- KAPITEL DREIZEHN -
Auf einen Schlag
Die Schule hatte wieder begonnen und alles war wieder in seinem alltäglichen
Trott. Dumbledores stille Befürchtung, dass Nala nun weniger lernen würde, da sie
nun anderweitig abgelenkt war, bestätigte sich nicht. Sie lernte fleissiger als
je zuvor, denn sie wollte möglichst schnell alles wissen. Sie wollte sich mit
Severus richtig unterhalten können und sich nicht immer alles erklären lassen
von ihm. Die grössten Fortschritte machte sie natürlich in Zaubertränke. Aber
auch ihr Allgemeinwissen wuchs rasch, weil Severus ihr so viel erzählte. Er tat
es gerne, denn er wollte ihr seine Welt zeigen und sie mit ihr teilen. Bei den
manchmal recht schwierigen Hausaufgaben hätte er ihr aber nie geholfen. Das
liess seine Lehrerseite in ihm nicht zu. Aber das war auch in Ordnung so. Auch
mit dem Heilen fühlet sich Nala nun sicherer. Dumbledore hatte recht gehabt.
Plötzlich hatte sie das Gefühl zu wissen, wie es geht. Sie hatte es einmal an
einem verletzten, kranken Raben, den Hagrid im Wald gefunden hatte,
ausprobieren können. Entzückt stellte sie einen Tag später fest, das sich der
Rabe wieder höchster Gesundheit erfreute. Dumbledores Vertrauen in ihre
Fähigkeiten wuchs noch mehr, so, dass er ihr erlaubte im Krankenflügel kleinere
Verletzungen selbst zu heilen. Poppy Pomfrey war anfangs nicht sehr erfreut
darüber. Sie war immerhin die Krankenschwester und hatte das Sagen. Jetzt kam
einfach so eine junge Hexe und heilte ihre Patienten. Was sollte sie davon
halten? Wozu war sie dann eigentlich noch hier?
Nala merkte schnell, was in Poppy vorging und redete mit ihr vernünftig in
ihrem Büro darüber.
"Hör zu, Poppy, ich sehe, dass es dir nicht passt, dass ich hier bin. Ich
möchte, dass du weißt, dass ich mich auf keinen Fall vor dich drängen möchte.
Du bist die Chefin hier und weißt viel mehr über diese Art von Medizin als ich
es je tun werde. Ich werde nichts tun, wozu du nicht dein OK gegeben hast. Das
steht mir auch gar nicht zu."
"Ach, Nala, ich bin froh, dass du mit mir darüber redest. Es ist nicht
ganz richtig, dass es mir nicht passt, dass du hier bist. Eigentlich mag ich es
sehr gern. Du bist tüchtig und eine gute Gesellschaft. In Wahrheit habe ich nur
Angst nutzlos zu werden, verstehst du?"
"Nein, du wirst nie nutzlos sein! Siehst du, ich kann nur Heilen und nicht
einmal das kann ich mit Sicherheit. Die Dinge, die du mir aufträgst, ja die
kann ich, aber diagnostizieren kannst nur du und auch nur du kennst die
richtigen Heilmittel und Zaubersprüche. Ich nehme an, dass es mir auch nicht
immer möglich sein wird allein mit meiner Gabe zu heilen."
"Danke, das ist lieb von dir. Aber du lernst schnell und bald kannst du
auch schon ziemlich gut diagnostizieren und kennst die Heilmittel", wandte
Poppy ein.
"Und wenn es auch so kommt, wer sagt, dass wir diesen Job nicht gemeinsam
erledigen können? Ich bin die Schwester mit den heilenden Fähigkeiten und du
bist meine Oberschwester, die alles weiss. Das wird immer so bleiben, auch wenn
ich dazulerne. Du kannst mich doch als dein 'Werkzeug' sehen, damit du die
Patienten noch effizienter heilen kannst. Wenn dich das nicht zufrieden stellt,
werde ich gehen. Was denkst du?"
"Ich denke, du bist unglaublich. Deine Sicht der Dinge gefällt mir.
