2. Annäherungen

Makoto krümmte sich lachend vor dem Fernseher. "Herrlich, herrlich, ich liebe diese alten Cartoons." Stieß er hervor und prustete erneut los. "Und ich liebe Söhne mit guten, schulischen Leistungen, die es später weit bringen." Bemerkte seine Mutter voller kühle und ließ ihn erschreckt zusammen fahren. "Es ist Zeit zur Nachhilfe zu gehen. Bitte laß Miss Tanaba nicht warten und richte ihr liebe Grüße aus." Makoto biß sich wütend auf die Lippe und starrte auf den Boden. Erst als seine Mutter die Tür hinter sich geschlossen hatte, sah er auf, Tränen glitzerten in seinen Augen. Nur auf Noten schaute sie, ausschließlich die Schulleistung zählte in dieser Familie. Oft hörte er seine Mutter nachts weinen, wegen den schlechten Noten, die er nach Hause brachte. "All diese Schmach, all diese Schmach............. " Makoto konnte es nicht mehr hören. Er packte seine Sachen und verließ das Haus, um zu Miss Tanaba zu gehen. Sie wurde von seinen Eltern sehr bewundert, Studentin mit 'hervorragenden Leistungen und großartigen Aussichten'. Etwas unterkühlt und zu ernst fand Makoto. Er klopfte an der Tür ihres Apartments. Nichts rührte sich. Er lauschte angespannt nach Schritten oder anderen Geräuschen, doch es blieb still. Er klopfte erneut, diesmal etwas lauter. Ob sie eingeschlafen war? Er hämmerte er mit beiden Fäusten gegen die Tür, so das sie zu brechen drohte. Er mußte nicht lange warten. Wütend riß das Fräulein Tanaba die Tür auf und zischte böse, was ihm einfalle so einen Lärm zu veranstalten, sie bitte doch um ein bißchen Geduld. Sie ließ ihn im Flur stehen und eilte wieder zum Telefon. Hecktisch, vielleicht auch erregt, redete sie in einer fremden Sprache auf jemanden ein. Endlich, als Makoto kurz davor war sich einfach auf den Fußboden zu setzen, legte sie auf. "Komm, laß uns Deine letzte Arbeit durchgehen." Forderte sie ihn auf herein zu kommen. Auf dem Tisch, an dem sie sonst immer arbeiteten, häuften sich verschiedene Bücher, Landkarten und Fotos. Fräulein Tanaba schien an einem Projekt zu arbeiten. Gereizt schob sie ein paar Bücher beiseite, damit Makoto dort seine Sachen ablegen konnte. Sie beugte sich über die Rechnungen, schüttelte frustriert den Kopf und stand wieder auf. "Ich kann so nicht arbeiten." Sie zog die Vorhänge zu, schaltete eine Lampe an, diese wieder aus, zog einen Vorhang auf, öffnete ein Fenster, kochte Tee, schüttete diesen über ihre Notizen, fluchte und holte dann ihre Jacke. "Ich kann hier nicht arbeiten, laß uns in ein Café gehen. Okay?" Makoto nickte nur, sich fragend wieviel Tassen Kaffee seine Nachhilfelehrerin schon gehabt hatte.
"Woran arbeiten sie." Er mußte laufen, um ihr folgen zu können.
"Projekt über Minato-ku." Murmelte Tanaba kurz angebunden.
"Das Viertel der Geister." Fragte Makoto, es schauerte ihn daran zu denken. Er hatte mal in der Schule ein Buch darüber gelesen, richtig unheimlich.
"So ungefähr, auch wenn ich die Geister für ein Gerücht halte. Die Menschen hängen an ihren Legenden."
"Aber man hört die Geister doch." Wandte Makoto ein.
"Der Wind in den Ruinen."

