***

Alanya Marritza saß in ihrem Büro vor der Computereinheit. Zu ihrer Rechten lag
ein PADD, auf dem sie parallel an dem Bericht über Erein Kovats Tod schrieb.
Ihre größte Aufmerksamkeit galt jedoch den Daten der Überwachungskameras, auf
welchen sie die Ereignisse der letzten Stunden nachvollzog.
Da Empok Nor eine alte cardassianische Station war, waren sämtliche
Überwachungsgeräte aus den Zeiten des Obsidian Orders noch vorhanden. Laut den
neuen Staatsverträgen durften sie zwar nicht benutzt werden und Gul Basra hatte
darauf hingewiesen, dass er wünschte, dass sich seine Sicherheitschefin daran
hielt. Aber Alanya Marritza hatte dennoch die ihr am sinnvollsten erscheinenden
Geräte wieder aktiviert. Sie würde die ihr zur Verfügung stehenden
Überwachungseinrichtungen nutzen. Sie durfte dessen nur nicht überführt werden.
Die Sicherheitschefin von Empok Nor rief eine weitere Ansicht auf ihrem Monitor
auf. Sie versuchte nachzuvollziehen, was Erein Kovat kurz vor seinem Tod getan
hatte. Zwischen seinem Entkommen aus der Krankenstation und dem Gestelltwerden
durch Dukat und sie, hatte Kovat eine gute halbe Stunde Zeit gehabt. Alanya war
überrascht gewesen festzustellen, dass er nicht versucht hatte, zu Garak zu
gehen, und ihn schließlich doch noch zu töten. Es wäre das gewesen, was sie
erwartet hätte.
Alanya Marritza betrachtete die Aufnahmen von einer der
Sicherheitsvorrichtungen. Auf ihr konnte sie Erein Kovat aus einer Wartungsröhre
in einen der Kontrollräume auf der oberste Ebene der Minenverarbeitung klettern
sehen.
Alanya kniff ihre Lippen aufeinander und sah aufmerksam zu, wie Erein Kovat an
die Kommunikationskonsole trat. Gekonnt machte sich der Attaché an verschiedenen
Datenleitungen zu schaffen. Alanya sah ihm mit wachsender Beunruhigung dabei zu.
Schließlich aktivierte Kovat verschiedene Bereiche. Lichter an den Konsolen
leuchteten auf, als die Systeme ihre Arbeit wieder aufnahmen.
Erein Kovat schloss seine Arbeit ab und strich anscheinend zufrieden über die
Konsole. Dann drehte er sich urplötzlich um und sah in Richtung des
Überwachungsgerätes. Das sarkastische Lächeln eines Mannes, der wusste, dass er
seinen Gegnern einen Schritt voraus war, zeigte sich auf seinem Gesicht.
Die interne Kommunikation ließ Alanya Marritza die Aufnahme stoppen. Kovats
Grinsen wurde zu einem Standbild.
"Marritza hier", meldete sich Alanya.
"Basra hier." Der Gul von Empok Nor klang ruhig, obwohl er keine guten
Nachrichten für Alanya hatte. "Aus einem noch unerfindlichen Grund haben sich
die Schutzschilde aktiviert, als das Schiff der Föderationsdelegation Empok Nor
verlassen wollte. Und so wie es aussieht, wurde der Befehl nicht von der Ops aus
gegeben, geschweige denn, dass wir das Schutzschild von hier aufheben können."
Alanya Marritza betrachtete gedankenverloren einige Daten, die sie aufgerufen
hatte. Es ließ sich auf den ersten Blick nicht nachvollziehen, warum und von wo
aus die Schilde aktiviert worden waren.
"Haben wir noch immer Probleme mit kleineren Systemausfällen?", erkundigte sich
Alanya Marritza bei Basra.
"Sie haben sich in den letzten Stunden sogar noch verstärkt."
Die Sicherheitschefin warf einen Blick auf das Standbild von der Kamera. Erein
Kovats eingefrorenes Grinsen sah fast schadenfroh zu ihr herüber.
"Gul", begann Alanya Marritza schließlich. "Ich denke wir haben es hier mit
einem weitaus größerem Problem zu tun als wir im Moment noch denken."

