Die Vorstellung, nach Hause zu fahren, schien Arians Laune beträchtlich zu heben, und auch Severus fühlte sich am nächsten Tag dank seiner Tränke nicht mehr so durchgefoltert, wie er es eigentlich war. Sie schliefen aus, ließen sich von Tessy noch ein Mittagessen zubereiten und machten sich dann bereit, nach Deutschland zu reisen. Hier wurde Severus jedoch etwas nervös.

„Von wo aus sollen wir dorthin kommen?", fragte er säuerlich.

„Über das internationale Flohnetzwerk natürlich."

„Oh nein, ich werde nicht durch Dumbledores Büro „in den Urlaub fahren"! Das kannst du gleich vergessen! Wir waren uns doch einig, dass…"

„Unsinn! Wir gehen direkt über die internationale Abteilung im Ministerium, es ist nicht mal eine Anmeldung erforderlich. Nun komm schon, meine Eltern erwarten uns!"

Severus gab sich geschlagen. Es brachte sowieso nichts, hatte er doch schon längst zugesagt, sie in den Sommerferien zu ihrer Familie zu begleiten, obgleich es ihm insgeheim davor graute. Zu gut konnte er sich an Arians eigene anfängliche Feindseligkeit ihm gegenüber erinnern und jetzt würde er in einem wahren Nest voll mit ihren engsten Vertrauten landen – das konnte nicht gut gehen. Fast jede Ausrede würde er nehmen, um nicht mit ihr nach Deutschland zu gehen…

Gemeinsam apparierten sie zum Ministerium, nahmen den Besuchereingang, wobei er dem engen Körperkontakt in diesem Fall rein gar nichts abgewinnen konnte und auch den Anstecker mit „Urlaubsreisender" nicht sonderlich gern zur Schau stellte. Allgemein fühlte er sich im Ministerium stets unwohl – es erinnerte ihn zu sehr an seine Todesseranhörung und die damit verbundenen Demütigungen. Bei einem Sicherheitszauberer mussten sie ihre Zauberstäbe überprüfen lassen, wobei sie herausfanden, dass sie beide Kerne aus Einhornhaar hatten. Arian bewunderte die dunkle Färbung seines Ebenholzstabs ebenso sehr, wie er insgeheim von ihrem aus Bahia-Rosenholz begeistert war. Die Musterung des Holzes passte so gut zu ihrem Charakter. Schließlich konnten sie den Fahrstuhl hinauf in den sechsten Stock nehmen. Severus selbst hatte noch nie das internationale Flohnetzwerk benutzt, aber Arian schien sich ohne weiteres zurecht zu finden – natürlich, schalt er sich, anders konnte sie ihre Familie ja auch nicht besuchen, wollte sie nicht auf Muggeltransportmittel zurückgreifen oder die ewige Prozedur für einen internationalen Portschlüssel durchlaufen.

Schließlich betraten sie eine große Halle, in deren lange Seite zehn Kamine eingemauert waren. Zwar herrschte reger Betrieb, dennoch mussten sie nicht lange warten, bis ein Kontrollzauberer sie zu sich hinüberwinkte.

„Wo soll es hingehen?", fragte er gelangweilt.

„Zur Germanischen Zauberakademie in Deutschland, bitte", sagte Arian breit lächelnd.

Der kleine, dickliche Zauberer nickte und notierte den Bestimmungsort und die Anzahl an Personen auf einer langen Pergamentrolle, die sich auf dem Boden kringelte, dann warf er ein kleines Fitzelchen mit den Details als Ankündigung in die smaragdgrünen Flammen. „Na dann los. Sie haben das schon mal gemacht?" Auf Arians Nicken fuhr er fort: „Gut. Schauen Sie, dass Sie nicht verloren gehen, am Ende findet man Sie nicht wieder."

Arian verabschiedete sich mit einem fröhlichen Grinsen und zog den griesgrämig dreinblickenden Severus zu dem freien Kamin. „Guck nicht so, es ist ganz einfach. Funktioniert genauso wie Innerlands, dauert nur etwas länger. Bereit?"

Nebeneinander traten sie in den Kamin, Arian mit einer Hand voll Flohpulver. Sie sah Severus tief in die Augen und lächelte ihm aufmunternd zu, bevor sie einen Arm um seine Taille schlang, das Pulver fallen ließ und „Germanische Zauberakademie, Deutschland!" rief.

Severus hasste neue Erlebnisse, und dieses hier war besonders unschön. Die Wärme des Feuers war unangenehm, Ruß und Staub wirbelten in seine Atemwege und er musste mit Gewalt ein Husten unterdrücken. Wie lange konnte das noch dauern? Wann immer er wieder kurz die Augen einen Spalt weit öffnete, sah er Formen und Farben vorbeifliegen, einmal hatte er sogar das irrwitzige Gefühl, das Meer zu sehen – und dann stolperten sie plötzlich aus einem weiten Kamin aus hellem Sandstein in eine schwarz-weiß geflieste Halle mit hoher Decke.

„Zaubereiministerium Großbritannien, zwei Personen", kündigte eine zufriedene Stimme an, die zu Severus' Überraschung weitgehend akzentfreies Englisch sprach. Er hatte fest damit gerechnet, hier kein Wort zu verstehen, denn er konnte zwar noch Latein und ein paar Brocken Altgriechisch, aber Deutsch gehörte so wenig zu seinen Fähigkeiten wie… Walisisch.