Selbstverständlich brauchst du nicht zu gehen. Ich glaube, wir können uns sehr
gut einigen so. Danke, dass du dies mit mir geklärt hast. Ich hätte
wahrscheinlich nicht den Mut gehabt, dich darauf anzusprechen."
"Gut, ich bin auch froh. Und wenn eine von uns ein Problem hat, in welcher
Art auch immer, dann sprechen wir darüber. Ich bin für dich da. In
Ordnung?"
"Gewiss. Du kannst auch immer zu mir kommen."
Sie lächelten sich an.
"Ähm, Poppy, ich weiss, dass du das vermutlich nicht gerne hörst, aber ich
wäre froh, wenn du mich etwas üben liessest, an einfachen Fällen
natürlich", sagte Nala verlegen.
"Ja sicher. Mach dir keine Sorgen. Das wird schon gut gehen",
antwortete Poppy.
Von da an schienen beide noch besser miteinander auszukommen als zu Beginn
schon. Poppy wusste, sie hatte in Nala eine gute Freundin gefunden. Auch Nala
erkannte, dass Poppy für sie mehr geworden war als nur ihre Arbeitskollegin und
Lehrerin. Sie waren beide glücklich darüber. Gute Freunde fand man nicht so
schnell, das war beiden bekannt.
Auch mit Severus lief alles bestens. Die Unterrichtsstunden mit ihm schätzte
sie sehr. Sie unternahmen oft gemeinsam Spaziergänge oder sassen beieinander am
Kamin und redeten. Sie schwärmte für seine Liebkosungen, die ganz, ganz langsam
inniger wurden. Bei ihm übernachtet hatte sie jedoch nicht mehr. Severus war
etwas enttäuscht darüber, tat aber eine gute Arbeit darin, ihr das nicht zu
zeigen. Sie hatten ein paar wundervolle Wochen zusammen. Doch diese Zeit sollte
sich ändern.
Sie war mit Poppy im Krankenflügel, als drei Ravenclaw-Jungen hereinstiessen.
Der eine Junge wurde von den anderen auf beiden Seiten gestützt. Nala legte den
verletzten Jungen auf ein Bett und Poppy bat die anderen beiden wieder in den
Unterricht zu gehen. Der Junge hiess William Moon und war ein Erstklässler.
Seine Schmerzen mussten gross sein, denn er wimmerte und kleine Tränen liefen
ihm übers Gesicht.
"Beruhige dich, mein Junge. Wo ist den das passiert?" fragte Poppy.
"Im Zaubertränkeunterricht. Der Professor stand in meinem Rücken. Ich
hatte ihn nicht bemerkt und als er mich tadelte, bin ich erschrocken und habe
den Kessel umgestossen. Dabei ist etwas von dem Zeug auf meine Beine
gekommen." William musste sich fest zusammennehmen, damit seine Stimme verständlich
klang.
Madam Pomfrey sah auf seinen Beinen schwere Verbrennungen und komische, grüne
Beulen.
"Möchtest du es versuchen, Nala?"
Nala nickte und setzte sich neben William.
"Hab keine Angst, ich werde dir versuchen zu helfen. Schliess deine
Augen", sagte sie zu dem Jungen.
Sie legte ihre Hände auf seine Beine, dann schloss sie ihre Augen auch. Sie
fokussierte seinen Schmerz und spürte ihn auch ein wenig. Sie sammelte ihre
Kraft im Innern und konzentrierte sich auf seine Wunden. Zuerst verlief alles,
wie auch schon bei den anderen Schülern, die sich geschnitten oder verbrannt
hatten, doch dann kam Nala ausser Atem und hatte grosse Mühe sich zu
konzentrieren. Irgendetwas machte sie falsch, das wusste sie. Als sie keine
Kraft mehr hatte, musste sie abbrechen. Schockiert sah sie auf Williams Beine.
Die Verbrennungen waren zwar praktisch abgeklungen, aber die grünen Beulen
waren noch da und schienen sogar noch grösser als vorher. Sie sah Poppy fragend
an.
"Es ist nicht so schlimm. Das kriegen wir schon noch hin. Lass es uns mit
einem Heilmittel versuchen."
