Sehnsucht öffnet alle Türen - eine DBZ-Fanfiction
"Noch einen!" Lunch schwenkte auffordernd ihr Glas.
Der Barkeeper warf ihr einen schiefen Blick zu. "Kleine Lady, Sie hatten schon drei doppelte. Mehr vertragen Sie nicht, ohne vom Stuhl zu kippen."
"Warte mal", Lunch erhob sich etwas schwerfällig vom Hocker und packte den Barkeeper am Kragen. "Ich beschtimme hier, wann du ... ich meine, wann ich genug haben. Veschtanden?!" "Ihh!" Der Barkeeper drehte den Kopf zur Seite, um ihrer Fahne zu entgehen. Mit einem Ruck befreite er sich aus ihrem Griff und knallte ein leeres Glas vor sie hin. "Zuerst bezahlen Sie mal die Zeche für die anderen Drinks, dann sehen wir weiter."
Die wehrhafte Blondine vor ihm, sah erst das leere Glas an, dann seine fordernd ausgestreckte Hand. "Schon ... schon gut!", murmelte sie und nestelte an ihrem Gürtel. Zu dumm, dass sie ihre Knarre draußen beim Eingang hatte abgeben müssen. Der Beutel mit ihrer letzten Beute war schon wieder ziemlich leicht geworden. Mit Mühe knüpfte sie den Knoten auf und fischte ein paar Münzen heraus. "Ischt das genug?" Sie ließ die Münzen auf den Tresen fallen. Der Barkeeper stutzte. Das waren doch Sammlermünzen, die silberne Königsausgabe dazu noch. Er sah die blonde Frau an. War da nicht vor zwei Wochen erst ein Raubüberfall in aller Munde gewesen? Eine blonde Frau hatte angeblich ganz allein den Geldtransport überfallen und die sechs Wachmänner ausgeschaltet, ohne einen davon ernsthaft zu verletzen. Die Sonderprägung der silbernen Königsausgabe war damals für die große Sammlermesse mit von der Partie gewesen und wurde ebenfalls vermisst. Eigentlich hatte er es sich ja nicht vorstellen können, dass eine einzelne Frau so gerissen sein würde, aber da saß die Diebin, eine Armeslänge vor ihm und unbewaffnet. Seine Hand schloss sich um die wertvollen Sondermünzen. "Aber natürlich reicht das. Dafür gebe ich Ihnen sogar einen dreifachen."
Lunchs Instinkte waren durch ihre lange Verbrechenslaufbahn geschärft worden, aber in dem Whisky ertränkt, schlugen sie nicht Alarm, als der Barkeeper mit einem besonders freundlichen Lächeln das Glas mehr als großzügig voll goss.
Der Kalender, der neben dem großen Spiegel hing schien sie auszulachen. Der dreizehnte Juni, wieder einmal. Lunch seufzte und kippte den harten Drink ohne mit der Wimper zu zucken in sich hinein. "Woah!", entfuhr es ihr. "Ist ja das pure Feuer, 'ne Extramarke, Schef?" Vor ihren Augen begann das Gesicht des Barkeepers zu verschwimmen. "Ja, die ist nur für ganz besondere Kunden", hörte sie ihn noch sagen. "War wohl doch ein bischchn viel..." lallte sie noch, kippte vom Hocker auf den Boden und schlief auf der Stelle ein.
"Auf die Mischung kommt es an", grinste der Barkeeper und griff zum Telefon. "Hallo, Polizei...?"
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Als Lunch Stunden später wieder zu sich kam, fühlte sich ihr Schädel an, als hätten Elefanten darauf Rumba getanzt. "Ohhh..." Selbst das leise Gewimmer ihrer eigenen Stimme schnitt in ihr durch Mark und Bein. Ihr Zunge war dick und pelzig, als hätte sie jemand in Sägemehl gewälzt und als sie vorsichtig die Augen aufschlug, stach das unbarmherzige Licht der nackten Glühbirne wie tausend Nadeln. Schlafen, sie musste unbedingt noch schlafen... und wieder versank sie in wohltuender Schwärze. "Genug gepennt, du blondes Biest!" Platsch! Mit einem Schlag war Lunch hellwach und wischte sich das kalte Wasser aus den Augen.
"Was soll das, verdammt? So weckt man keine Dame!"
"Ich dachte nur, du willst vielleicht dein Frühstück."
Diese Stimme kannte sie nicht und sie war auch viel zu überheblich für ihren Geschmack. Obwohl ihr Kopf noch immer höllisch weh tat, zwang sie sich, sich mit weitoffenen Augen umzusehen. Betonwände, lange Eisenstäbe, ein Holztisch, ein wackliger Stuhl, noch mehr lange Eisenstäbe, eine Pritsche... Mit einem Schlag war der Kater wie ausgelöscht.
Kerzengerade presste sich Lunch mit dem Rücken an den harten Beton und schluckte. "Wo... wie?", krächzte sie heiser.
Ein Schlüssel wurde ins Schloss gesteckt und quietschend umgedreht. Knarrend glitt die Gittertüre auf und zwei Wachebeamte traten ein. Einer trug ein Tablett, der andere hatte seine Waffe auf Lunch gerichtet.
"Du bist hier im Gefängnis der östlichen Hauptstadt. Wir haben bei dir die einzigartigen Silbermünzen gefunden, die vom Raub vor zwei Wochen stammen. Sie sind ganz frisch geprägt und nur deine Fingerabdrücke sind drauf. Leugnen ist zwecklos. Der Richter hat dich im Schnellverfahren zu 30 Jahren Kerker verurteilt."
Lunch fiel der Kinnladen herab. "Drei... dreißig Jahre? Und das für die lumpigen Kröten, die keine zwei Wochen gereicht haben? Bei euch piepst wohl! Ich verlange den Richter zu sprechen, einen Anwalt und ich will meine Knarre zurück!"
"Hahaha..." die beiden Wachmänner lachten aus vollem Hals. "Du bist vielleicht ulkig. Als ob jemand einer so gefährlichen Verbrecherin wie dir eine Knarre geben würde. Iss erst mal, morgen wirst du ins Frauengefängnis verlegt."
Lunch hatte gute Lust, ihnen zu sagen, was sie mit dem Essen anfangen sollten, aber ihr Magen knurrte vernehmlich und so stand sie von der Pritsche auf und ging langsam zum Stuhl, um sich mit einem Knurren darauf fallen zu lassen. Das Frühstück erwies sich als gar nicht so übel. Immerhin hatten die offenbar nicht vor, sie verhungern zu lassen. Lunch griff nach dem Löffel und schaufelte den Haferbrei in sich hinein. Auch von dem Spiegelei mit Toast und den Bohnen in Tomantesauce ließ sie nichts übrig.
Die Kanne Kaffee war ihr sehr willkommen und auf ihre Bitte hin brachte ihr der zweite Wachmann sogar noch eine Karaffe mit Wasser, das sie in sich hinein schüttete. "Die Toilette ist da drüben. Wir sind ein sehr modernes Gefängnis, daher hat jede Zelle ihre eigene", sagte der jüngere Wachmann stolz, als er das leere Tablett abräumte. Lunch nickte nur flüchtig und verkroch sich dann wieder auf die Pritsche. Zusammen gerollt starrte sie auf die Gitterstäbe und fragte sich, ob das dieses Mal wirklich ihr Ende sei. Und wenn, würde es überhaupt etwas ausmachen? Die Überfälle, die Diebestouren hatten seit Jahren einen schalen Geschmack. Gestern war er also wieder gewesen, der dreizehnte Juni. Wieder ein Jahr mehr, sie war wieder ein Jahr älter und er auch. Seufzend streckte sich Lunch aus, verschränkte die Hände unter dem Kopf und starrte zur Decke. Zehn Jahre. Zehn Jahre war es jetzt her, seit sie ihm durch Zufall wieder über den Weg gelaufen war. Besser gesagt ihre andere Hälfte, das Hausmütterchen Lunch. Trotzdem, im Gegenteil zu der andern Lunch, die sich an die Verbrechen der blonden Hälfte nie erinnern konnte, hatte sie Gott sei Dank alle Erinnerungen der blauhaarigen Hälfte.