***

Gilora Macet sah von ihrem PADD hoch auf die Navigationskonsole. Ein kleines
Feld blinkte in regelmäßigen Abständen auf. Gilora betätigte das Feld, woraufhin
die Stimme des Computers ertönte. DER ANTRIEB WURDE ERFOLGREICH OPTIMIERT: DIE
MAXIMALE GESCHWINDIGKEIT BETRÄGT NUN WARPFAKTOR 9,9. AUTOMATISCHE ANPASSUNG DER
GESCHWINDIGKEIT VORNEHMEN?
Gilora lächelte überrascht und bestätigte die Anfrage. Das würde sie mindestens
sechs Stunden eher ans Ziel bringen. Dann aktivierte sie ihr Com-Gerät. "Gut
gemacht, Rin! Ich wusste gar nicht, dass wir bis Warp 9,9 kommen können!"
Rin Hoval sah überrascht auf sein Com-Gerät. Warp 9,9 war technisch nicht
machbar. Nicht mit diesen Systemen! Ganz davon abgesehen, dass er bis vor
wenigen Minuten an der Kapazität des Plasmaverteilers gearbeitet hatte. Rin?
tönte es aus seinem Com-Gerät. Also beeilte er sich zu antworten. "Ich... war
auch ganz überrascht!"
Wie dem auch sei, gut gemacht. Das spart uns eine Menge Zeit!
Rin Hoval trat an seine Kontrollkonsole. Er traute seinen Augen kaum, denn der
Sichtschirm zeigte tatsächlich eine Antriebsverbesserung um beinah einen ganzen
Warpfaktor an. Das konnte nicht mit rechten Dingen zu gehen. Im Laufschritt
griff Rin seine Werkzeugbox und lief dann zu dem Wartungstunnel, der zu den
inneren Wartungszugängen des Warpkerns führte.
Während er möglichst schnell durch den Tunnel kroch, sein Werkzeug vor sich
herschiebend, kamen ihm alle möglichen Szenarien in den Kopf, die für die
Veränderung verantwortlich sein konnten. Wenn das IEN-System überhitzte, dann
kam es vorübergehend zu einem leichten Geschwindigkeitsanstieg. Aber nicht um
Warpfaktor 0,8. Die Erhöhung lag normalerweise nur im Impulsbereich. Mit einem
geübten Sprung verließ Rin Hoval den Gang und eilte mit wenigen Schritten zum
Antriebssystem. Mit fliegenden Händen öffnete er die Verschalung, in der
Erwartung dahinter zumindest eine überhitzte Leitung zu finden. Doch was er sah,
ließ ihn - mit der Abdeckung noch in den Händen - überrascht stehenbleiben.
Jemand hatte sich an seinen Systemen zu schaffen gemacht - und es war nicht
schwer zu erraten, wer das gewesen war.
Langsam stellte er die Abdeckung auf dem Boden ab und sah sich das System
genauer an. Der Materie-Antimaterie-Fluss war neu eingestellt worden - zu hoch -
wie Rin feststellte, und die Plasmazuleitung war ebenfalls geringfügig erhöht
worden. Kompensiert wurde die Überlastung zum einen, durch die erhöhte Kapazität
der Plasmakammer, an der er die letzten Stunden gearbeitet hatte, und zum
anderen durch eine zusätzliche Kammer, die durch zwei IEN-Schleifen ergänzt
wurde. Das System war genial. Es war zwar keine empfohlene Prozedur, aber es war
auch nicht verboten.
Sorgfältig prüfte Rin die Grenzwerte des Warpkerns. Sie wurden bisher nicht
einmal annähernd erreicht. Er würde das im Auge behalten müssen, solange sie mit
voller Geschwindigkeit flogen. Fasziniert schüttelte Rin den Kopf. Was bei allen
Gottheiten machte eine Ingenieurin wie Natima L'hrel auf Empok Nor? Sie sollte
statt dessen lieber auf Cardassia an der Entwicklung der Transwarpsysteme
arbeiten!