"Okay", sagte Nala traurig.
William war verwirrt. Seine Schmerzen waren zum Glück nicht mehr stark, doch er
schien auch sehr erschöpft zu sein von der Heilung, genau wie Nala.
"Kannst du kurz zu Professor Snape laufen und ihn fragen, was genau in
diesem Trank war?" fragte Poppy. "Das hilft mir ein Heilmittel gegen
diese scheusslichen Beulen zu finden. Sonst muss ich ausprobieren."
"Ich bin schon weg", seufzte Nala und verschwand.
Sie klopfte an die Tür und betrat Severus' Klassenzimmer. Alle Blicke waren auf
sie gerichtet.
"Entschuldige, dass ich störe Severus. Ich brauche deine Hilfe. Könnte ich
kurz mit dir sprechen?" fragte sie höflich und winkte ihn mit der Hand zu
sich. Sie stand immer noch an der Tür, denn sie wollte nicht unbedingt, dass
die Schüler alles mitbekamen. Im Grunde wäre das auch in Severus' Interesse
gewesen, aber er war schon zu verstimmt um das zu sehen, weil sie ihn vor der
Klasse so vertraut ansprach.
"Die Klasse arbeitet ruhig weiter. Ich will keinen Ton hören",
knurrte er. Er stolzierte durch die Bänke und baute sich vor Nala auf. Nala sah
seine Augen und bemerkte, dass sie kälter als sonst waren. Sie erinnerte sich,
dass sie das schon ein paar Mal in den letzten Tagen beobachtet hatte. Sie
versuchte ihn mit Freundlichkeit zu überstimmen und sagte leise:
"Ich konnte Mr. Moon nicht helfen. Wir müssen nun wissen, was das genau
für ein Zaubertrank war."
"Es ist ein Trank, der die Haare kurzfristig schneller wachsen lässt. Die
Zutaten sind: Ochsennieren, Schlangenaugen, ein Mähnenhaar von einem Einhorn,
Hasenblut und Krötenschleim. Der Junge hatte zu viel Krötenschleim hinzugegeben
und als ich ihn darauf ansprach, hat dieser Tölpel alles ausgeleert",
schnaubte er.
"Als du ihn darauf ansprachst? Du hast den Jungen so erschrocken, dass er
alles umgestossen hat! Was stellst du nur immer mit deinen Schülern an? Du bist
so streng und fies zu ihnen, dass den meisten schon zittern, wenn sie nur
deinen Namen hören!" Sie sprach nur leicht vorwurfsvoll, aber freundlich
und keines Falls aggressiv. Snape schien das anders empfunden zu haben.
"Das geht dich nichts an", fuhr er sie barsch an
Eingeschüchtert starrte sie ihn an. Was war den los mit ihm. Ihr fiel wieder
ein, dass er seit kurzem schon ein paar Mal abweisend zu ihr war. Seit wann war
er wieder so kalt zu ihr? Sie war wohl zu weit gegangen.
"Du hast recht. Dein Unterrichtsstil ist deine Sache. Ich wollte dich nur
etwas hochnehmen, anscheinend hast du das falsch verstanden. Es tut mir leid.
Vielen Dank für die Auskunft", versuchte sie sich zu entschuldigen. Um ihn
wieder besser zu Stimmen nahm sie seine Hand und wollte ihm einen Kuss auf die
Wange geben. Doch kaum bewegte sie sich ihn seine Richtung warf er ihre Hand
weg und stiess sie unsanft von sich. Rasch wandte er seinen Kopf zur Klasse und
ertappte die meisten Schüler, wie sie ihn beobachtet hatten. Doch sie hatten
bestimmt nicht viel gesehen, denn da waren zu viele Säulen, die ihn und Nala
verdeckten von der Sicht der Schüler.
Nun war Nala aber auch langsam wütend.
"Was fällt dir ein? Ich wollte mich versöhnen. Es war doch nichts
schlimmes. Was ist bloss los mit dir? Ich erkenne dich nicht wieder! Oder muss
ich nun erkennen, dass nun doch diese Seite, deine wahre Seite ist?!" Sie
liess ihre Stimme extra beben, damit er wusste, in welche Rage er sie
versetzte.
