Kapitel 4



Squall ließ den Stift aus seiner Hand fallen, nachdem er die letzten Worte auf das Blatt Papier geschrieben hatte.

"In Liebe, Dein Squall", las er noch einmal die letzte Zeile. "Mir geht es gut." "Wir halten uns tapfer."

... ... ...alles Lüge.

Wir sind kurz vor dem Auseinanderfallen. Nur noch halb so viel Männer wie die von Garlon, dann wären wir noch gut dran. Aber so wie es jetzt aussieht... das werden wir nie schaffen. Die sind einfach zu gut. Sie radieren uns aus wie Ameisen, wie kleine, schwache Beißkäfer. Und wir können nichts dagegen tun.

Waren wir nicht gut genug vorbereitet? Wir hätten mehr sein müssen, aber woher? Woher sollten wir die Leute nehmen?

Es ist einfach alles schiefgelaufen. Ich... habe versagt. Es ist alles meine Schuld, es hätte anders sein können, aber ich habe es verbockt. Alles falsch gemacht... alles! Was werden sie jetzt von mir denken? Ell? Was denkst du jetzt von mir? Hilf mir doch... das hast du doch sonst auch immer getan, oder? Warum nicht jetzt?

Und mit einem Mal spürte Squall ein ohrenbetäubendes Summen in den Ohren. Er hielt sich die Hände an die Ohren um das Geräusch abzudämpfen, aber es half nichts. Er bäumte sich kurz auf, unterdrückte einen Schrei, und fiel dann benommen zu Boden...



Er sah... undeutliche Schemen. Eine Landschaft, eine Insel, grün mit Bergen am Horizont. Dort einen Wald, Häuser, Schienen, und dann ein großes Etwas. Rund, schneckenförmig. Der Garden. Das Innere, der Wegweiser, Garden- Schüler und Ausbilder. Selphie und Irvine liefen vorbei, die Treppe zum Aufzug hoch.

"Komm, Irviiiiiiiiiiiiie! Beeil dich, wir ham doch nicht den ganzen Tag Zeeeeiiiit!", rief sie fröhlich. Irvine schlenderte ausgelaugt hinterher.

Sie fuhren in den 3.Stock und trafen auf Quistis. "Hey, da ist ja meine Lieblingsausbilderin!", sagte Irvine.

"Hallo Selphie!", erwiderte Quistis ironisch. "Rinoa ist gerade oben bei Direktor Cid, sie sprechen über die Monterosa-Schlacht."

Xell kam hinter dem zweiten Aufzug hervor. Er schlug mit der Faust in die Handfläche und knurrte unzufrieden. "Warum hat Squall mich nicht mitkommen lassen? Ich hätte diesen scheiß Galbadianern so was von in den Hintern getreten!!!"

Irvine räusperte sich.

"Oh, sorry.", entschuldigte sich Xell. Er schlug auf den Boden. "Aber wirklich. Uns hier festzuhalten war mehr als gemein.", fügte Xell hinzu.

"Hast recht, Kleiner.", pflichtete Irvine ihm bei. "Wir hätten ihm wirklich eine Hilfe sein können, aber er wieder mit seinem 'Ihr sollt euch nicht unnötig in Gefahr bringen'-Scheiß!"

"Ihr mögt ja recht haben, Jungs", schaltete sich Quistis ein, "aber wir müssen es nun mal so hinnehmen, wie es ist. Wir waren damals doch alle mit Squall einverstanden, dann sollten wir jetzt unser Wort halten."

"Ihr habt aaaaaaalle recht, aber ich wär trotzdem lieber mit dabei anstatt hier ruuuuuumzusitzen!", erklärte Selphie.

Squall überlegte. Sie reden schon wieder so komisch über mich. 'Squall macht dies, Squall macht das'... ich hasse das, wenn sie so reden! Ich bin doch noch lange nicht aus der Welt. Warum vertrauen sie mir nicht einfach? Oder... vielleicht, weil ICH ihnen nicht vertraue? ... ...

Rinoa und Direktor Cid kamen mit dem Aufzug herunter. "Hallo meine Schüler! Wie geht es ihnen? Naja, ich will nicht oberflächlich sein, sondern gleich zur Sache kommen: Unsere Beobachtungen und Boten zeigen, dass es nicht ganz so rosig aussieht, wie wir es gern hätten." Cid ging in die Runde, um jeden ansehen zu können. "Wir überlegen, ob wir den Rückzug anordnen."

