- KAPITEL ZWANZIG -
Die dunkle Stimme
Mitten in der Nacht erwachte Nala. Severus schlief tief neben ihr, nur ab und zu
zitterte er kurz oder stöhnte leise. Nala verspürte ein riesiges Loch im Bauch.
Ihr wurde klar, dass sie schon lange nichts mehr gegessen hatte. Vorsichtig
stand sie auf und zündete eine kleine Kerze an. In Severus' Schrank fand sie
seinen schwarzen Morgenmantel und zog ihn an. Sie schlich sich aus dem Zimmer
in Richtung Schlossküche. Achtsam hinkte sie den Wänden nach, um nicht
hinzufallen. Sie war immer noch schwach und ihr ganzer Körper schmerzte. Zum
Glück war es nicht so weit von den Kerkern bis in die Küche. Sie kitzelte die
Birne auf dem Bild mit der Früchteschale und schleppte sich hinein. Sie fand
Brot und ein Stück Truthahnbrust, woraus sie sich ein Sandwich machte. Gerade
als sie hinein beissen wollte, bekam sie Besuch von niemand anderem als Albus.
"Hallo! Ich dachte, ich würde dich hier finden", sagte er belustigt.
"Hallo, Albus. Du und Severus seid wirklich unglaublich. Jedes Mal, wenn
ich einen nächtlichen Schlossspaziergang mache, ist mindestens einer von euch
beiden gleich da."
Dumbledore verzog seinen Mund zu einem vielsagenden Lächeln. "Wie fühlst
du dich?"
"Alle meine Knochen schmerzen und ich fühle mich, als hätte ich ein ganzes
Jahr nicht geschlafen. Aber das wird schon wieder."
"Ja bestimmt. Und was ist mit Severus?" fragte er weiter.
"Ich glaube, er hat immer noch Schmerzen, aber er zittert nur noch
selten."
"Gut."
"Willst du auch ein Sandwich?"
"Gern, klingt verlockend."
Nala machte ihm auch schnell ein Sandwich und reichte es Dumbledore, der sich
auch an den Küchentisch gesetzt hatte.
"Ihr beide habt da im Stadion ein ganz schönes Spektakel
veranstaltet." Albus deutete auf den Ring an ihrem Finger.
"Was ist mit meinem Ring?" fragte sie erstaunt.
"Eure Ringe haben das Stadion erleuchtet, heller als die Sonne
selbst."
"Natürlich, weshalb habe ich nicht daran gedacht? Je näher Severus und ich
uns sind, desto heller leuchtet der Diamant. Mein Diamant ist auf ihn geprägt
und seiner auf mich. Severus hat ihn mir vor dem Spiel gegeben."
"Ein edles Geschenk. Wie ich sehe, sind die Flügel aus Elendil. Man sagt
ihm ungeahnte Kräfte nach."
"Wirklich? Das finde ich aber spannend."
"Mhm, verwahre ihn gut."
"Mach ich gewiss!"
"Nun ja, da war aber noch viel mehr da unten, als nur leuchtende
Diamanten. Du hast viel Mut bewiesen, zuerst auf dem Besen, bevor du den
Schnatz gefangen hast, aber noch viel mehr, als du dich trautest Severus zu
heilen."
"Ich habe gar nicht darüber nachgedacht, ich habe es einfach getan."
"Genau. Und das auch noch vor der ganzen Schule. Alle starrten mit grossen
Augen und offenen Mündern auf dich und Severus."
"Severus hat mich geküsst vor aller Augen. Er wollte nicht, dass die
Schüler es erfahren, doch seine Sinne mussten so vernebelt gewesen sein, dass
er das einfach getan hat. Wenn er erfährt, was er getan hat, wird er ausrasten..."
"Ach, ich glaube eigentlich, dass sich Severus vollkommen bewusst war, was
er tat. Meinst du nicht, dass er endlich genug hatte von dem
Versteckspiel?"
"Vielleicht, aber er wird es nicht mögen, wie die Schüler über uns
tratschen werden."
"Ja, das werden sie mit Sicherheit, aber das wird auch vorbeigehen. Und
schliesslich habt ihr nichts Falsches getan. Das Gerede muss euch doch nicht
stören."