Apropos Walisisch… Die kleine Waliserin an seiner Seite vibrierte praktisch vor Energie. Ja, für sie war das hier bestimmt auch ganz toll, sie war daheim. Wenn er sich recht entsann, befanden sie sich in der Ankunftshalle des Universitätsbereichs der Germanischen Zauberakademie, in der sie ihre gesamte Ausbildung absolviert hatte – und das im neobarocken Stil gehaltene Gebäude hatte eine ähnliche magische Anziehungskraft wie die dicken Mauern Hogwarts', wenn auch auf eine gänzlich andere Art und Weise. Den Sitz der magisch-europäischen Keltenstudien hätte er sicher nicht in einem solch jungen Bau erwartet.

Durch einen Türbogen konnte er Studenten zu ihren Vorlesungen und Seminaren laufen sehen, die Sonne schien warm durch die hohen, doppelt verglasten Sprossenfenster und die abgetretenen Steinstufen der breiten Treppen glänzten sauber unter ihren Füßen, als sie ins Erdgeschoss des dreigeschossigen Hauses hinabstiegen.

Mit einem zufriedenen Lächeln auf dem Gesicht stieß Arian die linke Hälfte der dunklen Flügeltür auf und führte ihn über eine kurze Freitreppe in den Sonnenschein. Der Blick von hier war atemberaubend. Vor ihnen erstreckte sich eine üppige, grüne Landschaft aus bewaldeten, mit Felsen durchsetzten Bergen, Wiesen und Feldern. Ein Fluss schlängelte sich zwischen den Dörfern im Tal hindurch und verschwand in der Ferne zwischen den Hügelketten. Eine Muggellandschaft, in deren Mitte eine der ältesten europäischen Magierenklaven lag, die bis auf die frühen Kelten zurückging.

Eine Weile ließ Arian ihren Liebsten die Gegend bestaunen, dann zog sie ihn sanft weiter, die Straße hinunter. Die Akademiegebäude und fast der ganze Rest des Dorfes, wie die Crêperie „La Parisienne", passten nicht in die Landschaft, schmiegten sich jedoch an die Bergwände, als wären sie auf natürlichem Wege aus dem Boden gewachsen und schon seit Anbeginn der Zeit mit diesen Felsen verbunden. Eine starke Magie war hier am Werk, Severus spürte es ganz deutlich, wenngleich er das sehnsuchtsvolle Zupfen an seinen Magiebahnen nichts Bekanntem zuordnen konnte. Noch am ehesten war es zu vergleichen mit dem Gefühl, wenn Arian ihm des Nachts ganz nahe war und im Schlaf sanft etwas in ihrem singenden Akzent oder auf Walisisch murmelte und sich an ihn schmiegte, doch auch das war völlig anders und beinhaltete nur einen Widerhall von dem, was er nun spürte, neben so viel mehr.

„Wir sind da", holte Arian ihn aus seinen Gedanken, als sie vor einem großen, renovierten Gutshof ankamen. Ein hellblau gestrichenes Holzschild mit der Aufschrift „Hotel" hing an einem Pfeiler neben der von Lavendel- und Rosenbüschen gesäumten Einfahrt. „Als hier gegen Mitte des Jahrhunderts alles den Bach hinunter ging, haben die Leute von der Akademie in der ganzen Welt fleißig nach Zauberern und Hexen gesucht, die in nächster Nähe mit Muggeln leben und einen Neuanfang machen wollten. Meine Eltern hatten schon immer etwas Eigenes auf die Beine stellen wollen und hier gab es diesen alten, verlassenen Gutshof… Mithilfe von Magie waren hier natürlich ganz schnell optimale Bedingungen geschaffen und so haben sie ihr Hotel im Hauptgebäude eröffnet, wo wir dann auch alle gewohnt haben, beziehungsweise es immer noch tun. Mein Tad macht das Management und den Kram, meine Mam ist für alles weitere zuständig, wenn du es so willst. Mittlerweile lebt meine Schwester mit ihrer Familie in einem der Nebengebäude und hat dort auch ihre Praxis, außerdem gibt es Ställe, eine Reithalle, einen Außenplatz, Koppeln… alles, was das Pferdeherz begehrt. Gwen ist Psychologin und Reittherapeutin, züchtet als Hobby Welsh Cobs und gibt Reitunterricht. Mein Bruder hat seine Wohnung im Haupthaus, genau wie ich. Er ist Verbindungsperson und so ein bisschen Mädchen für alles bei der Studentenorganisation und der Unileitung. Im Prinzip organisiert er Partys und schickt Leute von A nach B, wie es ihm gefällt, und bekommt dafür Geld. Als seinen eigentlichen Beruf bezeichnet er seine Band und seine Berufung sind Motorräder und vor allem E-Gitarren. Wenn er das Geld hätte, würde er jede Woche eine neue kaufen." Arian schüttelte lächelnd den Kopf. „Aber du wirst sehen, er ist nicht so schlimm, wie es jetzt klingt."

Die Schonfrist war vorbei. Der ehemalige Bediensteteneingang öffnete sich direkt in eine schmucke Diele, gemütlich gestaltet mit weiß verputzten Wänden und viel Holz. Die persönlichen Noten ließen annehmen, dass sie sich im Privatbereich der Familie Llewelyn befanden, was bestätigt wurde, als sie mit dem nächsten Raum ein behagliches Wohnzimmer mit großem Kamin durchquerten. Aus dem angrenzenden Raum klang das Klirren von Geschirr.