"Geh jetzt! Ich will dich nicht mehr sehen", befahl er ihr zornig. Da
knallte auch schon die Tür ins Schloss.
Nala war schon lange nicht mehr so wütend gewesen. Was bildete sich dieser Kerl
ein? Zuerst sülzte er ihr etwas von Vertrauen vor und davon, dass er sie nie
verletzen könnte und dann fing er einen Streit an wegen so einer Nichtigkeit!
Am meisten zornig machte sie aber, wie er sie abgewiesen hatte, als sie ihm
einen kleinen Kuss geben wollte. Wenn ihm etwas nicht passte, konnte er es
sagen, denn sie hatte keine Ahnung, was sein Problem war. Doch er hatte
bestimmt kein Recht, sie einfach so grob anzufassen. Nala fühlte, wie es in ihr
kochte.
Nachdem sie Poppy die Zutaten mitgeteilt hatte, ging sie in ihren Unterricht
bei Remus. Remus hatte für sie eine Lektion mit einem Irrwicht vorbereitet,
doch er merkte schnell, dass er heute auf keinen grünen Zweig mit ihr kommen
würde.
"Was ist denn, Nala? Du bist so abwesend. Stimmt etwas nicht?"
erkundigte er sich.
Nala konnte auf diese Frage nicht antworten. Es war zu kurz her, sie mochte
nicht darüber sprechen. Remus war nicht gefühlstaub und versuchte es einfach
einmal mit einer guten Schätzung.
"Ist etwas mit Severus?"
Sie hob den Kopf und sah ihn mit geweiteten Augen an.
"Also bin ich auf der richtigen Spur. Habt ihr euch gestritten?"
fragte er weiter.
Da fand Nala ihre Stimme wieder. "Ja. Aber bitte ich möchte jetzt nicht
darüber sprechen und behalte es für dich. Ich möchte nicht, dass jemand anderes
davon erfährt, besonders nicht Dumbledore. Wie kamst du denn gleich darauf? Ist
es so offensichtlich?"
"Nein, ich habe nur gut geraten. Von mir wird auch niemand etwas erfahren,
aber wenn ihr heute abend beide mit so einem Gesicht am Tisch sitzt und nicht
miteinander redet, wird Dumbledore der Erste sein, der Eins und Eins zusammen
zählen kann."
Nala wusste, dass Remus recht hatte, antwortete aber trotzig: "Wir werden
sehen. Bitte, lenk mich doch jetzt ein wenig ab mit diesem Irrwicht, ja?"
"Schön, wie du meinst. Wenn du darüber reden möchtest, bin ich für dich
da."
Nala raufte sich zusammen und gab sich etwas mehr Mühe. Sie konzentrierte sich
auf Remus' Unterricht, damit sie nicht an Severus denken musste. Die zwei Stunden
vergingen wie im Flug. Bevor Nala ging, dachte sie noch einmal über sein
Angebot nach. Vielleicht würde sie sich besser fühlen, wenn sie ihre Wut
jemandem erzählen konnte.
"Würdest du mit mir vor dem Essen noch einen Spaziergang machen?"
fragte sie.
"Aber gerne, Nala. Ich zieh mir schnell noch etwas wärmeres an, dann
können wir uns beim Ausgang treffen. Abgemacht?"
"Ja. Danke, Wolfsfreund. Bis gleich."
Nala ging in ihre Wohnung. Insgeheim hoffte sie, dass sie ein Zeichen von
Severus finden würde, aber da war nichts. Ihr erster Zorn war schon fast wieder
verraucht. Jetzt fühlte sie sich beleidigt, weil er mit ihr so umsprang und
traurig, weil sie ihn liebte und nicht wusste, was eigentlich los war. Sie
spürte, wie sich ihr Herz schmerzhaft zusammenzog.
Sie wickelte ihren Schal um ihren Hals und machte sich auf um Remus zu treffen.
Er wartete schon auf sie. Zusammen gingen sie nach draussen, wo es schon
langsam dunkel wurde. Nala war froh, konnte sie sich jemandem anvertrauen.