"Das wird es mich auch nicht, aber Severus..."
"Severus ist schon über seinen eigenen Schatten gesprungen, sonst hätte er
dich nicht mitten im Stadion geküsst, glaub mir."
"Na schön. Ich hoffe, du hast recht."
"Ja, das hab ich und ich sehe jetzt auch, dass Severus dich wirklich
liebt. Nicht nur wegen jenem Kuss, sondern auch schon deswegen, weil er die
ganze Zeit an deiner Seite war, als du im Krankenflügel lagst. Er ist selbst
beinah gestorben aus Sorge um dich."
"Ja, ich weiss. Es zerreisst mir fast das Herz, wenn ich daran denke. Und
zu seinem ganzen Unglück dazu konnte ich mich beim Aufwachen nicht einmal daran
erinnern, dass wir zusammen waren."
"Du kannst nichts dafür." Er lächelte sie freundlich an. "Heute
habe ich einmal mehr gesehen, wie stark du in Wirklichkeit bist. Severus ist
kein einfacher Mensch, aber ich glaube, du kannst mit ihm umgehen. Ausserdem
hat jeder einmal Streit, das ist normal."
"Natürlich und das werde ich auch nicht fürchten. Aber man kann noch so
ein starker Mensch sein, ein gebrochenes Herz geht an niemandem spurlos vorbei.
Das schmerzt jeden. Ich meine nur, wegen dem Streit, den wir hatten, bevor wir
im Wald dem Leomagus begegnet sind."
"Ja, das stimmt. Das kennt jeder. Wenn wir schon von Stärke sprechen,
deine Magie ist wirklich sehr stark. Es kommt mir vor, als wüsstest du schon
alles in deinem Unterbewusstsein. Anfangs hast du dieses Wissen nur erkannt,
wenn du in starken Stresssituationen warst, aber mittlerweile kannst du deine
Magie bewusst einsetzen. Du bist als Schülerin gar nicht zu vergleichen mit den
anderen Schülern hier, denn es scheint, man müsse dich nur daran erinnern und
nicht dir alles beibringen."
"Nein, ich kenne doch die Zaubersprüche gar nicht."
"Das meine ich auch nicht. Du kannst mit blossen Handbewegungen Dinge
zaubern. Ist dir das nicht aufgefallen?"
"Naja schon, aber ich habe es nicht für so aussergewöhnlich gehalten.
Severus kann schliesslich auch zaubern mit seinen Händen und bei dir habe ich
das auch schon gesehen."
"Ja, aber wir haben das geübt."
"Ich habe auch ein wenig geübt."
"Aber sehr wenig. Auch wenn wir ein gewisses Grundpotential hatten,
brauchten sowohl Severus als auch ich jahrelange Erfahrung, um so mächtig zu
werden. Was ich damit sagen will, ist, dass dein Potential schon sehr hoch ist.
Dazu bist du sehr klug. Professor McGonagall und Professor Flitwick erzählen
mir, dass du einen Zauberspruch nur einmal lesen musst und du behältst ihn im
Gedächtnis für immer."
"Denke bloss nicht, dass das mit allem so ist. Ich kann mir die
Zaubersprüche so gut merken, weil ich einfach so gerne zaubere. Ich bin immer
noch begeistert von all diesen magischen und mystischen Dingen und sauge
deshalb alles so in mich auf. Sogar die Geschichte der Zaubererwelt." Nala
wurde etwas rot. "Obwohl ich froh bin, dass ich sie selber lesen kann,
anstatt sie von Professor Binns zu hören."
"Sei es, wie es sei. Tatsache ist, dass ich das Gefühl habe, dass ich dich
sehr gut alleine in unsere Welt hinauslassen könnte. Auch Remus meint, dass du
dich sehr gut verteidigen kannst. Beim Duellieren hast du ihn schon ein paar
Mal aufs Kreuz gelegt, wie ich höre." Albus kicherte fröhlich. "Nun,
du solltest dir überlegen, was du später machen willst, denn ich glaube nicht,
dass du die Ausbildung hier noch lange brauchst. Es ist alles schon in dir
drin, du musst dich nur daran erinnern."
