Kapitel 17 - Die Aufklärung
Mehrere Stunden zuvor…
„Wo willst du denn noch hin, Conan?", fragte Ran, als sie ihm neugierig durch das Anwesen folgte. Beide hatten sich nach dem Abendessen vorgenommen, einen erneuten Rundgang durch das Anwesen zu machen, da Conan sich um einiges Klarheit verschaffen musste. Nachdem sie sich kurzerhand im Foyer umsahen, fiel ihm wieder die Vase ein, um die er sich vor einigen Stunden beinahe den Kopf zerbrochen hatte.
„Hier war das doch, oder?", fragte Ran und zeigte auf eines der leeren Podeste, auf die die Vase möglicherweise gestanden hatte.
„Ich schau mal schnell unter dem Teppich nach, ja?", versicherte Conan und lief zum Ort, wo die Vase zuvor eigentlich zerbrochen sein müsste und sah unter dem Teppich nach.
„Nichts.", murmelte er.
Tatsächlich: der Boden war Blank. Keine Scherben und er vernahm auch nichts dergleichen, als Kogoro, wie der Tollpatsch der er war, die Vase aus Versehen umgestoßen hatte.
„Hast du schon irgendwas entdeckt?", fragte Ran und Conan fuhr erschrocken hoch, als er ihr Gesicht ziemlich nah an seinem spürte. Bloß keine Panik schüren.
„Ra-Ran, also äh… Nein, leider noch nichts, ehehe…", lächelte er und rieb sich verlegen am Hinterkopf. Ran blickte ihn für eine kurze Zeit verwirrt an, dann lächelte sie auch.
„Tja, dann lagen wir wohl falsch, was?"
„Sieht wohl so aus."
„Auch gut, wir haben noch genügend Zeit, um das Haus zu erkunden, also… Wohin würdest du noch hingehen?"
„Hmmm… wie wär's mit der Bibliothek.", schlug Conan vor.
„Mit der Bibliothek? Klar, warum nicht? Du interessierst dich doch auch für Bücher, oder?"
„Klar, hehehe…", murmelte er verlegen.
Woher wusste sie davon?
Ran klopfte zuerst ein paar Male an die Tür der Bibliothek. Als niemand antwortete, öffnete sie sie behutsam und beide warfen einen Blick hinein. Conan staunte nicht schlecht. Dieser kleine Raum besaß sicherlich fast die Hälfte seiner enorm großen Sammlung von Büchern im Kudo Anwesen, so dachte er jedenfalls, während sie sich beide im Zimmer umsahen. Conan erinnerte sich wieder an das Gespräch, dass Kogoro und der Besitzer dieses Hauses Yuzaki Ichigo geführt hatten.
„Nein, nein, dieser Raum ist auf keinen Fall spärlich. Es ist nur ein kleiner Teil von einem etwas größeren Raum, dessen anderen Teil wir allerdings geschlossen haben, weil es dort zu sehr geschimmelt hat. Die Entfernung dessen und die Reparatur der Leitungen haben wir erst letzten Monat in Auftrag gestellt. Seitdem steht dieser Raum leer, damit die Renovierung eintreten kann."
„Einen Monat, sagen Sie? Und warum ist bis jetzt dort nichts passiert?"
„Nun, wie soll ich sagen… die Renovierung hat sich zu sehr in die Länge gezogen und letztens ist uns sogar der Arbeitnehmer stark erkrankt, sodass wir die ganze Sache auf Eis legen mussten."
Jetzt sah er es auch. Auf dem Zweiten Blick schien es so, als sei das Zimmer in zwei Teile geteilt und durch einen Schrank getrennt worden. Ran sah sich währenddessen die ganzen Reihen von Büchern an und nahm eines der Bücher aus den Fächern heraus.
„Sieh mal her, Conan. Ich glaube, ich habe etwas, was dich interessieren würde.", antwortete sie.
„Na, was denn?"
„Du interessierst dich doch auch für Sherlock Holmes, oder?"
„Wa-?"
Was war denn das für eine Antwort? Nein, das war wahrscheinlich nur purer Zufall.
„Ach nein, ich mach nur Witze. Das erinnert mich nur an jemandem, deswegen dachte ich…", sagte sie verlegen und unterbrach sich im Satz, als sie verzweifelt versuchte das Thema zu wechseln.
„Ran…", murmelte er gedankenverloren. Nein, jetzt ging es darum, mehr über dieses Anwesen in Erfahrung zu bringen. Conan schüttelte den Kopf und warf einen Blick auf den mit Büchern gefüllten Schrank vor ihnen, der sich hinter dem Sessel gegenüber der Zimmertür befand. Es sah ziemlich alt aus, so als hätte es mehrere Jahrzehnte da gestanden und vor sich hin gemodert. Wieder erinnerte er sich an das Gespräch davor.
„Das geht nicht, der Schrank hinter mir hängt fest. Ihn jetzt wegzubewegen, würde den Schiebemechanismus da oben beschädigen. Wir warten derzeit immer noch auf Reparaturen."
„Wirklich und das seit einem Monat schon?"
„Seit einem Monat, ja.", hatte Yuzaki vor Stunden geantwortet.
Was denn für ein Schiebemechanismus? Conan musterte die obere Ecke an der Wand und bemerkte einen silbernen Hacken, der an der Seite der Wand herunterhing.
„Ran."
„Was ist?"
„Hilfst du mir kurz den Schrank zu verschieben? Es klemmt ein wenig."
„Klar.", antwortete sie und schloss sich ihm an.
Mit Vorsicht schoben sie langsam den Schrank und blickten durch den immer größer werdenden Spalt in die zweite Hälfte der Bibliothek hinein. Leer, hatte Yuzaki gesagt. So ganz leer nun auch wieder nicht, dachte Conan, als er den Inhalt des Zimmers betrachtete. Fünf weitere mit Büchern befüllte Schränke befanden sich an allen vier Wänden. An sich gab es an der Bibliothek nichts Auffälliges, dachte er und wandte sich rüber zu Ran, die sich wie er hier umsah.
„Der Boden ist ziemlich morsch. Hier ist wirklich niemand lange Zeit gewesen.", bemerkte sie, als sie hockend die Ecken und Kanten begutachtete.
Dann hatte Yuzaki nicht gelogen, als er sagte, dass dieser Raum ziemlich alt sei. Bei genauem Hinsehen merkte nach einiger Zeit, dass in einem der fünf Schränke etwas fehlte. Er ging zum jeweiligen Schrank, der sich rechts neben der Schiebetür befand und musterte den Einband der Bücher.