Normalerweise wäre sie wahrscheinlich zu Poppy oder zu Dumbledore gegangen,
aber in diesem Fall schien ihr Remus am geeignetsten. Er kannte Severus schon
sehr lange und war schliesslich auch ein Mann, vielleicht konnte er sich einen
Reim daraus machen. Dumbledore hätte ihr und Severus wahrscheinlich einen
Vortrag gehalten und sie daran erinnert, dass er sie gewarnt hatte. Das wollte
sie nicht. Nein, Remus hatte genau die objektive Stellung, die sie wünschte und
schliesslich war er ihr Freund. Sie erzählte ihm genau, was an diesem Tag
geschehen war und auch von ein paar anderen Situationen, in denen er sich ihr
gegenüber seltsam verhalten hatte. Remus hörte geduldig zu. Erst als sie
verstummte, versuchte er ihr einen Rat zu geben.
"Ich weiss nicht, ob ich dir wirklich helfen kann, Nala. Mich hat es schon
erstaunt, dass ihr zusammengefunden habt. Versteh mich nicht falsch, ich finde
das ganz toll, aber ich habe Severus nie gesehen als einer, der Gefühle zeigt.
Doch mit dir schien er glücklich zu sein. Ich kann deshalb auch nicht verstehe,
was plötzlich in ihn gefahren ist. Ich glaube nicht, dass du etwas falsch
gemacht hast. Es ist wohl in ihm selbst etwas, das nicht stimmt."
"Und was soll ich jetzt deiner Meinung nach tun?"
"Ich würde abwarten, bis er auf dich zukommt. Du hast ihn vielleicht
beleidigt dort in der Klasse, aber so schlimm kann es nicht gewesen sein.
Ausserdem hast du dich entschuldigt. Ich befürchte da liegt etwas ganz anderes
in der Luft. Es liegt an ihm dir zu sagen, was in ihm vorgeht. Er weiss
bestimmt, dass er überreagiert hat und dich nicht ewig in der Luft hängen
lassen kann."
"Und was ist, wenn er nicht kommt? Ich kann nicht zu ihm gehen. Ich habe
nicht die Geduld und die Selbstkontrolle dafür. Ich bin immer noch wütend auf
ihn und ich bin traurig. Ich glaube, ich kann ihm nicht einmal in die Augen
sehen."
"Dann geh ihm aus dem Weg, wenn du nicht in seiner Nähe sein kannst. Wenn
sich die Gelegenheit bietet und du magst, rede mit ihm. Du musst hier allein
herausfinden, welches der richtige Weg ist. Wenn du möchtest kann ich mit ihm
sprechen. Er wird mir wahrscheinlich nicht sagen, was los ist, aber vielleicht
könnte ich ihn dazu bringen, zu dir zu kommen."
"Das ist lieb von dir. Das wäre bestimmt eine Hilfe. Aber eigentlich
möchte ich lieber, dass er von sich aus kommt."
"In Ordnung. Dann werde ich mich vorerst nicht einmischen. Kopf hoch. Es
kommt schon alles gut!" versicherte er.
"Danke, dass du mir zugehört hast, Remus. Du bist mir ein guter
Freund", sagte sie ehrlich.
Remus' Ohren färbten sich rötlich und seine Stimme krächzte etwas, als er
antwortete: "Ist doch selbstverständlich, Nala. Ich bin gerne für dich
da."
Als ihre Bäuche zu knurren begannen, begaben sie sich langsam zurück zum
Schloss. Unterwegs unterhielten sie sich noch ein wenig über Severus'
Vergangenheit, danach alberten sie im Schnee herum und Remus brachte es fertig
Nala zum Lachen zu bringen. Ziemlich ausgelassen erreichten sie das Schloss und
Remus hielt galant die Tür auf. Er schubste sie durch die Öffnung. Nala
kicherte, doch ihre Mine verdunkelte sich rasch, als plötzlich im selben Moment
Severus auftauchte. Er musste gerade auf dem Weg in die grosse Halle sein. Sein
Gesichtsausdruck sagte ihr mehr als tausend Worte. Er war verbittert und
bestimmt noch zornig. Nala lief zu ihm, sie wollte es gleich hinter sich
bringen und ihn bitten mit ihr zu reden nach dem Essen. Doch sie kam gar nicht
dazu etwas zu sagen, Severus war zu schnell.