Das war nicht immer so gewesen, aber in letzter Zeit erging es ihr so. Gut hatte er ausgesehen, glatzköpfig wie immer, in dem üblichen Mönchsgewand. Stark, noch immer die geballte Kraft in Person und kaum älter als damals, wo er sich von ihr abgewendet, sie einfach sitzen gelassen hatte. Obwohl, so richtig zurückgewiesen war sie sich nie vorgekommen, hatte er ja doch nicht einmal in der Zeit, als sie zusammen gewohnt hatten, das kleinste Bisschen Zuneigung erkennen lassen. Höfliche Duldung, ja, damit konnte man seine Haltung am besten beschreiben. Lunch seufzte noch tiefer. Und da war er endlich wieder vor ihr gestanden, nachdem Mr. Satan sich gerade wieder mal zum Champion hatte krönen lassen.
Sie war doch extra zu den Weltmeisterschaften gefahren, hatte sich das Geld für die sündteure Eintrittskarte zusammengestohlen, in der wagen Hoffnung er würde auch da sein. Es hatte sie gewundert, dass dieser rosa Klops, der sich Boo nannte, zwar jeden Gegner alt hatte aussehen lassen, aber nach dem laschen Schlag Satans wie ein Mehlsack umkippte. Roch verdammt nach Betrug, aber ihr konnte das egal sein. Nach der Siegerehrung hatte sie sich mit ihren Ellbogen durch die Menge gepflügt, ständig Ausschau gehalten nach einem Clownsgesicht und einem glatzköpfigen Mönch und gerade als sie die beiden weit vor sich erblickt hatte, musste der Wind ein paar lästige Pollenkörner ihr ins Gesicht blasen ... und ihre blasse Hälfte übernahm. Dass sie danach überhaupt noch an ihn heran gekommen war, konnte als kleines Wunder gelten, war doch die zahme Lunch viel zu weich, um ihr Ziel konsequent zu verfolgen. Nun, immerhin musste er ihren Ruf gehört haben, denn er hatte sich umgedreht und ihr gewunken.
Die zahme Lunch, deren Herz nicht für ihn schlug, hatte ihn ganz einfach nur freundlich angelächelt und nach dem Befinden gefragt. Ein paar nichtssagende Worte, ein paar Floskeln. Dann hatten sich ihre Wege wieder getrennt. Als der nächste Wechsel kam, waren er und Chaozu natürlich längst über alle Berge.
Zehn Jahre. Wenn sie ihn jetzt sehen würde, ob er sie wieder erkennen könnte? Zu viel Sonne, zu viel Stress und zu viele harte Drinks. Die silbernen Haare ließen sich in der blonden Mähne noch gut verbergen, aber die blauhaarige Lunch hatte das letzte Mal ernsthaft versucht, sie auszureißen weil sie aus der blauen Lockenpracht hervorstachen. Auch ihr Gesicht, Lunchs Hände tasteten über Wangen, Mundwinkel und Schläfen, auch ihr Gesicht hatte die jugendliche Glätte eingebüßt. Krähenfüße in den Augenwinkeln, Falten in den Mundwinkeln, sie hätte das Geld wohl besser in eine Schöhnheitsoperation investiert. Ob die zehn Jahre an ihm wieder ohne große Spuren vorbei gegangen waren? Wahrscheinlich.
Das Leben konnte so ungerecht sein, dass es zum Verzweifeln war. Sie, die geführchtete Diebin Lunch saß nun hinter Gitter. Eigentlich könnte sie jetzt auf den ältesten Trick zurückgreifen und mit der braven Lunch wechseln, aber ... irgendwie verspürte sie nicht den Hauch eines Wunsches, sich wieder allein durch die Weltgeschichte zu schlagen. Statt in einem Hinterhof elend zu krepieren, würde sie eben hinter Gitter vor die Hunde gehen. Wen kümmerte das schon? Ihn ganz bestimmt nicht ...
So kam es, dass am nächsten Tag eine zahme, blonde Lunch in den Gefängnistransport kletterte. Handschellen und Ketten an den Beinen machten jede Bewegung mühevoll. Sie murrte nicht, als der begleitende Wachebeamte sie in den hinteren Teil des Wagens stieß und sie unsanft auf die Sitzbank knallte. Die Türe wurde verriegelt, der Fahrer stieg ein, startete den Motor und gab Gas.
Die Straße war holprig und der Fahrer schien es ziemlich eilig zu haben. Lunch wurde ganz schön durchgerüttelt. Der Wachebeamte behielt sie die ersten zwei Stunden über scharf im Auge, als er jedoch bemerkte, wie resigniert das blonde Häufchen Elend auf der harten Bank hockte, ließ seine Wachsamkeit deutlich nach. Früher hätte Lunch das ausgenutzt, ihm einen Tritt verpasst, dass er das Bewusstsein verlor, ihm die Schlüssel abgenommen und sich befreit, mit seiner Knarre den Fahrer zum Anhalten gezwungen, ihn dann mit ihren Fesseln an den nächsten Baum gekettet (natürlich nicht ohne ihn wie den Wachmann um ihre Wertsachen zu erleichtern). Ja, so war sie früher gewesen. Vielleicht hatte ihn das abgeschreckt. Wenn ihre weiche Hälfte dieselben Gefühle für ihn gehegt hätte, dann, ja dann wäre dieser vielleicht vergönnt gewesen, sein fernes, gut gehütetes Herz zu erreichen. Doch da dem eben nicht so war, hatte es wenig Sinn, einem "Was wäre gewesen wenn..." nachzutrauern.
"Wie lange dauert es noch?", fragte sie den Wachmann. Der, überrascht, dass die bis dahin schweigende Gefangene überhaupt ein Wort von sich gab, sah auf die Uhr. "Etwa zwei Stunden noch."
"Ich sollte mal für kleine Mädchen."
"Das geht im Moment nicht!", kam es aus der Fahrerkabine, die über eine Sprechanlage mit dem hinteren Bereich verbunden war. "Wir fahren gerade durch ein Waldgebiet, aber in etwa einer Viertelstunde erreichen wir eine Ortschaft. Dort machen wir beim Wirtshaus halt und du kriegst auch was zu trinken."
Protestieren machte ohnehin keinen Sinn, also nickte Lunch nur, und versank wieder in ihrem Jammertal, wo sie seit gestern Abend nicht mehr heraus gefunden hatte.
Plötzlich, es waren vielleicht fünf Minuten seit ihrer Frage verstrichen, trat der Fahrer mit einem Fluch auf die Bremse. Genau vor ihnen lag ein Baumstamm über der Fahrbahn. "Was machen wir jetzt?", fragte der Fahrer den Wachmann. Lunch war es egal, solange es rasch ging.
"Ich werde aussteigen und ihn zur Seite ziehen", sagte der Wachmann. "Du wirst die Türe entriegeln müsen."
"Mach ich!", der Fahrer zog den Schlüssel ab, stieg aus und entriegelte die rückwärtige Türe, sodass der Wachmann austeigen konnte. Zur Sicherheit zog dieser noch seine Waffe und kletterte dann aus dem Wagen. Nach rechts und links sichernd ging er zur Krone des Baumes und versuchte, an einem Ast zu zerren. Natürlich war der Baum viel zu schwer für ihn allein. Der Fahrer musste mit anpacken und gerade, als sie es geschafft hatten, den Stamm von der Straße zu zerren, hörten sie hinter sich das drohende Geräusch des Entsicherns eines Revolvers. "Darf ich die beiden Herren ersuchen, ihre Pfoten in den Himmel zu heben?", fragte eine kultivierte, junge Stimme.
