- KAPITEL FÜNF -
Schlaflos
In dieser Nacht konnte sie tatsächlich sehr schlecht schlafen. Zuerst hatte sie
einen Albtraum von Voldemort. Doch es ging ihr schnell wieder gut, da sie
wusste, dass er nun tot war. Dann dachte sie wieder lange über Severus nach. Er
hatte bei ihr wirklich Eindruck gemacht und sie hatte gemerkt, dass hinter
seiner düsteren Fassade ein liebenswerter Mann steckte. Sie hatte es zwar fast
gemocht, jemanden zu haben, mit dem sie streiten konnte, mit Snape zu streiten
war bis vor einigen Tagen noch eines ihrer grössten Hobbies, aber seine
sanftere Seite gefiel ihr noch besser. Auf jeden Fall behandelte er sie gut. Er
war intelligent, stark und anziehend. Sie spürte, dass er von einer grossen Macht
umgeben war. Wenn sie an seine Stimme dachte, schlug ihr Herz höher und sie
mochte sein Gesicht und seine Haare. Auch die starken Schultern, in die sie
neulich hinein gerannt war, und wie sein Umhang wehte, wenn er davonging,
mochte sie. Und da waren diese dunklen Augen, die direkt in ihre Seele sehen
konnten... Sie konnte nicht mehr schlafen, denn sie war gar nicht mehr müde.
Also beschloss sie, etwas spazieren zu gehen. Sie ging hinunter zum Stall, um
nach Orion zu sehen, der etwas verwundert war über den späten Besuch. Doch er
freute sich, als er von ihr einen Apfel bekam und sie ihn striegelte. Langsam
fühlte sie sich auch wieder müde und machte sich auf zurück zum Schloss. Leise
öffnete sie die grosse Eingangstür, ging hinein und wandte sich wieder zu ihr
um, damit sie die Tür wieder sorgfältig schliessen konnte. Als sie sich
umdrehte, um weiter zu gehen, wurde ihr weg schlagartig gebremst und sie
erschrak, denn sie war wieder in etwas hinein gestossen. Sie fiel beinah hin,
doch zwei kräftige Hände hielten sie an den Schultern fest. Sie schaute auf und
bemerkte, dass es wieder einmal Severus war.
"Was machst du hier um diese Zeit?" fragte er sie sanft.
"Ich... ich war nicht mehr müde und konnte nicht mehr einschlafen. Also
wollte ich... ich wollte Orion besuchen", stammelte sie.
"Hmm, ich konnte auch nicht mehr schlafen", gab er zu.
Da ertönte plötzlich leise Kammermusik in der Eingangshalle. Beide konnten sie
die Musik hören, doch es schien ihnen als wäre die Musik nur in ihren Ohren.
Severus flog ein Lächeln über die Lippen und breitete seine Arme aus, um sie
zum Tanz aufzufordern.
"Wenn wir schon hier sind..." Seine Stimme klang seltsam.
Sie nahm die Aufforderung an und sie begannen in der grossen Eingangshalle
Walzer zu tanzen. Doch auf einmal tanzten sie nicht mehr auf dem Boden, sondern
sie hoben ab in die Luft und tanzen hoch unter der Decke der Halle. Um sie
herum schwebten plötzlich zwei Dutzend Kerzen.
"Wie machst du das?" fragte sie ihn.
"Magie!" flüsterte er ihr ins Ohr.
Sie legte ihren Kopf auf seine starken Schultern und genoss diesen leichten
Tanz. Es war seltsam für Nala. Sie hätte schwören können, dass sie sich unwohl
fühlen würde, wenn sie mit jemandem tanzen musste. Doch jetzt mit Severus
fühlte sie sich alles andere als unwohl. Sie tanzten bestimmt eine
Viertelstunde so zusammen, bis die Musik immer leiser wurde und sie langsam
wieder zu Boden schwebten.