„Conan?", sagte Ran, die seinem Blick gefolgt hatte.
„Irgendetwas stimmt hier nicht, soviel ist sicher.", murmelte mit ernster Miene.
Ran blickte ihn überrascht und neugierig an.
„Was denn?"
„Na, sieh dir mal den Bücherschrank an. Fällt dir da nicht etwas auf?", fragte Conan und lächelte herausfordernd. Ran stand auf und ging zu ihm, den Blick auf den Schrank vor ihnen gerichtet, während sie nach der Antwort auf seine Frage suchte.
„Nicht wirklich.", antwortete sie nachdenklich.
„Sieh dir die Einbände der Bücher genauer an und vergleiche sie doch mal mit den Büchern der anderen Schränke neben diesem hier."
Sie warf einen Blick auf die Einbände des Schranks und dann auf die der neben diesem. Nach einiger Zeit fiel es ihr doch noch auf.
„Oh… Ich glaube, ich weiß jetzt was es ist. Du meinst wohl…"
„Ganz genau, der Einband ist deutlich sauberer als die der anderen Schränke in diesem Zimmer. Das bedeutet, dass es nicht lange her ist, dass jemand diesen Raum betreten hat. Und nicht nur das."
Conan fuhr mit seinem Finger der Schrankaußenseite entlang und zeigte ihn Ran, die sich erneut hinhockte.
„Der Finger ist sauber.", fiel ihr auf, als sie seinen Finger betrachtete.
„Kann ich dich um etwas bitten, Ran?", fragte er plötzlich.
„Kla-klar doch."
„Kannst du mich hochheben?"
„Äh… ja natürlich. Aber warum?", sagte sie zögernd und nahm in auf Schulterhöhe.
„Will mir nur etwas anschauen, das is-"
Conan stoppte mitten im Satz, nachdem er die Bücher in der oberen Seite sah.
„Hast du schon etwas Wichtiges gefunden?", fragte Ran, doch er antwortete nicht.
Wie konnte das nur möglich sein? Der gesamte obere Teil des Schrankes war beinahe mit Spinnenweben und Staubansammlungen übersät. Normalerweise sollte auch dieser Bereich sauber sein, wenigstens ist es das, was man von einem Bewohner, beziehnungsweise einem Bediensteten erwarten würde. Doch jetzt blieben ihm nur noch zwei Möglichkeiten, die darauf zutreffen würden. Entweder die Bediensteten im Hause Ichigo hatten diesen Raum absichtlich übersehen, weil sie womöglich Angst wegen den merkwürdigen Ereignissen hatten, die sie erlebt haben, oder der Nutzer dieses Schrankes fokussierte sein Interesse explizit auf den unteren Teil. Oder aber…
„Conan, siehst du schon etwas? Du bist ehrlich gesagt ein wenig schwer geworden.", hörte er Ran hinter sich sagen.
„Oh, tut mir leid, ehehe… Ja, ich denke ich bin hier fertig.", antwortete Conan und lächelte verlegen.
Nein, dass sie einen Raum wie diesen betreten würde… aber da die Möglichkeit dazu wohl bestand, war es doch eine bessere Idee sich diesen Gedanken im Hinterkopf zu behalten, nur um sicher zu gehen.
Als Ran ihm langsam herunter half, bemerkte er beim hinuntergucken doch noch ein Detail, das ihm sofort ins Auge stach. Aus den Schrankritzen am Boden sah er etwas Kleines aufblitzen, womöglich eine Reflexion von der Sonne, die aus den Fenstern ins Zimmer hineinschien, was sofort sein Interesse weckte.
„Was ist…?"
„Huh?", murmelte Ran, als er von ihrem Arm auf den Boden hinuntersprang.
Doch bevor Conan genauer Hinsehen konnte, nachdem er wieder den Boden unter den Füßen spürte, wurde sein Interesse abgelenkt.
Ein lautes Klirren war zu hören und das Fenster gegenüber von ihnen zersprang in mehreren Einzelteilen.
„Was war das?", fragte Ran erschrocken.
Er sprang auf, um sich das Projektil anzusehen, das das Fenster zerstört hatte.
„Jemand hat einen mittelgroßen Stein da durch geschmissen.", sagte er, nachdem er sich den Ereignisort genauer angesehen hatte.
„Einen Stein?"
Conan blickte durch das Fenster, um den Täter zu ertappen, doch Fehlanzeige… Niemand befand sich auch nur im Entferntesten in der Nähe des Fensters. Er musterte seine Umgebung sorgfältig. Dann rannte er schnell zu den anderen Fenstern und öffnete sie.
„Unmöglich…", murmelte er.
„Hast du ihn schon gefunden?", fragte sie, doch Conan blieb still, immer noch nach einer Antwort suchend.
Nichts. Wie konnte das sein?! Hat jemand den Stein etwa durch eine weite Distanz geworfen? Nein, das konnte nicht sein, denn der Garten war nicht hoch genug, dass man sich dort verstecken könnte und außerdem war der Garten so großflächig, dass ein normaler Mensch so eine Distanz niemals hinkriegen könnte. Zusätzlich wäre es ziemlich unkomfortabel sich auf lauter Erde und Pflanzen hinzulegen. Irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht.
Plötzlich hörte er die Tür auf der anderen Seite aufgehen und eine Person betrat den Raum. Conan erschrak und versteckte sich instinktiv hinter dem Schiebeschrank, angespannt auf den neuen Besucher wartend.
„Wer veranstaltet hier so einen Lärm?"
Moment, ihm kam diese Stimme irgendwoher bekannt vor. Langsam kam er aus seinem Versteck heraus.
„Herr Ichigo?"
„Ach du bist es nur, Conan. Ich dachte schon, hier hat jemand eingebrochen."
Yuzaki schob den Schrank beiseite, hinter dem sich Conan versteckt hatte und merkte dabei, wie schroff die Schiebevorrichtung nach all der Zeit geworden ist.
„Na gut, mein Fehler. Ich hätte euch sagen sollen, dass man den Teil der Bibliothek nicht betreten darf. Da ihr aber jetzt schon hier seid, bringt das auch nichts mehr."
„Es tut uns schrecklich leid, Herr Ichigo. Davon wussten wir leider nichts.", entschuldigte sich Ran und verbeugte sich.
„Schon gut. Wie schon gesagt, habe ich vergessen es euch mitzuteilen."