"Wer bist du? Ein Komplize von ihr?", fragte der Wachmann gefasst. "Ihr werdet nicht weit kommen, ihr Gesicht ist durch die Fernsehfahndung selbst im kleinsten Kaff bekannt." "Wer ist diese "sie"?", fragte die Stimme verwundert. Dann erst schien er zu bemerken wen er vor sich hatte. "Ah... so ist das also. Hmm... Ich schätze ich sollte euch das Licht ausknipsen für eine Weile. Nicht persönlich gemeint, aber ich habe etwas gegen Gefängnisse..."
"Das ka...", fing der Fahrer an zu protestieren, aber da traf ihn schon etwas hartes an der Schläfe und er sackte zusammen. Dem Wachebeamten blieb nur ein Augenblick mehr, ehe ihn das gleiche Schicksal ereilte.
Der Besitzer der Pistole und der jungen Stimme bückte sich und nahm den beiden ihre Geldbörsen, wie sämtliche Schlüssel ab. Er sah zu dem Transporter hinüber und überlegte. "Nun ja, warum nicht?"
Lunch wartete ungeduldig darauf, dass es endlich weiter ging. Wie lange brauchten diese beiden Trottel, um einen Baumstamm von einer Straße zu ziehen? Sie musste wirklich dringend und Durst hatte sie auch.
Endlich wurde die Türe des Transporters geöffnet und helles Tageslicht flutete in den fensterlosen Bereich, der nur von der schwachen, künstlichen Beleuchtung erhellt worden war. Geblendet kniff sie die Augen zu und drehte den Kopf weg.
"Willst du da drin Wurzeln schlagen, Blondy?", fragte eine ihr unbekannte Stimme. "Die beiden Esel habe ich schlafen geschickt."
Lunchs Augen gewöhnten sich langsam an die Helligkeit und sie konnte die Waffe in der Hand des Sprechers erkennen, auch wenn sein Gesicht im Schatten verborgen blieb. Offenbar hatte sie keine andere Wahl, als zu gehorchen.
Mühsam schleppte sie sich bis zur Türe und versuchte dann zu springen. Leider verhedderte sich ihre Kette und sie stürzte - genau auf den Räuber. Der Schuss, der sich dabei aus dem Revolver löste, strich haarscharf an ihrer Schläfe vorbei und bohrte sich durch das Dach des Wagens.
Beide gingen sie zu Boden. "Mal langsam, Blondy. Du musst mir deswegen nicht gleich um den Hals fallen."
"Tu ich ja gar nicht, du Greenhorn", knurrte Lunch und wälzte sich zur Seite.
"Uff, ich dachte schon, ich krieg gar keine Luft mehr." Ihr Befreier rappelte sich auf. "Donnerwetter, dich haben sie aber gut verpackt. Du bist wohl 'ne große Nummer, wie? Was hast du angestellt?"
"Was geht dich das an?" Mühsam kam Lunch wieder auf die Beine und hielt sich an der offenen Türe des Wagens fest. In ein paar Schritt Entfernung wucherte passend dichtes Buschwerk. Papiertaschentücher wusste sie im Hosensack ihres orangen Gefängnisoveralls und so humpelte sie vorsichtig, aber zielstrebig auf die Büsche zu.
"Halt, warte doch!" Ihr Befreier stellte den Fuß auf die lange Kette, die sie hinter sich herzog und um ein Haar wäre sie erneut gefallen. "Hast du nicht etwas vergessen? Oder willst du bis an dein Lebensende mit den Eisenteilen durch die Gegend schlurfen?"
"Ist mir herzliche egal", gab Lunch müde zurück. "Ich muss nur mal für kleine Mädchen und den Schlüssel habe ich nicht in der Tasche."
"Aber ich", grinste der schwarzhaarige, junge Mann und wirbelte den Schlüsselring des Wachebeamten am Zeigefinger im Kreis, dass die Schlüssel klirrten.
"Aber, ich denke nicht, dass ich sie brauchen werde". Er schloss die Faust um die Schlüssel, drückte einmal kräftig zu und öffnete die Faust wieder. Die völlig verbogenen Schlüssel landeten zu seinen Füßen. Lunch kam das ganze Theater, das her vor ihr abzog völlig übertrieben vor. Verärgert machte sie abrupt einen Schritt nach vorne und brachte den Youngster dadurch aus dem Gleichgewicht, sodass er auf seinen vier Buchstaben zu sitzen kam. "Sorry, aber ich habe jetzt keine Zeit, deine Superkräfte und deinen coolen Auftritt zu bewundern", sagte sie knapp und schleppte sich hinter die Büsche.
Der junge Mann starrte ihr ein wenig verblüfft hinterher und fing dann zu lachen an. Er grinste als sie nach einer Weile wieder auftauchte. "Darf ich dir jetzt die Ketten abnehmen?", fragte er ironisch.
"Wozu?" Zum ersten Mal sah sie ihn offen an.
Die Mutlosigkeit und Resignation in ihrem Blick erschreckten ihn. Doch er fasste sich rasch wieder, trat stumm an sie heran und brach die Handschellen mit bloßen Händen auf. Auch die Ketten fielen nach ein wenig handfester Aufforderung und sie konnte sich seit langer Zeit wieder strecken, was sie auch genüsslich tat.
"Was wirst du jetzt anfangen?", fragte er sie.
"Das weiß ich nicht", war ihre monotone Antwort.
"Weißt du was?", sagte er nach kurzer Überlegung. "Warum kommst du nicht mit mir? Ich habe eine kleine Hütte ganz in der Nähe, da kannst du bleiben bis du dich entschieden hast." Da das so gut war wie alles andere, nickte Lunch ohne großen Enthusiasmus und trabte hinter ihm her durch den Wald. Die Hütte lag wirklich gut verborgen und war ein massiver Bau aus Holz mit einem roten Ziegeldach. "Es ist nicht sehr luxuriös und für Gäste bin ich eigentlich nicht eingerichtet", entschuldigte er sich ein wenig verlegen und riss die Türe auf. Ein Schwall staubiger Luft fegte Lunch ins Gesicht, sie wandte den Kopf ab und griff sich an die Nase, aber es war zu spät. "Haa...tschi!"
"Gesundheit!", lachte der schwarzhaarige junge Mann. "Ich bin nicht der häusliche Typ..." Er wollte ihr zu zwinkern und erstarrte. Statt der resignierten, mürrischen Blondine stand da auf einmal eine komplett andere Frau mit freundlichem Gesicht und langen, dunkelblauen Locken.
"Was ... wie... wer bist du?", fragte er misstrauisch und wich von ihr zurück. "Hat sich mein anderes Ich noch nicht vorgestellt?", wunderte sich die zahme Lunch. "Sie hat aber auch gar keine Manieren. Autsch!" Sie bückte sich und betastete ihre wund geriebenen Knöchel. "Hat sie wieder etwas angestellt?", fragte sie den immer noch perplexen jungen Mann.
"Nun ja, ich weiß es nicht genau", rang sich dieser ab. "Jedenfalls saß sie in einem Gefangenentransporter. Ich habe sie da raus geholt." "Wie schrecklich!" Lunch legte entsetzt die Fingerspitzen auf die Lippen. "Es musste wohl eines Tages soweit kommen mit ihr. Ständig Banken ausrauben und Leute überfallen - das ist ja kein Leben."
"Ähhh...", er rückte sein rotes Halstuch zurecht. "eigentlich ... eigentlich ist das gar nicht so schlecht, so lange man sich nicht erwischen lässt."