Rin wurde etwas nervös, bei dem Gedanken an L'hrel. Er sollte sich bei ihr
bedanken, oder ihr zumindest sagen, dass er ihre Einstellungen beibehalten
würde. Oder, dass er darüber nachdachte. Aber wahrscheinlich würde sie ihn nur
darauf hinweisen, dass es eigentlich seine Aufgabe gewesen wäre. Wenn sie ihn
überhaupt beachtete. Rin Hoval war es gewohnt, dass Frauen wie Natima L'hrel
durch ihn hindurchsahen.
Mit einem Seufzen schloss Rin die Versschalung. Er würde nicht mit L'hrel reden.
Er würde Gilora sagen müssen, dass sie die erhöhte Geschwindigkeit L'hrel zu
verdanken hatte. Er selbst hätte die Leistung bestenfalls auf Warp 9,7 erhöhen
können. Er konnte nur hoffen, dass Gilora nicht L'hrels Meinung über männliche
Ingenieure teilte.

***

Paluk Dukat stand neben Alanya Marritza an einer Computerkonsole und ging alle
Dateien von Empok Nor durch. Nachdem eine computergestützte Suche keine
systemfremden Daten hatte finden können, waren er und Marritza von Basra damit
beauftragt worden, nach der Datei zu suchen, durch welche Erein Kovat Empok Nor
manipulierte. Und dass der ehemalige Attaché für die Probleme auf der Station
verantwortlich war, daran bestand inzwischen so gut wie kein Zweifel mehr.
Die Systemausfälle hatten sich in den letzten Minuten noch einmal vermehrt. Seit
das Schutzschild aktiviert worden war, gingen in regelmäßigen Abständen mehrere
Systeme verloren. Dukat konnte nur hoffen, dass sie die Datei finden würden,
bevor es wirklich wichtige Systeme traf, wie die Lebenserhaltung oder das IEN-
System.
Er und Marritza waren sich inzwischen sicher, dass Kovat mit seiner Tat durchaus
folgerichtig gehandelt hatte. Er hatte bereits einmal versucht, Garak zu töten.
Und als er aus der Sicherheitszelle entkommen war, war ihm klar gewesen, dass er
es nicht unbemerkt bis zu Garaks Quartier schaffen würde. Also hatte er sich
entschieden, Garak zu töten, indem er alle auf der Station tötete. Und genau
darauf lief das Computerprogramm, das Kovat installiert hatte, so wie es aussah
hinaus.
Das aktivierte Schutzschild konnte in diesem Fall nur eine einzige Funktion
haben, nämlich Schiffe daran zu hindern, die Station zu verlassen. Umgekehrt
konnte auch niemand zu Empok Nor gelangen und ihnen helfen. Sie waren auf der
Station gefangen. Gefangen auf einer Station, welche immer mehr Systemausfälle
anzeigte, bis schließlich keine Systeme mehr funktionieren würden.
"Ich habe sie." Alanya Marritza stoppte die schnelle Durchsicht verschiedener
Dateien.
Dukat trat neben sie.
"Sie ist als Funktionsdatei des zentralen Replikatorsystems getarnt."
Marritza rief das Programm auf. Zusammen sahen sie die Programmierbefehle durch.
Die Sicherheitschefin von Empok Nor deutete auf ihren Bildschirm. "Es sieht so
aus, als würde dieses Programm die Energie sämtlicher Systeme anzapfen und als
Reserveenergie in die Kapazitätsbänke des Schildsystems leiten", erklärte sie
Dukat.
"Das würde die Systemausfälle erklären. Die Energie wurde einfach umgeleitet."
"Und anscheinend hat das Programm schon lange vor dem Aktivieren der Schilde
damit begonnen, die Kapazitätsbänke mit Energie zu versorgen."
"Vermutlich wurden die Schilde erst aktiviert, als das Programm registrierte,
dass jemand Empok Nor verlassen wollte."
"Das wäre logisch." Alanya Marritza sah die Datei weiter durch. "Kovat wollte,
dass wir möglichst lange ahnungslos bleiben."
"Erst als die Schiffe ablegten, musste das Programm sich aktivieren, um zu
verhindern, dass Garak aus seiner Falle entkommen würde."
Alanya Marritza nickte. Dann beendete sie die Durchsicht der Datei und rief sich
eine andere Ansicht auf. "Hier ist eine Datei, auf die ich keinen Zugriff
bekommen kann."
