Alles, was ich entgegnen konnte, war ein leichtes Heben meiner Mundwinkel. Wahrscheinlich sah das eher irritierend aus, als es freundlich gedacht war. Ich hatte keine Ahnung, dass es so schwer sein würde etwas zu antworten. Bestimmt war es auch kein guter Zeitpunkt jetzt einfach zu sagen, dass er seiner Arbeit nachgehen soll und mir meinen lang verdienten Drink mixen soll. Obwohl ich ihn gerade wirklich gebrauchen könnte. Hätte ich gewusst, dass Matt hier kellnert, hätte ich den Taxifahrer gefragt, ob er mich eine Stadt vorher einen Drink bestellen lassen würde.

Die unangenehme Stille unterbrach schließlich Saltzman als erstes. „Ihr kennt euch?", fragte er in die unangenehme Stimmung hinein. „Nein, noch nie zuvor gesehen!", hätte ich sagen können, aber stattdessen blieb ich ruhig: „Wir zwei waren damals Schulkameraden, als ich hier noch gelebt hatte". Dann richtete ich mich zu Matt: „Es tut mir leid, ich hätte mich vorher melden können. Ich bin gerade erst angekommen" „Also genauso wie du dich die ganzen letzten Jahre gemeldet hast?", erwiderte er zynisch. Ich muss zugeben, dass ich seinen Frust schon verstehen kann. Andererseits habe ich gedacht, dass er mir vielleicht sogar am ehesten Verzeihen würde. Für mich war Matt immer der, der am einfachsten gestrickt ist. Er hatte immer nur sein Footballteam und seine Schwester Vicki in seinem Kopf rumschwirren.

Das die Stimmung nicht katastrophal zum Scheitern verurteilt war, hatte ich Alaric zu verdanken. Wäre er nicht da gewesen, würde Matt mich vielleicht sogar rausschmeißen. Mit ihm habe ich an diesem Abend noch eine kleine zweite Chance bekommen. Nach einer Weile habe ich es sogar geschafft, dass mir endlich ein Drink gemixt wurde. Danach ging die allgemeine Laune größtenteils bergauf. Ich wollte mich immer mal wieder erkundigen, wie es den anderen so erging. Doch Matt hat mir an diesem Abend wohl bis zuletzt nicht so ganz verzeihen können, seine einzige Antwort war: „Frag sie doch selbst, du musst viel wieder gut machen".

„Hey, Y/n. Abgesehen davon, dass ich dir noch nicht verzeihen werde, muss ich dir dennoch etwas über Caroline sagen. Ich kann mir gut vorstellen, dass sie sich über deinen Besuch freuen würde. Sie hat es in Moment am schwersten von uns allen. Gerade sie wird von vielen von uns gemieden, vielleicht kannst du sie als enge Freundin ein wenig aufheitern". Ich konnte irgendwie nicht glauben, was ich da von Matt zu hören bekommen habe. Ob das wohl meine Schuld war, weil ich verschwand? „Und du meinst ich soll sie zuhause besuchen und einfach darauf hoffen, dass sie so sentimental auf mich zusprechen ist, dass sie mir nicht sofort die Tür vor die Nase knallt?", ich sah Matt skeptisch an.

„Morgen soll eine kleine Lagerfeuerparty stattfinden. Ich könnte versuchen sie einladen. Dann hast du eine Möglichkeit mit ihr zu reden". Ich sah Alaric an und fand seine Idee gar nicht so verwerflich. Ich bin zwar ein bisschen mit reingezogen worden, aber wenigstens kann ich dann immer abhauen, falls es ein bisschen brenzlich wird. Ich bedanke mich bei ihm: „Ich werde es versuchen. Das ist schon mal besser als eine gebrochene Nase zu bekommen. Danke, Mr. Saltzman" „Du kannst mich gerne Alaric nennen. So wie es aussieht bist du mit den anderen ganz gut befreundet. Heißt, wir werden uns wahrscheinlich öfters wiedersehen". Ich hob eine meiner Augenbrauen und sah zu Matt. Ich dachte Alaric wäre nur ein einfacher Lehrer, mich überrascht, dass er anscheinend so gut mit den anderen befreundet ist. Matt klärte mich auf: „In deiner Abwesenheit sind die Gilberts gestorben. Ric wohnt bei Elena und Jeremy".