"Also ich finde das nicht in Ordnung", sagte Lunch entschieden. "Aber es scheint, als verdanken wir beide dir, dass wir da wieder raus gekommen sind. Normalerweise schafft sie es allein aber in letzter Zeit hat sie nur noch getrunken, wenn sie an der Reihe war. Bin ich froh, dass ich ihren Brummschädel nicht haben muss." Da er immer noch in der Tür stand, entsann sie sich ihrer guten Manieren. "Entschuldige, ich habe mich ja noch gar nicht vorgestellt." Sie verbeugte sich. "Ich bin Lunch, zumindest eine von uns zweien. Jedesmal wenn eine von uns niest, nimmt die andere ihren Platz ein. Das ist auf die Dauer ziemlich anstrengend. Und wer bist du?"
"Ich? Oh, mein Name ist C17. Ich bin ein Cyborg."
"Was ist ein Cyborg?", fragte Lunch.
"Eine Minschung aus Mensch und Roboter", erklärte C17. "Ich bin sehr stark und sehr gefährlich."
"Aha", Lunch zeigte sich kein bisschen beeindruckt. "Heißt das, dass man dich jeden Tag ölen muss? Kann man dich irgendwo aufmachen, falls du mal ein Rad ab hast oder eine Schraube locker ist? Lebst du von Strom oder von Benzin?"
"Nein und nein und weder noch", sagte C17 ob ihres Mangels an Furcht verunsichert. "Bis auf meine Kraft und Geschwindigkeit ist alles andere wie bei allen Menschen. Ich esse, schlafe, trinke und blute."
"Das ist gut." Lunch klatschte erfreut in die Hände. "Mit Maschinen kenne ich mich nämlich nicht so toll aus." Sie warf einen Blick durch die offene Tür. "Sieht so aus, als könntest du ein bisschen Hilfe gebrauchen, C17. Hast du irgendwo eine Schürze?"
"Ich glaube nicht", sagte er verwundert, als sie die Hütte betrat, vor der zweiten Schwelle aus ihren Stiefeln schlüpfte und nach dem Besen griff.
"Dann solltest du eine besorgen. Ich brauche auch noch Flüssige Seife, Holzpflegemittel, einen Kübel, mindestens dreißig Putzlappen, einen großen Zuber, eine Wäscheleine, viele Wäscheklammern, Seifenpulver und ein Waschbrett, Nähzubehör, ein Set neuer Töpfe, Gemüse, Eier und..."
Es endete damit, dass C17 alles niederschrieb und sich dann ohne Widerworte aufmachte, die geforderten Dinge zu besorgen. Dazu flog er in die nächste, größere Stadt, versteckte sein schwarzes Haar unter einem Hut und nahm das Halstuch ab.
Bis er alle Dinge beisammen hatte, war es Abend. Ein Glück dass er noch nicht dazu gekommen war, die Beute seiner letzten fünf Überfälle zu verschleudern. So konnte er wenigstens alles bar bezahlen. Mit einem Berg an Einkäufen flog er zurück, wo Lunch auf ihn wartete. "Ich kann nicht anfangen, wenn ich das da nicht habe", sagte sie und fischte aus dem Berg von Waren den Mundschutz, auf dem sie bestanden hatte. Ihre Stimme klang durch die Gaze etwas dumpf. "Bei all dem Staub muss ich sonst sicher niesen und die andere Lunch versteht kein bisschen was vom Kochen und Putzen."
Sie begnügte sich nicht damit, die Arbeit alleine zu tun. Mit ihrem warmen Lächeln und einem bittenden "Wäre es schlimm, wenn du ...?" oder "Könntest du vielleicht ganz kurz mal..." hatte sie ihn am Haken. Die Sterne standen bereits am Himmel als sie mit fröhlichem Summen die letzte Priese Salz in den Suppentopf streute und "Essen ist fertig!", nach draußen rief, wo er den letzten Eimer Putzwasser in den Bach kippte. Aus dem Rauchfang der Hütte stieg Rauch auf und es roch lecker. C17 beeilte sich mit dem Ausspülen des Eimers und schlüpfte hastig aus den Schuhen, um das Essen ja nicht kalt werden zu lassen.
"Ich hatte leider nicht mehr die Zeit, eigenes Brot zu backen", sagte sie und deutete mit dem Kopf auf den dunklen Brotlaib, der auf einem Holzbrett lag. "Würdest du bitte...?"
Er ließ sich nicht lange bitten und schnitt dicke Scheiben ab. Der kräftige Linseneintopf schmeckte besser als alles, was er in letzter Zeit selbst fabriziert oder gestohlen hatte. Natürlich wurde er hinterher mit freundlichem Lächeln gebeten, doch beim Abwasch zu helfen. Doch irgendwie rundete das die heimelige Atmosphäre ab.
"Morgen kümmere ich mich um die Wäsche und backe einen Kuchen", versprach Lunch und sah sich nach einer Schlafgelegenheit um.
"Du kannst das Bett haben", bot C17 ihr an. "ich mache es mir auf dem Boden bequem." "Das ist doch nicht nötig", Lunch betrachtete das breite Bett. "Das ist groß genug für zwei. Hast du zusätzliche Polster und Decken?"
"In der Truhe da hinten", sagte C17 leicht ratlos. Meinte sie das ernst? "Du, ich bin ... ich meine... hast du ...?" Wie sollte er es nur zur Sprache bringen, ohne gleich rot zu werden? "Ja?" Sie beugte sich weit vor, um die Decken aus der tiefen Truhe zu angeln. Dabei war ihr wohl gerundetes Hinterteil trotz des losen Overalls (C17 ärgerte sich, dass er nicht daran gedacht hatte, ihr Kleider mit zu bringen...) gut zu erkennen. Die Decken im Arm drehte sie sich zu ihm um. "Was wolltest du fragen, C17?" Trotz ihres nicht zu leugnenden Alters, sie könnte fast seine Mutter sein, hatte sie die unschuldige Ausstrahlung eines jungen Mädchens. Er schluckte und schüttelte den Kopf. Unmöglich, er konnte unmöglich so etwas zur Sprache bringen. "Ach nichts ... nur, es könnte unbequem werden, ich äh ... habe einen unruhigen Schlaf."
"Das macht doch nichts!", lachte sie. Sie rollte zwei der Decken zu einer dicken Wurst und legte sie genau in die Mitte des Bettes. Ein Polster links, eines rechts und genauso verfuhr sie mit den beiden restlichen Decken. "Damit wäre das Problem gelöst, oder? Da ich bisher immer allein geschlafen habe", ihr entging der erstaunte Ausdruck auf seinem Gesicht, "weiß ich auch nicht, ob ich vielleicht im Traum um mich schlage oder schnarche."
Aus der Truhe holte sie sich noch zwei dicke Handtücher und eines seiner vielen Hemden. "Kann ich mir das ausborgen? Ich mag in dem dreckigen Overall nichts ins Bett liegen, wo ich es doch frisch bezogen habe."
Er konnte nur nicken. Mit Seife, Handtuch und dem Hemd ging sie fröhlich summend hinaus, um die Hütte herum zum Bach. Ein paar Meter bachaufwärts hatte ein kleiner Wasserfall einen Tümpel geschaffen. Sie schien sich keine Gedanken wegen etwaiger Spanner zu machen. In aller Ruhe zog sie den Overall aus, und stieg, nur mit der Wäsche bekleidet in den kalten Tümpel. C17, der ihr in einiger Entfernung gefolgt war, bekam bei dem Anblick kaum Luft. Ein dünner Blutsfaden rann aus seiner Nase und er drehte sich mit knallrotem Gesicht hastig zur Hütte. Hinter seinem Rücken hörte er nur das Rauschen des kleinen Wasserfalls, wofür er dankbar war. Er ging außer Sichtweite, wischte sich mit ein paar Blättern das Blut ab und wartete bis er sicher war, dass sie ihr Bad beendet hatte. Er wollte gerade wieder näher heranschleichen, da hörte er einen Schrei
Ende des 1. Teiles
"Noch einen!" Lunch schwenkte auffordernd ihr Glas.