„Wir haben ja aber auch nicht nachgefragt.", antwortete Conan frech und grinste. Yuzaki brach in Gelächter aus.
„Da habt ihr schon Recht… nun gut, aber trotz allem, Regeln sind Regeln. Dieser Raum ist immer noch unter Renovierung, deswegen darf man diesen noch nicht betreten, bis die Reparaturen abgeschlossen sind."
„Dürfte ich Sie noch etwas fragen?"
„Aber klar doch."
„Gab es irgendwelche Beschwerden bei der Erbauung dieses Gebäudes?"
„Ja, ich denke schon. Jetzt, wo du danach fragst… Damals vor mehreren Jahren kam ein Mann vorbei und hat behauptet, dieses Grundstück sei in seinem Besitz gewesen. Anscheinend wurde das Anwesen auf einem Platz erbaut, dass zu seinem Erbe gehören würde."
„Das heißt also, dass der Ort an dem dieses Anwesen erbaut wurde, womöglich Teil des Drohbriefes war, oder?", fragte Ran.
„Die Möglichkeit besteht. Aber hey, ihr seid mir ja neugierig. Wollt ihr Herrn Mori bei so einem kniffligen Fall wirklich unter die Arme greifen?", stichelte Yuzaki und grinste.
„Auf jeden Fall!", antworteten Ran und Conan gleichzeitig.
„Na schön…"
Yuzaki warf einen Blick auf das zerbrochene Fenster und seufzte.
„…das werden wir wohl später ersetzen müssen. Habt ihr den Stein…? Nein, blödsinn, das war dumm von mir. Vergesst es. Mein Fehler."
Bedeutete also, dass jemand ihre weitere Hinweissuche in der Bibliothek verhindern wollte, dachte Conan. Könnte es sein, dass der Täter gar nicht wollte, dass sie in erster Linie diesen Raum betraten?
—-
„Herr Mori, was ist mit Ihnen?"
„Herr Mori?"
„Hey Kogoro?"
„Keine Sorge, mir geht es gut. Lasst uns lieber über das Anwesen reden."
Er saß in der Hocke, an die Wand gelehnt und hatte den Kopf gesenkt. Conan stand neben ihm und hatte seinen Stimmentransposer in seiner Fliege eingeschaltet. Der Schlafende Kogoro konnte endlich wieder in Aktion treten.
„Oh, das ist doch nicht…"
„Der Meisterdetektiv, der seine Fälle wortwörtlich im Schlaf löst."
„Ich bitte Sie um Ruhe, meine Damen und Herren.", antwortete Kogoro und wartete, bis sich die Gespräche um ihn herum gelegt haben. Er räusperte sich.
„Dankeschön. Bevor wir anfangen, dürfte ich Sie nach etwas bitten?", fragte er. Inspektor Megure und Takagi sahen ihn verwundert an.
„Ja natürlich, aber was soll es denn sein?", wollte Megure wissen.
„Nun, es nichts wirklich besonderes, nur ein Stift und ein Blatt Papier, welches jedoch nur für später benötigt wird."
„Schon zur Stelle, Herr Mori.", sagte Takagi und holte beide Sachen aus seiner Polizeiuniform heraus.
„Behalten Sie es für sich, ich habe noch nicht angefangen."
„Ach so."
„Also gut. Wie wir alle wissen, wurde der Familie Ichigo vorgestern ein Drohbrief eingeschickt, welches offensichtlich vom Täter stammt. Könnte ihn bitte jemand deutlich vorlesen?"
Yuzaki hob die Hand und las den Drohbrief vor.
„'Meine letzte Warnung geht an die Familie, die mich und meine Anmerkungen ignoriert und ins Lächerliche geschändet haben. Möget ihr bis ins letzte Jahrhundert zu eurem wohlverdienten Ende kommen.' So steht es hier geschrieben."
„Herr Ichigo, soweit ich von Conan gehört habe, gab es vor mehreren Jahren ein Vorfall, wo ein junger Mann sich bei Ihnen beschwert hatte, mit der Behauptung, dass das Grundstück grundsätzlich zum Erbe seiner Familie gehörte. Da jedoch keine Beweise für besagte Behauptung bestand, wurde diese entkräftet und besaß somit keinen signifikanten Wert."
Keinen signifikanten Wert…? Der Täter in Schwarz kochte vor Wut. Doch ein Blick auf die Person neben ihm verriet ihm, er sollte lieber Ruhe bewahren, sonst würde der gesamte Plan seiner Vergangenheit sich in Luft auflösen. Und gerade vor ihr sollte er sich erst recht in acht nehmen. Bis jetzt lief alles noch gut.
„Richtig.", antwortete Yuzaki.
„Gut, fahren wir mit der Zusammenfassung fort. Mehrere Jahre später nach seinem Besuch ereignete sich vor ein paar Tagen folgendes: Der Familienkonzern Ichigo Corporations, genauer gesagt der Sohn des Konzernleiters Fumiyoka Ichigo erhielt einen Drohbrief von einem anonymen Absender. Natürlich wurde der Brief ernst genommen und ich wurde von dem Leiter des Konzerns Yuzaki Ichigo beauftragt, diesen Fall aufzuklären. Bei genauer Analyse des Drohbriefes stellte sich heraus, dass der Autor es auf einen Vorfall vor 30 Jahren beabsichtigt hatte. Im besagten Vorfall handelt es sich um eine Brandstiftung, bei dem der Vater von Herrn Ichigo, Kentaro Ichigo tragischerweise ums Leben kam. Der Fall wurde von seiner zukünftigen Ehefrau aufgeklärt, die sich jedoch zur Zeit nicht hier befindet. Der Täter war ein Bruder seines Bekannten, der ihm zuvor bei der Leitung des Unternehmens unter die Arme gegriffen hat."
„Das bedeutet also, das der Täter es absichtlich auf diesen Fall ankommen ließ, richtig?", fragte Yuzaki.
„Genau. Kommen wir zur Beschwerde vor einigen Jahren zurück. Herr Ichigo?"
„Ja?", antwortete er und trat hervor.
„Ich weiß, es ist schon lange her, aber können Sie sich noch an das Gesicht und den Namen der Person erinnern?"
Yuzaki rieb sich nachdenklich das Kinn.
„An das Gesicht nicht, aber seinen Namen weiß ich noch."
„Und wie hieß der Mann?"
„Ein gewisser Uesaki Wakuta, glaube ich."