Ich sah auf die verschiedenen Spirituosen an der Wand auf den Tresen. Elenas Eltern sind gestorben? Ich hätte wissen müssen, dass die Zeit hier ohne mich nicht einfach stillstehen wird. Doch in dieser Kleinstadt ist nie etwas geschehen. Jeder Tag war wie der davor.

Danach war ich bereit langsam heimzugehen. Matt ging wieder ins Hinterzimmer, um den Laden dicht zu machen. „Ich bedanke mich, dass ich mit dir Trinken durfte, Alaric", ich lächelte ihm zu. Es war wirklich nicht so schlimm, wie ich es mir erstmals vorgestellt hatte. „Y/n, ich begleite dich nach draußen. Matt wird eh in den nächsten Minuten schließen", Alaric erwiderte das Lächeln und stand langsam vom Barhocker auf. Und uff… Er sah wirklich nicht gut aus, vielleicht haben wir es ein bisschen zu übertrieben.

Wir gingen durch die Eingangstür und ich spürte, wie angenehm kühl es geworden war. „Wie kommt es, dass man dir den Alkohol gar nicht ansieht?", interessierte sich Alaric. Ich zuckte mit den Schultern: „Hohe Toleranzgrenze". „Weißt du, ob Elena oder Bonnie auch auf der Lagerfeuerparty dabei sein werden?" „Wahrscheinlich suchen sie mit Stefan zusammen weiter nach Damon", entgegnete er mir. Doch bevor ich ihn fragen konnte, wer Stefan und Damon sind, kam Matt und bestand darauf Alaric zu fahren. Ich andererseits wollte noch etwas das angenehme Wetter genießen. Also verzichte ich darauf nachzufragen, ich werde noch viele weitere Gelegenheiten ergattern, es zu erfahren.

Da bin ich, nach Jahren wieder zurückgekehrt in mein altes Elternhaus. Ich habe es nie wieder betreten, nachdem ich erfuhr, dass ich adoptiert wurde. Wenn ich so darüber nachdenke, habe ich mit keinem darüber gesprochen und dies war das letzte, bevor ich Mystic Falls verließ. Meine Adoptiveltern waren nach meinem 14. Lebensjahr sowieso nur selten zuhause. Sie haben sich schon vor einer längeren Zeit auseinandergelebt. Sie wollten mich beide jeweils in ihr neues Glück mitnehmen. Doch ich entschied mich dafür hier bei meinen Freunden zu bleiben. Danach bekam ich das Familienhaus und die Lockwoods, meine Nachbarn, sorgten sich gelegentlich um mich. Ich konnte mich damals selbst mit Tyler ganz ordentlich verstehen.

Ich sah mich in dem Haus um. Alles stand noch genauso, wie ich es vor rund 2 Jahren verlassen hatte. Es wirkte so, als ob meine Adoptiveltern in den vergangenen Jahren nicht nochmal nach Mystic Falls zurückkehrten, um mich zu besuchen. Als ich durch das Wohnzimmer ging, erhob ich meine Hand und wischte über die Oberflächen der Schränke. Ich sah, dass es in meiner Abwesenheit sehr staubig geworden war. Das wird wohl viel Arbeit für mich werden. Ich legte mich auf das Sofa und machte den Fernseher an. Es liefen die Nachrichten. Ich sah, wie die Nachrichtensprecher einen Tierangriff nach dem anderen beschrieben. Seit wann gibt es hier so große Probleme mit Tierangriffen? Außerdem zeigen sie, wie stark die Angriffe, besonders in den letzten Wochen gestiegen sind. Ich hatte echt keine Ahnung, wie gefährlich Mystic Falls geworden ist.

Als ich den Fernseher wieder ausschaltete und die Fernbedienung auf den kleinen Kaffeetisch stellte, bemerkte ich eine Unebenheit unter der Tischdecke. Also entfernte ich sie und sah darunter einen Brief, adressiert an mich, Y/n L/n. Ich drehte den Brief um und sah den Absender: „Vanessa Taylor". Vanessa ist meine Mutter. Doch warum adressiert sie einen Brief an mich mit meinem richtigen Nachnamen. Ich habe nie von ihnen erfahren, dass ich ihre Adoptivtochter bin. Ich zögerte. Möchte ich diesen Brief überhaupt öffnen? Ich lag ihn erstmal zur Seite und ging in die Küche, um mir einen warmen Tee zu machen.

