Kapitel 3

Rinoa saß in ihrem Zimmer, alleine, den Kopf auf dem Tisch abgelegt, an dem sie saß, halb schlafend. Mit den Gedanken bei ihrem Mann, der zu diesem Zeitpunkt auf dem Weg zur Schlacht auf der Monterosa Hochebene war. Und es war ungewiss, ob er in seinen Tod oder in einen glorreichen Sieg hineinmarschieren würde.

Sie wäre ja einigermaßen gerne hiergeblieben, wenn sie wüsste, dass Xell, Irvine, Selphie, Quistis und Cifer dabei wären. Doch dem war nicht so. Sie kannte zwar Squalls neue Kameraden für diese Schlacht, aber diese Vier waren nicht zu vergleichen mit seinen Freunden aus dem Garden. Doch Squall hatte ja inständig darauf bestanden, dass die Fünf hier blieben, wo man ja eigentlich leider, leider nichts gegen sagen konnte. Der Garden konnte ja wirklich nicht führerlos bleiben.

Doch trotz alledem konnte Rinoa nicht die Meinung in ihren Kopf bekommen, dass Squall dort sein MUSSTE. Sie konnte es einfach nicht begreifen, auch wenn sie wollte. Und auch erkannte sie, dass sie trotzdem damit klar kommen musste, irgendwie. Rinoa verbrachte viel Zeit mit ihren Freunden, doch ihr Leben war lange nicht so erfüllt wie damals. Zu dieser Zeit gab es lange nicht soviel zu tun, und bald überkam sie die Langeweile. Rundgänge im Garden, Ausflüge nach Esthar, Deling, Timber, all das hatte sie nun schon zum x-ten Mal gemacht. Und immer noch keine Nachricht von Squall.



"Hey, Rinoa! Was hältst du davon, wenn wir mal wieder das Tor zur Hölle besuchen und ein paar Monstern den Arsch aufreißen!?"

Gelangweilt schaute Rinoa in der Gegend herum. "Ach, eigentlich... nee danke, Irvine, aber dazu habe ich irgendwie keine Lust."

"Och komm schon, Rinoa!", beharrte Irvine. "Das wird bestimmt gut! Rubrum- Drachen umlegen, Drachen-Isolden umbringen, Morbols abschlachten, das macht doch Spaß! Und außerdem haben wir alle dann mal wieder was zu tun!"

"Ja, mag ja sein.", erklärte Rinoa, "aber ich mag jetzt nicht. Ihr könnt ja gerne alleine gehen! Wirklich, das macht mir nichts aus! Aber ich bin nicht so richtig auf'm Dampfer, und dann sollte ich auch nichts riskieren!"

Irvine verschränkte die Arme vor dem Oberkörper, rieb sich grübelnd das Kinn. "Hm.", machte er. "Schätze, man kann dich wohl nicht zu deinem Glück zwingen, hm?"

Rinoa lächelte und schüttelte den Kopf.

"Na dann, ich frag mal Xell, den Hasenfuß und meine Selphie, ob sie mitkommen! Mach's gut!", rief er und winkte zum Abschied.

"Ja, mach das!", rief Rinoa hinterher, drehte sich um und schlenderte in die entgegen gesetzte Richtung davon. Sie passierte gerade den Wegweiser und zwei Garden-Schülerinnen, die über den CC-Club tuschelten, da sah sie Cifer vom Haupttor den Gang hochkommen. Sie blieb stehen und wartete, bis er zu ihr kam.

"Na Cifer, was hast du so getrieben?", fragte sie fröhlich.

"Das geht dich nichts an.", knurrte Cifer mürrisch.

Diese Antwort versetzte Rinoas Herz in einen kleinen Schock. Genau so... genau so antwortet Squall immer. So knapp und gemein und missmutig.

"Hey, was hab ich dir denn getan?", fragte Rinoa und ging neben Cifer her, welcher schnurstracks an ihr vorbeigelaufen war.

"Gar nix.", entgegnete Cifer.

"Ah ja, klar! Schlecht drauf? Nicht so erfolgreich im Kampf gegen die Monster der Alclad-Ebene gewesen? Hat ein Beißkäfer dich in die Knie gezwungen?" Rinoa kicherte leise in sich hinein.

"HALT DIE KLAPPE!!!", fuhr Cifer sie an, als er stehenblieb und mit der Hand ausholte. Doch Rinoa machte einen Satz nach hinten und wich ihm somit aus. Verschreckt starrte sie den aufgebrachten Cifer an. "Strapazier ... meine ... Nerven ... bloß ... nicht!" Sagte er ruhig und bedrohlich.

"E-e-entschuldigung...", stammelte Rinoa unbeholfen. Und bevor sie noch etwas sagen konnte, wendete Cifer ihr auch schon wieder den Rücken zu und zog in Richtung Quartiere ab.

Rinoa blieb noch ein oder zwei Minuten dort stehen und überlegte. Was hatte Cifer nur so wütend gemacht? Okay, es war schon ziemlich gemein gewesen, ihn so zu provozieren, aber das war bestimmt nicht das einzige, was ihn aus der Fassung gebracht hatte. Tja, dachte Rinoa sich. Wenn Quistis ihr über den Weg laufen würde, würde sie sie danach fragen.



