"Hey Mädchen

Kaitos Geheimnis

Von noire

1. Nur auf Irrwegen

Tokyo glitzerte immer so prachtvoll in der Nacht. Alles schien einen zu rufen, doch mit zu feiern. "Hey Mädchen!" Maaya ignorierte die Rufe. Nur Betrunkene..... ja, sicherlich nur Betrunkene.. bald würden sie aufhören. "Lauf doch nicht weg Aino-chan!" Schritte, jemand folgte ihr. Keine Angst merken lassen. Einfach weiter gehen. Nur noch die Straße überqueren und.... Sie schrie leise auf, als einer von denen nach ihrem Arm griff. "Wohin willst Du denn so schnell Maaya-chan?" "Laß mich, bitte." Da war keine Fluchtmöglichkeit. Zitternd wiederholte Maaya die Worte, so langsam als würde sie zu einem Kind sprechen. "Laß mich gehen." Er wollte sie umdrehen, mit zu den anderen schleifen und dann.... Tränen stiegen ihr in die Augen. Doch von so jemanden würde sie sich nicht unterkriegen lassen. Nicht sie, nicht Maaya Sakamoto, nein! Niemals! "Baka." Flüsterte sie und riß sich von ihm los. Auf die Straße und......... Wumm!!! Zu spät hatte sie das Auto bemerkt und zu plötzlich war sie für den Autofahrer gekommen. Der schmale zierliche Körper wurde nach vorne geschleudert und prallte auf den harten Asphalt. "Shit!" Entfuhr es dem Mann. Noch einen letzten Blick und dann rannte er, so schnell ihn seine Beine trugen davon.

Alles dreht sich........ Stimmen! Sie rufen mich. Doch ich habe sie im Stich gelassen. Verzeih mir. Verzeih mir Prinzessin.

Erschrocken fuhr ich hoch. Wo war ich? Dieser Traum, er durfte nicht wahr sein. Aramis? Er lag doch immer so faul auf meinem Bett. "Aramis!" Panik! Eine Hand berührt mich. Ich schreie, etwas anderes kann ich nicht, nicht denken, nicht sehen, nicht hören.... nur kratzen und schreien. Zitternd und schluchzend komme ich zur Ruhe. Ich werde behutsam in den Arm genommen. "Alles ist in Ordnung. Du brauchst keine Angst zu haben." Warm klingt diese Stimme, so warm. "Traum!" Krächze ich. "Nur ein böser Traum, aber jetzt bist Du wach und alles ist vorbei." "Prinzessin?" Ich löse mich vorsichtig aus der Umarmung und betrachte meinen Traumfresser. Es braucht ein wenig, bis ich sie erkenne. "Danke Haruka-san." Flüstere ich. "Was meinst Du?" Sie sieht mich erstaunt an. "Ich danke Dir." Hauche ich und lächle. "Ich heiße Urara." Ich runzle die Stirn. "Mach keine dummen Witze Haruka. Überhaupt, wo bin ich hier? Und Michiru?" Ich will aufstehen, doch sie hält mich zurück. "Ich bin nicht Haruka." "Dann sei wer immer Du möchtest." Ich bin ihrer Scherze müde. Ich muß husten und plötzlich würgen. Besorgt beugt sie sich zu mir. Mein Körper zieht sich zusammen. Wenn dieser Husten doch nur aufhören würde und da schmecke ich Blut. Es kommt hoch und füllt meinen Mund mit einem eisernen Geschmack. Tränen steigen in meine Augen, soviel Schmerz. Im dunklen tappend fühle ich ihre Hände, warm und beruhigend. Wie dankbar ich ihr bin. Sie ist da.

Wie gefangen in meinem eigenen Körper liege ich hier. Jeden Tag besucht sie mich und sitzt an meinem Bett. Dann erzählt sie mir von ihrem Tag, dem Wetter, Nachrichten und vielen anderen alltäglichen Dingen. Ich höre ihr nie richtig zu, denn ich habe Angst davor, daß sie bald gehen könnte. Sie streichelt zum Abschied immer meine Hand und sagt dann leise und sanft "Bis morgen, kleines!" Sobald die Tür hinter ihr zufällt beginnt die leere. Ärzte kommen, Krankenschwestern schauen vorbei....... doch nur sie kommt mich besuchen. Sie sagt, ich kann sie Urara nennen. Aber warum soll ich Haruka Urara nennen, das gibt keinen Sinn. Eigentlich gibt vieles keinen Sinn. Warum liege ich in einem Krankenhaus? Urara meint, sie hätte mich angefahren, als ich die Straße überquert hätte. Ich kann mich nur an keinen Autounfall erinnern.