Dukat lehnte sich leicht auf die Computerkonsole. "Was könnte ihr Funktion
sein?"
"Schwer zu sagen. Wahrscheinlich ist es eine Steuerdatei."
"Können wir das Problem nicht beheben, indem wir die gesamten Dateien einfach
löschen", schlug Dukat vor.
"Das würde ich nicht empfehlen." Marritza scrollte weiter nach unten. "Solange
wir nicht genau wissen, wie dieses Programm funktioniert, wäre es nicht sehr
ratsam überhaupt irgend etwas zu versuchen, von dem wir nicht genau wissen,
welche Konsequenzen es hat."
"Dann sollten wir versuchen, Zugriff zu dieser Steuerdatei zu bekommen." Dukat
sah auf die Anzeige vor ihnen.
"Ich könnte versuchen, mir Zugriff zu verschaffen", erklärte Marritza. "Aber
selbst das könnte mit Problemen verbunden sein. Ich möchte keine
Sicherheitssysteme auslösen. Kovat scheint sein Handwerk schließlich zu
verstehen."
"Wir werden den Gul fragen", entschied Paluk Dukat und aktivierte sein Com-
Armband. "Dukat an Basra."
Paluk Dukat sah Marritza von der Seite an, als eine Antwort ausblieb. Die
Sicherheitschefin von Empok Nor betätigte einige Felder auf ihrer Konsole.
"Marritza an Ops." Sie schüttelte den Kopf und rief ein paar Daten auf. "Kovats
Programm hat die Energie für die interne Kommunikation ebenfalls auf die Schilde
transferiert."
Dukat biss sich mit einem unguten Gefühl auf seine Oberlippe. Es würde höchste
Zeit, dass sie endlich handelten.

***

"Ich schwenke jetzt in einen geostationären Orbit um den Asteroiden!" Anan Entek
sah kurz zu Gilora Macet, die an der Kommandokonsole saß und scheinbar in
Gedanken versunken war. Als sie bemerkte, dass er mit ihr gesprochen hatte, hob
sie den Kopf. "Gut. Ich schlage vor, wir beamen zu viert nach unten."
"Du willst Rin da mit reinziehen?"
"Warum nicht? Früher oder später muss er ein paar Erfahrungen außerhalb eines
Maschinenraums sammeln. Warum soll er nicht jetzt damit anfangen? Außerdem
werden wir uns wahrscheinlich aufteilen müssen. Ich möchte nicht, dass einer
allein bleibt. Wir wissen schließlich nicht, was uns erwartet!"
Anan nickte und erhob sich. "Du hast Recht. Ich sage L'hrel und Rin Bescheid!"
Gilora stand ebenfalls auf. "Gut. Wir treffen uns im Transporterraum, ich checke
die Koordinaten."
Im Transporterraum scannte Gilora den Asteroiden. Er war einer von der größeren
Sorte. Vollständig aus Stein und Erzen, seltsamer Weise aber von außen nicht
vereist. Das ehemalige Gefangenenlager des Dominions bestand aus einem Dom, der
normalerweise mit atembarer Luft gefüllt war, und den Baracken, in denen die
Gefangenen untergebracht gewesen waren. Die Scans zeigten, dass im Atmosphären-
Dom noch ausreichend Sauerstoff vorhanden war. Es würde zumindest reichen, bis
sie die Computerzentrale erreicht hatten, und die Lebenserhaltungssysteme
überprüfen und - wenn notwendig - neu aktivieren konnten.
Die Tür öffnete sich mit einem leisen Zischen und Entek, L'hrel und Hoval traten
in den Transporterraum. Kurze Zeit später materialisierten sie auf dem
Asteroiden unter der Kuppel des Doms.
Gilora sah sich um. Es war ziemlich kalt, und sie fröstelte. Das Licht, das von
einer entfernten Sonne bis hierher gelangte, reichte gerade um den Dom
notdürftig zu erhellen. Routiniert aktivierte Gilora die Lampe an ihrem
Handgelenk. Die anderen taten es ihr nach. Dann sah Gilora zu Anan Entek. "Ich
schlage vor, Du kommst mit mir. Rin, Du gehst mit Glinn L'hrel. Wer als erstes
die Computerzentrale findet, sagt Bescheid! Wir sollten hier Licht schaffen und
die Atmosphäre kontrollieren, bevor wir anfangen alles zu durchsuchen!"