"Ach so läuft der Hase also. Dann weiss ich jetzt ja Bescheid",
zischte er zynisch und warf Remus, der noch bei der Tür stand, einen stechenden
Blick zu.
Nala brachte es auf die Palme, wie er sich benahm.
"Nein, wenn du denkst, dass der Hase so läuft, hast du dich geschnitten.
Für dich ist jetzt nicht auch noch die Zeit eifersüchtig zu sein. Wieso
solltest du auch? Dir scheint doch alles egal zu sein. Remus, im Unterschied,
kümmert sich wenigstens", fauchte sie wütend zurück.
Severus drehte sich auf dem Absatz um und schwebte wieder Richtung Kerker. Nala
liess er schnaubend stehen. Remus hatte sie erreicht und sah sie mit grossen
Augen an.
"Das ist wohl einiges an Dynamit zwischen euch. Da habt ihr noch etwas vor
euch", schmunzelte Remus.
"Findest du das komisch?" fragte sie verstört.
"Nicht gerade komisch, aber mir gefällt der Gedanke, dass er eifersüchtig
ist. Du hast ihn ganz schön aus der Fassung gebracht. So etwas kommt selten
vor. Aber das zeigt eben, dass du ihm doch nicht gleichgültig bist." Remus
schien sich tatsächlich darüber zu amüsieren.
"Lass uns essen gehen", murmelte Nala nachdenklich.
Am Lehrertisch fühlte sie sich halbwegs wohl, weil Severus nicht anwesend war.
Auf die Frage von Dumbledore, wo er denn stecke, antwortete sie, dass er sich
nicht wohl fühle. Alle schienen ihr das abzukaufen, es war ja eigentlich nicht
einmal gelogen, nur Dumbledore zog misstrauisch eine Augenbraue hoch. Er sagte
jedoch nichts mehr. Während dem Essen unterhielt sich Nala mit Poppy.
"Wie geht es dem kleinen William? Konntest du ihm helfen?" wollte sie
wissen.
"Ja, er wird sich bald erholt haben. Die grünen Beulen sind weg, aber er
wird noch eine Nacht im Krankenflügel schlafen."
"Ich mache mir ein Gewissen, dass ich ihm das angetan habe. Er sollte
nicht denken, dass er mein Versuchskaninchen ist."
"Das tut er bestimmt nicht. Du hast ihm doch die Schmerzen genommen. Dafür
war er dir dankbar. Er war nur ein bisschen schockiert, dass diese Beulen immer
noch da waren."
"Ich konnte ihn nicht von diesen Dingern heilen, Poppy. Ich kann das wohl
doch nicht", sagte Nala traurig.
"Nein, nein, nein, Nala. Du darfst nicht an dir zweifeln. So klappt es
garantiert nicht. Hab etwas mehr vertrauen in dich. Du stehst doch erst am
Anfang. Bis jetzt hast du nur kleine Schnitte und Verbrennungen angetroffen.
Die Zeit wird schon noch kommen, dann wirst du bereit sein schwere Verletzungen
heilen zu können. Gedulde dich ein wenig."
"William war aber nicht ein schwerer Fall..."
"Da hast du recht, bei Mr. Moon ist es wieder ein anderes Problem. Die
Verbrennungen hast du ohne Probleme weggekriegt. Das lag daran, dass sie ganz
normal entstanden sind, durch eine heisse Brühe. Genauso kannst du einen
Schnitt oder vielleicht sogar schon einen Bruch heilen. Aber die Beulen sind
nicht so entstanden. Sie wurden durch die magische Wirkung des Trankes
hervorgerufen. Es ist eine grosse Hürde durch Magie entstandene Leiden zu
heilen. Sie fordert sehr viel Kraft von dir. Aber glaub mir, du wirst das schon
hinkriegen. Du bist jung und noch mitten in der Ausbildung. In dieser kurzen
Zeit, in der du hier bist, hast du schon sehr viel gelernt. Und jetzt sage ich
dir noch etwas. Du besitzt aussergewöhnlich viel Macht und die Tatsache, dass
du selbst eben erst deine Kräfte entdeckt hast, macht das Ganze noch
erstaunlicher. Du bist jetzt schon eine gute Hexe, die fleissig lernt und eines
Tages wirst du eine der mächtigsten Hexen sein, die ich je gesehen habe."