Der Barkeeper warf ihr einen schiefen Blick zu. "Kleine Lady, Sie hatten schon drei doppelte. Mehr vertragen Sie nicht, ohne vom Stuhl zu kippen."
"Warte mal", Lunch erhob sich etwas schwerfällig vom Hocker und packte den Barkeeper am Kragen. "Ich beschtimme hier, wann du ... ich meine, wann ich genug haben. Veschtanden?!" "Ihh!" Der Barkeeper drehte den Kopf zur Seite, um ihrer Fahne zu entgehen. Mit einem Ruck befreite er sich aus ihrem Griff und knallte ein leeres Glas vor sie hin. "Zuerst bezahlen Sie mal die Zeche für die anderen Drinks, dann sehen wir weiter."
Die wehrhafte Blondine vor ihm, sah erst das leere Glas an, dann seine fordernd ausgestreckte Hand. "Schon ... schon gut!", murmelte sie und nestelte an ihrem Gürtel. Zu dumm, dass sie ihre Knarre draußen beim Eingang hatte abgeben müssen. Der Beutel mit ihrer letzten Beute war schon wieder ziemlich leicht geworden. Mit Mühe knüpfte sie den Knoten auf und fischte ein paar Münzen heraus. "Ischt das genug?" Sie ließ die Münzen auf den Tresen fallen. Der Barkeeper stutzte. Das waren doch Sammlermünzen, die silberne Königsausgabe dazu noch. Er sah die blonde Frau an. War da nicht vor zwei Wochen erst ein Raubüberfall in aller Munde gewesen? Eine blonde Frau hatte angeblich ganz allein den Geldtransport überfallen und die sechs Wachmänner ausgeschaltet, ohne einen davon ernsthaft zu verletzen. Die Sonderprägung der silbernen Königsausgabe war damals für die große Sammlermesse mit von der Partie gewesen und wurde ebenfalls vermisst. Eigentlich hatte er es sich ja nicht vorstellen können, dass eine einzelne Frau so gerissen sein würde, aber da saß die Diebin, eine Armeslänge vor ihm und unbewaffnet. Seine Hand schloss sich um die wertvollen Sondermünzen. "Aber natürlich reicht das. Dafür gebe ich Ihnen sogar einen dreifachen."
Lunchs Instinkte waren durch ihre lange Verbrechenslaufbahn geschärft worden, aber in dem Whisky ertränkt, schlugen sie nicht Alarm, als der Barkeeper mit einem besonders freundlichen Lächeln das Glas mehr als großzügig voll goss.
Der Kalender, der neben dem großen Spiegel hing schien sie auszulachen. Der dreizehnte Juni, wieder einmal. Lunch seufzte und kippte den harten Drink ohne mit der Wimper zu zucken in sich hinein. "Woah!", entfuhr es ihr. "Ist ja das pure Feuer, 'ne Extramarke, Schef?" Vor ihren Augen begann das Gesicht des Barkeepers zu verschwimmen. "Ja, die ist nur für ganz besondere Kunden", hörte sie ihn noch sagen. "War wohl doch ein bischchn viel..." lallte sie noch, kippte vom Hocker auf den Boden und schlief auf der Stelle ein.
"Auf die Mischung kommt es an", grinste der Barkeeper und griff zum Telefon. "Hallo, Polizei...?"
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Als Lunch Stunden später wieder zu sich kam, fühlte sich ihr Schädel an, als hätten Elefanten darauf Rumba getanzt. "Ohhh..." Selbst das leise Gewimmer ihrer eigenen Stimme schnitt in ihr durch Mark und Bein. Ihr Zunge war dick und pelzig, als hätte sie jemand in Sägemehl gewälzt und als sie vorsichtig die Augen aufschlug, stach das unbarmherzige Licht der nackten Glühbirne wie tausend Nadeln. Schlafen, sie musste unbedingt noch schlafen... und wieder versank sie in wohltuender Schwärze. "Genug gepennt, du blondes Biest!" Platsch! Mit einem Schlag war Lunch hellwach und wischte sich das kalte Wasser aus den Augen.
"Was soll das, verdammt? So weckt man keine Dame!"
"Ich dachte nur, du willst vielleicht dein Frühstück."
Diese Stimme kannte sie nicht und sie war auch viel zu überheblich für ihren Geschmack. Obwohl ihr Kopf noch immer höllisch weh tat, zwang sie sich, sich mit weitoffenen Augen umzusehen. Betonwände, lange Eisenstäbe, ein Holztisch, ein wackliger Stuhl, noch mehr lange Eisenstäbe, eine Pritsche... Mit einem Schlag war der Kater wie ausgelöscht.
Kerzengerade presste sich Lunch mit dem Rücken an den harten Beton und schluckte. "Wo... wie?", krächzte sie heiser.
Ein Schlüssel wurde ins Schloss gesteckt und quietschend umgedreht. Knarrend glitt die Gittertüre auf und zwei Wachebeamte traten ein. Einer trug ein Tablett, der andere hatte seine Waffe auf Lunch gerichtet.
"Du bist hier im Gefängnis der östlichen Hauptstadt. Wir haben bei dir die einzigartigen Silbermünzen gefunden, die vom Raub vor zwei Wochen stammen. Sie sind ganz frisch geprägt und nur deine Fingerabdrücke sind drauf. Leugnen ist zwecklos. Der Richter hat dich im Schnellverfahren zu 30 Jahren Kerker verurteilt."
Lunch fiel der Kinnladen herab. "Drei... dreißig Jahre? Und das für die lumpigen Kröten, die keine zwei Wochen gereicht haben? Bei euch piepst wohl! Ich verlange den Richter zu sprechen, einen Anwalt und ich will meine Knarre zurück!"
"Hahaha..." die beiden Wachmänner lachten aus vollem Hals. "Du bist vielleicht ulkig. Als ob jemand einer so gefährlichen Verbrecherin wie dir eine Knarre geben würde. Iss erst mal, morgen wirst du ins Frauengefängnis verlegt."
Lunch hatte gute Lust, ihnen zu sagen, was sie mit dem Essen anfangen sollten, aber ihr Magen knurrte vernehmlich und so stand sie von der Pritsche auf und ging langsam zum Stuhl, um sich mit einem Knurren darauf fallen zu lassen. Das Frühstück erwies sich als gar nicht so übel. Immerhin hatten die offenbar nicht vor, sie verhungern zu lassen. Lunch griff nach dem Löffel und schaufelte den Haferbrei in sich hinein. Auch von dem Spiegelei mit Toast und den Bohnen in Tomantesauce ließ sie nichts übrig.
Die Kanne Kaffee war ihr sehr willkommen und auf ihre Bitte hin brachte ihr der zweite Wachmann sogar noch eine Karaffe mit Wasser, das sie in sich hinein schüttete. "Die Toilette ist da drüben. Wir sind ein sehr modernes Gefängnis, daher hat jede Zelle ihre eigene", sagte der jüngere Wachmann stolz, als er das leere Tablett abräumte. Lunch nickte nur flüchtig und verkroch sich dann wieder auf die Pritsche. Zusammen gerollt starrte sie auf die Gitterstäbe und fragte sich, ob das dieses Mal wirklich ihr Ende sei. Und wenn, würde es überhaupt etwas ausmachen? Die Überfälle, die Diebestouren hatten seit Jahren einen schalen Geschmack. Gestern war er also wieder gewesen, der dreizehnte Juni. Wieder ein Jahr mehr, sie war wieder ein Jahr älter und er auch. Seufzend streckte sich Lunch aus, verschränkte die Hände unter dem Kopf und starrte zur Decke. Zehn Jahre. Zehn Jahre war es jetzt her, seit sie ihm durch Zufall wieder über den Weg gelaufen war. Besser gesagt ihre andere Hälfte, das Hausmütterchen Lunch. Trotzdem, im Gegenteil zu der andern Lunch, die sich an die Verbrechen der blonden Hälfte nie erinnern konnte, hatte sie Gott sei Dank alle Erinnerungen der blauhaarigen Hälfte.