"Das war absolut unglaublich!" lachte sie.
Severus schaute ihr in die Augen und meinte: "Komm, ich bring dich jetzt
nach oben. Du solltest nicht hier sein um diese Zeit."
Er machte sich auf in Richtung ihrer Wohnung und sie hatte keine andere Wahl,
als ihm zu folgen. Schnell waren sie vor ihren Gemächern.
"Versprich mir, dass du mir am Weihnachtsball einen Tanz mit dir
gewährst", sagte sie schmunzelnd.
Den Weihnachtsball hatte er ganz vergessen. Er war noch nie an einem dieser
Bälle gewesen. Er zögerte, denn eigentlich wollte er nicht. Doch dann war da
ihr Lächeln. "Wir werden sehen", sagte er und Nala konnte nicht
sagen, wie sie diesen Unterton in seiner Stimme deuten sollte.
Zum ersten Mal fühlte Nala, dass sie ihn gerne küssen würde. Aber sie tat es
nicht, denn sie wusste nicht, ob dieser Tanz für ihn wirklich etwas bedeutet
hatte. Empfand er für sie denn das Gleiche? Sie konnte sich es kaum vorstellen.
Sie waren Kollegen und im Prinzip war er auch ihr Lehrer. Er würde es nie
ernsthaft in Erwägung ziehen.
Sie verabschiedeten sich etwas verlegen und gingen beide schlafen. Nala
schlief, nach anfänglichem Grübeln, doch glücklich ein und träumte von ihm,
aber Severus konnte noch nicht schlafen. Ihm gingen ihre klaren, grünen Augen
nicht mehr aus dem Kopf, ihr zauberhaftes Lächeln, der Geruch ihrer schönen
Haare und ihre unbeschwerte, fröhliche Art. Er schüttelte sich innerlich. Nein,
nein, das konnte nicht sein. Wieso hatte er mit ihr getanzt? Die Kerzen und der
Flug unter der Decke war sein Werk, doch wer war für die Musik verantwortlich?
Er dachte sich, dass es nur Dumbledore gewesen sein konnte. Und was war
überhaupt in ihn gefahren? Als er sie antraf in der Halle, hatte sein Verstand
irgendwie ausgesetzt, er hatte einfach gehandelt. Es war schön gewesen, das
musste er zugeben, aber ihm graute vor diesem Ball. Er wollte nicht, dass ihn
Schüler beim Tanzen sahen. Es würden bestimmt viele da sein, denn die Abreise
nach Hause war erst am Tag nach dem Ball. Das war nicht sein Stil. Er, der
strenge Professor, der noch nie an einem Schülerball getanzt hatte, konnte doch
nicht mit dieser jungen, hübschen Frau vor aller Augen tanzen. Die Schüler würden
den Respekt vor ihm verlieren. Aber noch etwas anderes plagte ihn viel mehr. Er
hatte immer vorsichtig die Distanz gewahrt und heute schien er alles vergessen
zu haben. Weshalb nur? Er konnte das nicht, er konnte ihr nicht so nahe sein,
er braucht Abstand, sonst wusste er nicht, was mit ihm passiert. Trotzdem war
da so ein Kribbeln im Bauch, als er mit ihr getanzt hatte. Wollte er sich denn
wirklich wieder auf solche Gefühle einlassen? Durfte er überhaupt?
Er wälzte sich noch lange hin und her im Bett, bis er endlich einschlief.
Der nächste Tag wurde sowohl für Nala als auch für Severus ziemlich aufwühlend.
Schon am Morgen kam Deby, die Hauselfe, zu Nala in den Krankenflügel und teilte
ihr mit, dass Dumbledore sie sprechen möchte und zwar unverzüglich. Ohne zu
wissen, was sie verbrochen hatte, ging sie in sein Büro hinauf. Das Passwort
war diesmal "Wattebausch". Oben in seinem Büro wurde sie aber nicht
nur von Dumbledore erwartet, Cornelius Fudge sass ebenfalls vor seinem
Schreibtisch.