„Mam? Tad? Ble ydych chi?", rief Arian und betrat die Küche.

Severus hielt sich unauffällig im Hintergrund, als sie von ihren Eltern in die Arme geschlossen wurde. Ihre Mutter wirkte wie eine Mischung aus Minerva und Molly Weasley, eine selbstbewusste, ordentliche, aber herzliche Dame, die sich dennoch nicht zu schade für die einfachen Aufgaben im Haus war. Die Augen und die Haare hatte Arian eindeutig von ihrer Mutter. Ihr Vater blieb ein wenig im Hintergrund und seine ruhige Ausstrahlung vermittelte Bodenständigkeit. Trotz des Größenunterschieds wirkte er irgendwie respekteinflößend auf Severus, wie er dort stand, kräftig wie von körperlicher Arbeit und eine subtile Zufriedenheit, die um seine Mundwinkel spielte, während er seine Frau und seine jüngste Tochter beobachtete.

Schließlich konnte Arian zur Vorstellungsrunde übergehen: „Mam, Tad – das ist Severus. Severus, meine Eltern, Ifanna und Owain."

„Eve, Darling", begrüßte ihn Arians Mutter völlig überraschend mit zwei Küsschen auf die Wangen. „Eve reicht völlig aus."

Severus nickte nur leicht benommen und gab sein Bestes, sich zusammen zu reißen und nicht vor ihrer Berührung zurückzuschrecken, was ihm allerdings nicht vollends gelang. Dankbarerweise sah Ifanna darüber hinweg.

„Schön dich kennen zu lernen, Severus", meinte nun auch Owain und schüttelte ihm die Hand. Dann wandte er sich an seine Tochter: „Möchtet ihr etwas trinken?"

„Oh, ich denke, wir räumen kurz unsere Sachen ein und kommen dann wieder runter, wenn das recht ist?"

„Natürlich. Bis gleich, Schatz!"

Arians Wohnung lag im ersten Stock des Hauses und bestand aus einem Schlafzimmer mit breitem Doppelbett, einem Bad und einer Art Studierzimmer mit Schreibtisch und Regalen. Von letzterem aus konnte man auf die Koppeln blicken, auf denen im Moment einige Pferde gemütlich vor sich hin grasten. Begeistert erzählte Arian ihm, wie jedes der Tiere hieß, doch er konnte ehrlich gesagt keinen Unterschied zwischen ihnen feststellen.

Zusammen mit Ifanna und Owain tranken sie im Wohnzimmer Tee und aßen grillpfannenfrische Welsh Cakes. Nie hätte Severus sich träumen lassen, einmal so selbstbewusstseinslos auf einem Sofa zu sitzen, zudem noch mit einer wunderbaren Frau neben sich, wie jetzt beim Tee mit Arians Eltern. Dabei schienen die beiden durchaus angenehme Personen zu sein. Sie erkundigten sich interessiert nach seinem Werdegang in Hogwarts, wurden aber keinesfalls zu persönlich, sodass er auch nicht in die Verlegenheit kam, irgendwelche Unwahrheiten bezüglich seines Spionagejobs erfinden zu müssen. Es war erleichternd, diesen Teil seines Lebens für einen Moment ausblenden zu können. Hier war er – das musste er sich wieder und wieder in Erinnerung rufen – einfach der Partner der jüngsten Tochter, der zum ersten Mal zu Besuch kam; keine Vorurteile, nur die reine walisische Herzlichkeit.

„Severus, wir müssen uns bei Gelegenheit fertig machen", meinte Arian schließlich.

Ach ja, das hatte er ganz verdrängt… Die Band von Arians Bruder würde an diesem Abend im beliebten Dorfpub „Starblind Racehorse" spielen und hatte sich Arian, wie schon des Öfteren, als Mitsängerin ausgeliehen.

Auf dem Weg zum Pub stachen Severus nun die Plakate ins Auge, die das Event ankündigten. Anscheinend war es doch etwas relativ Besonderes. „The Blockhead Bastards" stand in dicken Lettern auf den Plakaten und auf dem Platz unter dem Bandnamen hatte jemand kleinere Zettel mit den Worten „feat. Venus" geklebt.

Das Racehorse war ein urgemütlicher Pub mit viel Holzverkleidung, einer altehrwürdig erscheinenden Bar und unglaublich vielen interessanten Schildern, Flaggen und anderem Krimskrams an der Decke und den Wänden. Am hinteren Ende des Raumes befand sich eine kleine Bühne, auf der bereits einige junge Männer Verstärker aufbauten und Instrumente bereitstellten. Auch an diesem eher urtümlichen Ort hatte Internationalität Einzug gehalten, wie man den handgeschriebenen Speisetafeln entnehmen konnte – man konnte nur hoffen, dass die verschiedenen Nationen auch in Wirklichkeit so einträchtig miteinander auskamen wie ihre Biere auf der Karte. Viel war allerdings noch nicht los. Nur ein paar ältere Herren saßen mit ihren Pints an einem Tischchen in der Ecke.

„So, wir müssen noch eben den Soundcheck machen", sagte Arian zu ihm. „Hol dir doch was zu trinken und such dir einen Tisch. Nachher wird es bestimmt proppenvoll. Und keine Sorge, so gut wie jeder hier spricht auch Englisch." Mit einem aufmunternden Lächeln verabschiedete sie sich von ihm und sprang hinauf auf die Bühne, wo sie sofort begeistert von den Bühnentechnikern begrüßt wurde.

