regnerischen und verstürmten Tage.
Elaine beschloss, kurz zum See zu laufen und ein wenig frische Luft zu schnappen. Sie hatte die letzten Wochen definitiv zuviel Zeit in Hogwarts dunklen Kerkern verbracht, deren modriger Geruch ihr schon eine Gänsehaut versetzte, wenn sie nur daran dachte. Kaum zu glauben, dass Snape diese ständige Kälte und Feuchtigkeit nicht einmal störte.

Am See angekommen, setzte sich Laudry auf eine Bank, die sich direkt am Ufer befand, und schaute auf den gleichmäßigen Wellengang des Wassers. Kein Windhauch war zu spüren und sie fragte sich, was wohl die Wellen auslöste...
„Elaine?!"
Die Lehrerin stand von der Bank auf und drehte sich um. In einigen Metern Entfernung erblickte sie Trelawney.
„Sybill? Was gibt es?", fragte sie. Elaine lief einige Schritte auf die Lehrerin für Wahrsagen zu. Der Fakt, dass Sybill Trelawney ständig die schützenden Mauern ihrer Gemächer im Nordturm verließ, verwunderte Laudry immer noch, obwohl sie sich mit der Zeit an den Anblick Trelawneys in der Großen Halle und im Lehrerzimmer gewöhnt hatte. Doch abgesehen davon war noch etwas seltsam. Sybill stand mit leicht geöffnetem Mund da und bewegte sich nicht weiter vom Fleck. Sie schien sich auf etwas zu fixieren, das sich hinter Professor Laudry befand...
Ruckartig drehte sich Elaine um und sah nur noch, wie eine gewaltige Säule Wasser plätschernd auf die Wasseroberfläche zurückfiel und sanfte Wellen hinterließ.
Sie drehte sich wieder zu Professor Trelawney um und fragte: „Was war das?"
Sybill fuhr sich kurz durch die Haare und richtete ihre überdimensionale Brille. Dann sagte sie: „Ach das? Das war nur Wasser, das durch die Riesenkrake, die im See lebt, aufgewirbelt wurde. Keine Sorge, sie ist friedlebend."
Elaine hatte in der Zwischenzeit die Entfernung zu Trelawney aufgeschlossen und stand nun direkt vor ihr.
„Ach so", sagte Professor Laudry daraufhin. „Sie wollten mich sprechen?"
„Ja, ich wollte Ihnen schon seit Anfang des Schuljahres etwas mitteilen, aber bisher hat sich die Gelegenheit dazu nicht ergeben, da Sie immer mit anderen Kollegen zugegen waren. Und da ich Sie vorhin gesehen habe, wie Sie allein das Schloss verließen, dachte ich, ich sollte es nicht länger hinausschieben", sprach Sybill förmlich, aber keineswegs in der Art, wie sie sonst immer ihre Stimme zu verstellen pflegte. „Mir ist nur in den Sinn gekommen, dass Ihnen das Element Wasser in der nächsten Zeit sehr gefährlich werden könnte."
„Wollen Sie etwa damit sagen, dass ich dieses Schuljahr ertrinken werde?!", fragte Elaine aufgebracht über die Tatsache, dass Trelawney nun auch schon den Tod von Lehrern prophezeite.
„Das habe ich nicht gesagt", beschwichtigte sie die Lehrerin für Wahrsagen. „Die Zukunft richtet sich nach Ihrem Verhalten und wenn Sie aufpassen, dann sind Sie in der Lage, das zu verhindern, was ich gesehen habe, was immer das auch sein mag."
Elaine wollte es nicht aus dem Kopf gehen, dass dies Sybills neue Masche war, um nicht noch mehr an Integrität gegenüber dem Lehrerkollegium einzubüßen, das oftmals an ihrer Berufung als Seherin zweifelte. Die Tode der Schüler, die sie vorhergesehen hatte, waren nie geschehen. In Laudrys Fall konnte Sybill immer noch behaupten, dass der Tod nicht eingetreten war, weil ihre Warnung in gewisser Weise unbewusst zur Vorsicht getrieben und die Zukunft verändert hatte.
Professor Laudry beschloss, nichts auf ihre Antwort zu erwidern. Sybill reagierte immer sehr beleidigt, wenn man ihre Fähigkeiten anzweifelte und auf eine Trelawney, die ihr unbedingt beweisen wollte, zu was sie als Seherin fähig war, konnte sie allemal verzichten.
„Warum verlassen Sie eigentlich den Nordturm in letzter Zeit so häufig? Das ist doch sonst nicht Ihre Art?", fragte Elaine nach einer Weile, um das Gespräch in eine definitiv interessantere Richtung zu leiten, während Trelawney und sie gemeinsam zurück ins Schloss gingen.
„Mein inneres Auge sagte mir eines Tages, es muss wohl inmitten der Sommerferien gewesen sein, dass es nicht gut sei, sich von anderen zu isolieren. Meine ständige Isolation im Nordturm hat wohl mein Verständnis für die Welt der Irdischen getrübt und keinem Seher sollte das passieren. Viele sind dadurch schon verrückt geworden, da sie vollkommen den Sinn für die reale Welt verloren haben, und ich wollte so nicht enden."
Elaine hätte nicht gedacht, wie verletzlich Sybill doch wirken konnte. Sie hatte sie in ihrem ersten Schuljahr als Lehrerin in Hogwarts nur drei oder viermal gesehen, und als ein sehr nervenaufreibendes Individuum eingeschätzt. Die Trelawney, die hier an ihrer Seite war, kam ihr alles andere als das vor. Sie tat ihr irgendwie leid. Sybill versuchte sich verzweifelt aus ihrer Isolation zu befreien, doch viele der Lehrer, sie hatte sich bisher auch dazu gezählt, begegneten ihr nur mit Ablehnung und machten sich über sie lustig. Lediglich Dumbledore leistete ihr freiwillig Gesellschaft.
Mittlerweile hatten Laudry und Trelawney das Schlossportal betreten. Die Stundenklingel läutete ihnen entgegen und erinnerte sie daran, dass in fünf Minuten der Unterricht beginnen würde.
„Entschuldigen Sie mich, Sybill. Ich muss in die Kerker zum Unterricht. Wie wär's, wenn wir unser kleines Gespräch nach dem Abendessen fortsetzen?"
„Sehr gern", antwortete Sybill erfreut und ihre Augen wirkten größer, als sie ohnehin schon durch die Brille gemacht wurden. „Also bis dann."
Elaine nickte und begab sich dann zum Klassenzimmer, in dem Zaubertrankkunde unterrichtet wurde.