"Warum ist das alles so, Albus? Wieso ist es schon in mir, während deine
Schüler hier alles mühsam erlernen müssen?"
"Ach, meine liebe Nala. Das kann ich dir noch nicht so genau sagen. Eines
Tages werden wir es erfahren. Aber ich glaube, du solltest dir einmal Gedanken
über deine Natur machen und darüber, dass du dich mit Werwölfen, Falken und
überhaupt mit den Tieren und magischen Kreaturen so gut verstehst. Und
irgendwann werden wir einen Weg finden, damit du dir all deinen Fähigkeiten
bewusst wirst."
"Na schön. Weißt du was, Albus?"
"Was?"
"Eigentlich möchte ich nicht von Hogwarts weg. Ich fühle mich hier sehr
wohl", meinte Nala ernst.
"Woran das wohl liegt...", schmunzelte Albus.
"Ja ja, was du denkst... Es liegt nicht nur an Severus."
Sie lächelten einander an.
Die beiden assen noch ihre Sandwichs zu Ende, während sie sich heiter über das
Quidditch-Spiel unterhielten. Dann, als es Zeit war wieder ins Bett zu gehen,
meinte Albus: "Du bist eine tolle Fliegerin geworden, Nala. Du solltest
dir einen Besen kaufen."
"Ja, das werde ich vielleicht tatsächlich tun."
"Prima. Also dann, ich denke, wir beide sollten jetzt wieder schlafen
gehen. In welches Zimmer soll ich dich denn hinbringen?" fragte er
schmunzelnd.
"Das ist lieb von dir, danke. In die Höhle des... "Biestes",
bitte", grinste sie zurück.
Albus half ihr zu Severus' Wohnung und unterwegs, passierte Nala etwas
seltsames. Sie hörte Severus' dunkle Stimme in ihrem Kopf sagen: "Nala,
wo bist du? Komm zurück!" Ungläubig tat sie es als Hirngespinst ab,
das kam wegen der Müdigkeit, und liess sich nichts anmerken. Sie wünschten sich
'Gute Nacht' und dann legte sich jeder wieder ins Bett.
Nala umarmte wieder Severus. Er schlief auf der Seite mit dem Rücken zu ihr
gewandt. Sie küsste ihn noch kurz in den Nacken, darauf fielen ihr auch schon
die Augen zu.
Als Severus sich im Schlaf leicht hin und her wandte, erwachte Nala wieder. Es
musste schon Tag sein, denn durch ein kleines Fenster schien Licht herein. Das
Zimmer wurde gerade genug erhellt, dass Nala zum ersten Mal die Narben auf
Severus' Rücken sehen konnte. Behutsam küsste sie eine der Narben, dann noch
eine und dann noch eine. Sie tat das ganz automatisch, weil sie dachte, sie
könnte ihm so die Schmerzen nehmen. Es war fast so, als hätte er sie darum
gebeten. Langsam öffnete Severus die Augen und wurde tatsächlich etwas von
seinen Schmerzen abgelenkt.
"Mmm, da könnte ich mir fast wünschen, noch mehr Narben zu haben. Es ist
wundervoll."
"Severus, wie geht es dir?" fragte sie überrascht. "Hast du
Schmerzen?"
"Ja, aber es geht schon und es ist halb so schlimm, wenn ich weiss, dass
du da bist."
"Wenn du weißt, dass ich da bin? Da fällt mir etwas ein. In der Nacht habe
ich deine Stimme in meinem Kopf gehört. Du hast mich gerufen. Weißt du
irgendetwas davon?"
Severus drehte sich sachte zu ihr um und schaute sie an.
"Nein, ich weiss nicht. Ich meine, ich habe dich nicht gerufen, ich habe
es nur gedacht. Doch warte, ich habe auch dich gehört. Du hast, dir gewünscht,
dass ich wieder ganz gesund werde, stimmt's?"
"Das... das habe ich auch nur gedacht! Was soll denn das bedeuten? Können
wir plötzlich unsere Gedanken lesen?"
"Kannst du das jetzt hören?"
"Was? Nein, ich höre nichts."
"Und jetzt?"
'Ich liebe dich!
Als Antwort küsste sie ihn leidenschaftlich. Sie hatte es gehört.