Entek und Hoval nickten. Von L'hrel kam keine Reaktion, offenbar war sie
einverstanden, sonst hätte sie wohl widersprochen.
Langsam entfernten sich die zwei Lichtpaare voneinander. Gilora war über die
Größe des Doms erstaunt. Sie hatte nicht erwartet, dass das Dominion die Mühe
nicht gescheut hatte, eine so große Fläche zu überdachen. in diesem Moment
erklang vom anderen Ende des Doms Rin Hovals Stimme. Offenbar hatten er und
L'hrel die Computerzentrale gefunden.

***

Natima L'hrel sah auf die Anzeigen vor sich. Es war gut, dass Cardassia mit dem
Dominion verbündet gewesen war. So waren ihr die Dominion-Schriftzeichen auf der
Arbeitskonsole zumindest halbwegs vertraut. Zuerst aktivierte sie die
Lebenserhaltung. Offenbar war die Außenhülle des Lagers vollständig intakt, denn
das Sauerstoffgemisch entsprach beinah zu hundert Prozent dem Standard. das
würde sich aber ändern, für den Fall, dass sie längere Zeit hierbleiben sollten.
Natima aktivierte die Sauerstoffversorgung und regelte die Temperatur auf ein
erträgliches Maß nach oben. Als sie damit fertig war, traten Entek und Macet
ein. Sie nickte beiden zu. "Der einfache Teil ist bereits erledigt, die
Lebenserhaltungssysteme können unabhängig vom Computer operiert werden. Der
Computer ist allerdings gesperrt. Was weiter kein Problem ist, ich werde schon
Zugang bekommen! Es wird nur ein bisschen dauern."
Macet nickte. "Gut. Dann bleiben Sie mit Hoval hier und erledigen das
Computerproblem. Entek und ich untersuchen in der Zwischenzeit die Gebäude!"
Natima nickte. Auch wenn ihr nicht klar war, warum Hoval bei ihr bleiben musste,
aber wenn Macet es so wollte... Sie wandte sich zu einem der Computerzugänge und
begann mit der Arbeit.
Anan und Gilora traten vor die Tür des Computerraumes. Einen Moment sahen sie
sich um, dann entschieden sie sich, in den Baracken anzufangen.

***

Alanya Marritza stand schweigend vor der Computerkonsole, auf welcher sie Kovats
Programm isoliert hatte. Ihre Finger glitten über die Konsole, um weitere
Systemänderungen zu verfolgen. Sie war sich nicht sicher, wie sie weiter
vorgehen sollten. Was auch immer sie taten, es war mit einem erheblichen Risiko
für die Station verbunden.
Paluk Dukat stand leicht über die Konsole gelehnt, an der Marritza arbeitete.
Eigentlich wäre dies hier eine Entscheidung für Gul Basra gewesen. Marritza
hatte klar gesagt, dass sie für nichts garantieren konnte, wenn sie versuchten,
Zugriff auf die einzig verschlüsselte Datei aus Kovats Programm zu bekommen. Ein
wenig wünschte sich Dukat, dass Glinn L'hrel an Bord wäre. Es schien ihm
unwahrscheinlich, dass sie dieselben Probleme hätte wie Marritza. Dukat hatte
ihre Akte gelesen.
Allerdings würden sie nicht auf L'hrel warten können. Sie hatten vermutlich
ohnehin nicht mehr viel Zeit, um überhaupt etwas zu tun.
"Die Datei, die sie nicht öffnen konnten, sie müssen Zugriff auf sie erlangen",
entschied sich Dukat schließlich, "um jeden Preis."
Marritza sah ihn von der Seite an. "Ein gescheiterter Zugriff könnte fatale
Folgen haben."
"Das war ein Befehl und kein Vorschlag." Dukat sah Marritza fest an.
"Gut." Marritza nickte. "Aber ich möchte zu Protokoll geben, dass ich
sicherheitstechnische Bedenken vorbringe."