"Aber dürfen sie das überhaupt? Hat nicht Squall das Sagen, ob er bleiben will oder nicht?", fragte Irvine aufgebracht.

"Ja, eigentlich schon, aber er könnte die Situation auch verkennen und falsch einschätzen, er könnte denken, er würde es noch schaffen, aus Übermut heraus.", erklärte Cid.

"Entschuldigen sie mal, Direktor", unterbrach Quistis, "aber verwechseln sie da nicht zwei Personen? Squall ist übervorsichtig und nicht waghalsig. Das, was sie beschrieben haben, würde eher auf Cifer zutreffen, nicht auf Squall!"

Alle senkten demütig den Kopf, auch Quistis. Immerhin war es ihr Ehemann. "Früher jedenfalls.", setzte sie hinzu.

Keiner sagte etwas. Eine unangenehme Stille entstand. Rinoa war diejenige, die das Gespräch wieder aufnahm. "Wir müssen Squall vertrauen." Alle schreckten innerlich ein wenig auf. "Er wird es schon schaffen, ich weiß es. Wir kennen ihn doch alle, er wird die richtige Entscheidung treffen, findet ihr nicht?" Urplötzlich griff sie sich an ihren Bauch und unterdrückte einen Schmerzensschrei. "Aaah!"

"Rinoa, was hast du?", rief Quistis und eilte zu ihr. Sie griff ihr unter die Arme und stützte sie ab.

"Das Baby...", stammelte sie, hastig atmend. "...bestimmt Wehen."

"Komm, lass uns runter zu Dr. Kadowaki gehen.", sagte Quistis und geleitete sie mit Irvines Hilfe zum Aufzug.

Das Bild vor Squalls Augen verschwamm, Konturen verblassten und der träumerische Zustand schwand dahin. Er wich einem Gefühl von drückendem Schmerz und Benommenheit. Squall blinzelte und sah vier Köpfe, die im Kreis angeordnet über ihm waren und immer wieder seinen Namen riefen.

"Squall!" "Commander!" "Squall, was hast du?" "Sag doch was!"

Noch leicht benommen richtete Squall Leonhart sich auf und rieb sich die Schläfen. "Ich...", wollte er erklären, fand dann aber nicht die richtigen Worte.

"Commander, was war denn los?", fragte Demian.

"Ich... weiß nicht." Doch Squall wusste ganz genau. "Es ist aber nichts... kein Grund zur Sorge."

"Aber Squall!", lenkte der junge Vahn ein. "Beunruhigt dich das nicht?"

"Nicht wirklich.", gab Squall kurz angebunden zurück um nichts erklären zu müssen. "Und jetzt möchte ich in Ruhe gelassen werden." Squall stand auf, klopfte sich den Staub von der Kleidung und zog ab. Er ließ verblüffte und erstaunte Freunde zurück, die überhaupt nicht wussten, was passiert war.



Wieder ein getöteter Galbadianer. Er schlitzte den nächsten der Länge nach auf. Der tote Körper fiel zu Boden. Er hob die Gunblade über den Kopf, traf damit einen Gegner hinter ihm direkt zwischen die Augen, und streckte den vor ihm auch noch zu Boden. Direkt ins Herz. Er zog die Löwenherz aus dem blutenden Galbadianer heraus um sie gleich wieder in das Fleisch eines anderen zu bohren.

Dann traf ihn ein Gegner an der Schulter. Ein kurzer, aber ein tiefer Schnitt brachte eine klaffende Wunde zum Vorschein, die ihn weiter behinderte, doch er ließ sich nicht aufhalten und schlug weiter mit seiner Gunblade um sich. Doch immer noch waren der Gegner unendliche. Ihre Zahl schien nicht abzunehmen doch Squall zwang sich entschlossen dazu, weiterzukämpfen. Für den Garden. Für das Land.

Für Rinoa.

Mit seiner messerscharfen Gunblade hackte Squall einem weiteren Gegner den Arm ab und brachte es dann zu Ende. Er hörte das Geknatter von Maschinengewehren um sich herum. Ein Feuerball, Blitze und Eiszauber flogen ihm um die Ohren. Pfeile schwirrten durch die Luft und er konnte das für ihn angenehme Singen der Metallklingen hören.