"Wie machst du das?" wollte sie wissen.
"Wenn ich ganz fest will, dass du mich hörst, dann hörst du mich. Versuch
es!"
'Was geht mit uns vor?' dachte sie.
"Es klappt!" schmunzelte er.
"Kann das von der Heilung kommen?"
"Ja, ich denke schon. Es ist wahrscheinlich passiert, weil wir so eine
tiefe Verbindung miteinander hatten und du noch nicht so erfahren bist. Du
wirst wahrscheinlich auch Schmerzen gehabt haben."
Sie nickte. "Genau, jetzt erinnere ich mich, ich habe da einmal etwas
gelesen. Es stand, dass das manchmal passieren kann, und dann meistens, wenn
man schon vorher eine seelische Bindung hatte."
"In dem Fall haben wir jetzt den besten Beweis dafür, dass wir seelisch
eine Bindung haben." Severus gab ihr einen Kuss auf ihre Lippen.
"Dass wir unsere Gedanken hören können, bleibt höchstens ein paar Wochen.
Nutzen wir es, solange wir können", erklärte Nala.
"Das ist eine ganz neue Erfahrung", meinte Severus. "Und
nützlich ist es noch dazu!"
"Ich finde es toll! Stell dir vor, was uns das für Möglichkeiten gibt! Wir
können uns verstehen, ohne dass es jemand anderes mitbekommt!" Nala war
nun ganz begeistert, so, dass ihre Augen funkelten. 'Aber es soll unser
Geheimnis bleiben, nicht wahr?' dachte sie.
'Ich denke schon. Dann ist es viel schöner', gab er zurück.
"Wenn wir gerade von Geheimnis sprechen: Unser grosses Geheimnis kennen
nun alle. Du hast mich mitten im Stadion geküsst", sagte sie fast
schuldbewusst.
"Ich weiss. Kannst du dir denken weshalb?"
"Weil es dir jetzt egal ist?"
"Hmm, ja und nein. Es ist mir egal, was die Schüler denken, aber nicht was
du denkst. Ich kann nicht mehr ohne dich sein und ich wollte endlich der ganzen
Welt zeigen, dass ich dich liebe und dass du zu mir gehörst. Hätte ich es
gekonnt, hätte ich laut geschrieen vor Glück."
"Ich bin stolz auf dich und froh, dass wir uns nicht mehr verstecken
müssen." Er bekam von ihr wieder einen Kuss und dann lagen sie eine Weile
schweigend da.
"Hast du den Schnatz eigentlich erwischt? Haben wir gewonnen?"
unterbrach er die Stille.
"Ja. Und du spielst ganz toll, muss ich sagen."
"Du aber auch. Das Manöver war fantastisch."
"Zu fantastisch wahrscheinlich, ihr seid ja aus dem Staunen gar nicht mehr
herausgekommen und dann hat dich dieser Klatscher getroffen. Das war ein
Riesenschock für mich. Ich dachte, du wärst tot. Und mir hast du noch gesagt,
ich solle aufpassen. Ich hätte dir das besser auch sagen müssen."
"Shh, du bist nicht verantwortlich für irgendetwas. Ich bin es und es tut
mir leid, dass ich dir solche Angst gemacht habe."
"Nein, du musst dich bestimmt nicht dafür entschuldigen. Es ist einfach
passiert und fertig. Es ist ja noch mal gut gegangen."
"Dieses Mal hast du mein Leben gerettet und ich bedanke mich jetzt auch.
Deine Leistung war einfach grossartig. Du bist grossartig, Nala." 'Ich
liebe dich.'
"Ich war noch nicht fertig mit dir", antwortete Nala. 'Dreh dich
wieder um.'
Severus gehorchte und hielt ihr wieder seinen Rücken hin. Sie begann wieder
seine Narben zu küssen und er seufzte leise. Er genoss ihre Berührungen.
'Du weißt schon, dass ich eines Tages auch deine Narben untersuchen werde?'
hörte sie ihn sagen.
'Ich weiss', war ihre Antwort.