Das war nicht immer so gewesen, aber in letzter Zeit erging es ihr so. Gut hatte er ausgesehen, glatzköpfig wie immer, in dem üblichen Mönchsgewand. Stark, noch immer die geballte Kraft in Person und kaum älter als damals, wo er sich von ihr abgewendet, sie einfach sitzen gelassen hatte. Obwohl, so richtig zurückgewiesen war sie sich nie vorgekommen, hatte er ja doch nicht einmal in der Zeit, als sie zusammen gewohnt hatten, das kleinste Bisschen Zuneigung erkennen lassen. Höfliche Duldung, ja, damit konnte man seine Haltung am besten beschreiben. Lunch seufzte noch tiefer. Und da war er endlich wieder vor ihr gestanden, nachdem Mr. Satan sich gerade wieder mal zum Champion hatte krönen lassen.
Sie war doch extra zu den Weltmeisterschaften gefahren, hatte sich das Geld für die sündteure Eintrittskarte zusammengestohlen, in der wagen Hoffnung er würde auch da sein. Es hatte sie gewundert, dass dieser rosa Klops, der sich Boo nannte, zwar jeden Gegner alt hatte aussehen lassen, aber nach dem laschen Schlag Satans wie ein Mehlsack umkippte. Roch verdammt nach Betrug, aber ihr konnte das egal sein. Nach der Siegerehrung hatte sie sich mit ihren Ellbogen durch die Menge gepflügt, ständig Ausschau gehalten nach einem Clownsgesicht und einem glatzköpfigen Mönch und gerade als sie die beiden weit vor sich erblickt hatte, musste der Wind ein paar lästige Pollenkörner ihr ins Gesicht blasen ... und ihre blasse Hälfte übernahm. Dass sie danach überhaupt noch an ihn heran gekommen war, konnte als kleines Wunder gelten, war doch die zahme Lunch viel zu weich, um ihr Ziel konsequent zu verfolgen. Nun, immerhin musste er ihren Ruf gehört haben, denn er hatte sich umgedreht und ihr gewunken.
Die zahme Lunch, deren Herz nicht für ihn schlug, hatte ihn ganz einfach nur freundlich angelächelt und nach dem Befinden gefragt. Ein paar nichtssagende Worte, ein paar Floskeln. Dann hatten sich ihre Wege wieder getrennt. Als der nächste Wechsel kam, waren er und Chaozu natürlich längst über alle Berge.
Zehn Jahre. Wenn sie ihn jetzt sehen würde, ob er sie wieder erkennen könnte? Zu viel Sonne, zu viel Stress und zu viele harte Drinks. Die silbernen Haare ließen sich in der blonden Mähne noch gut verbergen, aber die blauhaarige Lunch hatte das letzte Mal ernsthaft versucht, sie auszureißen weil sie aus der blauen Lockenpracht hervorstachen. Auch ihr Gesicht, Lunchs Hände tasteten über Wangen, Mundwinkel und Schläfen, auch ihr Gesicht hatte die jugendliche Glätte eingebüßt. Krähenfüße in den Augenwinkeln, Falten in den Mundwinkeln, sie hätte das Geld wohl besser in eine Schöhnheitsoperation investiert. Ob die zehn Jahre an ihm wieder ohne große Spuren vorbei gegangen waren? Wahrscheinlich.
Das Leben konnte so ungerecht sein, dass es zum Verzweifeln war. Sie, die geführchtete Diebin Lunch saß nun hinter Gitter. Eigentlich könnte sie jetzt auf den ältesten Trick zurückgreifen und mit der braven Lunch wechseln, aber ... irgendwie verspürte sie nicht den Hauch eines Wunsches, sich wieder allein durch die Weltgeschichte zu schlagen. Statt in einem Hinterhof elend zu krepieren, würde sie eben hinter Gitter vor die Hunde gehen. Wen kümmerte das schon? Ihn ganz bestimmt nicht ...
So kam es, dass am nächsten Tag eine zahme, blonde Lunch in den Gefängnistransport kletterte. Handschellen und Ketten an den Beinen machten jede Bewegung mühevoll. Sie murrte nicht, als der begleitende Wachebeamte sie in den hinteren Teil des Wagens stieß und sie unsanft auf die Sitzbank knallte. Die Türe wurde verriegelt, der Fahrer stieg ein, startete den Motor und gab Gas.
Die Straße war holprig und der Fahrer schien es ziemlich eilig zu haben. Lunch wurde ganz schön durchgerüttelt. Der Wachebeamte behielt sie die ersten zwei Stunden über scharf im Auge, als er jedoch bemerkte, wie resigniert das blonde Häufchen Elend auf der harten Bank hockte, ließ seine Wachsamkeit deutlich nach. Früher hätte Lunch das ausgenutzt, ihm einen Tritt verpasst, dass er das Bewusstsein verlor, ihm die Schlüssel abgenommen und sich befreit, mit seiner Knarre den Fahrer zum Anhalten gezwungen, ihn dann mit ihren Fesseln an den nächsten Baum gekettet (natürlich nicht ohne ihn wie den Wachmann um ihre Wertsachen zu erleichtern). Ja, so war sie früher gewesen. Vielleicht hatte ihn das abgeschreckt. Wenn ihre weiche Hälfte dieselben Gefühle für ihn gehegt hätte, dann, ja dann wäre dieser vielleicht vergönnt gewesen, sein fernes, gut gehütetes Herz zu erreichen. Doch da dem eben nicht so war, hatte es wenig Sinn, einem "Was wäre gewesen wenn..." nachzutrauern.
"Wie lange dauert es noch?", fragte sie den Wachmann. Der, überrascht, dass die bis dahin schweigende Gefangene überhaupt ein Wort von sich gab, sah auf die Uhr. "Etwa zwei Stunden noch."
"Ich sollte mal für kleine Mädchen."
"Das geht im Moment nicht!", kam es aus der Fahrerkabine, die über eine Sprechanlage mit dem hinteren Bereich verbunden war. "Wir fahren gerade durch ein Waldgebiet, aber in etwa einer Viertelstunde erreichen wir eine Ortschaft. Dort machen wir beim Wirtshaus halt und du kriegst auch was zu trinken."
Protestieren machte ohnehin keinen Sinn, also nickte Lunch nur, und versank wieder in ihrem Jammertal, wo sie seit gestern Abend nicht mehr heraus gefunden hatte.
Plötzlich, es waren vielleicht fünf Minuten seit ihrer Frage verstrichen, trat der Fahrer mit einem Fluch auf die Bremse. Genau vor ihnen lag ein Baumstamm über der Fahrbahn. "Was machen wir jetzt?", fragte der Fahrer den Wachmann. Lunch war es egal, solange es rasch ging.
"Ich werde aussteigen und ihn zur Seite ziehen", sagte der Wachmann. "Du wirst die Türe entriegeln müsen."
"Mach ich!", der Fahrer zog den Schlüssel ab, stieg aus und entriegelte die rückwärtige Türe, sodass der Wachmann austeigen konnte. Zur Sicherheit zog dieser noch seine Waffe und kletterte dann aus dem Wagen. Nach rechts und links sichernd ging er zur Krone des Baumes und versuchte, an einem Ast zu zerren. Natürlich war der Baum viel zu schwer für ihn allein. Der Fahrer musste mit anpacken und gerade, als sie es geschafft hatten, den Stamm von der Straße zu zerren, hörten sie hinter sich das drohende Geräusch des Entsicherns eines Revolvers. "Darf ich die beiden Herren ersuchen, ihre Pfoten in den Himmel zu heben?", fragte eine kultivierte, junge Stimme.
