3. Kapitel, Sich zu verlieben
Heimlich beobachtete sie ihn, als er seine Aufgaben machte. Das zierliche
Gesicht, die großen blauen Augen und das zerwühlte blonde Haar,
ihr war nie aufgefallen, wie feminin Makoto war, bildhübsch sogar.
"Richtig so Tanaba-san?" Sie zuckte zusammen und errötete.
"Sicher!" Stammelte ihr Mund, während in ihrem Kopf ein Chaos
herrschte. "Tee?" In der Küche lehnte sie sich gegen den Kühlschrank.
Ihr war heiß geworden.
"Kann ich ihnen helfen?" Makoto trat in die Küche.
"Du könntest das Wasser zum Kochen bringen." Sie beobachtete ihn,
wie er den Kesser mit Wasser füllte und kicherte, als er versuchte
mit einem Streichholz den Gasherd anzumachen. Wie ein Schulmädchen
kam sie sich vor, aber dies störte Sakura Tanaba auch nicht weiter.
Eigentlich empfand sie dieses Gefühl als sehr schön.
"Lass uns doch Schluß für heute machen." Sagte sie. Makoto,
der gerade seine Hand unter kaltes Wasser hielt, nickte erstaunt. Er vergass
sogar seine Brandblase und den Wasserkessel, packte seine Schulsachen und
ging. Sakura schloss mit einem Lächeln die Tür hinter ihm. Dann
eilte sie zum Telefon und tippte hastig eine Nummer ein. Angespannt lauschte
sie den Signalen. Als Setsuna sich am anderen Ende meldete, atmete sie
befreit und glücklich auf.
Es roch unangenehm intensiv nach Zimt und Nelken. Hätte der Geruch
eine Farbe gehabt, so hätten sich die braunen Duftschleier über
das Café gelegt und es wäre den Kellnerinnen unmöglich
gewesen durch das Gewirr von Tischen, Stühlen und Gästen zu finden.
Sie, direkt Makoto gegenüber, schien ihre ganze Aufmerksamkeit
der leeren Straße vor dem Café gewidmet zu haben. Er nutzte
ihre Abwesenheit um sie genauer zu betrachten. Ihre langes, blondes Haar
war ihr ins Gesicht gefallen. Sie selbst steckte in einem weinroten Kleid,
dessen Rüschen, Spitzen und Schleifen sie fast optisch verschwinden
liessen.
"Minako?" Fragte er leise. "Wer war der Mann?"
Sie klimperte verständnislos mit ihren Wimpern.
"Der Mann, der dich gestern mitgenommen hat im Auto. Er hielt neben
uns, kurz nachdem wir uns in Minato-ku getroffen haben."
Sie lächelte verschmitzt. "Es war eine Frau, Urara Takano."
"Die Tochter des Millionärs? Sie ist doch mit dem einen Politiker
verlobt."
"Ich bin mir nicht sicher."
"Seid ihr verwandt?"
Sie schüttelte abwehrend den Kopf. "Bitte frag doch nicht soviel
Bunny. Immer werde ich nur gefragt, gefragt, gefragt. Ich kenne meinen
eigenen Namen nicht und da soll ich Antworten für all die anderen
Fragen haben? Lass wenigstens uns beide nie wieder eine Frage stellen."
Sie hielt inne. Ihr Blick glitt mit einem milden Lächeln über
Makotos Gesicht. "Aber deinen Namen kenne ich, Usagi Tsukino. Wir waren
früher Freundinnen. Rei, Amy, Makoto, du und ich, wir haben immer
zusammen gehalten. Eigentlich hast du uns zusammen gehalten. Du warst der
Juwel. Dein Freund war Mamoru, groß mit schwarzen Haaren und blauen
Augen. Dann gab es noch Chibi-Usa, deine Tochter aus der Zukunft. Und Setsuna,
Hotaru, Michiru und..." Hier stoppte sie und blinzelte ein paar Tränen
weg, die vollkommen fehl am Platz schienen. "Haruka. Urara ist Haruka,
aber sie erinnert sich nicht. Allerdings glaubt sie mir auf eine verrückte
Art und Weise. Gestern Nacht noch, da stellte sie mir all diese Fragen
über die Vergangenheit."