Wenn Severus dachte, der Tag könnte nicht mehr besser werden, dann lag er
falsch. Nun ja, anfangs war es schwer für ihn, weil Nala ihn in Ruhe schlafen
liess und mit Orion reiten ging. Zum Mittagessen war sie wieder bei ihm, doch
auch am Nachmittag sollte er einfach nur schlafen. Sie ging normal zum
Unterricht, wie es sich gehörte. Ab und zu konnte sie Severus hören.
'Ich vermisse dich. Komm bald wieder.' -
'Severus, ich bin im Unterricht! Ich kann mich so nicht konzentrieren!
Minerva ist schon ganz ungeduldig!' -
'Zuckt ihre Augenbraue schon?' -
'Severus! Hör auf mich zum Lachen zu bringen!.. Ja, sie zuckt!' -
'Oh oh! Na schön.' -
'Ich werde bald bei dir sein und mit dir essen. Okay?' -
'Okay.' -
'Ich liebe dich.'
Als Nala am Abend zu Severus ging, stellte sie mit Freude fest, dass er schon
wieder herumgehen konnte. Er hatte sogar seinen Tisch gedeckt und Deby brachte
gerade das Essen.
Sie begrüsste ihn mit einem Kuss und sagte: "Dir geht es besser, wie mir
scheint."
"Ja, ich fühle mich gut. Ich habe keine Schmerzen mehr, Poppy meint, dass
ich morgen wieder unterrichten darf und da ich den ganzen Tag schlafen musste,
bin ich nun auch überhaupt nicht müde."
"Wie schön. Ich bin froh das zu hören."
Gemütlich assen sie zu Abend und bevor sie es sich vor dem Kamin gemütlich
machten, wollte Nala noch schnell in ihre Wohnung gehen, um Merlin zu füttern.
Während Merlin um ihre Beine strich und auf sein Futter wartete, musste sich
Nala in ihrem Zimmer umschauen. Ihr war plötzlich so leicht ums Herz. Sie
fühlte sich so glücklich, dass sie kaum Luft bekam. Sie stellte Merlins Napf
hin und betrachtete den Valentinstagsbrief von Severus, dann den Brief, den sie
bekommen hatte zu Weihnachten. In einer Ecke sah sie den Käfig von Abraxas. Auf
dem Schreibtisch lag die edle Feder, die er ihr geschenkt hatte. Nala liess sie
durch ihre Hände gleiten. Dann blieb ihr Blick auf ihrem Ring. Der Mond schien
gerade durch das Fenster hinein und die Flügel bewegten sich gerade und da
wurde es ihr plötzlich klar. Sie wollte ihn.
Aufgeregt eilte sie zu den Kerkern hinunter. Es konnte ihr nicht schnell genug
gehen. Severus machte ihr die Tür auf und nahm sie gleich in seine Arme. Sie
hatte ihm nichts von ihrer Absicht gesagt, aber er hatte es trotzdem gespürt.
Es war nichts aussergewöhnliches passiert in den letzten Stunden, aber beide
wusste, dass es jetzt Zeit war.
Er begann ihr ganzes Gesicht mit Küssen zu bedecken.
'Sei lieb zu meinen Narben', gab sie ihm noch zu verstehen, dann hob er
sie hoch und trug sie in sein Bett. Nala wunderte sich kurz, von wo er diese
Kraft nahm, hatte aber nicht viel Zeit darüber nachzudenken, denn Severus zog
ihr und sich selbst schon die Kleider aus. Er war schockiert, als er alle ihre
Narben entdeckt hatte. Es waren zwar weniger, als er hatte, nur sieben Stück,
aber der Gedanke daran, dass jemand ihr solche Schnitte zugefügt hatte,
entsetzte ihn. Liebevoll kümmerte er sich um ihre Narben, genau wie sie es am
Morgen getan hatte.
"Ich hasse diese Narben", flüsterte sie und Severus beruhigte sie mit
einem leidenschaftlichen Kuss.
"Wie du sie erhalten hast, ist bestimmt keine schöne Sache, aber ich mag
sie trotzdem irgendwie, besonders die über deiner Hüfte." Er küsste wieder
diese Narbe.
Schliesslich durfte Severus sie endlich verführen. Es war das, was er schon so
lange gern getan hätte. Und er war gut in dem, was er tat. So gut, dass er Nala
beinah um den Verstand brachte. Es wurde eine lange Nacht für die beiden. Erst
spät in der Nacht schliefen sie müde, aber glücklich ein.