Dukat nickte und trat zurück. Es war schließlich nicht so, dass er ihre Bedenken
nicht teilte. Aber was sollten sie sonst tun? Paluk Dukat sah zu, wie Alanya
Marritza begann, den Zugang auf die letzte von ihr noch nicht analysierte Datei
zu erzwingen.
Eine ganze Weile arbeitete sie schweigend.
Zugriff verweigert, erklärte dann die Stimme des Hauptcomputers.
Identifikationscode erforderlich.
Alanya Marritza gab weitere Befehle in das Computerterminal ein.
Warnung. Zugriffsrechtsverletzung auf ‚Osos Kos'. Identifikationscode
erforderlich.
Mehrere Datenreihen erschienen auf dem Monitor und verschwanden dann.
Löschung der Systemdatei vorgenommen.
Dukat war sich zwar nicht sicher, was Marritza gerade genau programmierte. Aber
er war sich sicher, dass sie dies nicht beabsichtig hatte.
Warnung. Identifikationscode erforderlich.
Mehrere Datenstrukturen leuchteten auf. Dann erschienen Bildschirmweise Befehle.
Abbruch der Eingabephase für Identifikationscode, erklärte die Computerstimme
gleich darauf. Programm Kovat wird geladen.
Marritza hatte aufgehört, weitere Daten einzugeben. Anscheinend versuchte sie,
die Schritte des Computers nachzuvollziehen.
Programm wird gestartete.
Das also war die Aufgabe der letzten Datei gewesen. Ein spezielles
Unterprogramm! Programmzeilen liefen über den Monitor. Dann mit einem Schlag
verlöschte der Monitor. Mit einem leichten Surren schaltete sich die
Oberbeleuchtung im Raum aus. Mit einem Schlag herrschte vollkommene Schwärze im
Raum. Es war absolut nichts zu sehen und nichts zu hören. Die Lüftungssysteme
auf Empok Nor war zusammen mit allen anderen Systemen ausgefallen. Dukat atmete
hörbar in die dunkle Stille.
"Sie sehen, was ich meinte", sagte Marritzas Stimme neben ihm.

***

Anan Entek sah zu Gilora Macet, die kopfschüttelnd aus dem letzten Quartier der
Baracke kam, die sie zuletzt untersucht hatten. "Nichts! Ich fürchte, wir müssen
Garak enttäuschen. Hier ist nichts und niemand!"
Anan schmunzelte. "Abgesehen, von diesen Viechern. Cardassianische Wühlmäuse
sind es wohl kaum, aber es kommt verdammt nah dran."
Gilora nickte. "Hoffen wir für L'hrel, dass Schaltkreise nicht zu ihrer
Hauptmahlzeit gehören!"
Beide verließen die Baracke und gingen durch den Dom zurück zur
Computerzentrale. Als sie eintraten, sah L'hrel hoch. "Auch wenn ich nicht weiß,
wonach wir suchen, meiner Meinung nach habe ich ein paar äußerst interessante
Fakten herausgefunden."
Gilora und Anan traten zu ihr. Natima wies auf den Sichtschirm, der einen
Aufrissplan des Gebäudes darstellte. "Ich habe zunächst die größten Dateien
gecheckt. Hauptsächlich handelt es sich um Informationen über die Insassen.
Sicherlich in Teilen sehr nützlich, aber ich habe sie nicht genauer
durchgesehen, dass hätte zu lange gedauert. Dann bin ich auf ein paar Dateien
gestoßen, die weit komplizierter verschlüsselt waren. Es stellte sich heraus,
dass es medizinische Daten waren, allerdings nicht über den Verlauf
irgendwelcher aufgetretenen Krankheiten, sondern über komplexe Experimente.
Leider sind das nur die Verlaufsprotokolle. Ich habe ein paar weitere Dateien
isoliert, deren Verschlüsselungsgrad oberste Priorität verspricht. Ich werde sie
während des Rückfluges entschlüsseln, dann kann ich Genaueres sagen."
Gilora sah sie an und nickte. "Gut. Aber was hat das mit dem Plan der Station zu
tun?"