"Wer bist du? Ein Komplize von ihr?", fragte der Wachmann gefasst. "Ihr werdet nicht weit kommen, ihr Gesicht ist durch die Fernsehfahndung selbst im kleinsten Kaff bekannt." "Wer ist diese "sie"?", fragte die Stimme verwundert. Dann erst schien er zu bemerken wen er vor sich hatte. "Ah... so ist das also. Hmm... Ich schätze ich sollte euch das Licht ausknipsen für eine Weile. Nicht persönlich gemeint, aber ich habe etwas gegen Gefängnisse..."
"Das ka...", fing der Fahrer an zu protestieren, aber da traf ihn schon etwas hartes an der Schläfe und er sackte zusammen. Dem Wachebeamten blieb nur ein Augenblick mehr, ehe ihn das gleiche Schicksal ereilte.
Der Besitzer der Pistole und der jungen Stimme bückte sich und nahm den beiden ihre Geldbörsen, wie sämtliche Schlüssel ab. Er sah zu dem Transporter hinüber und überlegte. "Nun ja, warum nicht?"
Lunch wartete ungeduldig darauf, dass es endlich weiter ging. Wie lange brauchten diese beiden Trottel, um einen Baumstamm von einer Straße zu ziehen? Sie musste wirklich dringend und Durst hatte sie auch.
Endlich wurde die Türe des Transporters geöffnet und helles Tageslicht flutete in den fensterlosen Bereich, der nur von der schwachen, künstlichen Beleuchtung erhellt worden war. Geblendet kniff sie die Augen zu und drehte den Kopf weg.
"Willst du da drin Wurzeln schlagen, Blondy?", fragte eine ihr unbekannte Stimme. "Die beiden Esel habe ich schlafen geschickt."
Lunchs Augen gewöhnten sich langsam an die Helligkeit und sie konnte die Waffe in der Hand des Sprechers erkennen, auch wenn sein Gesicht im Schatten verborgen blieb. Offenbar hatte sie keine andere Wahl, als zu gehorchen.
Mühsam schleppte sie sich bis zur Türe und versuchte dann zu springen. Leider verhedderte sich ihre Kette und sie stürzte - genau auf den Räuber. Der Schuss, der sich dabei aus dem Revolver löste, strich haarscharf an ihrer Schläfe vorbei und bohrte sich durch das Dach des Wagens.
Beide gingen sie zu Boden. "Mal langsam, Blondy. Du musst mir deswegen nicht gleich um den Hals fallen."
"Tu ich ja gar nicht, du Greenhorn", knurrte Lunch und wälzte sich zur Seite.
"Uff, ich dachte schon, ich krieg gar keine Luft mehr." Ihr Befreier rappelte sich auf. "Donnerwetter, dich haben sie aber gut verpackt. Du bist wohl 'ne große Nummer, wie? Was hast du angestellt?"
"Was geht dich das an?" Mühsam kam Lunch wieder auf die Beine und hielt sich an der offenen Türe des Wagens fest. In ein paar Schritt Entfernung wucherte passend dichtes Buschwerk. Papiertaschentücher wusste sie im Hosensack ihres orangen Gefängnisoveralls und so humpelte sie vorsichtig, aber zielstrebig auf die Büsche zu.
"Halt, warte doch!" Ihr Befreier stellte den Fuß auf die lange Kette, die sie hinter sich herzog und um ein Haar wäre sie erneut gefallen. "Hast du nicht etwas vergessen? Oder willst du bis an dein Lebensende mit den Eisenteilen durch die Gegend schlurfen?"
"Ist mir herzliche egal", gab Lunch müde zurück. "Ich muss nur mal für kleine Mädchen und den Schlüssel habe ich nicht in der Tasche."
"Aber ich", grinste der schwarzhaarige, junge Mann und wirbelte den Schlüsselring des Wachebeamten am Zeigefinger im Kreis, dass die Schlüssel klirrten.
"Aber, ich denke nicht, dass ich sie brauchen werde". Er schloss die Faust um die Schlüssel, drückte einmal kräftig zu und öffnete die Faust wieder. Die völlig verbogenen Schlüssel landeten zu seinen Füßen. Lunch kam das ganze Theater, das her vor ihr abzog völlig übertrieben vor. Verärgert machte sie abrupt einen Schritt nach vorne und brachte den Youngster dadurch aus dem Gleichgewicht, sodass er auf seinen vier Buchstaben zu sitzen kam. "Sorry, aber ich habe jetzt keine Zeit, deine Superkräfte und deinen coolen Auftritt zu bewundern", sagte sie knapp und schleppte sich hinter die Büsche.
Der junge Mann starrte ihr ein wenig verblüfft hinterher und fing dann zu lachen an. Er grinste als sie nach einer Weile wieder auftauchte. "Darf ich dir jetzt die Ketten abnehmen?", fragte er ironisch.
"Wozu?" Zum ersten Mal sah sie ihn offen an.
Die Mutlosigkeit und Resignation in ihrem Blick erschreckten ihn. Doch er fasste sich rasch wieder, trat stumm an sie heran und brach die Handschellen mit bloßen Händen auf. Auch die Ketten fielen nach ein wenig handfester Aufforderung und sie konnte sich seit langer Zeit wieder strecken, was sie auch genüsslich tat.
"Was wirst du jetzt anfangen?", fragte er sie.
"Das weiß ich nicht", war ihre monotone Antwort.
"Weißt du was?", sagte er nach kurzer Überlegung. "Warum kommst du nicht mit mir? Ich habe eine kleine Hütte ganz in der Nähe, da kannst du bleiben bis du dich entschieden hast." Da das so gut war wie alles andere, nickte Lunch ohne großen Enthusiasmus und trabte hinter ihm her durch den Wald. Die Hütte lag wirklich gut verborgen und war ein massiver Bau aus Holz mit einem roten Ziegeldach. "Es ist nicht sehr luxuriös und für Gäste bin ich eigentlich nicht eingerichtet", entschuldigte er sich ein wenig verlegen und riss die Türe auf. Ein Schwall staubiger Luft fegte Lunch ins Gesicht, sie wandte den Kopf ab und griff sich an die Nase, aber es war zu spät. "Haa...tschi!"
"Gesundheit!", lachte der schwarzhaarige junge Mann. "Ich bin nicht der häusliche Typ..." Er wollte ihr zu zwinkern und erstarrte. Statt der resignierten, mürrischen Blondine stand da auf einmal eine komplett andere Frau mit freundlichem Gesicht und langen, dunkelblauen Locken.
"Was ... wie... wer bist du?", fragte er misstrauisch und wich von ihr zurück. "Hat sich mein anderes Ich noch nicht vorgestellt?", wunderte sich die zahme Lunch. "Sie hat aber auch gar keine Manieren. Autsch!" Sie bückte sich und betastete ihre wund geriebenen Knöchel. "Hat sie wieder etwas angestellt?", fragte sie den immer noch perplexen jungen Mann.
"Nun ja, ich weiß es nicht genau", rang sich dieser ab. "Jedenfalls saß sie in einem Gefangenentransporter. Ich habe sie da raus geholt." "Wie schrecklich!" Lunch legte entsetzt die Fingerspitzen auf die Lippen. "Es musste wohl eines Tages soweit kommen mit ihr. Ständig Banken ausrauben und Leute überfallen - das ist ja kein Leben."
"Ähhh...", er rückte sein rotes Halstuch zurecht. "eigentlich ... eigentlich ist das gar nicht so schlecht, so lange man sich nicht erwischen lässt."