Poppy lächelte freundlich und zwinkerte ihr aufmunternd zu.
"Danke, Poppy, dass du mir Mut machst. Ich werde mein Bestes tun",
antwortete Nala gerührt.
"Das weiss ich, Kind." Sie rieb Nala freundschaftlich über den Arm.
Poppys Worte hatte Nala in verschiedener Weise berührt. Einerseits machte es
sie stolz, dass sie von ihr für so wichtig angesehen wurde und dass hier von
vielen Seiten so viel Vertrauen in sie gesetzt wurde. Andererseits wurde sie
ärgerlich, wenn sie daran dachte, dass sie eigentlich mit Severus darüber reden
wollte und er es hätte sein sollen, der ihr diesen Zuspruch gab. Sie wünschte
sich, er wäre bei ihr und hielte sie in seinen Armen.
"Ich komme nachher noch mit nach oben um nach, William zu sehen. Kannst du
mir bei dieser Gelegenheit etwas vom Schlaftrunk geben? Ich schlafe in letzter
Zeit eher schlecht und möchte einmal eine Nacht durchschlafen", sagte Nala
leise.
"In Ordnung. Ich werde nach dem Essen gleich mit dir hochkommen. Aber
nicht zu viel von dem Trank nehmen, hörst du?"
Nala nickte versichernd.
Im Krankenflügel setzte sie sich neben William ans Bett, der sachte vor sich
hin döste. Sanft strich sie ihm über den Kopf. Als er die Augen öffnete, fragte
sie: "Wie geht es dir? Alles in Ordnung?"
"Ja, danke, es geht mir besser, Miss Silver", stotterte der kleine
Junge verlegen.
Sie duzte die Schüler immer. Es kam ihr lächerlich vor, es nicht zu tun, da sie
selbst noch so jung war und eigentlich auch so etwas wie eine Schülerin hier.
Mittlerweile wussten das auch praktisch alle Schüler. Auf keinen Fall war sie
eine Lehrerin, sie arbeitete im Krankenflügel und lernte hier. Doch sie
schienen es nie in Frage gestellt zu haben, wie sie Nala nennen sollte. Allen
war klar, dass sie mit 'Miss Silver' angesprochen wurde. Sie schienen eine Art
Ehrfurcht vor ihr zu haben, die es ihnen nicht erlaubte sie so salopp
anzureden. Nala wusste genau, welche Wirkung sie auf diese Jugendlichen hatte.
Sie war immer freundlich und nett zu ihnen, sie war mit Abstand die jüngste
Erwachsene hier im Schloss und sah nicht schlecht aus. Aber es machte ihr
nichts aus, dass sie wohl jede Nacht in ein paar Träumen von einigen Schülern
vorkam. Es schmeichelte sie, aber mehr war da nicht und sie konnte ganz
unkompliziert damit umgehen.
"Schlaf jetzt und erhol dich gut. Träum was schönes!" sagte sie zu
ihm, als Poppy mit ihrem Trank zurückkam.
"Hier leg dich zuerst ins Bett, bevor du davon trinkst. Der Trank wirkt
sehr schnell. Also dann, schlaf schön." Poppy legte ihr die kleine Phiole
in die Hand und hielt ihr die Tür auf.
"Ich danke dir. Gute Nacht."
Nala war erleichtert, dass sie einen sicheren Schlaf in den Händen hielt. Ihr
war klar, dass sie sich sonst die ganze Nacht hin und her wälzen würde. Ihr
Kopf platzte beinah wegen den vielen Gedanken um Severus. Sie wusste nicht, ob
sie sich Sorgen um ihn machen sollte, wenn etwas mit ihm nicht in Ordnung war.