Natima lächelte. Insgeheim genoss sie es, dass diesmal sie diejenige war, die
mit Informationen aufwarten konnte, während die Anderen nichts wussten. "Ich
habe mich gefragt, wo diese Experimente stattgefunden haben. Die Krankenstation
ist ziemlich armselig, sie ist wohl kaum der richtige Ort für lange
Versuchsreihen. Aber hier..." sie deutete auf die unterste Ebene des Plans, "ist
eine Tür eingezeichnet. Aber laut Plan führt sie ins Nichts. Das kommt mir
verdächtig vor. Ich vermute, dass unter der letzten Ebene ein unterirdischer
Labortrakt ist."
Macet nickte. "Sieht ganz danach aus."
Anan Entek sah von einer zur anderen. "Dann sollten wir uns das mal ansehen,
würde ich vorschlagen."
Natima nickte zustimmend. "Ich bin hier soweit fertig. Bevor wir zurückbeamen,
sollten wir die Daten in den Computer der Lavok übertragen. Sondiert werden
können sie ja auch später."
"Also gut." Gilora sah in die Runde. "Dann gehen wir alle zusammen."
Zu viert verließen sie den Computerraum. Da die Turbolifte nicht funktionsfähig
waren, und Natima festgestellt hatte, dass das Problem fehlende Hardware war,
stiegen sie durch das System von Wartungsschächten bis zur untersten Ebene.
Hier befanden sich einige Lagerräume für Ausrüstungsgegenstände, und die Zugänge
zu den Stollen. Erstere befanden sich in einem schmalen Gang, der vom Hauptgang
abzweigte. Und am Ende des Ganges befand sich tatsächlich eine Tür. Anan
betätigte den Öffnungsmechanismus, aber nichts tat sich. Noch bevor Natima
vortreten konnte um das Passwort zu überschreiben zog Gilora ihren Phaser. "Wozu
die Umstände? Wir wollen doch hinter uns nicht wieder abschließen, oder?" Damit
zielte sie auf die Schließvorrichtung und schoss. Mit einem ungewöhnlich lauten
Zischen schob sich die Tür zu Seite. Dahinter gingen automatisch Lichter an.
Gilora trat in den Raum, oder vielmehr - den Gang. Er wirkte kahl und kalt, wie
das wohl für Laborräume üblich war. Zu beiden Seiten gingen je zwei Türen ab, am
Ende des Ganges befand sich eine weitere. Gilora sah zurück zu den anderen, die
ihr gefolgt waren. "Teilen wir uns auf, jeder nimmt eine Seitentür, dann sehen
wir weiter."
Anan Entek betätigte den Öffner einer der Türen und war überrascht, als diese
einfach aufging. Wie zuvor im Gang gingen auch hier automatisch Lichter an. Der
Raum war offenbar ein Laborraum. Nicht besonders groß, aber geräumig genug, um
uneingeschränkt arbeiten zu können. Neben einer Computerkonsole erstreckten sich
verschiedenartigste Vorrichtungen entlang der Wand, wie Anan noch nie zuvor
welche gesehen hatte. Er konnte sich kaum vorstellen, worum es sich dabei
handeln sollte. Ansonsten war der Raum, bis auf einen Arbeitsbereich, leer. Ein
offener Durchgang führte in einen angrenzenden Raum. Auch hier waren zwei der
Wände mit medizinischen Geräten gefüllt worden. In der Mitte stand, so dass es
fast den gesamten Raum ausfüllte, ein großes ovales Becken. Anan aktivierte
seinen Trikorder, konnte aber keine Restsubstanzen feststellen. Gerade, als er
aus dem kleinen Raum zurück in das Labor trat, kam Gilora zur Tür herein.
"Und? Was gefunden?"
"Möglicherweise." Anan deutete auf den kleinen Raum. "Sieh Dir das mal an."
Gilora trat an ihm vorbei und sah in den Raum. Ratlos drehte sie sich um.
"Irgendwelche Vorschläge?"
Anan schüttelte den Kopf. "Nein. Der Trikorder zeigt auch nichts an. Was war bei
Dir?"
"Ein Quartier für zwei Personen. Aber nichts mehr zu holen. Bei Rin war es ein
größerer Raum, für 12 Personen. Aber eigentlich nur die Pritschen."