"Also ich finde das nicht in Ordnung", sagte Lunch entschieden. "Aber es scheint, als verdanken wir beide dir, dass wir da wieder raus gekommen sind. Normalerweise schafft sie es allein aber in letzter Zeit hat sie nur noch getrunken, wenn sie an der Reihe war. Bin ich froh, dass ich ihren Brummschädel nicht haben muss." Da er immer noch in der Tür stand, entsann sie sich ihrer guten Manieren. "Entschuldige, ich habe mich ja noch gar nicht vorgestellt." Sie verbeugte sich. "Ich bin Lunch, zumindest eine von uns zweien. Jedesmal wenn eine von uns niest, nimmt die andere ihren Platz ein. Das ist auf die Dauer ziemlich anstrengend. Und wer bist du?"
"Ich? Oh, mein Name ist C17. Ich bin ein Cyborg."
"Was ist ein Cyborg?", fragte Lunch.
"Eine Minschung aus Mensch und Roboter", erklärte C17. "Ich bin sehr stark und sehr gefährlich."
"Aha", Lunch zeigte sich kein bisschen beeindruckt. "Heißt das, dass man dich jeden Tag ölen muss? Kann man dich irgendwo aufmachen, falls du mal ein Rad ab hast oder eine Schraube locker ist? Lebst du von Strom oder von Benzin?"
"Nein und nein und weder noch", sagte C17 ob ihres Mangels an Furcht verunsichert. "Bis auf meine Kraft und Geschwindigkeit ist alles andere wie bei allen Menschen. Ich esse, schlafe, trinke und blute."
"Das ist gut." Lunch klatschte erfreut in die Hände. "Mit Maschinen kenne ich mich nämlich nicht so toll aus." Sie warf einen Blick durch die offene Tür. "Sieht so aus, als könntest du ein bisschen Hilfe gebrauchen, C17. Hast du irgendwo eine Schürze?"
"Ich glaube nicht", sagte er verwundert, als sie die Hütte betrat, vor der zweiten Schwelle aus ihren Stiefeln schlüpfte und nach dem Besen griff.
"Dann solltest du eine besorgen. Ich brauche auch noch Flüssige Seife, Holzpflegemittel, einen Kübel, mindestens dreißig Putzlappen, einen großen Zuber, eine Wäscheleine, viele Wäscheklammern, Seifenpulver und ein Waschbrett, Nähzubehör, ein Set neuer Töpfe, Gemüse, Eier und..."
Es endete damit, dass C17 alles niederschrieb und sich dann ohne Widerworte aufmachte, die geforderten Dinge zu besorgen. Dazu flog er in die nächste, größere Stadt, versteckte sein schwarzes Haar unter einem Hut und nahm das Halstuch ab.
Bis er alle Dinge beisammen hatte, war es Abend. Ein Glück dass er noch nicht dazu gekommen war, die Beute seiner letzten fünf Überfälle zu verschleudern. So konnte er wenigstens alles bar bezahlen. Mit einem Berg an Einkäufen flog er zurück, wo Lunch auf ihn wartete. "Ich kann nicht anfangen, wenn ich das da nicht habe", sagte sie und fischte aus dem Berg von Waren den Mundschutz, auf dem sie bestanden hatte. Ihre Stimme klang durch die Gaze etwas dumpf. "Bei all dem Staub muss ich sonst sicher niesen und die andere Lunch versteht kein bisschen was vom Kochen und Putzen."
Sie begnügte sich nicht damit, die Arbeit alleine zu tun. Mit ihrem warmen Lächeln und einem bittenden "Wäre es schlimm, wenn du ...?" oder "Könntest du vielleicht ganz kurz mal..." hatte sie ihn am Haken. Die Sterne standen bereits am Himmel als sie mit fröhlichem Summen die letzte Priese Salz in den Suppentopf streute und "Essen ist fertig!", nach draußen rief, wo er den letzten Eimer Putzwasser in den Bach kippte. Aus dem Rauchfang der Hütte stieg Rauch auf und es roch lecker. C17 beeilte sich mit dem Ausspülen des Eimers und schlüpfte hastig aus den Schuhen, um das Essen ja nicht kalt werden zu lassen.
"Ich hatte leider nicht mehr die Zeit, eigenes Brot zu backen", sagte sie und deutete mit dem Kopf auf den dunklen Brotlaib, der auf einem Holzbrett lag. "Würdest du bitte...?"
Er ließ sich nicht lange bitten und schnitt dicke Scheiben ab. Der kräftige Linseneintopf schmeckte besser als alles, was er in letzter Zeit selbst fabriziert oder gestohlen hatte. Natürlich wurde er hinterher mit freundlichem Lächeln gebeten, doch beim Abwasch zu helfen. Doch irgendwie rundete das die heimelige Atmosphäre ab.
"Morgen kümmere ich mich um die Wäsche und backe einen Kuchen", versprach Lunch und sah sich nach einer Schlafgelegenheit um.
"Du kannst das Bett haben", bot C17 ihr an. "ich mache es mir auf dem Boden bequem." "Das ist doch nicht nötig", Lunch betrachtete das breite Bett. "Das ist groß genug für zwei. Hast du zusätzliche Polster und Decken?"
"In der Truhe da hinten", sagte C17 leicht ratlos. Meinte sie das ernst? "Du, ich bin ... ich meine... hast du ...?" Wie sollte er es nur zur Sprache bringen, ohne gleich rot zu werden? "Ja?" Sie beugte sich weit vor, um die Decken aus der tiefen Truhe zu angeln. Dabei war ihr wohl gerundetes Hinterteil trotz des losen Overalls (C17 ärgerte sich, dass er nicht daran gedacht hatte, ihr Kleider mit zu bringen...) gut zu erkennen. Die Decken im Arm drehte sie sich zu ihm um. "Was wolltest du fragen, C17?" Trotz ihres nicht zu leugnenden Alters, sie könnte fast seine Mutter sein, hatte sie die unschuldige Ausstrahlung eines jungen Mädchens. Er schluckte und schüttelte den Kopf. Unmöglich, er konnte unmöglich so etwas zur Sprache bringen. "Ach nichts ... nur, es könnte unbequem werden, ich äh ... habe einen unruhigen Schlaf."
"Das macht doch nichts!", lachte sie. Sie rollte zwei der Decken zu einer dicken Wurst und legte sie genau in die Mitte des Bettes. Ein Polster links, eines rechts und genauso verfuhr sie mit den beiden restlichen Decken. "Damit wäre das Problem gelöst, oder? Da ich bisher immer allein geschlafen habe", ihr entging der erstaunte Ausdruck auf seinem Gesicht, "weiß ich auch nicht, ob ich vielleicht im Traum um mich schlage oder schnarche."
Aus der Truhe holte sie sich noch zwei dicke Handtücher und eines seiner vielen Hemden. "Kann ich mir das ausborgen? Ich mag in dem dreckigen Overall nichts ins Bett liegen, wo ich es doch frisch bezogen habe."
Er konnte nur nicken. Mit Seife, Handtuch und dem Hemd ging sie fröhlich summend hinaus, um die Hütte herum zum Bach. Ein paar Meter bachaufwärts hatte ein kleiner Wasserfall einen Tümpel geschaffen. Sie schien sich keine Gedanken wegen etwaiger Spanner zu machen. In aller Ruhe zog sie den Overall aus, und stieg, nur mit der Wäsche bekleidet in den kalten Tümpel. C17, der ihr in einiger Entfernung gefolgt war, bekam bei dem Anblick kaum Luft. Ein dünner Blutsfaden rann aus seiner Nase und er drehte sich mit knallrotem Gesicht hastig zur Hütte. Hinter seinem Rücken hörte er nur das Rauschen des kleinen Wasserfalls, wofür er dankbar war. Er ging außer Sichtweite, wischte sich mit ein paar Blättern das Blut ab und wartete bis er sicher war, dass sie ihr Bad beendet hatte. Er wollte gerade wieder näher heranschleichen, da hörte er einen Schrei
Ende des 1. Teiles