"Schön Sie wieder zu sehen!" begrüsste er sie freundlich.
"Nala, ich hoffe du hast etwas Zeit, denn er wird dir nun erzählen, was es
mit deiner Familiengeschichte auf sich hatte", erklärte Dumbledore.
Nala fühlte sich plötzlich, als habe sie Steine im Magen. Die Sache mit ihrer
Grossmutter hatte sie bei all dem Trubel ganz vergessen. "Wie konnte ich
nur?!" dachte sie bei sich. Sie setzte sich hin und hörte geduldig zu,
während Fudge ihr mitteilte, was sie so lange eigentlich gar nicht hören
wollte.
"Es ist so", begann er, "Es hat lange gedauert, bis wir etwas
brauchbares über ihre Grossmutter und vor allem über ihre Urgrossmutter
herausfanden. Sie haben vielleicht schon von dem schwarzen Magier Grindelwald
gehört. Er wurde 1945 von unserem anwesenden Schulleiter hier besiegt, doch
bevor er vernichtet war, tat er schreckliche Dinge. Auf deine Urgrossmutter
hatte er einen speziellen Groll. Er hatte sich in sie verliebt, was jedoch
nicht viele wussten. Doch sie zog es vor, anstatt ihn einen Muggel zu heiraten.
Von da an war sie ständig auf der Flucht. Ihr Mann wurde schliesslich getötet
und sie versteckte sich in der Muggel Welt. Sie erzählte niemandem, dass sie
schwanger war, um ihr Kind zu schützen. Damit Grindelwald ihre kleine Tochter
nicht finden würde und diese nicht ein Leben auf der Flucht haben müsste, gab
sie sie gleich nach der Geburt zur Adoption frei. Sie sollte bei den Muggeln
aufwachsen und sicher sein. Wenn das alles vorbei wäre, würde sie versuchen,
ihre Tochter zurückzubekommen. Leider kam ihre Urgrossmutter nicht mehr dazu.
Sie wurde kurz nachdem sie das Krankenhaus verlassen hatte, von Grindelwald
getötet. Es tut mir leid."
Fudge machte eine Pause, denn er sah, dass Nala Tränen in den Augen hatte. Sie
sagte nichts und wischte sich die Tränen mit dem Ärmel weg.
"Ihre Grossmutter wuchs dann wie ein ganz normales Muggelkind auf, denn
sie besass mit grösster Wahrscheinlichkeit keine magischen Kräfte und wenn,
dann nur ganz schwache, wie Zukunftsträume oder so etwas. Ihr Onkel hatte
übrigens recht. Ihre Urgrossmutter hiess tatsächlich Fiore. Und was ich
wirklich ausserordentlich speziell finde, ist, dass sie wie Sie Nala mit
Vornamen hiess."
Fudge war richtig stolz, dass er ihr das alles berichten konnte und er war
selbst ganz gerührt, weil sie, ohne es zu wissen, den selben Namen wie ihre
Urgrossmutter hatte.
"Das ist leider auch schon alles, was ich Ihnen berichten kann",
sagte er noch.
Nala nahm sich zusammen und bedankte sich höflich: "Vielen Dank, Mr.
Fudge, für ihre Mühe. Jetzt ist es für mich eine Ehre, dem Zaubereiminister
gegenüberzustehen und das alles von ihm zu hören. Damals im Krankenhaus wusste
ich noch nichts von all dem. Ich bin froh, dass sie nun alles geklärt haben und
mich in ihrer Welt aufgenommen haben. Das gilt auch für dich Albus."
Alle beide, Fudge und Dumbledore, bekamen etwas rote Wangen.
"Nun, das wär's. Ich muss wieder zurück nach London", sagte Fudge und
verabschiedete sich.