Naja, wirklich über den Weg gelaufen war Quistis ihr nicht, Rinoa hatte ein bißchen geschummelt und kam zu Quistis in das Klassenzimmer, wo sie vor kurzem unterrichtet hatte. Rinoa lugte um die Ecke, um sicherzugehen, nicht in eine unangenehme Situation hereinzuplatzen, sah jedoch nur Quistis an ihrem Tisch sitzend, Zettel kontrollierend. Quistis war jetzt 22 Jahre alt und sah nur ein wenig älter aus. Intelligent und erwachsener als alle anderen sah sie schon immer aus, aber jetzt, nach vier Jahren, war es noch ein wenig deutlicher geworden.

Rinoa klopfte am Türrahmen an.

Quistis hob den Kopf und lächelte, als sie Rinoa sah. "Hi!", rief sie fröhlich. "Was führt dich denn zu mir?"

"Och, nichts Bestimmtes.", sagte Rinoa und kam auf Quistis zu. "Wollt dich nur mal so besuchen und gucken, was du so treibst."

"Ach, ich kontrolliere die Tests dieser Klasse. Eine Katastrophe, sag ich dir!!! Keiner passt auf, es ist wirklich schlimm!" Verzweifelt schüttelte sie den Kopf.

Rinoa aber runzelte die Stirn. "Unaufmerksamkeit? Mit dir als Ausbilderin? Das geht doch gar nicht, du bist doch immer so streng!?!"

"Ich weiß, ich weiß.", gestand Quistis. "Irgendwie bin ich in letzter Zeit nicht so gut drauf, ich weiß auch nicht warum." Sie lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und atmete aus. "In letzter Zeit geht auch einfach alles schief."

Rinoa runzelte wieder die Stirn. "Hat es vielleicht etwas mit Cifer zu tun?", vermutete sie.

Quistis blickte auf, und gestand dann, indem sie verzweifelt dreinsah. Sie nahm ihre Brille ab, legte sie auf den Tisch und rieb sich die Schläfen. "Das ist wahr. Wir haben in letzter Zeit ein wenig Stress. Irgendwie reden wir nur noch aneinander vorbei, und wenn wir mal wirklich miteinander sprechen, dann artet das in Streit aus.", erzählte sie.

"Hm, naja, ich mein das nicht böse, aber: mit Cifer als Ehemann lässt das bestimmt nicht lange auf sich warten!", pflichtete Rinoa ihr bei.

"Ja, du hast schon recht, es ist wirklich nicht einfach mit ihm. Aber", sie zuckte gezwungen lächelnd mit den Schultern, "was soll's? Der Mann hat's mir einfach angetan!"

"Kenn ich, Quistis, kenn ich! Nen Typen als Ehemann zu haben, der dagegen NIE etwas sagt, ist auch nicht gerade einfach!"

Beide lachten still in sich hinein. Dann stand Quistis auf und legte einen Arm um Rinoas Schulter. "Da haben wir uns beide was vorgenommen, was? Komm, lass uns in die Mensa gehen und nen Happen essen, ja?"



Nach dem Essen in der Mensa ging Rinoa wieder in ihr Zimmer um etwas zu lesen oder zu sehen, ob was im Fernsehen liefe, doch als sie vor ihrer Tür stand, bemerkte sie plötzlich, dass sie Post bekommen hatte.

Sie fischte den Brief aus dem Postkasten und riss ihn ungeduldig auf. Ja, er war von Squall!!! Hastig lies sie die Zeilen herunter:

Liebe Rinoa, mir geht es gut. Ich will nicht sagen, dass es allen so geht, aber wir halten uns tapfer. Garlons Armee ist stärker, als wir erwartet haben, doch wir werden sicherlich mit ihnen fertig. Beide Seiten sind reichlich dezimiert, aber Blue, Vahn, Demian und Vincent zeigen ungeahnte Qualitäten. Wenn wir sie nicht hätten... Viele von den freien Leuten, die zu uns gekommen sind, sind schon nicht mehr, aber die Soldaten aus Esthar unterstützen uns sehr gut. Wir kommen langsam, aber stetig voran. Wenigstens ist Garlon auch auf dem Schlachtfeld. Ich stand ihm schon gegenüber, kam aber nicht an ihn heran. Wir müssen ihn besiegen, und das werden wir auch. Der Weg ist beschwerlich, und wenn der Kampf hier vorbei ist, werden wir nur noch wenige sein. Ich weiß noch nicht, ob ich das hier überstehe, aber ich bete, dass ich wieder zu dir zurückkehren kann und dann dich und unser Kind in meinen Armen halten kann. Wie geht es dir und dem Kleinen? Hab keine Angst, Rinoa. Wir werden wieder zusammen sein. Du weißt doch, was wir uns versprochen haben? Ich werde da sein.

In Liebe, dein Squall

--to be continued--