"Kaioh, Michiru. Geboren am 6. März 1981. Violinistin. Opfer der
Explosion in Minato-ku/Tokyo." Urara lass den kurzen Text noch einmal,
bevor sie eine der Bibliothekarinnen zu sich heran winkte.
"Womit kann ich ihnen helfen?" Fragte diese und lächelte Urara
in einer so vertraulichen Art zu, wie man es eigentlich nur bei nahestehenden
Freunden oder Familie machte.
"Wo kann ich mehr Informationen zu dieser Person finden?"
"Es dürfte noch Aufnahmen von ihr geben, eine Etage tiefe allerdings."
"Und Bücher oder Zeitungen?"
"Diese dürften noch auf Filmen im Keller gelagert sein. Immerhin
ist es schon über hundert Jahre her. Wenn sie sich einen Moment gedulden,
bei solch einem ehrenvollen Besuch, wie dem ihren, schaue ich natürlich
gerne nach." Urara lächelte ihr kurz zu. Immerhin war Michiru Kaioh
die einzige Person, die in dem Personenregister des Computers zu finden
war. Keine Amy, Rei, Setsuna oder Makoto hatten sich gefunden, alles unbekannte
und schlichte Menschen, die der kleinen Minako soviel bedeuteten. Auch
eine Haruka Tenoh, wie ihr Name gewesen sein sollte, so musste Urara enttäuscht
feststellen, gab es nicht im Register. Es beschlich sie das Gefühl,
dass alles nur ein Gehirngespinst war. Es war doch idiotisch an die Geschichte
eine kleinen Prostituierten aus den Armenvierteln von Tokyo zu glauben.
Wir kennen uns aus einem früheren Leben! Wie idiotisch.
Wäre in diesem Moment nicht die Bibliothekarin mit einem Stapel
Papier gekommen, Urara wäre fortgegangen und hätte Minako und
alles was mit dem Mädchen zusammenhing vergessen.
"Ich habe mir erlaubt ihnen von den gewünschten Zeitungsartikeln
gleich Kopien zu machen." Wieder lächelte sie Urara überwältigend
freundlich zu. Mit einem Danke nahm diese das noch warme Papier entgegen.
Es waren hauptsächlich Konzertkritiken. Alle sehr positiv, die
meisten schwärmten geradezu von der "bezaubernden" Michiru Kaioh und
ihrem "unglaublichen" Talent. Urara überflog die Artikel nur. Erst
ein Bild zog Uraras Aufmerksamkeit auf sich. Es war betitelt 'Michiru Kaioh
zusammen mit ihrem Freund, dem Rennfahrer Haruka Tenoh'. Der Artikel selbst
ging über ein Benefizkonzert, dass an dem folgenden Wochenende in
Tokyo stattfinden sollte. Kaioh und Tenoh hatten es organisiert für
eine Lebrahilfe. Urara betrachtete das Foto voll staunen. Michiru war darauf
zu sehen, wie sie in einem hellblauen Kleid eine Treppe hinunter kam, Hand
in Hand mit ihrem Freund, mit Haruka Tenoh, mit Urara Takano. Die Person
auf dem Bild gleichte ihr wie das eigene Spiegelbild. Urara suchte nach
dem Datum und Ort des Konzertes. Zu ihrem Schrecken musste sie feststellen,
dass es am Tag des Unglücks statt gefunden hatte, in Minato-ku. Das
nächste Blatt im Stapel war ein Nachruf.
"Ich friere Haruka. Komm, lass uns gehen, ein Gewitter zieht auf. Es ist nicht wegen dem Konzert, sondern wegen den anderen. Der Streit und die neuen Bedrohung, alles fühlt sich so an, als würde es heute Abend passieren. Heute Abend Haruka!" Die zierliche Gestalt hat die Arme um den eigenen Körper geschlungen, als wolle sie sich selbst vor der Kälte schützen. Sie steht in einem Park, man erkennt es an den gepflegten Blumenrabatten, den Bäumen und Bänken. "Ganz ehrlich, mir ist unwohl. Obwohl sie flüstert, klingt ihre Stimme so eindringlich. "Ich traue ihr nicht."
Urara schlug die Augen auf. Ihre Finger gruben sich in den roten Teppich unter ihrem Körper. Hastig stand sie auf und sammelte das Papier vom Boden. Sie lehnte Hilfe und einen Arzt ab. Nur ein Ohnmachtsanfall, nichts schlimmes.
Wem traute Michiru nicht?