Auch Nala wollte wieder gehen, doch Dumbledore bat sie, noch etwas zu bleiben.
"Wie geht es dir eigentlich, Nala? Du siehst müde aus", wollte er mit
einem Schmunzeln wissen.
"Mir geht es doch gut. Ich habe nur nicht so gut schlafen können, das ist
auch schon alles", gab sie zur Antwort, aber sie fühlte, dass mehr hinter
seiner Frage steckte.
"Mir ist aufgefallen, dass du und Severus euch besser versteht als auch
schon..."
Sie wollte noch nichts darüber sagen und lächelte nur verlegen, aber sie
dachte: "Vor diesem Mann kann man wirklich nichts geheim halten. Er weiss
einfach alles."
"Mir war schon seit langem klar, dass da etwas abgeht zwischen euch. Ich
habe noch nie jemanden gesehen, mit dem Severus so viel zu streiten hat wie mit
dir. Und beim Essen letztens, habe ich euch beobachtet. Eure Gespräche waren
verändert und als ich euch zufällig in der grossen Halle mitten in der Nacht
erwischte, dachte ich mir: "Spiel ihnen ein bisschen Musik und schau, was
passiert!" Tatsächlich war Severus' Verhalten galanter, als ich je
erwartet hätte."
"Du meinst, was sich neckt, das...", Nala wollte den Satz nicht
beenden. "Du weißt anscheinend besser, was ich fühle, als ich selbst. Aber
wenn das du warst mit der Musik, dann muss ich dir dafür danken. Es war einfach
wundervoll, mit ihm zu tanzen. Ich habe gar nicht gewusst, dass du dich seit
neustem als Amor versuchst." Sie zwinkerte ihm mit einem Auge zu.
"Nein, ganz so ist es nun nicht. Es ist eure Privatsache, doch ich möchte
dich auch ein bisschen warnen. Es wäre bestimmt schön, wenn ihr beide ein Paar
wärt, aber bevor es soweit ist, sollte ich dir noch etwas über Severus
sagen."
"Ich weiss, dass er bei Voldemort für dich spioniert hat. Er hat es mir
bereits erzählt", unterbrach sie ihn.
"Dann weisst du ja bereits, was er alles durchgemacht hat. Das Leben war
auch sonst nicht sehr gnädig zu ihm. Auch du bist schon durch sehr schwierige
Zeiten gegangen und ich möchte nicht, dass du von ihm verletzt wirst. Du
hattest mit deinem letzten Freund Pech, weil er dich nicht verstehen konnte,
doch das hier ist noch einmal etwas ganz anderes. So weit sind wir natürlich
noch lange nicht und ich hoffe, wenn ihr zusammen kommen solltet, dass ihr dann
auch glücklich werdet. Ich weiss, man kann sich die Liebe nicht aussuchen, ich
möchte nur, dass du vorsichtig bist und vor allem weisst worauf du dich
einlässt. Sei sicher, dass er dich wirklich liebt. Severus ist keine einfache
Person und kann manchmal etwas unberechenbar sein, aber das weisst du bestimmt
schon. Er ist ein sehr starker und mächtiger Zauberer."
"Du klingst wie mein Vater", sagte sie.
"Hmm... ja... ähmm", druckste er herum, "Um ehrlich zu sein,
bist du mir ganz schön ans Herz gewachsen. Ich fühle mich auch verantwortlich
für dich. Schliesslich habe ich dich hierher gebracht." Er wollte zwar
noch etwas sagen, stoppte aber plötzlich.
"Was? Da ist noch etwas. Sag es mir!" forderte Nala.
Dumbledore murmelte: "Ich dachte gerade, dass du für mich wie die
Enkeltochter bist, die ich nie hatte."
Nala war gerührt. "So was Schönes hat schon lange niemand mehr zu mir
gesagt. Ich bin froh, dass du das so siehst, auch ich sehe in dir fast ein
Familienmitglied. Das ist gut für mich, glaub ich, denn schliesslich habe ich
hier keine echte Familie. Schön, dass wir uns das einmal so offen sagen
konnten."