Severus verzichtete auf ein Getränk und ließ sich an einem Tisch am Rande des Zimmers nieder, wo er hoffte, nicht zu sehr aufzufallen und trotzdem eine gute Sicht auf die Geschehnisse zu haben.

OoOoO

Langsam füllte sich der Pub, es war noch ungefähr eine Viertelstunde bis zum Beginn des Auftritts der Blockhead Bastards. Gwenhwyfar und Talhaearn Llewelyn saßen noch zusammen an einem Tisch und unterhielten sich ein wenig, nachdem sie sich seit mehreren Tagen nicht mehr gesehen hatten – außerdem waren sie beide überaus neugierig auf den neuen Freund ihrer kleinen Schwester, der hier irgendwo unter den Leuten sein musste. Immer wieder sah Gwen sich um und versuchte herauszufinden, wer es denn sein konnte.

„Wenn das wieder so einer ist wie dieser Robbäääh, kann er gleich wieder seine Taschen packen", meinte Talhaearn verdrießlich und zupfte an einem der vielen Festivalbänder herum, die sich um seine Handgelenke wanden, während er ein leeres Päckchen Chips mit der anderen Hand zerdrückte.

„Na, da kann man nur hoffen, dass sie diesmal besser gewählt hat", stimmte seine Schwester ihm widerwillig zu, den Kopf schon wieder über die Schulter gewandt. „Da! Das muss er sein. Da drüben, mit dem weißen Hemd und den langen schwarzen Haaren!"

Tal blickte auf und betrachtete den schmächtigen Mann zweifelnd. „Der mit der Nase? Hm… Bist du dir sicher?"

„Ja, ich denke schon. Ich hab' ihn hier noch nie gesehen, er ist scheinbar allein, lässt die Bühne nicht aus den Augen… und außerdem hat er was an sich." Sie lächelte leicht. „Ich könnte verstehen, dass er Ari gefällt. Ja, das muss er sein. Und ich glaub', der hier ist anders."

„Pff! Das Schema des mysteriösen, dunkelhaarigen Unbekannten! Fall bloß nicht auf deine eigenen psychologischen Theorien rein…"

„Ach Tal!", lachte Gwen. „Du übertreibst es. Ich werd' mal rübergehen und ihn mir genauer anschauen, er sieht so verloren aus."

„Lass dich nicht aufhalten. Muss eh los, der Gig fängt gleich an. Aber berichte mir nachher! Und Merlin bewahre, wenn das wieder so ein hohler Vollpfosten ist…"

Severus fühlte sich in der Tat etwas verloren so allein an seinem Tisch, ohne etwas anderes zu tun zu haben, als auf die Bühne zu starren, auf der die Soundtechniker komische Geräusche in die Mikrofone machten, oder den Gesprächen derjenigen Leute zu lauschen, die sich auf Englisch unterhielten. Doch hauptsächlich drehten sich diese Gespräche um Dinge, mit denen er sich nicht auskannte. Die Universität und die Schule, auf die allem Anschein nach Muggel und Zauberer gemeinsam gingen (wie rückschrittlich Großbritannien da doch war! Fudge würde schon bei der bloßen Vorstellung kollabieren!), Menschen, von denen er noch nie etwas gehört hatte, die aber große Namen in der hiesigen Zauberer- oder allgemeinen Welt zu sein schienen…

„Entschuldigung, darf ich mich setzen?"

Er sah zu einer Frau in seinem Alter auf, die neben seinem Tisch stand und ihn freundlich anlächelte. Ihr Gesicht und besonders ihre Augen erinnerten ihn stark an Arian, auch wenn sie ein wenig größer als diese war. Er nickte knapp und Arians Schwester setzte sich auf den Stuhl gegenüber von seinem.

„Du bist Severus, nicht wahr?", fragte sie.

Severus zog reflexartig die Augenbrauen zusammen, dann gab er sich einen Ruck. Wenn er schon einmal die Chance bekam, aus dem Gefängnis seines üblichen Auftretens auszubrechen, sollte er sie vielleicht nutzen. Auch wenn es schwierig war – wie verhielt man sich in solch einer Situation? „Ja. Und… du bist Gwen, nehme ich an. Arians Schwester."

Gwen grinste. „Klar, dachte mir schon, dass du da draufkommst. Und, wie gefällt's dir hier? Hat Ari dich schon überall hingeschleppt?"

„Das kommt morgen, schätze ich", entgegnete Severus zögernd, ohne sie lange anzusehen.

„Na da kommt noch was auf dich zu!" Sie folgte Severus' Blick hinauf zur Bühne, wo Arian gerade mit einem Kerl mit zotteligen blonden Haaren und Bandana herumscherzte und laut lachte, bevor sie sich wieder in den Backstage-Bereich verzog. „Das ist Dave, der Keyboarder. Er ist ein Muggel. Die Band ist gemischt, musst du wissen."

„Dave?"

„Einer von Aris Ex-Freunden. Aber das ist laaaange her, das war noch zu Schulzeiten, noch vor Robbie", beschwichtigte Gwen. „Er und Ari sind nur Freunde. Dave ist seit Jahren mit Linda zusammen. Die kleine Brasilianerin mit den Piercings an der Bar."