Doch er kämpfte sich weiter nach vorne, schlug jeden Galbadianer um, der ihm im Weg stand, der ihm den Weg zu Garlon Hames versperrte, welchen er in weiter Ferne auf seinem Podium ausmachen konnte.

Der Weg war noch so lang und Squall war schon so schwach. Verletzt und geschwächt durch die vereinzelten Schnitte und eine große Wunde bei den Rippen, so konnte er nicht mehr allzu lange durchhalten. Aber er musste. Ell sollte doch stolz auf ihn sein, er musste stark für sie sein, koste es was es wolle.

Beschwerlich schleppte Squall seinen müden Körper weiter auf Garlon zu. "Demian!!!", schrie er. "Blue, Vahn, Vincent!!!!!!" Eine Vielzahl an Galbadianern stand um ihn herum und er reduzierte sie ein wenig.

Demian kam als erster. "Ja Squall, ich bin hier.", meldete er sich.

Squall hustete und hielt sich schmerzerfüllt die Rippen. "Hilf mir... zu Garlon zu kommen." Als er das gesagt hatte, bemerkte er, dass er um Hilfe gebeten hatte. Aber er entschied trotzdem, sich jetzt nicht darum zu kümmern, es war ihm egal.

Dann kamen Blue und Vahn angerannt, und der junge Vahn entdeckte den geschwächten Squall, dort am Boden auf den Knien, schwer unter seinen Schmerzen leidend. "Squall! Oh nein, was ist mit dir passiert?", fragte er unbeholfen.

In diesem Moment kam auch Vincent dazu und sie waren komplett. Er reagierte schnell, ohne Fragen zu stellen, und zauberte Vigra auf Squall. Dieser atmete erleichtert auf, war aber trotzdem nicht völlig geheilt. "Wir müssen", er hustete wieder einmal, "zu Garlon kommen! Kommt mit.", sagte er etwas schwach doch seine Entschlossenheit konnte auch dadurch nicht verborgen bleiben.

Zu fünft kämpften sie sich ab dann durch die Massen von galbadianischen Soldaten und waren in ausreichendem Maße erfolgreich. Auch wenn sie das ein oder andere Mal von zu vielen Feinden umzingelt waren und einige Treffer einsacken mussten, halfen die fünf Elitesoldaten sich gegenseitig so oft es ging.

Der Abstand zwischen Squall und Garlon wurde immer kleiner und er kam seinem Ziel immer näher. Sein Ziel, Garlon Hames zu töten und damit das Land wieder von der Tyrannei zu erlösen, um wieder Frieden in Balamb, Galbadia, Esthar und Trabia herzustellen. Endlich wieder. Um endlich wieder in Freiheit leben zu können und nicht immer kämpfen zu müssen. Er hatte das satt, ein für alle Mal.

Squall stieß einen lauten Kampfesschrei aus und kam an sein Limit. Mittels des Herzensbrechers löschte er alle Feinde im Umkreis von 50 Metern aus.

Jetzt...

Jetzt hatte er freie Bahn für Garlon. Er stand schutzlos da und Squall atmete noch einmal tief durch um sich vorzubereiten. Er sammelte noch einmal all seine Kräfte. Demian kam zu ihm. Squall holte einen Fetzen Papier aus seiner Brusttasche heraus und drückte ihn an Demians Brust. "Bring das zu einem Boten." Demian schaute ihn verdutzt an und reagierte nicht. "SCHNELL!!!!", schrie Squall ohne ihn anzugucken. "Das werde ich alleine regeln."

Blue, Vahn und Vincent kamen dazu, doch er sagte ihnen: "Geht wieder zurück zu den Anderen. Sie können eure Hilfe mehr gebrauchen als ich hier." Doch sie zeigten keine Reaktion, wollten ihrem Truppenführer nicht gehorchen. "Geht! Das hier ist eine Sache die nur mich was angeht. Ich muss das mit Garlon selbst erledigen. Geht jetzt. ... Ich danke euch."

Und mit diesen Worten rannte Squall urplötzlich auf Garlon zu, in einem irrsinnigen Tempo, getrieben von dem so unglaublich starken Wunsch, diese Schlacht zu beenden.

--to be continued--