"Und bei Natima?"
Gilora zuckte mit den Schultern. "Keine Ahnung, da war ich noch nicht."
"Dann gehen wir doch."
Auf dem Gang traten ihnen Natima und Rin entgegen. Natima sah unzufrieden aus.
"Ein leeres Labor. Viele Geräte, aber keine Datenaufzeichnungen und keine
Chemikalien mehr."
Anan nickte. "Wie bei mir. Ist bei Ihnen auch ein kleiner Nebenraum gewesen?"
"Mit einem seltsamen Bassin?"
"Genau." Anan sah in die Runde. "Offensichtlich ist das Bassin wichtig, warum
hätten sie sonst zwei von der Sorte?"
Gilora nickte. "Ich kann mir nicht vorstellen, wozu das gut sein soll."
Natima zuckte ebenfalls die Schultern. "Sehen wir doch mal nach, was hinter der
letzten Tür ist!" Mit einem etwas ungelenken Schritt trat sie an den
Schließmechanismus und probierte die Tür zu öffnen. Als sich nichts tat,
überschrieb sie den Code. Insgesamt dauerte das nicht länger, als Gilora mit dem
Phaser gebraucht hatte. Die Tür schob sich auf. Dahinter lag völlige Dunkelheit.
Eisige Kälte schlug ihnen entgegen und die Luft wurde merklich dünner. Schnell
schloss Natima die Tür wieder.
Alle sahen sich überrascht an. Anan schüttelte den Kopf. "Was war denn das?"
"Offenbar endet das Gebäude mit der Tür." Natima biss sich auf die Lippe. "Aber
wozu haben sie dann noch eine Tür gebaut?"
Gilora atmete nachdenklich aus. "Es muss etwas dahinter sein. Denn sonst wäre
keine Tür eingebaut worden. Vielleicht eine Höhle?" Sie sah zu Anan. Dieser
nickte. "Schon möglich."
Gilora aktivierte ihr Com-Gerät und kontaktierte den Computer der Lavok. Einen
Moment später materialisierten vor ihren Füßen vier Kältejacken und
Sauerstoffmasken.
Nachdem jeder fertig ausgerüstet war, öffnete Natima erneut die Tür. Alle
aktivierten ihre Handlampen und traten vor. Sie befanden sich tatsächlich in
einer Höhle. Die Decke war hoch, aber sichtbar. Die Wände bestanden aus kaltem
Gestein. Gilora erhöhte die Reichweite ihrer Lampe. Nicht weit von der Tür lag
etwas in der Höhle. Als sie näher kamen erkannten sie, dass es sich um Leichen
handelte. Hauptsächlich um cardassianische Leichen, aber auch einige Romulaner
und Menschen waren darunter.
Natima ging um den Haufen aus etwa 25 toten Körpern herum. Warum sind sie kaum
verwest? Die Frage ertönte über die automatische Sprechverbindung in den
anderen Masken.
Anan sah zu ihr hinüber. Wir befinden uns so gut wie im Weltraum. Der
Sauerstoffgehalt in der Höhle ist so gering, dass Zersetzungsbakterien nicht
überleben können.
Gilora sah zu ihm. Aber wenn wir im Weltraum sind, warum sind wir dann nicht
schwerelos? Und die da?
Anan schüttelte den Kopf, was durch die Maske kaum auffiel. Der Asteroid dreht
sich. In dieser Tiefe ist die Gravitation groß genug, um humanoide Körper am
Boden zu halten. Geringfügig leichter bist Du schon!
So! Gilora trat zu einem der Toten, dann sah sie hoch. Wir sollten DNA- und
Blutproben nehmen, zumindest von den Cardassianern, damit sie identifiziert
werden können.
Natima zog ihren Trikorder aus der Halterung. Besser, wir fangen schnell an,
mir wird bereits kalt!
Ich stimme zu. Annan sah zu Gilora. Aber ich denke, wir sollten von allen
Toten DNA-Proben nehmen. Wer weiß, was sich herausstellt, ich habe keine Lust
nochmal herzukommen!
Richtig. Gilora nickte. Also los.

***