Severus nickte und betete, dass ihm die Erleichterung nicht allzu sehr anzumerken war. Die Vertrautheit zwischen diesen ihm Fremden auf der Bühne und seiner Keltengöttin war so intensiv, dass es irgendwie wehtat. Und bestimmt hatte sie mit dem gutgelaunten Dave so einiges gehabt, was er ihr einfach nicht geben konnte… Doch falls Gwen etwas bemerkt haben sollte, so sprach sie ihn glücklicherweise nicht darauf an. Konversation zu betreiben, fiel ihm auch ohne schwierige Themen schon hart genug. Und wann war er überhaupt dazu übergegangen, von Arian als „seine Keltengöttin" zu denken? Bitte jetzt nicht rot anlaufen…

Da betrat die Band die Bühne und unter Klatschen versammelten sich die Leute im Pub an ihren Tischen.

„Es geht los!", freute sich Gwen. „Das da ist Tal, Aris und mein Bruder", erklärte sie und deutete auf einen in zerrissene Jeans gekleideten jungen Mann mit verstrubbelten, langen, braunen Haaren, der sich gerade lässig seine E-Gitarre griff und ans Mikrophon trat.

„Guten Abend!", begrüßte er die Besucher auf Englisch. „Vielen Dank, dass ihr so zahlreich erschienen seid, und ich hoffe, das Entertainment ist zu eurer Zufriedenheit! Viel Spaß!"

Nach diesen Worten begann die Band rhythmisch zu stampfen und zu klatschen und schon nach ein paar Sekunden stiegen die Zuschauer mit ein. Zu seiner Verwunderung erkannte Severus den Muggelsong sofort – „We Will Rock You" von Queen. Wie oft hatte er als Jugendlicher heimlich hinter dem Plattenladen in Cokeworth gesessen und der Musik aus dem Laden gelauscht… Zuerst noch mit Lily, später dann allein… Tal Llewelyn war anscheinend auch der Leadsänger der Band, und er hatte eine kraftvolle Stimme. Beim dritten Refrain sang schließlich der ganze Pub mit, bis Tal begann, mit Leidenschaft in die Saiten seiner Gitarre zu hauen und den Übergang zum nächsten Lied spielte. Doch es war nichts von Arian zu sehen.

Severus wurde nervös, doch Gwen beruhigte ihn: „Wart's nur ab, gleich wirst du sie sehen!"

Die flotte Musik belebte heimlich etwas in ihm, das er schon lange nicht mehr gespürt hatte. Das Zusammenspiel der Band, die Hingabe, mit der sie sangen und spielten, faszinierten ihn, und mit jeder Minute war er gespannter auf Arians Auftritt, was Gwen natürlich nicht verborgen blieb.

„Hast du Ari schon mal singen hören?"

„Nein. Bis vor kurzem wusste ich auch gar nicht, dass sie in einer Band singt."

Gwen lachte. „Na dann bin ich gespannt, wie es dir gefällt. Robbie, ihr vorheriger Freund, hat es gehasst."

Er sah sie etwas konsterniert an. „Warum das?"

Gwen zuckte die Schultern und Severus entging nicht der leicht bittere Zug, der sich für einen Moment um ihre Mundwinkel zeigte. „Er fand es zu zügellos. Wollte sie gar nicht mehr singen lassen, aber das hat sie sich nicht verbieten lassen. Einmal war er hier, dann nie wieder." Sie rümpfte die Nase, warf Severus, der abwechselnd Gwen und die Bühne beobachtete, einen kurzen Seitenblick zu und meinte schließlich: „Mir war seine Art unsympathisch. Er konnte ja nicht mal mit den Leuten hier reden, ohne ein Gesicht zu machen, als hätte man ihn unwürdig behandelt."

Das Lied endete und Tal spielte das nächste an. Eine Bewegung ging durch die Menge, als auf einmal alle die Hälse reckten.

„Jetzt!", grinste Gwen Severus zu und richtete sich in ihrem Stuhl auf.

Und dann sah er sie kommen. In einer engen weißen Hose, mit weinroter Wickelbluse und auf schwindelerregenden silbernen Absätzen, trat Arian unter begeistertem Pfeifen, Rufen und Klatschen zu ihrem Bruder auf die Bühne, nach vorne an das zweite Mikrophon. Sie lachte, schüttelte ihr wallendes, offenes Haar im Rhythmus der Musik, und Severus überlief ein Gefühl, das er so noch nie gespürt hatte und überhaupt nicht einordnen konnte. Eine Mischung aus Stolz, Ergriffenheit, Sehnsucht und Leidenschaft erfüllte ihn bei dem Anblick, sodass er nichts weiter tun konnte als gebannt auf die Bühne hinaufzustarren. Es war wie ein überwältigender Traum, die lustvolle Musik, und dann Arian, die sich geradezu ekstatisch im Rhythmus bewegte und mit anbetungswürdiger Energie in der Stimme ihre Botschaft zum Besten gab.

Venus" – Shocking Blue

„Verführerisch" konnte das Schauspiel, das Severus da vor sich sah, nicht mal ansatzweise beschreiben und nur am Rande nahm er wahr, dass Gwen ihn beobachtete und ein zufriedenes Lächeln sich auf ihr Gesicht legte.

Auch Arian hatte ihn entdeckt und sie warf ihm einen glühenden Blick zu, bevor sie sich für den nächsten Song nach hinten zu den Backgroundsängern begab und ihrem Bruder wieder die Bühne überließ.