„Sind Sie sich da ganz sicher?"
„Ja, warum fragen Sie?"
„Weil sich genau dieser Mann im Moment sich unter uns befindet."
„Was?!", riefen alle, die sich um ihn versammelt hatten. Yuzaki war sprachlos. Alle Augen waren auf den schlafenden Detektiv gerichtet.
„Und sie sind sich da ganz sicher, Herr Mori?!", rief der Inspektor.
„Natürlich, nach allem was passiert ist, hat er natürlich die Explosion hervorgerufen und alles so eingefädelt, wie ich es Ihnen gleich darbringen werde. Gehen wir den Tathergang noch einmal durch. Am Abend, während ich mit Herrn Fumiyoka Ichigo einen Ausflug machten, hatte der Täter die Bombe im Sicherheitsraum schon präpariert und ließ sie bei unserer Ankunft hochgehen, das ist schon mal klar. Das bedeutet auch, dass der Täter entweder selbst die Schlüssel zum Raum hatte, was den Kreis der Verdächtigen um Zwei einschränken würde, da nur Herr Okita und Herr Kozuharu für die Schlüssel zuständig waren, oder der Täter besaß keine Schlüssel und hat sie sich bei einem der zwei Männern ausgeliehen bekommen. Eine weitere Frage an Sie, Herr Ichigo. Sie scheinen ja viele Bediensteten um sich zu haben. Können Sie sich an jedes Gesicht und den dazugehörigen Namen erinnern?"
„Ja, das kann ich zum Großen Teil."
„Gut, das reicht mir. Dann hätten Sie auch nicht bemerkt, wenn sich jemand davongeschlichen haben sollte, als Sie uns am Mittag willkommen hießen und uns zum Essen einluden, oder?"
Yuzaki warf erneut einen scharfen Blick auf seine Angestellten.
„Leider nein."
„Sehen Sie? Genau das meine ich. Da alle Augen auf Sie und mich gerichtet waren, nutzte der Täter diese Chance und begab sich zum besagten Sicherheitsraum um dort die Bombe zu präparieren."
„Das kann nicht sein.", antwortete Fumiyoka und ballte angespannt seine Hände. Irgendwas musste ihn aus dem Konzept gebracht haben.
„Wie bitte?", antwortete der schlafende Kogoro.
„Dann müsste die Bombe doch gleich sofort hochgegangen sein, oder?"
„Wie schon erwähnt, der Täter hat die Bombe so präpariert, dass sie bei einem Auslöser hochgehen würde, sonst würde die Explosion ihn und uns in die Luft jagen."
„Und was war der Auslöser für die Bombe?"
„Ist es Ihnen denn nicht aufgefallen? Was haben Sie kurz vor der Explosion getan?"
„Ich habe Ihnen beim Kotzen geholfen, ist doch klar."
Hä? Conan warf einen Blick auf den Stümperdetektiven und lächelte schief. Das hatte er mehr oder weniger schon erwartet.
„Nein, Sie Blödmann. Denken Sie nach. Was taten Sie, als Sie gemerkt haben, dass das Tor verschlossen war?"
„Ich habe in meiner Jackentasche nach dem Schlüssel gesucht. Gefunden habe ich leider nichts, also entschloss ich mich stattdessen im Anwesen anzu… ruf-…"
Fumiyoka ging in all seiner Verzweiflung in die Knie und starrte wie gebannt zu Boden.
„Fumiyoka…", murmelte Yuzaki und sah seinem Sohn schweren Herzens zu, wie er seine Finger in der Erde vergrub.
„Haben Sie es bemerkt? Ganz richtig, Sie Fumiyoka haben die Bombe ausgelöst. Ohne es zu wissen natürlich.", antwortete Conan kühl.
„Fahren wir fort. Als Sie ausgesagt haben, Herr Ichigo, meinten Sie, dass Ihnen ein merkwürdiges Quietschen und Piepsen von der anderen Seite der Leitung aufgefallen ist, nicht wahr."
„Ja, das ist richtig."
„Was genau denken Sie, könnte das gewesen sein?"
„Das kann ich nicht genau sagen."
„Sehen Sie sich doch erst einmal die Rohre an der Decke an. Fällt Ihnen da nichts auf?"
Alle blickten hoch und entdeckten dort ein paar offene Rohre, die nach der Explosion von der Deckenwand hervorragten.
„Worauf wollen Sie hinaus?", fragte Herr Okita misstrauisch.
„Warten Sie doch. Sehen Sie, wohin das Rohr führt?", antwortete Frau Botan und zeigte mit dem Finger auf den Boden.
„Ich kann Ihnen nicht ganz folgen…"
„Es ist simpel. Erinnern Sie sich noch an das, was Herr Ichigo gesagt hat? Was piepst und ist klein genug, dass es durch so ein Rohr passen kann?", fragte Kogoro.
„Klein…?", wiederholte der Inspektor und rieb sich am Kinn.
„Etwas, das piepst… Ich hab's! Es könnte doch so etwas wie eine Maus oder eine Ratte gewesen sein, oder?", antwortete Takagi und schnippte mit dem Finger.
„Ganz genau! Der Täter hat sich einen Zeitmechanismus mithilfe von einem Anrufauslöser und einer Mausefalle gebastelt. Deswegen hat es auch eine Weile gedauert, bis die Explosion stattgefunden hat. Sehr clever vom Täter, denn somit würde er damit alle diesbezüglichen Beweise samt Tatwaffe aus dem Weg räumen, ohne selbst etwas dazu tun zu müssen."
„Und was ist mit den Stimmen, die jeder der Tatverdächtigen gehört hat, bevor die Bombe hochging?", fragte Inspektor Megure.
„Auch das lässt sich erklären. Ich kann leider nur spekulieren, aber sicher ist, dass er mehrere Mikrofone an der Kleidung der Bediensteten angebracht hat und sie somit einer nach dem anderen nach draußen gelockt hat, um sie anschließend zu betäuben und sie so zu „evakuieren". Und da sich zu dieser Zeit nicht viele Bedienstete und Familienmitglieder wie auch meine Tochter und der kleine Conan im Anwesen befanden, hätte er auch genügend Zeit dafür. Warum? Weil er wusste, dass ich und Herr Ichigo nach Hause kommen würden, doch dies ist nur eines der Gründe für sein eigentliches Ziel."
„Sein eigentliches Ziel? Sollte der Täter nicht auf den Tod der Familie aus sein?", wollte Herr Kozuharu wissen.