Ich spucke kein Blut mehr. Leichte Kopfverletzungen, gebrochene Rippen, gequetschter Brustkasten, gebrochenes Handgelenk.......... Woher habe ich all diese Verletzungen? Ich kann mich nicht erinnern. Amnesie meint der Doktor. Auch meinen Namen soll ich vergessen haben. Urara mußte lachen, als ich ihr sagte, daß ich Minako Aino heiße. "Soso, " hatte sie gemurmelt. "ein so seltener und treffender Name. Liebeskind!" Dann streichelte sie mich. Am Anfang hatte ich ihr alles erzählt was ich wußte, doch über die Zeit wurde mir klar, daß all mein Wissen nicht stimmte. Es gab weder die Personen an die ich mich zu erinnern glaubte, noch schien es die Orte zu geben. Ich war zu einem Mädchen mit einem komischen Phantasienamen und Tausenden von blauen Flecken geworden.

Es war ein wunderschöner, sonniger Morgen. Von Urara gestützt verließ ich das Krankenhaus in dem ich so lange gelegen hatte. Ich atmete tief ein. Am liebsten wäre ich los gelaufen, hinein in mein Leben. Statt dessen mußte ich mich mit einem herunter gelassenen Autofenster begnügen. Der Wind wehte mir ins Gesicht und die Passanten auf dem Gehweg erwiderten fröhlich mein Lächeln. Das Tokyo aus meiner Erinnerung war anders gewesen. "Wo ist der Tokyo Tower?" Fragte ich Urara doch ein wenig beunruhigt. "In Minato-ku." Antwortete sie. "Das weiß ich ja schon. Immerhin habe ich dort gelebt. Ich sehe ihn nur nicht, deswegen frage ich ja." "Du hast dort gelebt." Für kurze Zeit reißt Urara ihren Blick vom Verkehr und betrachtet mich. "Möchtest Du zurück?" Sie sieht besorgt aus. "Sicherlich." So sorglos und fröhlich klingt meine Antwort. Ich weiß nichts von den vielen Problemen, die ich haben sollte. Erst als wir das Stadtviertel erreichen dämmert es mir.

Urara stieg aus und kickte trübselig einen der Steine weg. Trümmerfelder! Es erinnert mich an die Bilder von Hiroshima 1945 aus den Geschichtsbüchern. "Was........ !" Meine Stimme zittert. "Man weiß nicht genau." Uraras Stimme klingt leise und brüchig zu mir herüber. "Hier wohnte ich." Flüstere ich und blicke fassungslos auf die Ruinen. Urara betrachtet sie. Ihr Gesicht drückt einen gewissen Respekt aus. "Du kannst hier nicht gewohnt haben." Sagt sie dann ganz trocken. "Niemand lebt hier. Die Menschen haben Angst vor den Geistern der Verstorbenen." "Du verstehst es falsch. Ich lebte in diesem Haus, bevor all dies passierte." Urara dreht sich zu mir um. "Vor 100 Jahren?" Für kurze Zeit erstarre ich. Ein Traum! Plötzlich taucht dieser Gedanke auf und rettet mich vor dem eigenen Wahnsinn. Nur ein Traum! Ich drehe um und laufe weg......... so weit ich kann.

Urara Takano sah dem Mädchen traurig nach. "Armes Kind." Seufzte sie, da fiel ihr in den Steintrümmern ein Briefkasten auf. Nicht das sie an Minakos Geschichte glauben würde. Nur der Neugier wegen ging sie zu dem verbeulten Ding und kniete sich bei ihm nieder. Vorsichtig wischte sie Staub und Dreck weg. Und dann las sie die Inschrift und erblaßte.

Irgendwo in dem zerstörten, einst blühenden, Stadtviertel Minato-ku weint ein Mädchen. Sie weint um die Seelen ihrer Freunde. Kleine Irrlichter schwirren um sie und rufen den Tod.

Fortsetzung folgt......