Sie lächelten einander an und sie fügte noch hinzu: "Ich kann dir nicht
versprechen, dass mich Severus nie verletzen könnte, denn ich habe mich schon
in ihn verliebt, fürchte ich. Ob ich jetzt mit ihm zusammen komme oder nicht
und merken würde, dass er mich doch nicht liebt, es würde mich beide Male
verletzen. Aber mach dir keine Sorgen. Ich weiss, dass mit der Liebe auch das
Risiko enttäuscht zu werden, zusammen hängt. Wir werden sehen, wie es mit uns
weitergeht. Aber ich sollte jetzt wirklich gehen, ich muss noch nach einem
Trank im Labor sehen. Auch wenn er mich mag, möchte ich ihn nicht reizen und er
schätzt es ganz und gar nicht, wenn ich die Dinge nicht zur rechten Zeit fertig
bringe."
Dumbledore musste lachen: "Gut. Ich bin froh, dass ich mit dir darüber
sprechen konnte. Aber du hast recht. Man muss es auf sich zukommen lassen und
sehen was passiert. Ein Risiko besteht immer. Nun, solltest du aber gehen, ich
möchte nicht daran Schuld sein, wenn du nicht rechtzeitig fertig wirst."
Nala stand auf und ging zur Tür, da rief Dumbledore noch: "Ach und, Nala,
morgen werde ich beginnen dir das Heilen bei zu bringen."
"Schön! Ich freue mich!" kam noch zur Antwort und dann war sie auch
schon weg.
Wenig später war auch Snape in Dumbledores Büro.
"War das deine Musik letzte Nacht?" wollte er von Dumbledore wissen.
Dumbledore war amüsiert, dass Snape immer so ernst war und ihn diese Sache so
aufgeregt machte. "Ja, Severus, ich habe letzte Nacht für Musik
gesorgt."
"Wieso hast du das gemacht? Was treibst du für ein Spiel!?!" fragte
er aufgebracht.
"Severus, beruhige dich! Es war wohl keine Nacht in der man gut schlafen
konnte, wie es aussieht. Ich war oben auf der Treppe und habe euch zufällig
gesehen. Ich wollte euch nicht stören und dachte mir, dass ich euch ein
bisschen Musik mache. Ihr habt euch doch gut amüsiert, sonst hättest du nicht
die Kerzen herbei gezaubert und als du mit ihr dann auch noch durch die Luft
geflogen bist, habe ich euch allein gelassen und bin wieder schlafen
gegangen", erklärte Dumbledore.
"Du hast vergessen zu erwähnen, dass du mich verzaubert hast, damit ich
mit ihr tanze? Und ich werde den Gedanken nicht los, dass du mir
nachspionierst", sagte er drohend, doch dann musste er ziemlich heftig
husten.
"Severus, ich habe dich nicht verzaubert, aber offensichtlich hat sie es
getan. Ich spioniere dir nicht nach. Es war wirklich Zufall, dass ich euch letzte
Nacht gesehen habe. Aber ich muss dir tatsächlich noch etwas sagen wegen dieser
Sache. Du scheinst sie zu mögen, doch ich weiss nicht, wie ernst es ist. Ich
mag Nala sehr und ich bitte dich nur, Acht zu geben, dass du sie nicht
verletzt. Sie ist zwar stark, aber ich glaube, sie hat schon viel durchgemacht
und sollte nicht noch mehr Kummer erfahren. Sie braucht ihre Kräfte, wenn sie
wirklich das Heilen erlernen will. Du kannst machen was du willst, das ist mir
schon klar und das ist auch gut so. Ich möchte dir nur eins sagen und zwar als
dein Freund: Sei lieb zu ihr, was auch immer du tust. Aber wenn du diese Nacht
als einmaligen Ausrutscher siehst, solltest du ihr bald die Wahrheit
sagen." Dumbledore war erleichtert als Severus nicht gleich wütend aus seinem
Büro rannte.