„Das habe ich am Anfang auch vermutet, aber dann habe ich mir den Drohbrief genauer durchgelesen. Da stellt man sich natürlich die Frage: Wurde der Drohbrief wirklich vom Täter gemacht?"
„Sie meinen doch nicht…?"
„Oh doch! Wenn man sich den Drohbrief durchliest, steht zwar, dass er sich an die Familie rächen will und ihnen damit droht, dass sie dasselbe Schicksal erleiden, wie im Brandfall vor 30 Jahren, doch wenn man sich das Ergebnis ansieht, kommt man auf den Schluss, dass nicht der eigentliche Täter derjenige gewesen ist, der den Brief geschrieben hat, sondern jemand anderes, ein Komplize, wenn ich mich nicht täusche. Das bedeutet, dass dem Täter im letzten Moment das Gewissen geplagt hatte und er, ohne dass sein Komplize davon wusste, sich kurzerhand entschied, die Insassen doch noch zu evakuieren und das gerade noch rechtzeitig, sonst wären Sie alle in diesem Moment jetzt nicht hier."
Natsume stockte. Sie hatte ihn ziemlich stark unterschätzt. Sie schluckte. Keine Panik, noch ist nicht alles verloren, dachte sie sich. Aber dass er darauf kommen würde…
„Wir bleiben beim Täter… Das Ergebnis steht schon fest. Dann stellt sich doch die Frage: War die Familie wirklich sein eigentliches Ziel von Anfang an?"
„Dann lag sein Fokus nicht auf der Familie, sondern auf das Anwesen selbst, nicht wahr?", fragte Takagi.
„Gut kombiniert, Herr Takagi. Da dies feststeht, macht alles zuvor besprochene auch nun einen Sinn. Sein eigentliches Ziel war die Abreißung des Anwesens, genauer gesagt die Wiedererlangung dieses Grundstücks. Normalerweise geht dieser Prozess rechtlich und diplomatisch vor, jedoch hat der Täter aus einem unbekannten Grund den gewaltätigen Weg genommen, um das Grundstück an sich zu reißen. Ich schließe daraus, dass er aus Rache agiert hat und somit der Familie sozusagen eins auswischen wollte. Rache an sich ist etwas Schlimmes, das Menschen blind macht. Nicht wahr…"
Conan warf einen siegessicheren Blick auf die Verdächtigen.
„Ich habe doch Recht, oder, Herr Masaharu Okita! Ganz recht, Sie sind der Täter!"
Alle wandten sich staunend zu Herrn Okita um. Fumiyoka blickte angespannt zu Boden.
„Das kann nicht sein…", murmelte Herr Kozuharu überrascht.
„Wie bitte?! Wie könnte ich denn der Täter sein?", rief Herr Okita empört.
„Ja, genau! Wie sollte er die Tat begannen haben, wenn er auch nach draußen gelockt wurde?", fragte Frau Botan.
„Das hat er zwar ausgesagt, aber… Haben Sie einen Beweis dafür? Waren Sie dabei, als er das Gebäude verlassen hat?", wollte der schlafende Kogoro wissen.
„N-Nein…"
„Doch keine Sorge, am Anfang hatten Sie doch noch ein gewisses Alibi, denn das was Sie über das Abschließen des Eingangstors gesagt haben, stimmt, da erst kürzlich auf dem Schlüssel Ihre Fingerabdrücke festgestellt wurden. Dann mussten Sie nur noch Herrn Kozuharu beschäftigen, der genauso wie Sie zum Schlüsseldienst gehörte. Doch das ist nicht der einzige Beweis. Nehmen wir die Telefone als Beispiel: Conan, ich habe dich aufgetragen Herrn Ichigo zu fragen, ob er den Bediensteten über unserer Ankunft bescheid gegeben hat. Was hat er denn dazu geantwortet?"
Conan wandte sich ab von seinem Stimmentransposer und blickte grinsend auf die Anwesenden.
„Sie sagten mir doch, dass sie den Bediensteten vorher eine SMS geschickt haben, oder?"
„Genau.", antwortete Yuzaki. Conan kehrte ihnen wieder den Rücken zu.
„So, so… dürfte ich fragen, wann genau Sie die abgeschickt haben?", fragte der schlafende Detektiv.
„Ja, das müsste gestern vor dem Mittagessen um 10 Uhr gewesen sein."
„Um 10 Uhr, also… Nun, was die SMS angeht, ist Ihnen schon aufgefallen, dass es trotz der angebrochenen Wand an der Außenseite keine Verbindung besteht?"
„Wie?", fragten Inspektor Megure und Takagi gleichzeitig.
„Wenn ich mich recht entsinne, müsste so ein spezieller Raum mit so einer Technologie ausgestattet sein, oder?", fuhr Conan mit Kogoro's Stimme fort.
„Ja, Sie haben recht. Hier habe ich keinen Empfang, das heißt Telefonieren und SMS schicken funktioniert hier nicht.", sagte Frau Botan, die ihr Handy herausgeholt hatte und einen Blick auf die Drei Empfangsbalken im Display warf, die allesamt leer waren.
„Und als die Nachricht abgeschickt wurde, haben Sie alle die Benachrichtigung bekommen, richtig? Das haben wir ja auch bemerkt, schließlich waren ja auch alle vorbereitet."
„Was soll das jetzt heißen?", antwortete Herr Okita wütend.
„Von Ihnen ganz zu schweigen, Herr Okita. Sie haben ja ein Zimmer gehabt für welches Sie zuständig waren, nicht wahr?", fragte Kogoro.
„Natürlich ha-"
Er hielt inne.
„So wie ich sehe, haben Sie es auch verstanden. Da Sie zu dieser Zeit wohl damit beschäftigt waren den Auslöser und die Bombe zu installieren, haben Sie wohl nicht bemerkt, dass Sie eine Benachrichtigung auf Ihrem Handy bekommen haben sollten. Das beweist auch die Unordnung im Gästezimmer, für das Sie zuständig waren. Und noch etwas ist mir aufgefallen… erinnern Sie sich noch am Morgen gestrigen Tages, wo wir Sie, Herrn Kozuharu und Frau Botan kennengelernt haben?"
Herr Okita schwieg.
„Sie waren überrascht, dass ich aufgetaucht bin. Nicht nur, weil ich als bekannter Detektiv da war, um den Fall aufzuklären, sondern auch, weil Sie mich gar nicht erst erwartet hatten, sprich: Sie wussten nicht, dass ich eingeladen wurde."