Fast eineinhalb Stunden gab die Band alles, sie schwitzten und sie feierten, mal sang Tal, mal Arian, mal beide zusammen im Duett und das Publikum sang und tanzte begeistert mit. Nach einer Zugabe und vielen Verbeugungen mit großartigem Applaus verschwanden die Musiker hinter die Bühne, um sich umzuziehen.

Severus saß still und überwältigt an seinem Platz, sich wohl gewahr, dass Gwens Blick auf ihm ruhte und diese es gar nicht erwarten konnte, seine Meinung zu hören. Doch zuerst musste er sicher sein, dass er tatsächlich nicht träumte, dass das, was er gerade erlebt hatte, der Wirklichkeit entsprach und es Arian, seine Arian, gewesen war, die dort oben die Menschen in Begeisterung versetzt hatte.

Da kam sie. Das Bühnenoutfit gegen Jeans und T-Shirt getauscht und die Haare locker hochgesteckt, schlängelte sie sich lachend und schwatzend durch die Menge, schüttelte den Kopf in Richtung eines jungen Mannes, der sie ansprach, und kam… direkt auf ihn zu! Wie mechanisch erhob er sich von seinem Stuhl und nahm sie in Empfang, als sie die Arme um ihn legte und ihm einen sanften Kuss auf die Lippen drückte. Erst dann begrüßte sie ihre Schwester, jedoch ohne sich ganz von Severus loszumachen. Der war noch immer zu ergriffen, um etwas zu sagen, und so hörte er nur geistig abwesend dem Gespräch der beiden Schwestern zu. Die Frau, die sich hier an ihn schmiegte, war dieselbe, die sich bis vor wenigen Minuten auf der Bühne als die begehrenswerte Venus, als ein Sinnbild der Lust gegeben und doch alle wie auch immer gearteten Angebote ausgeschlagen hatte – für ihn.

Die ganze Bedeutung dessen war noch nicht ganz bei ihm angekommen, als der Inhalt seiner Gedanken sich erwartungsvoll an ihn wandte: „Und wie fandest du es, Sev?"

Er sah sie lange und intensiv an, bevor er leise sagte: „Es war wundervoll."

Ein strahlendes Lächeln breitete sich auf Arians Gesicht aus und sie zog ihn erneut in einen liebevollen Kuss. Interessanterweise störte ihn das kaum, obgleich sie sich mitten in der Öffentlichkeit befanden.

„Das freut mich", hauchte sie sanft in sein Ohr.

Gwen betrachtete das Paar lächelnd. Diesmal – es war nicht zu übersehen – handelte es sich um eine ganz andere Art von Beziehung zwischen ihrer kleinen Schwester und ihrem Partner, als was sie die Male zuvor gesehen hatte. Was auch immer es war, das die beiden so innig miteinander verband, es war stark und ging spürbar tief. Sie hatte gemerkt, wie unsicher Severus sich in dieser ganzen Situation hier war; es machte geradezu den Eindruck, als habe er sehr wenig Erfahrung mit Zwischenmenschlichem, und Arian… ja, so einfühlsam und scheinbar instinktiv richtig handelnd hatte sie sie zuletzt im Umgang mit ihrem liebsten Problempferd Blackheart gesehen, nicht aber in Sachen Liebe und Gefühle. Dennoch stach diese Unbeholfenheit an Severus Gwen immens ins Auge. Irgendetwas, dessen war sie sich sicher, hatte es in seiner Vergangenheit gegeben, dass ihn nun einschränkte. Sie tippte darauf, dass es schon in der Kindheit begonnen haben musste, doch ein Gefühl und eine gewisse berufliche Erfahrung sagten ihr, dass es vermutlich weit darüber hinausging.

„Ich geh' eben schauen, wo Tal steckt", informierte sie die beiden, bevor sie aufstand und ihren Bruder suchen ging. Schließlich fand sie ihn zusammen mit den Bandkollegen an der Bar.

„Na, Schwesterherz? Was gibt's?"

„Tal, kann ich dich kurz sprechen? Allein?"

Verwundert folgte Tal ihr weg von der Theke. „Äh, klar. Worum geht's? Hast du was über Aris Lover rausgefunden?" Neugierig sah er in die Richtung, in der er meinte, seine jüngere Schwester tatsächlich im Arm des mysteriösen Unbekannten an dessen Tischchen zu sehen.

„Ja", sagte Gwen, als sie etwas abseits der anderen standen, „aber es scheint komplizierter zu sein, als es zuerst ausgesehen hat…"

Tal hörte Gwens Ausführungen stirnrunzelnd zu. „Und du bist dir da sicher?", meinte er und es war mehr Feststellung als Frage. Der Blick seiner Schwester war eindeutig. „Nun, wenn du sagst, er wirkt sonst anständig… Für ein beschissenes Leben kann keiner was." Er zuckte mit den Schultern. „Sowas… Dass Ari gerade so eine Herausforderung auf sich nimmt… Was haben wir in den letzten Jahren verpasst, dass sie auf einmal so erwachsen ist?"

Gwen lächelte nur. „Es ist Zeit geworden. Also, was ist, kommst du mit zu uns an den Tisch?"

Sie schlenderten hinüber zu dem Tisch, an dem sich Severus und Arian leise unterhielten. Letztere strahlte ihren Bruder an, als sie ihn kommen sah, und er grinste schelmisch zurück.