Severus räusperte sich. "Ich verstehe, was du mir sagen willst, Albus. Es
erstaunt mich immer wieder, wie schnell du die Dinge durchschaust. Du musst sie
wirklich gern haben, wenn du dir solche Gedanken machst. Ich weiss nicht, was
das letzte Nacht war, ehrlich nicht. Ich weiss auch nicht, ob ich es will. Ich
bin noch nicht ganz bereit dazu. " Es war ihm ein wenig unangenehm mit
Albus darüber zu sprechen.
"So das war, mein Bedenken um Nala, jetzt möchte ich dir aber noch etwas
raten, wenn du erlaubst. Mein lieber Freund, nimm deine Chance, denn sie ist
eine der wenigen, die du im Leben bekommen wirst, um im Leben glücklich zu
sein. Ich möchte nicht, dass du dir diese Chance verweigerst."
"Nun ja, wir werden sehen, wie es mit uns weiter geht", sagte Severus
nur.
Während Severus wieder hustend aufstand, dachte Albus über den letzten Satz von
Severus nach. Das hatte er doch schon einmal gehört? Es fiel ihm wieder ein.
Nala hatte genau das selbe gesagt! Er fand das eine interessante Feststellung.
"Du musst mir meine Neugier verzeihen, Severus. Und ähm.. vielleicht
solltest du besser etwas gegen deine Erkältung unternehmen", schmunzelte
der Schulleiter. "Wir sehen uns heute Abend?"
"Ja natürlich. Ich will doch nicht verhungern. Bis dann.", Severus
war ihm nicht wirklich böse, doch er hatte jetzt genug von diesem Gespräch und
machte sich wieder auf in seinen Kerker.
*
Nala konnte sich schlecht konzentrieren. Das merkte man vor allem in Professor
McGonagalls Unterricht. Sonst war sie eigentlich hervorragend im Umwandeln von
Dingen, doch heute wollte es ihr nicht recht gelingen. Als sie einen Apfel in
eine Banane hätte verwandeln sollen, wurde der Apfel zuerst einmal eine
Pflaume. Auch der Tonkrug wurde anstatt zum Messer ein schwarzer Hut. Zum Glück
war Minerva heute etwas nachsichtig mit ihr und gab ihr keine Aufgaben.
"Du hast die Ferien auch nötig wie ich sehe. Aber wir machen ja sowieso
alle Ferien, nicht wahr?" meinte sie.
Nala stimmte ihr zu und bedankte sich, dann ging sie hinunter ins Labor, um
Severus den fertigen Trank zu geben. Er war anscheinend gegen
Grippe-Erkrankungen, er sagte, er könne im Krankenflügel gebraucht werden, aber
sie wusste das im Moment kein Kind wegen Grippe krank war. Warum hatte er es
mit diesem Trank so eilig? Sie fand es dann aber ziemlich schnell heraus, als
sie ihn in seinem Klassenzimmer sah. Er sass an seinem Schreibtisch und
korrigierte wahrscheinlich Aufgaben. Ständig wurde er von einem Niesen
geschüttelt und musste ziemlich stark husten. Auf seiner Stirn konnte sie
Schweissperlen sehen. Die Grippe musste ihn ja richtig überfallen haben, denn
als er sie heute morgen darum gebeten hatte, machte er noch nicht so einen
kranken Eindruck. Bleich war er ja immer.
"Da bist du ja!" rief sie ihm zu. "Offensichtlich hättest du
gestern nicht mitten in der Nacht mit mir herumwandeln sollen, jetzt hast du
dir eine Grippe eingefangen in dieser Kälte. Hier ist der Trank. Ich denke, er
ist für dich und nicht für den Krankenflügel."