„Deswegen also?", fragte Herr Kozuharu verwirrt.
„Dazu kommt noch der Fakt, dass Ihr Handy, Fumiyoka, von Ihrem Vater mitgenommen wird, damit die Telefonnummer aus privaten Gründen geändert werden kann. Als Sie und Conan, mit Ran und Anya bei Herrn Okita waren, hat dieser behauptet selber sein Telefon nicht finden zu können. Der Grund warum erklärt sich auch von selbst, wenn Sie alle mir zuvor zugehört haben. Jedenfalls, wenn es stimmt, dass die Telefonnummer alle 24 Stunden um Mitternacht geändert wird, dann hat der Täter gerade noch rechtzeitig gehandelt und hat sich, womöglich durch besagten Komplizen, Ihre geänderte Nummer in Erfahrung gebracht. Dadurch konnten Sie per Telefon ohne Absicht die Bombe zünden, noch bevor sie geändert wurde. Wir kamen um ungefähr 23:15 hier an, richtig?"
„Warum…?", murmelte Fumiyoka und blickte Herrn Okita enttäuscht an.
„Ich weiß nicht wovon Sie reden, Herr Detektiv. Es könnten genauso gut andere dasselbe begangen haben. Und außerdem gibt es keine Beweise für mein Motiv, oder irre ich mich da etwa?", verteidigte er sich.
„Einen Beweis für Ihr Motiv? Schön, dass Sie es ansprechen, denn jetzt kommt das Blatt Papier und Stift ins Spiel."
„Was?"
„Dachten Sie etwa ich komme unvorbereitet hierher? Nun, denn… Herr Yuzaki Ichigo, dürfte ich Sie bitten, den Namen Masaharu Okita auf das Blatt Papier zu schreiben?"
„Das ist alles?", fragte Yuzaki verwirrt und ließ sich von Herrn Takagi beides in die Hand geben.
„Tun Sie es einfach, ja?"
„Na gut."
„So, ich bin fertig, Herr Mori.", antwortete er ein paar Sekunden später.
„Gut, dann schreiben Sie den Namen des Freundes Ihres Vaters darunter."
„Ja."
Mit Verwunderung sahen Herr Kozuharu, Frau Botan, Fumiyoka, Natsume, Frau Ogari, Herr Takagi und Inspektor Megure, wie sich Yuzaki's Gesichtszug kontinuierlich verschlimmerte. Dann blickte er vom Blatt auf und starrte Herrn Okita mit enttäuschter Miene an.
„Was ist los, Vater?", rief Fumiyoka angespannt.
Yuzaki wurde es förmlich die Sprache verschlagen.
„Ich bin mir sicher, Sie wissen was das bedeutet.", antwortete Conan.
„Lassen Sie mich mal sehen.", sagte Inspektor Megure und nahm das Blatt an sich.
„Donnerlittchen, die Schriftzeichen im Nachnamen sind ja identisch!"
„Sehr gut erkannt, Herr Inspektor. Vergleicht man die zwei japanischen Kanji aus seinem Nachnamen "Okita [沖田]" und die des Namen unter ihm "Wakuta [沖田]", erkennt man keinen Unterschied."
„Sie sind also Herr Uesaki Wakuta?", murmelte Yuzaki.
Niedergeschlagen blickte Herr Okita auf den Boden. Irgendetwas in ihm regte sich.
„Was hat das zu bedeuten, Masa?", sagte Fumiyoka verzweifelt und näherte sich ihm mit langsamen Schritten. Herr Okita antwortete nicht.
„Das Konzept von Rache selbst ist zwar auf den ersten Blick verlockend, kann jedoch tieftragende Folgen haben. Das Beste ist, wenn Sie sich ihrer Schuld eingestehen. Ich weiß, dass Sie genau wie alle anderen nicht wollten, dass jemand zu Schaden kommt.", sagte Kogoro.
Der Mann seufzte.
„I-Ich… ich hatte keine Wahl. Als ich vor 30 Jahren vom Vorfall hörte, war ich noch ein kleines Kind. Damals habe ich nicht verstanden, was wirklich passiert ist. Beim Tod meines Vaters im Gefängnis wollte meine Mutter meinen Vater so gut wie möglich ersetzten, was sie letztendlich auch in den Tod getrieben hatte. Aus Rücksicht mir gegenüber verschwieg sie sein Ableben. Sie leidete damals unter schwerwiegenden Depressionen, die für sie beim Tod meines Vaters unerträglich wurden. Erst dann, nachdem mich mein Onkel zu sich genommen hatte, verstand ich, was sie die ganze Zeit vor mir verstecken wollte. Der Mann, der das Haus vor 30 Jahren in Brand gesetzt hatte, war mein Vater. Ich war enttäuscht und entsetzt, doch was ich in Erfahrung bringen konnte, schockierte mich mehr als alles andere. Das alles tat er aus Rache an den Mann, der meinen Großvater mental und finanziell zerstörte. Herr Yuzaki Ichigo, woher glauben Sie wohl hatte Ihr Vater den Baustil, den er damals anwandte?"
„Was soll das heißen? Meinen Sie wohl, Sie könnten die Ehre meines Vaters beschuldigen?", antwortete Yuzaki gelassen, aber streng.
„Ich glaube, Sie sind uns noch eine Erklärung schuldig, Herr Wakuta.", forderte der Inspektor.
„Nun, mein Vater Masahiro und mein Onkel Haruto waren sich beide damals einig, den Baustil auf Geheiß meines Großvaters fortzuführen und schlossen sich freiwillig Ihrem Vater an. Gemeinsam mit ihm bauten sie das Anwesen, welches für die zwei Brüder alles bedeutete. Sie wollten, dass alles perfekt war, wie ein großartiges Meisterstück. Als dann bekannt wurde, dass Herr Ichigo unseren Baustil erweitern wollte, waren sie nicht so ganz begeistert von seiner Idee. Sie sprachen mit ihm und daraus entfachte sich ein Streit, bei dem sie sich aus dem Vertrag, den sie Herr Kentaro Ichigo unterzeichnen ließ, distanzierten."
„Davon hat er mir nie erzählt…", murmelte Yuzaki verwirrt. Herr Wakuta lachte leicht.