„Hi, ich bin Tal, Bruder von dem Monster, das du dir da ausgesucht hast", stellte er sich vor und reichte Severus die Hand.

„Severus", sagte Severus seinerseits zurückhaltend, während Arian ihrem Bruder vorwurfsvoll gegen die Schulter boxte.

Tal nickte mit einem schiefen Lächeln. „Wie wäre es mit einem Bier aufs Haus? Garantiert regional."

„Okay…"

Er winkte Linda an der Bar zu und gab ihr eine Reihe schneller Handzeichen. Wenig später stand ein Pint dunklen Gerstensaftes vor Severus.

„Oh Tal, du musstest auch wieder das stärkste raussuchen!", rügte Arian ihn kopfschüttelnd, doch er überging sie.

„Prost!", rief er Severus zu und sie nahmen beide einen Schluck. „Also, klär mich mal auf: Fährst du Motorrad?"

Severus sah Tal an, als wäre dem soeben ein zweiter Kopf gewachsen. „Ähm, nein."

„Und was hörst du so für Musik? Wild Warlock zufällig?"

„Nein. Eigentlich höre ich gar keine Musik", meinte Severus. „Aber eure Vorstellung, das war schon… schön", setzte er noch hinzu. „Ich kannte die Lieder."

„Ja?", sagte Tal begeistert. „Ach ja, die Muggel haben's halt drauf… Richtig gute Musik! Da kann die Zaubererwelt echt einpacken. Egal wo man hingeht, nur Müll, vor allem in der Heimat. Okay, wie gesagt, Wild Warlock sind gut, aber die sind erstens aus Finnland und zweitens rate mal, wer das Mastermind hinter denen ist? Wieder ein Muggel! Die wissen, wie man in der Musikindustrie Erfolg hat!" Tal nahm einen weiteren Schluck aus seinem Glas, dann räusperte er sich. „Sorry, ich laber hier eindeutig über Zeug, dass dich nicht die Springbohne interessiert. Was machst du so?"

„Nun, nachdem ich Tränkemeister bin, ist das meine Hauptbeschäftigung…"

„Was? Du unterrichtest Zaubertränke? Da drin war ich immer hoffnungslos… Hat sich auch jetzt nicht geändert. Wollte mal meinen Sprit aufbessern, mit Aris Hilfe natürlich, die hat einfach von der Familie am meisten Ahnung von sowas, aber das hat nicht so geklappt. Der Aufwand hat sich einfach nicht gelohnt…"

„Was genau habt ihr ausprobiert?", erkundigte sich Severus, dankbar für ein Thema, mit dem er etwas anfangen konnte.

„Naja, zuerst haben wir uns angeschaut, wie die einzelnen Komponenten mit anderen Zutaten magisch verknüpft…

„… wie sie korrespondieren…"

„… ja, irgendwie so, jedenfalls sind wir dabei auf einen seltenen Extrakt aus kolumbianischem Ahorn gestoßen…"

„Kolumbianischer Ahorn? Soweit ich weiß, wachsen in Kolumbien keine Ahornbäume."

„Dann war es vielleicht kanadisch? Wächst da Ahorn?"

„Das schon eher", meinte Severus leicht amüsiert. „Dennoch – das kann gar nicht funktionieren. Kanadischer Ahorn ist in seiner Magiehaltigkeit zu exotisch, um mit dem zu korrespondieren, was aufgrund des Ursprungsortes vermutlich in deinem Treibstoff enthalten ist. Zumal es fraglich ist, ob der Ahorn tatsächlich ein Hauptbestandteil sein könnte, zieht man in Betracht, wie lange es dauert, bis aus dem Pflanzenmaterial Erdöl wird."

Jetzt war es an Tal, überfordert aus der Wäsche zu gucken. „Du, von sowas hab' ich null Schimmer."

„Nun, um das korrekt anzustellen, müsste man…" Kritisch sah Severus sich auf dem Tisch um.

„Was brauchst du?"

„Schreibutensilien."

Tal schob ihm ein paar Bierfilze und einen Kugelschreiber zu. Auf Severus' konsternierten Blick hin ließ er die Mine aus dem Stift springen. „Sind einfach genial, die Muggel."

Severus zog die Augenbrauen in die Höhe, kommentierte das ihm unbekannte Schreibgerät aber nicht weiter. Es bot wesentlich weniger Widerstand als eine Feder und füllte sich scheinbar von selbst wieder nach. Tatsächlich irgendwie brillant. Als Junge hatte er außer Feder und Tinte lediglich Bleistifte zur Verfügung gehabt… Schnell stellte er ein paar Berechnungen an, überlegte und präsentierte Tal schließlich ein Bierfilz mit einem einzigen, gestochen scharfen Wort darauf: Kiefernöl. „Wenige Flüssigunzen dürften genügen, um die Ausdauer deines Motorrads erheblich zu steigern."

Erstaunt verschränkte Tal die Arme vor der Brust. „Respekt. Jetzt bin ich beeindruckt. Ari hat sich also einen Mann mit Hirn ins Haus geholt. Respekt."

Arian und Gwen, die das Schauspiel interessiert verfolgt hatten, wechselten vielsagende Blicke. Wie es schien, würde es hier in naher Zukunft keine allzu großen Probleme geben.

Arian gähnte herzhaft. „Tut mir leid, wenn ich eure äußerst spannende Unterhaltung störe, aber ich bin ehrlich gesagt todmüde. Internationales Flohnetzwerk plus Bandauftritt machen einem doch ein bisschen zu schaffen. Ich glaub', mir reicht's für heute."