"Ich bin schon in Ordnung", sagte Severus und seine Stimme war noch
tiefer als sonst.
Sie fühlte seine Stirn und zog die Hand schnell wieder zurück. "Du glühst
ja! Ich bin nicht deine Mutter, trotzdem finde, du solltest besser deinen Trank
nehmen und dich ein wenig ins Bett legen. Weshalb hast du mir heute morgen
nicht gesagt, dass der Trank für dich ist?"
Nala wurde wieder mit dem konfrontiert, was sie schon heute Morgen bemerkt
hatte. Er wich ihr aus. Er war zwar nicht unfreundlich, aber da war er wieder,
dieser Abstand, den er wahrte und er schien noch grösser zu sein, als bis vor
ein paar Tagen. Er antwortete ihr nicht. Sie spürte einen Stich im Herzen und
ein Gedanke schoss ihr in den Kopf. Hatte er das alles gar nicht gewollt, was
letzte Nacht passierte? Es sollte wohl besser alles freundschaftlich bleiben
und nicht mehr.
"Na schön. Wie du meinst. Komm ich bring dich noch zu deiner
Wohnung." Sie zog ihn am Arm hoch, begleitet ihn bis vor seine Tür und
verdrängte, dass er ihr nicht geantwortet hatte. Sie musste ihn auf dem Weg
etwas stossen, denn er war etwas widerwillig und wollte in seinem Klassenzimmer
bleiben.
"So, die Arbeit kann warten. Schlaf ein bisschen und vielleicht bist du
nachher schon wieder so fit, dass du zum Abendessen kommen kannst. Schlaf
gut", sagte sie während sie ihn zur Tür hinein schob. Sie wartete noch
kurz vor seiner Tür, um sicher zu sein, dass er sich auch hinlegte oder
wenigstens setzte und nicht gleich wieder in sein Klassenzimmer stürmt. Er kam
nicht mehr raus und so konnte sie getrost gehen. Sie wollte noch etwas arbeiten
und dann zu Orion.
Nala war verwirrt von den vielen Ereignissen der letzten 24
Stunden. Die Geschichte ihrer Familie ging ihr durch den Kopf und Severus
natürlich. Um sich etwas abzulenken, wollte sie mit Orion ein bisschen Dressur machen,
nachdem sie noch ein paar Stunden über ihren Büchern gebrütet hatte. Vor dem
Schloss machte sie sich ein Dressurviereck aus einem 10 Zentimeter hohen Zaun,
den sie herbeizauberte. Sie hatte Professor Flitwick gerade letzte Woche darum
gebeten, er möge ihr das beibringen, damit sie mit Orion etwas Dressur machen
könne. Also, zeigte er ihr, wie sie Zäune in jeder Grösse zaubern konnte. Sie
hatte schon etwas geübt, deshalb ging es jetzt auch gar nicht schlecht.
Sie ging in den Stall, um Orion zu holen und machte ihn zurecht.
Doch jetzt wollte sie ihren Kopf etwas ruhen lassen und ritt mit Orion zum
kleinen Dressurplatz, den sie errichtet hatte.
Am Fenster neben Nalas Wohnungstür stand Severus. Er wollte sie eigentlich
besuchen und sich bei ihr bedanken für den Trank, doch nun sah er, dass sie vor
dem Schloss war und trainierte. Er beobachtete sie und fand es wunderschön, wie
geschmeidig und anmutig sich die beiden dort unten bewegten. Er hätte ihr
stundenlang zusehen können. Immer noch konnte er sich nicht richtig
eingestehen, dass er sehr viel für sie empfand. Er konnte sich auch nicht
erklären, was in ihn gefahren war, dass er plötzlich alles vergass und einfach
mit ihr getanzt hatte. Er hatte nicht getrunken oder sonst etwas genommen. War
er vielleicht im Halbschlaf gewesen? Aber da machte sich dieses Gefühl in ihm
breit. Er mochte ihre Gesellschaft, er vertraute ihr und jetzt, wenn er an ihr
Lächeln dachte, blieb sein Herz einen kurzen Moment stehen. Ohne es zu wollen,
kam er ins Schwärmen für sie.