„Natürlich nicht. Immerhin war er damit beschäftigt, das Patent für den Baustil an sich zu reißen und ihn als seinen zu verkaufen, weil er damit erfolgreich wurde. Als die Brüder davon hörten, waren sie außer sich. Ich habe als Kind meinen Onkel oft genug murmeln hören, wie er sich für meinen Großvater einsetzen würde, der diesen Baustil mit harter Arbeit und langer Bedenkzeit erfunden hatte. Also passierte es: das Anwesen stand lichterloh in Flammen, ohne einen Ausweg nach draußen. Dieses Meisterwerk sollte als ein Grab für einen Lügner und Betrüger wie ihn dienen."
„JETZT REICHT ES! DU GEHST ZU WEIT, UESAKI!", rief Fumiyoka.
„Wieso? Bist du etwa traurig, dass ich unsere Freundschaft nur aus Rache aufrecht erhalten wollte?"
„DU HAST WAS? KOMM HER DU…"
„Beruhige dich doch, Fumiyoka!", rief Yuzaki und hielt ihn zurück, bevor er Herrn Wakuta noch die Augen auskratzte.
„So etwas hätte ich mir denken können, nach allem was mir Conan erzählt hat. Dann stimmt es also, dass Sie sich unter falschem Namen ins Gebäude als Bediensteter anstellten und damit Zugang zum Sicherheitsraum hatten.", antwortete Kogoro.
„Ja, es stimmt. Ich habe mich zwar Jahre lang darauf vorbereitet, doch mein Leben mit dieser Familie…"
„Es hat Sie davon abgehalten, richtig?"
„Genau… Ich habe meine Mission gehasst, bis ich begann unter anderem auch noch meinen Vater zu verabscheuen. Es fiel mir schwer mich überhaupt darauf mental einzustellen, um so eine Tat zu verüben. Als Sie, Yuzaki Ichigo, mich zum Ersten Mal hier aufnahmen, hatte ich nichts als Hass für Sie übrig. Doch Ihre Familie gab mir eine weitere Möglichkeit weiterzuleben…", sagte er, als seine Stimme langsam immer verzweifelter wurde und dem Schluchzen nahe war.
„Herr Wakuta…", murmelte Frau Botan.
„Ich verstand, was für einen Fehler ich begehen würde, wenn ich den Jahre alten Groll fortführe. Ich könnte ein besseres Leben führen und bis zu meinem Tod dieser Familie dienen…"
„Warum haben Sie das dann trotzdem getan?", fragte Kogoro.
„Was…?"
Plötzlich begann Herr Wakuta zu zittern, als wäre er aus Angst gelähmt, die Wahrheit zu sagen. Tausende Gedanken strömten durch sein Gehirn, während sich sein Atmungsrhythmus beschleunigte. Seine Augen weiteten sich.
„Ist alles gut bei Ihnen?", fragte der Inspektor.
Was war mit ihm los? Conan wandte sich von seiner Fliege ab und blickte auf den stillstehenden Herrn Wakuta. Dann begann der Mann langsam und vorsichtig zu reden.
„…, je-jedenf… jedenfa-falls dachte i-ich das…"
Der Mann schluckte und schien nach Luft zu schnappen.
„…bis sie kam."
Sie? Wen meinte er?
„Können Sie es uns weiter im Klartext erläutern? Sie sind hier in Sicherheit.", versuchte Conan mit Kogoro's Stimme zu beruhigen. Herr Wakuta blickte sich rasch um, als würde er nach dieser Person suchen, doch sie war verschwunden. Er verstand gar nichts mehr. Vielleicht könnte er doch noch mit dem Leben davon kommen, wenn er es ihnen hier und jetzt erzählen würde.
„I-In den ersten Wochen, wo ich angestellt war, also vor me-mehreren Jahren, lud sie mich zu einem Tee ein. Sagte, sie wolle nur mit mir ein Gespräch führen. Dann begann sie, mich auszufragen… Am Anfang da-dachte ich mir nichts dabei, bis die Fragen immer bizarrer wurden. Es war… Es war, als würde sie mich mit jeder einzelnen Frage eine Schale meiner Selbst ausziehen. Bis Sie mir die letzte Frage stellte…"
„Kennen Sie eigentlich die angeborene Leidenschaft des Menschen?", fragte sie.
„Nein, worauf wollen Sie hinaus?", antwortete er und nippte argwöhnisch am Tee.
„Es ist Liebe, Herr Okita."
„Liebe?"
„Liebe ist das, was einen Menschen voranteibt. Menschen erhalten Liebe und geben sie an andere Menschen weiter, verstehen Sie?"
„Ja, aber…"
„Was für ein Gefühl verspüren Sie, wenn Sie an ihre Vergangenheit zurückdenken?"
„An meine Vergangenheit?"
„Ich wurde misstrauisch und fragte…"
„Wer sind Sie, dass Sie mir so eine Frage stellen?"
„Das hat Sie nicht zu interessieren. Ich bin lediglich nur eine Angestellte, die sich für Neulinge wie Sie interessiert, nicht wahr, Herr Wakuta?"
Der Mann sprang vom Tisch auf und starrte sie mit angsterfüllten Augen an. Die Frau lächelte leicht.
„Woher-?"
„Setzten Sie sich. Mir geht es lediglich darum, wie Sie sich im Moment gefühlt haben, als Sie vor genau 14 Jahren vom Brand-Vorfall gehört haben, den ihre Mutter in den Selbstmord getrieben hat."
„Sie wissen davon?", antwortete er gänzlich erstaunt und ballte voller Anspannung die Hand.
„Ich wusste damals nicht, was ich tun sollte, also wollte ich aufstehen und sie totschlagen, doch bevor ich dies tun konnte…"
„Ich weiß, wie viel Hass Sie für mich hegen, da ich über dies und vieles mehr über sie informiert bin, doch ich verspreche Ihnen, dass sich Ihre Bemühungen lohnen werden.", sagte sie und nahm beruhigt einen weiteren Schluck aus ihrem Tee. Sie bückte sich auf die Seite und schien nach etwas unter dem Tisch zu greifen.
Wiiiiiieeee…
„Da war dieses Piepsen… Ich konnte mich nicht bewegen und ich hatte nicht die geringste Ahnung warum. Es war, als wäre ich bei ihrer Präsenz gelähmt."
Das war ja… das war ja fast, wie…
„Mit der Voraussetzung, dass Sie mit mir kooperieren. Haben Sie mich verstanden?"
„Na-Natürlich…"
„Also gut, ich wiederhole. Was für ein Gefühl verspürten Sie damals, als Sie herausfanden, wie Ihr Vater, sein Bruder und Ihr Großvater schamlos von dieser Familie durch den Dreck gezogen wurden?"