Dann hörte ich, wie die Klingel der Eingangstür läutet. Wer würde um 2 Uhr morgens vor meiner Tür stehen? Ich stellte meinen Tee auf den Küchentisch und ging geradewegs auf die Eingangstür zu. Ein paar Meter vorher stoppte ich und nahm eine Stimme wahr: „Ist jemand da drin? Ich muss mich entschuldigen, wenn du dir vorgestellt hast, dass du in ein leerstehendes Haus einbrechen kannst. Das Haus gehört aber einer guten Freundin und ich dulde keine Einbrecher!" Ich öffnete reflexartig die Tür und konnte mir kein Grinsen verkneifen. „Sehe ich für dich so aus wie ein Einbrecher?", schmunzelte ich Tyler entgegen. Sein Blick konnte ich mir nicht geschockter vorstellen. Er stand einfach gerade und aufrecht dort. Kein Baseballschläger oder ähnliches, um sich vor dem „Einbrecher" zu schützen. „Womit willst du mich nun vertreiben?", fügte ich hinzu und weise auf seine Hände hin. Paar Sekunden verstrichen, als sich sein Gesichtsausdruck änderte und ich ihm umarmte. Es gibt wohl doch noch Menschen, die mir positiv gesinnt sind.

Als ich mich von ihm löste, drehte ich mich um und hüpfte wieder zur Küche. Von dort aus schrie ich ihm zu: „Ich habe mir gerade einen Tee gemacht und habe hier eine große Auswahl von Teesorten, welchen möchtest du haben?". Ich hörte aber nicht, wie sich die Eingangstür hinter Tyler schloss, geschweige das er überhaupt reinging. „Heißt das, ich darf reinkommen?", fragte er zögerlich. Ich blieb eine Weile stehen, bis ich wieder in den Flur ging und Tyler irritieren anblickte: „Habe ich es dir jemals verboten?" Doch er machte nicht den Anschein, als würde er mir Gesellschaft leisten wollen. Er stammelte irgendwas vor sich hin, als ich mich entschied meine Jacke zu nehmen und ihm draußen beizuwohnen.

Ich schloss die Tür hinter mir und lief ein paar Meter. Von dort aus winkte ich Tyler zu: „Ich wusste gar nicht, dass du so schüchtern geworden bist! Ich bin immerhin immer noch deine Freundin Y/n!" Er lief zu mir und von dort aus gingen wir in einem gemäßigteren Tempo weiter. „Gehst du morgen auch zur Lagerfeuerparty?", fragte ich ihn, bevor er selbst irgendetwas fragen konnte. „Woher weißt du von der Party?" „Ich habe so meine Kontakte", zwinkerte ich ihm zu: „Ich habe es von diesem neuen Lehrer erfahren, Alaric Saltzman hieß er". „Du kennst Mr. Saltzman?" Sowie es scheint, ist Alaric schon recht gut bei meinen Freunden verwurzelt.

Ich blickte hinauf zum Mond und streckte meine Hand aus, als könnte ich ihn berühren. „Es tut mir leid, dass ich Mystic Falls so plötzlich verlassen habe-" „-und das du dich nie gemeldet hast" „Ja, deswegen auch", ich löste meinen Blick vom Mond und sah Tyler nun in die Augen: „Es tut mir wirklich leid, du musst mich nicht verstehen. Aber-. Kannst du mir irgendwann verzeihen?" Er sah mich eine Weile an. „Ich hatte auch viele Probleme in den letzten Tagen. Du musst dir keine Sorgen um mich machen, ich werde dir bestimmt mit der Zeit verzeihen", antwortete er. Ich sah ihn an und lächelte: „Und die Frage mit dem Lagerfeuer?" „Ich hatte vor Care zu fragen, ob sie mitkommen möchte", erwiderte er. Mein Gesicht fing an zu strahlen: „Dann sehen wir uns morgen dort, für heute bin ich schon erschöpft. Sag Caroline nicht, dass ich komme-", ich umarmte ihn und begann meinen Rückweg. „Das wird eine Überraschung!", rief ich und winkte Tyler zum Abschied.

Auf meinem Rückweg dachte ich über vieles nach. Mich wunderte es, dass sich Tyler so seltsam verhielt. Vielleicht war er auch nur von meiner Rückkehr irritiert. Ich kenne ihn, seitdem ich mit Windeln scheißen aufgehört habe. Eigentlich war er immer sehr offen und zugänglich zu mir. Was sich wohl verändert hatte?