Ihre Haare wehten im Wind und er stellte sich vor, wie sie rochen. Er wusste
wie sie rochen, doch er hatte diesen Duft noch nie zuvor gerochen. Es musste
wohl ein Haarshampoo der Muggel sein. Eine Weile stand er noch am Fenster, dann
ging er hinunter ins Lehrerzimmer. Er setzte sich dort vors Feuer und grübelte.
Es war schon lange Zeit für das Abendessen und Nala war noch immer noch nicht
vom Stall zurück gekommen. Also ging Severus los, um nach ihr zu sehen, weil er
sich Sorgen machte. Er fand sie am Boden kauernd neben Orions Box, den Kopf in
den Armen vergraben. Sie schien zu weinen. Er ging auf sie zu und als sie sich
nicht bewegte, kniete er sich zu ihr hin. Jetzt erst merkte er, dass sie
schlief. Er legte eine Hand auf ihre Schultern, zog sie aber schnell zurück,
als sie sich zu regen begann. Langsam erwachte sie und richtete sich auf. Sie
fuhr sich mit den Händen über die Augen, dann lächelte sie ihn an.
"Nicht gerade der bequemste Ort, um ein Nickerchen zu machen. Findest du
nicht? Was tust du hier?" sagte er. Als er sie mit seinen schwarzen Augen
fest ansah, wurde sie etwas rot im Gesicht und bekam wieder dieses flaue Gefühl
im Magen. Das passierte ihr jedes Mal, wenn er sie ansah, aber auch manchmal,
wenn sie nur seiner Stimme horchte. Severus hatte das inzwischen auch
realisiert, was sich jedes Mal bei ihr abspielte, wenn er das tat, was ihm
wiederum ein komisches Gefühl in der Magengegend verlieh. Severus wusste nicht
was mit ihm los war. Einmal kämpfte er gegen diese Gefühle an, einmal liess er
sie zu und in einem, für ihn unbeschwerte Moment, waren sie nicht zu spüren.
Diese Momente wurden aber immer seltener. Schon seit einer ganzen Weile war das
so.
"Ich wollte hier etwas sitzen und nachdenken. Ich muss wohl eingeschlafen
sein. Hey, dir geht es besser, wie mir scheint! Hast du kein Fieber mehr?"
fragte sie ihn. Sie war froh und hoffte auch, dass sie so das Thema wechseln
könnte. Sie wollte ihm nicht sagen, dass sie sich in den Schlaf geweint hatte.
"Ja, du hast den Trank gut gemacht. Er hat mir geholfen und das Fieber ist
weg. Komm es gibt Essen. Lass uns ins Schloss gehen." Er stand auf und
nahm sie bei der Hand. Er zog sie hoch und hielt sie einen Augenblick fest.
Dann liess er sie verlegen los und ging zu Orion hinüber, der die ganze Zeit seinen
Kopf aus der Box hielt und die beiden beobachtete. Während Nala sich den Staub
von den Kleidern wischte, schnupperte Orion kurz an Severus' Hand. Danach rieb
er seinen Kopf an seiner Hand.
"Komisch", dachte Nala, "das tut er sonst bei Fremden
nicht."
Sie gingen zusammen zurück zum Schloss.
Es waren nur noch wenige Schüler und Lehrer in der grossen Halle, doch es gab
noch Essen auf dem Lehrertisch. Dumbledore war ein Geniesser und so auch
Professor McGonagall. Sie waren die einzigen Lehrer, die noch am Tisch sassen.
Nala und Severus setzten sich zu ihnen und waren beide froh, endlich etwas
zwischen die Zähne zu bekommen.
*