„Ich…"
„Weswegen sind Sie wirklich hier?"
Herr Okita ballte energisch seine Faust.
(Sag es ihr.)
„Was?", antwortete er überrascht.
Stimmen in seinem Kopf schienen über seinen Verstand Besitz zu ergreifen.
(Sohn, mach uns stolz. Tu es für uns, Uesaki. Für uns und für deinen Großvater.)
„Vater?", murmelte er.
„Was begehren Sie in diesem Moment? Geld ist es wohl kaum, habe ich recht?", sagte sie.
„Was will ich…?"
(Räche dich für uns.)
„Sie wollen doch nicht, dass der Tod Ihres Vaters umsonst gewesen war, oder?"
„Ich werde diesem Mann nie verzeihen… was er meiner Familie angetan hat."
„Ihre Mutter musste wohl ein schweres Schicksal erleiden… Depressionen, Verluste, Stress…"
„Mutter…"
(Wir lieben dich doch, Sohn. Lass deinen Vater nicht ohne einen Abschied zurück.)
„Ja…, S-Sie haben recht. Ich bin hier, um… um mich an dieser Familie zu rächen."
„Was werden Sie tun?"
Er zögerte eine Weile.
„Niederbrennen werde ich dieses Haus. Das hätten meine Eltern, mein Onkel und mein Großvater von mir gewollt.", brachte er zähneknirschend hervor.
„Schön. Ich heiße Sie herzlich willkommen, Herr Okita.", sagte sie und lächelte. Sie stand auf und kam ihm näher. Er blickte sie an, wie als würde er einer Göttin nahe stehen. Die Frau reichte ihm die Hand und er nahm sie entgegen.
„Wie eine Göttin?", wiederholte der Inspektor verwirrt.
„Diese Frau hat mir den rechten Weg gezeigt. Für sie würde ich ohne zu Zögern mein Leben geben. Das dachte ich jedenfalls, als ich sie zum ersten Mal sah. Ich wusste damals nicht mehr ein und aus und habe mich deswegen so verzweifelt an eine Lösung geklammert. Alles kam so schnell auf mich zu. Ich hatte Angst. Angst, der Plan könnte doch noch letzten Endes erfolgen und Sie alle umbringen.", antwortete Herr Wakuta und starrte mit hängendem Kopf zu Boden. Tränen liefen über sein verzweifeltes Gesicht und plitschten auf den Boden. Er wischte sich seinen Arm über das Gesicht.
„Es gibt eine Möglichkeit, dies wieder gut zu machen, Herr Wakuta.", antwortete Kogoro und brach die Stille. Der Mann blickte in seine Richtung.
„Die gibt es?"
„Man nennt es sich entschuldigen. Dass Sie Ihre Schuld eingestehen, ist schon ein Fortschritt für sich. Es mag nicht viel sein, wenn man bedenkt, was Sie getan haben, aber auch eine simple Entschuldigung kann Wunden heilen, wenn sie von Herzen kommt."
Uesaki zögerte. Dann nickte er.
„Sie haben recht…, ich danke Ihnen."
Er wandte sich zu Yuzaki und Fumiyoka um und verbeugte sich.
„Es tut mir schrecklich leid, Herr Ichigo."
„Erheben Sie sich bitte, Herr Wakuta.", sagte Yuzaki.
Im Moment, wo sich Uesaki erhob, landete eine Schelle direkt auf seinem Gesicht. Überrascht taumelte er einige Schritte zurück, bevor er unsanft auf dem Boden landete. Alle starrten auf den Mann, der den Schlag gelandet hatte.
„Fumiyoka!", rief sein Vater empört.
„So, ich denke, das wär's erst einmal getan.", antwortete der Sohn mit einem wütenden Gesichtsausdruck. Herr Wakuta rieb sich währendessen an der Stelle, wo der Schlag gelandet war.
„Schätze wohl, ich hab's verdient.", sagte er und lachte schwermütig. Er blickte vom Boden auf, als eine Hand nach ihm ausgestreckt wurde. Es war Fumiyoka's Hand.
„Fumiyoka, was…"
„Tut mir leid, dass ich dir eine geklebt habe…, was du über meinen Großvater gesagt hast, hat mich nur wütend gemacht.", sagte er und half ihm beim Aufstehen.
„Entschuldige."
„Schon gut, schließlich war niemand in Lebensgefahr."
Beide lagen sich in den Armen, bis Inspektor Megure wieder die Aufmerksamkeit auf sich zog, als er sich räusperte.
„So schön die Situation auch sein mag, das schützt Sie nicht vor dem Urteil, Herr Wakuta. Sie sind hiermit verhaftet aufgrund von Brandstiftung. Wenn Sie bitte mit zu uns in die Polizeistation kommen dürften…?"
Herr Wakuta seufzte.
„Das war's dann wohl.", sagte er und ließ Fumiyoka los. Von hinten konnte er schon das Klingen der Handschellen hören, die aus dem nächstgelegenen Polizeiwagen geholt wurden.
„Und bei euch Bediensteten muss ich mich auch noch entschuldigen…"
Er verbeugte sich erneut, diesmal vor allen anderen.
„Es tut mich vielmals leid, ich hoffe Si-"
Der Mann stockte.
„Ja?", sagte Herr Kozuharu.
Wiiiiiieeee…
„Herr Wakuta…?", fragte Frau Botan.
(Komm zu uns.)
„Wissen Sie was?", murmelte er, sich immer noch verbeugend. Fumiyoka wandte sich um.
„Wie bitte?"
(Vergiss alles andere…)
„Wenn ich den Auftrag nicht ausführen kann, gibt es auch keinen Nutzen mehr für mich."
„Was sagen Sie da?", fragte Yuzaki, der wohl eine schlimme Vorahnung hatte.
Herr Wakuta begann leise zu kichern, bis das Kichern lauter wurde und er anfing krankhaft vor sich hin zu lachen, während er mit einem irren Blick in den dunklen Himmel starrte. Alle Augen waren auf ihn gerichtet.
(Konzentriere dich…)
„Uesaki!", rief Fumiyoka.
„Mehr brauche ich nicht."
Dann verlief alles sehr schnell. Herr Wakuta holte aus seiner Hosentasche eine Pistole heraus und richtete sie an seine Schläfe.
„Herr Wakuta!", rief der Inspektor überrascht.
Natsume grinste zufrieden.
– Kapitel 17 ENDE –