Keiner von beiden bereute am nächsten Morgen die gemeinsame Nacht. Das Einzige
was sie bereuten war, dass es schon Zeit war aufzustehen, obwohl sie noch ziemlich
müde waren.
Weder Severus noch Nala konnte sich konzentrieren an diesem Tag und ihre
heimlichen Gespräche wurden langsam zur Gewohnheit. Zum Glück konnte Severus
seinen Schülern eine Aufgabe geben, beider sie ganz für sich arbeiten sollte
und keiner merkte, wie abwesend er war.
'Fühlst du dich gut?' fragte er Nala vorsichtig, während er gerade so
tat, als würde er in einem Buch lesen.
'Es ging mir noch nie besser. Letzte Nacht war einfach wundervoll! Ich
glaube, das war das Tollste, was ich je erlebt habe.' –
'Geht mir genauso. Was meinst du wie lange...' –
'...es dauern wird, bis wir das wiederholen können?' beendete sie seinen
Satz.
'Ja'. –
'Nun ja es ist jetzt elf Uhr. Ich würde sagen etwa neun Stunden.' –
'Oh Gott!'
'Oje, du Armer!' lachte Nala in sich hinein.
'Glaubst du, man kann es uns ansehen?' Er klang besorgt.
'So ein Quatsch. Sei nicht albern. Man kann es uns bestimmt nicht mehr
ansehen, als man es auch schon in den letzten zwei Tagen hätte sehen können.
Wie läuft es eigentlich mit den Schülern?' –
'Ach, schiefe Blicke, leises Kichern und Getuschel. Aber wenn ich sie darauf
anspreche, sehe ich keinen Unterschied zu den früheren Reaktionen, wenn ich
gefragt habe, was so amüsant sei. Ich denke, sie haben noch Respekt.' –
'Jaja, ich kenne deine Art jemanden auf etwas anzusprechen', kicherte
sie.
'Ich glaube, ich bin ein kleines bisschen milder geworden. An wem das wohl
liegt?...' –
'Was höre ich da? Kaum zu glauben.' –
'Doch, aber irgendwie glaube ich, dass die immer noch den selben Mordsrespekt
vor mir haben. So will ich es auch haben.' –
'Ist doch kein Wunder. Die Schüler haben jetzt zwar erkannt, dass du ein
echter Mann bist, aber gleichzeitig wird doch ihre Erklärung für dein Verhalten
ihnen gegenüber widerlegt. Bisher dachten sie, du seiest einsam, allein und
verbittert und jetzt müssen sie feststellen, dass du es ganz und gar nicht mehr
bist. Wie sollen sie sich nun erklären, dass du so streng mit ihnen bist? Sie
nehmen jetzt an, dass du einfach so bist und das macht ihnen vielleicht noch
mehr Angst. Oder vielleicht haben sie mehr Respekt vor einem Mann mit zwei
Gesichtern. Ihnen gegenüber zeigst du kaum Emotionen und dann sehen sie dich
mit mir zusammen. Das sorgt doch für Verwirrung und die einen oder anderen
werden sich vielleicht sogar fragen, was sie falsch machen. Aber eigentlich ist
es doch egal, Hauptsache du hast bei ihnen noch den selben Stellenwert.' –
'Ja, ich denke, du hast recht.' –
'Severus, ehrlich gesagt haben mich die vielen Blicke amüsiert, die auf uns
gerichtet waren beim Frühstück.' –
'Das habe ich bemerkt. Er lächelte in sich hinein. Du schienst es
geradezu zu geniessen.' –
'Naja, nein, nicht wirklich geniessen, aber ich nehme das einfach mit Humor.
Denkst du nicht du solltest dich wieder um deine Klasse kümmern? Sie werden
sonst misstrauisch, wenn so lange keine spitze Bemerkung mehr von dir kommt.' –
'Das stimmt. Also, bis bald.' –
'Bis bald.'