„Wir können gehen, wann immer du willst", versicherte ihr Severus und sofort war seine ganze Aufmerksamkeit bei ihr und weit weg von magisch gestrecktem Benzin.

Sie lächelte. „Vielleicht… gönnen wir uns ja noch den Wellness-Bereich…?"

„Eventuell…"

„Sperrt einfach ab", meinte Gwen, „wobei ich glaube, dass heute eh keiner von uns mehr kommt. Wir versumpfen hier noch ein bisschen, und Mam und Tad müssen morgen ja früh raus wegen der Reisegruppe."

„Alles klar. Dann euch noch viel Spaß und bis morgen!"

Sie verabschiedeten sich und machten sich auf den Weg durch die sternenklare Nacht zurück zum Gutshof. Kaum dass die Tür des Pubs hinter ihnen zugefallen war, umgab sie eine herrliche Stille, nur gelegentlich durchbrochen vom Zirpen der Grillen und anderen kleinen, nächtlichen Geräuschen. Eine einzelne Fledermaus flog über den Himmel und der silberne Halbmond glänzte prächtig über den Hügeln und Baumwipfeln.

Zurück im Hotel waren Arians Eltern tatsächlich schon zu Bett gegangen und der Flügel, in dem die Familie lebte, lag friedlich und still da.

„Na", hauchte Arian und schmiegte sich an Severus' Brust, „Gucken wir mal nach unten?"

„Ari…" Er biss sich auf die Lippe. Er wollte sie nicht enttäuschen, doch er fühlte sich überhaupt nicht nach Experimenten in Vertrauen.

„Kein Problem", meinte sie mit einem Lächeln. „Ich würde nur gern ein paar Runden schwimmen und etwas im Wasser entspannen. Magst du einfach so mit runterkommen? Kannst ja auch nur die Füße reinhalten, wenn dir danach ist."

„Von mir aus, ja."

Arian schnappte sich den goldenen Schlüssel mit dem Muschelanhänger von einem Schlüsselbrett über der Kommode im Flur. Über eine für die Gäste nicht zugängliche Treppe gelangten sie vor den Spa-Bereich. „Willkommen in unserem kleinen Paradies…" Vor der Tür zur Sauna und neben dem Tauchbecken erstreckte sich eine verschlungene kleine Poollandschaft mit Sprudeln und Whirlpool sowie darum herum drapierten Liegen. Gewaltige grüne Pflanzen wuchsen bis unter die Decke und alles war mit cremefarbenen Fliesen und bunten Edelstein-Mosaiken gestaltet.

Arian sperrte sicherheitshalber die Tür hinter ihnen ab, bevor sie sich ihrer Klamotten entledigte, die sie dann in einem unordentlichen Haufen auf einer der Liegen zurückließ. Sie musste das geplant haben – sie trug tatsächlich einen Bikini unter ihrer Kleidung… Genießerisch stieg sie über die flachen Stufen ins warme Wasser und ließ sich ein wenig treiben. Dann drehte sie ein paar lockere Runden durch das größte der Becken, bevor sie sich auf einem Absatz niederließ, in dem zwischen Platten aus geschliffenem Edelstein eine weiche Sprudelanlage installiert war. Fragend sah sie zu Severus hinüber. Etwas zögerlich zog er seine Schuhe und Socken aus und rollte die Beine seiner Hose hoch. Tief durchatmen. Niemand war hier außer Arian, und sie würde ihm nichts tun… Schließlich fasste er sich, setzte sich an den Rand des Beckens und ließ seine Füße im warmen Wasser baumeln. Er war schon lange nicht mehr so nah am Wasser gesessen; es war etwas ungewohnt. Arians meerblaue Augen konnten etwas in seinen lesen, das niemand sonst hätte erkennen können.

„Was ist los?", fragte sie leise und kam hinüber zu ihm, sodass sie fast neben ihm saß.

Er drehte den Kopf weg und betrachtete schweigend die Pflanzen, die ein dschungelartiges Blätterdach formten.

„Sev-Schatz… Was hast du?"

„Das Wasser… Ich… Ich kann nicht sonderlich gut schwimmen… und… als Kind… Ich bin in den Fluss daheim gefallen... Und in Hogwarts… in den See… aber das war kein Unfall, das waren… du weißt schon…"

Mit einer fließenden Bewegung stemmte sie sich aus dem Becken, trocknete sich mit einem kurzen Zauber ab und rutschte direkt neben ihn. Sie nahm sein Gesicht zwischen die Hände, reckte sich nach oben und küsste ihn sanft auf die Lippen, sodass ihn eine Gänsehaut überlief. „Das ist hier nicht wichtig. Hier passiert dir nichts, versprochen. Ein Zauber sorgt dafür." Dann schlang sie die Arme um seinen Nacken und zog ihn näher zu sich.

Nur zu gern glaubte Severus ihr. Er fühlte sich so zuhause wie schon lange nicht mehr an einem eigentlich fremden Ort. Das warme Wasser plätscherte und gurgelte um sie herum und Arians Finger krallten sich in sein von der Luftfeuchtigkeit strähniges Haar. Am liebsten wollte er ihr alles geben, was er konnte, den Mond und die Sterne vom Himmel, alles, und noch so viel mehr.

Surf's Up" – Jim Steinman (Gesang: Rory Dodd)