Urara wanderte gedankenlos durch die Ruinen. Schon als Kind war sie öfters hierher gekommen und hatte mit anderen in den Trümmern verstecken gespielt. Sie kletterte auf einen der Trümmerhaufen. Oben angekommen stockte ihr für kurze Zeit der Atem - Minato-ku, still und verträumt, voller Legenden lag es vor ihr. Sie lauschte dem Wind und lachte glücklich, als er ihr das Haar zerwühlte. Nicht einmal ihr Verlobter wußte davon, daß sie öfters die 'Verbotene Stadt', Minato-ku besuchte. Er würde ausrasten, es ihr verbieten. Sinn- und Zwecklos, wie jedes Verbot. Ihr Handy klingelte, zerstörte gnadenlos die Stille. "Takano." Meldete sie sich mit einem seufzen. "Inspektor Mori, spreche ich mit Urara Takano." Gab sich eine dunkle Männerstimme zu erkennen.
"Ja. Wie kann ich ihnen helfen Inspektor?" Sie ließ sich auf einem Stein nieder.
"Es geht um das Mädchen, Minako Aino, wie sie sich nennt. Wir sind ihrem Rat gefolgt und haben ein in den ärmeren Gegenden nachgefragt, vor allem Prostituierte. Und sie hatten recht, die Beschreibung paßt perfekt auf die kleine Maaya Sakamoto, die dort seit längerem nicht mehr gesehen wurde. Leider keine Angehöri...geeen....krzsss.... Miss Taka..o........ mich..krzsssss................" Die Verbindung war zusammen gebrochen. Urara steckte das Mobiltelefon wieder ein und sah sich nun nach dem Mädchen um.

Fräulein Tanaba wirkte auf Makoto unruhig. Sie verrechnete sich andauernd bei den leichtesten Aufgaben und beim Erklären schweiften ihre Gedanken immer wieder ab. So auch jetzt, sie blickte gedankenverloren hinaus auf die Straße. Er traute sich nicht sie zu stören. So saßen beide schweigend zusammen.
"Sakura!" Bei ihrem Vornamen gerufen blickte Fräulein Tanaba zu einer jungen Frau auf, die wie aus dem nichts am Tisch aufgetaucht war.
"Setsuna, das ist der falsche Ort." Die Fremde, mit Setsuna angesprochene, setzte sich zur Antwort neben Makoto. "Bitte, nicht hier. Laß uns zu mir gehen." Sakura Tanaba flehte beinahe. Verzweiflung spiegelte sich jetzt in ihren Augen. Makoto hatte sie ganz vergessen. Dieser betrachtete Setsuna eingehend. Er schätzte sie auf vielleicht Mitte 20. Sie hatte langes, grünes Haar und eine dunkle Hautfarbe. Ihr Geruch erinnerte ihn an etwas, etwas schönes.

Noch auf dem nach Hause Weg mußte er an sie denken. Fräulein Tanaba war sehr bald mit ihr gegangen. Nicht zu sich, dahin wollte die Fremde nicht. Fremd, fremdländisch, er fragte sich woher sie kam. Dann stahl sich ein Grinsen auf sein Gesicht. Er hatte gar nicht gewußt, daß seine Nachhilfelehrerin auf Frauen stand. Einen anderen Grund, als daß Setsuna und Sakura Tanaba ein Pärchen waren, konnte er sich für ihre stille Zuneigung und den Andeutungen nicht denken. Ob Fräulein Tanaba Angst davor hatte entdeckt zu werden. Sehr wahrscheinlich. An der nächsten Kreuzung blieb er stehen, sollte er die Abkürzung, die an Minato-ku vorbei führte, nehmen oder den längeren Weg nach Hause. Mit einem Blick auf die Uhr entschied er sich für die Abkürzung. Er konnte ja die Strecke laufen, einfach nicht anhalten wenn die Geister ihn riefen. Das dunkle Gemäuer beachtete er gar nicht. Gleich, nur noch ein paar Meter, da warf sich jemand an ihn. Makoto schrie erschreckt auf und versuchte sich zu wehren. Die Geister, die Geister zogen ihn zu sich – nach Minato-ku. "Nein, nein!!! Hilfe!" Plötzlich hörten sie auf und es wurde wieder still. Makoto öffnete vorsichtig die Augen, ängstlich vor dem was ihn da erwartete. Zu seinen Füßen lag ein Mädchen, bewegungslos. Er kniete voller Sorge zu ihr nieder. "Hey du!" Er strich über ihre bleiche Haut und sprach sanft weiter zu ihr. Ganz leicht fühlte er ihren Atem als er sie aufhob. Da schlug sie die Augen auf und betrachtete Makoto verwundert. "Bunny Liebling, was machst du hier?"

Fortsetzung folgt........