Die nächsten paar Wochen waren für beide einfach traumhaft. Ohne Bedenken
konnten sie sich im Schloss die Hand geben, sie machten viele Spaziergänge,
gingen nach Hogsmeade und verbrachten die Nächte miteinander. Severus war
stolz, dass er Nala hatte und es war ihm überhaupt nicht mehr peinlich allen zu
zeigen, dass sie zu ihm gehörte.
Wie Albus es ihr geraten hatte, ging sie sich eines Tages einen Besen kaufen.
Severus und Remus begleiteten sie nach Hogsmeade, um sie beim Kauf zu beraten.
Es dauerte lange, bis sich die beiden einigen konnten, welcher Besen wohl am
besten wäre. Severus vertrat die Meinung, dass der Feuerblitz Sieben der
beste Besen auf dem Markt ist und perfekt wäre für Nala, aber Remus meinte,
dass ein Mythos für Nala geeigneter wäre. Schliesslich hatten beide alle
Argumente für ihren Besen aufgezählt, aber zu dritt hatten sie verglichen und
abgewogen und dann kamen sie gemeinsam zum Schluss, das der Feuerblitz
Sieben die beste Wahl sei. Das gefiel Severus natürlich umso besser, denn
so hatte er ja recht behalten. Zum Trost lud er Remus auf ein Butterbier ein,
nachdem Nala den Feuerblitz gekauft hatte.
Madam Rosmerta freute sich einmal mehr, dass sie Nala sah und meinte:
"Hallo, Nala! Alles in Ordnung? Wie kommst denn klar mit ihm?" fragte
sie und deutete auf Severus.
"Rosmerta, bitte! Hör auf damit. Wir sind noch zusammen, das siehst du
doch, also kann es ja nicht all zu übel stehen zwischen uns. Den Rest geht dich
wirklich nichts an", sagte Nala höflich, aber in einem sehr bestimmten
Ton.
"Schon gut, schon gut." Rosmerta nahm ohne ein weiteres Wort darüber
zu verlieren die Bestellung auf und als sie gegangen war, fragte Severus
erstaunt:
"Was war denn das auf einmal?"
"Für mich tönt es, als wärst du ein Hund, wenn sie diese Frage stellt.
'Kommst du klar mit ihm?' Das klingt doch wirklich, als hätte ich einen wilden
Hund, den ich erziehen müsste. Rosmerta ist manchmal echt unmöglich." Nala
zwinkerte ihm zu.
"Na, du hast aber dazugelernt", schmunzelte Severus.
"Also, so abwegig ist doch der Gedanke gar nicht. Ich finde, dass Severus'
Manieren sich ein wenig gebessert haben, seit du zu ihm schaust", lachte
Remus.
"Hmm, vielleicht, aber ich habe dich zu nichts gezwungen, oder?"
fragte sie Severus und ein seltsames Lächeln umspielten ihre Lippen.
Severus war dieses Thema nicht recht. Das war auch verständlich. Wer mag es
schon, wenn man über seine Mannieren spricht? Deshalb antwortete er nur:
"Nein, ich glaube nicht." Es stimmte auch. Nala hatte ihn bewusst nie
zu etwas gezwungen, was sein Verhalten angeht. Sie hatte ihn nur manchmal
gesagt, dass er nicht so zu reagieren bräuchte, aber ihm war klar, dass sie ihn
genauso lieben würde, wenn er sich ihren Rat nicht zu Herzen nahm. Allerdings
hatte er sie so gerne, dass er ihr fast nichts abschlagen konnte und deshalb
tat er manchmal Dinge, die er früher nie getan hätte. Im grossen Ganzen konnte
er sagen, dass er ein wenig fairer geworden war, aber es störte ihn nicht, er
stellte es mit einem Lächeln auf den Lippen fest. Ausserdem konnte er immer
noch austeilen, wenn er es für angebracht hielt und es kam immer noch vor, dass
Leute seine momentanen Launen zu spüren bekamen.
Nur kurze Zeit war Severus in diese Gedanken versunken, aber als er wieder Nala
und Remus zuhörte, erkannte er mit Erleichterung, dass sie das Thema gewechselt
hatten. Sie unterhielten sich nun über die Bergtrolle von hier. Es wurde noch
ein vergnüglicher Abend zu dritt und einmal mehr merkten sowohl Nala als
Severus, dass sie einen guten Freund in Remus hatten.