Oder liebte er sie einfach nicht und versuchte sie auf diese Weise loszuwerden?
Musste sie sich ein Gewissen machen, weil sie ihn immer noch körperlich auf
Distanz hielt? Was auch immer es war, er hatte sie gekränkt und verletzt und
das Letzte, wozu sie jetzt Lust hatte, war, mit ihm zu reden und ihn ansehen zu
müssen. Es käme nicht gut heraus, denn sie war ihm immer noch böse. Im Moment
war sie trotzig und sie wollte es auch sein. Es graute ihr vor dem nächsten
Tag. Sie würde ihm nämlich im Labor helfen müssen und sie hatte am Nachmittag
auch noch bei ihm Unterricht. Sie würde selbstverständlich hingehen, denn sie
wollte nicht davon laufen und ihn wollte sie auch nicht davon erlösen, in dem
sie einfach nicht hingehen würde. Es würde also sicherlich nicht angenehm
werden.
Nala legte sich ins Bett und schlief gleich ein, als sie den Trank genommen
hatte.
Severus machte es sich jedoch nicht so einfach. Seine Nacht war lange mit sehr
wenig Schlaf. Er wusste genau, was er getan hatte. Das Vertrauen, das sie zu
ihm aufgebaut hatte, hatte er in einem Schlag zerstört. Wenn er sich jetzt
zurückerinnerte, wusste er, dass er nur kurz auf sie wütend war, weil sie
seinen Unterrichtsstil in Frage stellte, was er ganz und gar nicht mochte und
weil sie ihn etwas bloss gestellt hatte. Das war wohl der Grund weshalb er so
heftig reagiert hatte. Aber viel mehr wütend war auf die tratschenden Schüler
und auf sich selbst, weil er nicht fähig war seine Liebe zu ihr vor den
Schülern zu zeigen. Doch er konnte es einfach nicht. Sogar vom Gedanken daran
wurde ihm übel. Er liebte sie mit seinem ganzen Herzen und es schmerzte ihn
selbst auch sehr, dass er sie verletzt hatte. Aber er glaubte, dass es auf
längere Zeit für sie besser so wäre. Sie würde über ihn hinwegkommen. Er war
ein schlechter Mensch, der schon viel Unheil angerichtet hatte. Er würde sie
wieder verletzen. Sie könnte nie dauerhaft mit ihm zusammen sein. Das konnte
einfach nicht sein. Er konnte ja nicht einmal ihre Beziehung offen vor der
ganzen Welt zeigen, weil er es vor den Schülern geheim halten wollte. Er konnte
sich denken, dass Nala eine solche Beziehung nicht haben wollte. Sie, die immer
so offenherzig war und ihre Gefühle zeigte. Sie wollte bestimmt nicht mit einem
kalten Stein zusammen sein. Sie hatte zwar Liebe in ihm geweckt, aber bald
würde sie erkennen, dass er trotz allem eine dunkle Seele besass. Und dann war
er auch noch einiges älter als sie! Sie würde bestimmt einen besseren finden
als ihn.
Er hatte es sogar schon aus einem Getuschel zwischen zwei Hufflepuff-Mädchen
gehört, als er heute durch die Bänke zu Nala gegangen war. Er hatte es genau
gehört: "Die Schöne und das Biest"
Die beiden Mädchen hatten so recht und alle anderen würden gleich denken. Nala
war viel zu gut für ihn. Er hatte sie nicht verdient. Gerne hätte er ihr alles
erklärt, aber er konnte nicht. Sie würde es nicht verstehen, denn sie sah immer
nur das Gute. Und jetzt konnte er es sowieso vergessen, nachdem er so gemein zu
ihr war, würde sie ihm nicht mehr zuhören und ihn noch viel weniger verstehen.
Sie konnte ihn ja nicht einmal ansehen.
Mit ihr sprechen konnte er genauso wenig wie sie mit ihm. Morgen würde ein
harter Tag werden. Sie würde bestimmt ins Labor kommen. Sie war nicht feige,
das wusste er.
